Der Tote vom 8. Loch - Volker Jochim - E-Book

Der Tote vom 8. Loch E-Book

Volker Jochim

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Detective Sergeant Tyler Holmes von der Oxforder Polizei wird nach Woodstock, einem kleinen Ort in Oxfordshire, strafversetzt. Gleich an seinem zweiten Arbeitstag findet man auf einem Golfplatz in der Nähe eine übel zugerichtete Leiche. Sein bisheriger Vorgesetzter, DCI Cooper, übernimmt den Fall. Der Tote wird als Eigentümer des Herrenhauses "Woodstock Manor" identifiziert, doch Holmes glaubt nicht daran und ermittelt mit seinen neuen Kollegen auf eigene Faust weiter. Für ihn gibt es noch zu viele offene Fragen. Zum Beispiel warum der Tote ausgerechnet am achten Loch platziert wurde. Das muss eine Bedeutung haben, glaubt Holmes. Bei seinen Ermittlungen wird er mit einem älteren Fall konfrontiert. Gibt es da eine Verbindung zu dem Toten vom Golfplatz?

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Seitenzahl: 137

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Volker Jochim

Der Tote vom 8. Loch

Ein Oxford Krimi

Kriminalroman

Impressum

© 2018/2023 Volker Jochim

Umschlag, Illustration: trediton,

Verlag und Druck: tredition GmbH,

An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg

2. Neuauflage

ISBN

Paperback

978-3-347-81306-9

Hardcover

978-3-347-81307-6

E-Book

978-3-347-81312-0

Printed in Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

1

Detective Sergeant Tyler Holmes verließ seine Wohnung und machte sich auf den Weg zur St. Aldates Polizeistation in Oxford.

Als seine Eltern vor ein paar Jahren bei einem Unfall ums Leben kamen, hinterließen sie ihm etwas Geld und das Haus. Er vermietete die Wohnung im Erdgeschoss und richtete sich in den beiden oberen Etagen ein. Mit den Mieteinnahmen konnte er sein mageres Polizistengehalt aufbessern und ein annehmliches Leben führen. Große Ansprüche materieller Art hatte er ohnehin keine.

Sehr zum Leidwesen seiner Eltern hatte es ihn nach einem hervorragenden Abschluss am alt ehrwürdigen Merton College in den Polizeidienst gezogen.

Er stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz ab und betrat das Gebäude, wo er direkt von einem Kollegen angesprochen wurde.

„Sie sollen sofort zum Chef kommen, Sergeant.“

„Wissen Sie was er will?“

„Nein, aber er hat keine gute Laune.“

„Danke.“

***

Detective Chief Inspector James Cooper, ein korpulenter Mann in den Fünfzigern, saß hinter seinem Schreibtisch und schäumte vor Wut. Die Finger seiner linken Hand trommelten ein unaufhörliches Stakkato auf die Tischplatte.

„Was haben Sie sich bloß dabei gedacht, Sergeant?“, brüllte er den jüngeren Mann an, der in lässiger Haltung vor ihm stand. „Nein, sagen Sie am besten nichts!“

„Ich weiß ja nicht einmal, von was Sie sprechen, wie sollte ich da auch antworten, Sir?“

„Ich rede von dem Prozess, den Sie versaut haben, Sergeant. Die Staatsanwaltschaft hat uns wissen lassen, dass der Richter die Klage wegen Mordes nicht mehr zulassen kann. Wir haben uns bis auf die Knochen blamiert. Der Chief Superintendent hat mich auch schon rund gemacht!“, brüllte Cooper weiter und ließ seine rechte Faust auf den Schreibtisch krachen.

„Aber Sir! Wenn das Gericht einen pädophilen Mörder trotz erdrückender Beweislast laufen lässt, ist das doch nicht unsere Schuld.“

„Sie werden ihn ja nicht laufen lassen, aber wegen des Mordes wird er nicht angeklagt werden können, weil Sie die Beweise illegal besorgt haben.“

„…die ich auf seinem Laptop gefunden habe, wäre korrekt, Sir.“

„Sie sind ohne Durchsuchungsbescheid in seine Wohnung eingebrochen und haben den verdammten Rechner gehackt“, tobte Cooper weiter.

„Die Tür war nicht verschlossen und das Passwort des Rechners brauchte ich nicht zu hacken, es stand auf einem Zettel, den er darunter geklebt hatte. Hätte ich auf den Beschluss gewartet, wäre der Kerl über alle Berge gewesen. Sein Koffer stand schon gepackt im Flur. Da war Gefahr in Verzug.“

„Das konnten Sie nicht wissen. Außerdem haben Sie den Angeklagten bei der Festnahme erheblich verletzt“, wischte Cooper den Einwand beiseite.

