DER HEILIGE GRAL (Project 13) - Alex Lukeman - E-Book

DER HEILIGE GRAL (Project 13) E-Book

Alex Lukeman

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Beschreibung

Verschollene Reliquien, mystische Schätze und geheimnisvolle Artefakte – begeben Sie sich zusammen mit der streng geheimen Regierungsorganisation PROJECT auf die weltumspannende Jagd nach den letzten Rätseln der Menschheit. Die Ermordung eines schwedischen Agenten führt Nick Carter, Selena Connor und das PROJECT-Team nach Stockholm. Dort handelt ein Terrornetzwerk inmitten der Flüchtlingsströme mit uralten Artefakten, die aus dem Mittleren Osten nach Europa geschmuggelt werden. Eines davon birgt Hinweise auf eine der begehrtesten Reliquien der Christenheit: den Heiligen Gral. Doch eine Prophezeiung warnt gleichzeitig vor dem Ende aller Tage, sollte der Gral in die falschen Hände geraten. Denn nicht nur das PROJECT ist der Reliquie auf der Spur. Auch die ISIS ist fest entschlossen, sie zu finden, und zusammen mit einem nuklearen Anschlag das Armageddon einzuleiten. Wird dem PROJECT gelingen, woran Könige, Herrscher und Diebe seit Jahrhunderten scheiterten – den Heiligen Gral zu finden? ★★★★★ »Alex Lukeman schreibt mit einem sicheren Gespür für filmische Atmosphäre. Seine fesselnden Romane mit ihren griffigen Plots sind einfach absolute Hits.« - MCSFilm Review Team

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Der Heilige Gral

Project – Band 13

Alex Lukeman

Copyright © 2020 by Alex Lukeman

 

Dieses Werk ist Fiktion. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln vervielfältigt, verbreitet oder übertragen werden, außer nach vorheriger und ausdrücklicher Genehmigung des Autors. (Dieses Werk ist Fiktion.) Namen, Charaktere, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder vom Autor frei erfunden oder als fiktives Element verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.

 

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: THE CUP Copyright Gesamtausgabe © 2023 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Peter Mehler

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-831-7

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Inhaltsverzeichnis

Der Heilige Gral
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Anmerkungen
Danksagungen
Über den Autor

»Weh aber euch, Land und Meer! / Denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen; seine Wut ist groß, / weil er weiß, dass ihm nur noch eine kurze Frist bleibt.«

Offenbarung des Johannes 12, 12

 

Prolog

Mailand, 395 nach Christus

Der Kaiser Roms lag im Sterben.

Der Geruch seines verfallenden, aufgeblähten Körpers füllte den Raum. Seine beiden Söhne waren vor einer halben Stunde bereits nach einem letzten Abschiedskuss fortgeschickt worden, und nun kniete nur noch sein Beichtvater neben dem Bett und rezitierte Gebete. Zwei Generäle des Herrschers sahen dabei zu.

Tod lag in dem Raum.

Der Priester beendete seine Gebete und beugte sich über den Herrscher, um dessen geflüsterte Worte hören zu können.

»Anastasius … schicke sie weg.«

Der Priester erhob sich. Er war eine imposante Erscheinung in seiner schwarzen Robe, ein Mann, der von sich wusste, dass er mit der Autorität Gottes sprach. Sein Blick war grimmig.

»Er befiehlt euch, uns allein zu lassen.«

»Wir müssen Zeuge seines Todes werden.«

Der Sprecher war Stillicho, Leibwache von Honorius, dem zehnjährigen Jungen, der einmal im Westen herrschen würde. Neben ihm stand Flavius Rufinus, Leibwache von Theodosius‹ anderem Sohn, Arcadius. Er würde im Osten herrschen.

»Gehorcht eurem Kaiser.« Die Stimme des Priesters klang ernst. »Bald schon könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt.«

Die beiden Männer verbeugten sich, verließen das Zimmer und schlossen die Tür hinter sich. Theodosius sprach wieder zu dem Priester, kaum lauter als ein Flüstern.

»Wo …?«

»Ich werde es ins Kloster bringen, Eure Majestät. Alles wird gut.«

»Diese Männer … Rufinus und die anderen … sie sind korrupt. Sie dürfen es nicht bekommen.«

Ein starker Hustenfall schüttelte ihn. Er krallte mit seinen Fingern in die Decke und rang nach Luft. Anastasius hielt den Kopf des Herrschers und wischte ihm mit einem Tuch etwas Schleim von den Lippen.