„Auch das ist nicht ganz korrekt, Sir. Wie Sie meinem Bericht entnehmen können, habe ich vor dem Haus gewartet, bis der Verdächtige erschien. Bei der Festnahme wollte er fliehen, was ich natürlich nicht zulassen konnte. Er stolperte mehr oder weniger über meinen Fuß.“

„Ein gebrochenes Handgelenk, eine gebrochene Nase und diverse Schürfwunden sprechen eine andere Sprache, Sergeant.“

„Er ist unglücklich gefallen, Sir.“

„Sie machen mich wahnsinnig! Jedenfalls konnte das Gericht die vorgelegten Beweise nicht anerkennen und die paar Indizien, die es noch gibt, reichen höchstens für zwei bis fünf Jahre.“

„Was ist das für eine Justiz, die eindeutige Beweise nur wegen einer Formalie ablehnt und ein überführter Mörder deswegen mit einer lächerlichen Strafe davon kommt? Dieses System ist krank, Sir.“

„Ich habe jedenfalls genug und der Chief Superintendent auch. Sie werden versetzt.“

Detective Sergeant Tyler Holmes sah seinen Vorgesetzten ungläubig an.

„Habe ich das jetzt richtig verstanden? Ich soll weg aus Oxford?“

„Sie haben es richtig verstanden. Der Chief hat Sie mit sofortiger Wirkung nach Woodstock versetzt.“

Sergeant Holmes war die Farbe aus dem Gesicht gewichen.

„Nach Woodstock?“, stammelte er ungläubig.

„Genau, nach Woodstock.“

„Aber Sir, das ist doch ein Dorf. Da gibt es wahrscheinlich nicht einmal eine Polizeistation.“

Chief Inspector Cooper hatte sich beruhigt und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

„Dorf würde ich jetzt nicht sagen“, meinte er süffisant, „es ist eine nette kleine Gemeinde mit einer netten kleinen Station der Thames Valley Police. Dort melden Sie sich morgen bei Sergeant Liam Burke zum Dienst. Er leitet den Laden. Und seien Sie froh, dass Sie Ihren Rang behalten dürfen. Ich frage mich ohnehin, wie Sie jemals den Eignungstest zum Sergeant bestehen konnten.“

„Das ist einfach, Sir. Etwas Allgemeinbildung und ein wenig Hirn reichen da völlig aus.“

Coopers Blutdruck war bei dieser Bemerkung wieder bedrohlich gestiegen.

„Raus!“, brüllte er. „Und passen Sie auf was Sie tun, sonst stehen Sie bald an einer Straßenecke und regeln den Verkehr.“

„Sir!“

Etwas fassungslos, diese Umschreibung traf seinen augenblicklichen Gemütszustand wohl am ehesten, verließ er das Büro. Und wäre das nicht schon genug, standen seine hämisch grinsenden Kollegen im Flur Spalier. Er hatte wahrlich keinen leichten Stand und nun noch die Versetzung in die tiefste Provinz von Oxfordshire. Dabei wollte er doch nur seinen Job machen und den machte er, zumindest seiner Meinung nach, sehr gut. Bereits als jungem Constable gelang ihm die Überführung einer Mörderin, die einen College Professor vergiftet hatte. DCI Cooper hatte sich damals an dem Fall die Zähne ausgebissen. Neugierig las er seinerzeit die Akte, die er zufällig auf dem Schreibtisch seines Vorgesetzten gesehen hatte, zog seine eigenen Schlussfolgerungen und überführte die Frau. Cooper hatte ihm das nie verziehen. Nun war er Mitte dreißig und noch immer Sergeant.

Nachdem er seinen Schreibtisch ausgeräumt hatte, ging er die Straße hinunter zum Pub und bestellte sich ein Pint Bitter. Damit setzte er sich in den Garten und blickte melancholisch auf die Themse, auf der einige Boote in der Vormittagssonne schaukelten.

Warum mochte ihn niemand? Er war doch, wie er selbst fand, ein ganz netter Kerl und dazu noch überaus intelligent. Schon auf dem College wurde er gemieden weil er, wie bei einem lockeren Osterspaziergang, durch seine Studienfächer marschierte, während die anderen sich alles mühsam erarbeiten mussten. Konnte er etwas dafür? Er solle seine Überlegenheit nicht so heraushängen lassen, hatte sein Tutor ihm empfohlen.