Der Husten ließ nach. Theodosius sank auf seine Kissen zurück. Er hob eine zitternde Hand und deutete auf eine verzierte Kommode am anderen Ende des Raumes.

»… die Kommode …«

Der Priester lief zu dem Schrank, öffnete die Tür, griff hinein und nahm in goldenes Tuch gehülltes Bündel von der Größe eines Brotlaibs heraus. Ein raues Röcheln ließ ihn herumfahren, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Theodosius seinen letzten Atemzug aushauchte.

Der letzte Kaiser des Römischen Reiches war tot.

Der Priester schloss die Augen des toten Mannes, schlug ein Kreuz vor seiner Brust und sprach ein letztes Gebet für Theodosius‹ Seele. Dann schob er das Bündel unter seine Robe, in die geheime Tasche, die er selbst darin eingenäht hatte. Nun konnte er nichts weiter tun, als den Aasgeiern zu gestatten, sich zu versammeln.

Er stieß die Türen auf. Ein Dutzend Menschen warteten in dem Vorzimmer.

»Der Kaiser ist tot.«

»Endlich«, rief Rufinus.

Er schob sich grob an dem weißhaarigen Priester vorbei und lief in das Zimmer, gefolgt von den anderen.

Anastasius wartete, bis alle den Raum betreten hatten, dann huschte er davon. Das Bünder unter seiner Robe fühlte sich heiß an seinem Körper an.

Er war ein alter Mann, und eine lange Reise lag vor ihm.

Kapitel 1

Der Mann auf dem Foto war nackt und an die Seite eines Holzhauses genagelt. Ein Kranz aus Stacheldraht war auf seinen Kopf gedrückt worden. Brandwunden und Löcher verunzierten seinen Leichnam. Er war höchstwahrscheinlich bereits tot gewesen, als die Vögel begonnen hatten, nach seinen Augen zu picken.

Es war ein sonniger Spätherbsttag in Virginia, das Ende des Indian Summers. Die Verandatür stand offen und der Geruch verbrannten Laubs hing in der Luft.

Das PROJECT-Team hatte sich im Büro von Direktorin Elizabeth Harker versammelt. Elizabeth saß an ihrem Schreibtisch, ihre Füße berührten kaum den Boden. Die wenigsten Möbel auf dieser Welt waren für zierliche Personen wie sie entworfen worden. Ihre mangelnde Körpergröße machte sie jedoch mit Eindringlichkeit und Intelligenz wieder wett.

Sie trug die für sie übliche Kombination aus einem schwarzen Hosenanzug und weißer Bluse. Die Bluse verschmolz mit ihrer milchigweißen Haut, von der sich ihre smaragdgrünen Augen stark abhoben – Augen, die vor Lachen funkeln oder Löcher in jemanden bohren konnten, der ihren Unmut auf sich gezogen hatte.

Das Foto warf einen dunklen Schatten auf den ansonsten so schönen Tag. Selena Connor spürte, wie sich ihr beim Anblick der Fotografie der Magen umdrehte.

Nervös strich sie sich eine rötlichblonde Strähne aus der Stirn. Selena war das, was man gemeinhin eine klassische Schönheit nannte. Ihre Augen schimmerten entweder blau oder violett, je nach Lichteinfall. Hohe Wangenknochen und ein Schönheitsfleck über ihren vollen Lippen schufen ein einprägsames Gesicht. Sie war ein Mensch, nach dem sich andere zweimal umdrehten.

Selena war eine der führenden Expertinnen der Welt für alte Sprachen. Sie hatte vor etwa einem Jahr Nick Carter geheiratet, benutzte aber hin und wieder immer noch ihren Mädchennamen, wenn sie sich auf ihre Reputation berufen musste.

Sie reichte das Foto Lamont Cameron, der neben ihr saß.

»Welches kranke Hirn denkt sich denn so etwas aus?«

Er warf einen Blick darauf und schüttelte den Kopf.

»Das menschliche Hirn, denke ich. Der schlimmste Teil der Menschheit.«

Lamont war eine der vier Personen neben Nick Carter, Selena und Ronnie Peete, aus denen sich das Team zusammensetzte. Er war ein Navy SEAL gewesen, bevor Nick und Ronnie ihn für das PROJECT rekrutiert hatten.