Holmes trank sein Bier aus und ging nach Hause. Für heute hatte er genug. Seine Wohnung würde er auf jeden Fall behalten. Die dreißig Minuten Fahrzeit von und nach Woodstock nahm er gerne auf sich.

2

Es war kurz vor acht Uhr, als Tyler Holmes seinen Wagen, einen alten dunkelgrünen Morris Minor, auf den Parkplatz der Polizeistation von Woodstock lenkte. Dass es sich um eine Polizeistation handelte, konnte man auf den ersten Blick nur an dem Schild neben der Einfahrt erkennen. Sonst erinnerte der kleine Backsteinbau eher an eines dieser dörflichen Einfamilienhäuser.

Oxford war schon keine Metropole, aber auf dem Weg hierher hatte er das Gefühl mitten in ein Niemandsland zu fahren.

Er nahm gerade seine Aktentasche vom Beifahrersitz, als er plötzlich angesprochen wurde.

„Hier können Sie nicht stehen bleiben. Das ist der Parkplatz der Polizei. Steht auch vorne auf dem Schild.“

Holmes drehte sich langsam um und sah in das sommersprossige Gesicht eines jungen Polizisten.

„Ich bin von der Polizei, Constable. Detective Sergeant Holmes.“

„Ach Sie sind das.“

„Wenn Sie mich bitte bei Sergeant Burke melden würden.“

Der junge Mann sah ihn verständnislos an.

„Melden? Gehen Sie einfach rein. Er sitzt drin. Ist nicht zu übersehen. Bis später.“

Damit drehte er sich um, warf noch einen mitleidigen Blick auf das Auto und verschwand. Holmes betrat das Gebäude und stand in einem größeren Raum. An den Wänden standen Aktenschränke und dazwischen hingen Straßenkarten. Es gab drei Schreibtische. Der vordere war frei. An dem mittleren saß ein schmaler junger Mann mit blondem Bürstenhaarschnitt und an dem hinteren Tisch thronte ein breitschultriger, untersetzter Mann mittleren Alters, mit feuerroten lockigen Haaren und trank Kaffee.

„Sergeant Burke?“

Der Mann musterte Holmes über den Rand seiner Kaffeetasse.

„Ja. Können wir etwas für Sie tun?“

„DS Tyler Holmes. Ich sollte mich heute bei Ihnen melden.“

„Ah, Sie sind also der Wunderknabe aus Oxford. Hab schon einiges von Ihnen gehört.“

Dabei grinste er den jungen Mann am anderen Schreibtisch an, der dümmlich zurückgrinste.

„Ich hoffe nur Gutes.“

„Ich denke eher das Gegenteil, aber hier können Sie ja nicht viel verkehrt machen. Und keine Extratouren, klar?“

„Darf ich fragen wie Sie das meinen?“

„Ich meine, dass Sie das machen, was ich sage“, brummte Burke und der junge Mann grinste weiter.

„Der da drüben ist Constable Richardson. Constable Chapman haben Sie verpasst. Der dreht gerade seine Runde. Mehr Leute gibt’s hier nicht.“

„Danke, wir hatten draußen bereits das Vergnügen. Wo ist mein Platz?“

„Wie Sie sehen, haben wir nur drei Schreibtische und die sind belegt. Aber Sie können sich vorne an den Tisch bei der Tür setzen. Im Keller gibt’s wohl auch noch einen Stuhl. Tom, zeig dem Sarge wie er in den Keller kommt.“

„Die mögen mich hier auch nicht“, dachte Holmes, als er dem schlaksigen Constable zur Kellertür folgte.

Unten fand er nur zwei völlig verstaubte, einfache Holzstühle, von denen er einen mit nach oben nahm. Ein unbequemer Stuhl fördert die Denkfähigkeit. So konnte er der Sache doch noch etwas Gutes abgewinnen, währen Burke und Richardson belustigt zusahen wie er das Sitzmöbel reinigte.

„Übrigens, da hinten können Sie sich einen Tee, oder Kaffee machen. Wie wär’s, wenn Sie zum Einstand eine Packung spendieren würden?“

„Gerne, lieber Kaffee und wo bekomme ich wel- chen?“

„Gehen Sie einfach rechts runter bis zur Oxford Street. Auf der anderen Seite ist ein Supermarkt. Das finden Sie schon. Der Ort ist ja nicht so groß. Da können Sie unsere schöne und ruhige Gemeinde gleich kennenlernen.“

Holmes schlenderte die Hensington Road hinunter. Eine schmale Straße, an der sich auf beiden Seiten kleine Häuser aus Naturstein aneinander duckten. Doch, er hatte recht, es war ein Dorf.

In dem kleinen Markt, Supermarkt war wohl etwas übertrieben, erstand er den Kaffee und eine Packung Sandwiches. Da es höchstwahrscheinlich ohnehin nichts für ihn zu tun gab, setzte er danach seinen Rundgang fort. Das Rathaus, ein nettes Café, einen Pub, Buchläden und sogar ein Restaurant mit annehmbarer Speisekarte. War vielleicht doch nicht so schlecht hier.

Zurück in der Polizeistation stellte er den Kaffee auf das Sideboard neben die Maschine, setzte sich an seinen Tisch und packte sein Sandwich aus.

Constable Chapman war inzwischen von seinem Rundgang zurück und blätterte in einer Sportzeitung. „Wenn Richardson nachher seinen Rundgang macht, gehen Sie mit. Er wird Ihnen alles zeigen“, rief Sergeant Burke, der sich offenbar in der ganzen Zeit nicht bewegt hatte.

„Ja, Sir!“

„Den Sir können Sie hier weglassen, Sarge.“

„Wenn Sie keinen Wert darauf legen. Übrigens habe ich hier kein Telefon und keinen Computer. Wie soll ich denn arbeiten?“

„Sie haben doch bestimmt ein Handy und so ein Ding zum zusammenklappen.“

„Sie meinen einen Laptop?“

„Genau.“

„Gibt es hier WLAN? Hier ist nämlich keine LAN Dose und ohne WLAN nutzt mich mein Laptop auch nichts.“

„Keine Ahnung, aber da in dem Schrank gibt’s Notizblöcke und Bleistifte.“

Holmes war bedient. Wie sollte er denn hier effektiv arbeiten, wenn er nicht einmal in das Polizeinetzwerk kam?

Das Telefon klingelte auf Chapmans Schreibtisch und der nahm den Hörer ab.

„…oh, wann war das? Und wo? Bleiben Sie dort, wir kommen gleich.“

„Was ist?“, knurrte Burke, der sich offenbar in seiner Ruhe gestört fühlte.

„Mr. Grimes wurde das Fahrrad gestohlen.“

„Dem Lehrer?“

„Ja, das Rad wurde ihm direkt vor der Schule geklaut. So eine Unverschämtheit.“

„Das gibt’s doch nicht! Geh hin und nimm den Sarge mit. Dann hat er wenigstens etwas zu tun.“

„Wer tut denn sowas?“, fragte Chapman entrüstet, als sie auf dem Weg zur Schule waren.

„Ein wahrhaft schlimmes Verbrechen“, entgegnete Holmes ironisch, was dem Constable aber entging.

Vor der Einfahrt zum Schulgelände wartete ein aufgeregter Mann um die fünfzig in einem ausgebeulten Tweed Anzug und Fliege.

„Gut, dass Sie gleich kommen konnten“, empfing er die beiden, „das Rad stand wie immer dort hinten an den Fahrradständern. Ich gehe einmal vor.“

„War das Rad abgeschlossen?“, fragte Holmes.

„Ja, natürlich. Ich schließe es immer ab. Die Kette wurde aufgeschnitten. Sie hängt noch da.“

„Nehmen Sie die Aussage auf, Constable. Ich sehe mich ein wenig um.“

Während Mr. Grimes nervös seine Schilderung wieder aufnahm und Chapman alles fleißig notierte, ging Holmes zu den Fahrradständern. Vier Räder standen dort. Zwei davon schienen recht teuer zu sein. Der hinterste Ständer war frei. Dort hing eine alte Kette mit einem einfachen Vorhängeschloss. Er nahm eine kleine Lupe aus der Tasche und untersuchte die Kette genauer.

„Dachte ich es mir doch“, brummte er und ein breites Grinsen überzog sein Gesicht.

Dann ging er wieder zurück zu den anderen beiden. Chapman hatte gerade seine Notizen beendet.

„War das Rad teuer, Mr. Grimes?“

„Oh ja, es hat über eintausend Pfund gekostet.“

„Dann war es wohl ein besonderes Rad. Hatten Sie es schon länger?“

„Äh, ein paar Wochen, warum?“

„Dann ist es doch bestimmt versichert, oder?“

„Ja, ja, natürlich.“

„Welche Marke?“

Grimes fing an zu schwitzen und sein Gesicht nahm eine rötliche Färbung an.

„Das weiß ich nicht so genau. Ich kann mir so etwas nicht merken.“

„Na, dann fragen wir einmal Ihre Kollegen. Vielleicht kann sich ja jemand an das Rad erinnern.“

„Das geht nicht.“

„Und wieso nicht?“

„Tja, ich hatte das Rad heute zum ersten Mal mit in der Schule.“

„Ach so? Vorhin sagten Sie, dass es wie immer im Fahrradständer stand und dass Sie es wie immer abgeschlossen hätten.“

Grimes lief feuerrot an.

„Äh, ich meinte, ich hätte es jetzt immer dort angeschlossen.“

„Na dann. Gut das war es vorerst. Sie hören von uns. Kommen Sie Constable, gehen wir.“

Die Erleichterung bei Grimes war spürbar. Nach wenigen Schritten drehte sich Holmes noch einmal um.

„Mr. Grimes!“

Der Lehrer blieb wie angewurzelt stehen.

„Sie haben doch bestimmt ein Foto von dem Rad. Ich meine für die Versicherung.“

„Ach ja, entschuldigen Sie. Ich habe hier eine Kopie davon. Hatte ich in der Aufregung vergessen.“

„Vielen Dank, Mr. Grimes. Noch einen schönen Tag.“

„Warum haben Sie den armen Mann so rangenommen, Sarge?“, fragte Chapman auf dem Rückweg. „Er hat doch genug Aufregung gehabt.“

„Sie müssen noch viel lernen, Constable. Das Rad wurde nicht geklaut. Der will seine Versicherung bescheißen.“

„Was?“

Die Entrüstung bei dem jungen Polizisten war sichtbar.

„Ich muss mal an Ihren Computer“, meinte Holmes, als sie zurück in der Polizeistation waren und Constable Chapman erstattete derweil Sergeant Burke Bericht.

„Das glauben Sie doch nicht im Ernst, Holmes!“, brüllte Burke und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Mr. Grimes ist ein hochanständiger Mann und ein angesehenes Mitglied dieser Gemeinde.“

„Ich hab’s!“

„Hören Sie mir überhaupt zu? Was haben Sie?“

„Den fehlenden Beweis. Jetzt können Sie ihn wegen versuchtem Versicherungsbetrug verhaften.“

„Wie sind Sie überhaupt da rein gekommen?“, fragte Chapman erstaunt. „Dafür braucht man doch mein Passwort.“

„Das war nicht schwierig. Da Ihre Merkfähigkeit nicht die beste ist, brauchen Sie etwas, dass Sie sich leicht merken können. Also Geburtsdatum, Name, oder wie in Ihrem Fall, den Bezirks Code und die Ziffern auf Ihren Schulterklappen. Die haben Sie jeden Tag vor Augen, also nahm ich diese zuerst und war drin.“

„Was ist das für ein Beweis?“, tobte Burke weiter, während Chapman immer noch verdutzt auf seinen Computerbildschirm schaute.

„Es ist eigentlich ziemlich offensichtlich. An den Fahrradständern in der Schule standen vier Fahrräder. Zwei davon sehr teuer. Warum wurden die nicht gestohlen? Diese Räder waren mit hochwertigen Stegschlössern, oder mit Kunststoff ummantelten Edelstahlketten gesichert. Das Rad des Lehrers dagegen mit einer billigen, alten und angerosteten Kette und einem einfachen Vorhängeschloss, das im Baumarkt höchsten ein Pfund gekostet hat. Niemand würde sein teures Rad mit solch einer verrosteten Kette sichern. Ein Dieb hätte außerdem das Schloss mit einem größeren Schraubenzieher einfach aufgehebelt, doch es war unversehrt. Dagegen hatte sich jemand die Arbeit gemacht und ein Kettenglied aufgesägt. Dabei hätte eine einfache Beißzange gereicht und es wäre schneller gegangen. Dafür hätte man allerdings etwas Kraft aufwenden müssen, über die Mr. Grimes aber nicht verfügt.“

„Woher wollen Sie das wissen?“, fragte Chapman.

„Seine Hände sind weich wie ein Schwamm. Völlig kraftlos. Im Übrigen habe ich die Sägespuren untersucht. Sie waren keinesfalls von heute, sondern mindestens zwei Tage alt.“

„Wie kommen Sie darauf?“, unterbrach Burke, der bis dahin andächtig zugehört hatte.