Lamonts Gesicht war eine beeindruckende Kombination aus Farben und Kontrasten. Seine blauen Augen stammten von seinen lange vergessenen Ahnen aus Äthiopien. Eine pinkfarbene Narbe hob sich von seiner kaffeebraunen Haut ab, ein Andenken an den Irak, welches über sein rechtes Auge und quer über seine Nase führte. Man musste nur einen flüchtigen Blick auf ihn werfen, um zu erkennen, dass er einige Zeit an Orten verbracht hatte, an denen man sich große Mühe gegeben hatte, ihn umzubringen. Wenn er lächelte, schien es das Natürlichste auf der Welt zu sein. Aber wenn er wütend wurde, konnte man mit seinem Gesicht Kinder in Angst und Schrecken versetzen.

Lamont reichte das Foto an Ronnie Peete weiter.

Ronnie war das Allroundtalent des Teams. Er konnte ebenso problemlos ein Schloss knacken wie ein Gebäude in die Luft jagen. Diese Eigenschaft war eine der Fähigkeiten, die man als Gunnery Sergeant der Marines besitzen musste, seinem früheren Beruf. Er war Vollblut-Navajo-Indianer und sah auch so aus. Man konnte ihn sich ohne weiteres auf dem blanken Rücken eines Pferdes vorstellen, mit dem er sein Kriegsbeil schwingend auf einen zuritt.

Auch er betrachtete das Foto.

»Der Mann starb auf die harte Tour.«

Er reichte das Foto an Nick Carter weiter, Selenas Ehemann und viertes Mitglied des Einsatzteams. Nick führte das Team bei Einsätzen an. Er war ein Major bei den Marines gewesen, bevor Harker ihn angeworben hatte.

»Wer ist er?«, fragte Nick.

Er gab das Foto seiner Vorgesetzten zurück.

»Vilgot Andersson«, erklärte Elizabeth. »Das Foto wurde in Schweden aufgenommen. Er war Teil einer Einsatztruppe, die sich um Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten kümmern sollten. Einige von ihnen sind Terroristen, die sich nur als Flüchtlinge ausgeben. Andersson hatte herausgefunden, dass jemand Antiquitäten aus Orten verkaufte, die im Mittleren Osten von der ISIS erobert worden waren, wie Palmyra oder Nimrud. Die Schweden glauben, dass man ihn umbrachte, weil er einer ISIS-Terrorzelle auf die Spur kam, die Teil eines größeren Netzwerkes ist.«

»Ich verstehe nicht, was das mit uns zu tun hat.«

»Die Schweden sind davon überfordert. Die Verbindung zu ISIS bedeutet nichts Gutes. Sie haben Präsident Rice um Hilfe gebeten, und das sind wir.«

»Überprüfen die Schweden diese Leute denn nicht, bevor sie sie über die Grenze lassen?«

»Das ist ein heikles Thema. Die meisten der Flüchtlinge sind Muslime aus dem Mittleren Osten oder Afrika. Mit ihnen ist eine große Welle der Kriminalität und Gewalt ins Land geschwappt, aber die Polizei ist unterbesetzt und wird zudem von der sozialdemokratischen Regierung ausgebremst.«

»Wieso tut die Regierung dann nichts dagegen?«, fragte Ronnie.

»Die schwedischen Sozialdemokraten stellen das Wohl der Flüchtlinge über das ihrer eigenen Leute. Ihre Gesetze werden sie die nächste Wahl kosten, aber im Moment haben sie noch das Sagen und verfolgen ihre eigene Agenda. Menschen, die sich darüber beschweren, werden in der Presse als fremdenfeindlich und Rassisten abgestempelt.«

»Heißt das, wir werden nach Schweden fliegen?«, fragte Nick.

»Der Präsident bekommt, was er sich wünscht.«

»Was sollen wir da drüben tun?«

»Finden Sie heraus, was Andersson wusste. Oder zumindest, was die Schweden darüber wissen. Er wird Berichte verfasst haben. Versuchen Sie, eine Verbindung zur ISIS zu finden. Wenn Sie eine solche finden sollten, dann folgen Sie ihr. Handeln Sie nach eigenem und bestem Wissen, aber vergessen Sie nicht, dass Sie deren Kommando unterstehen, solange Sie sich in ihrem Land befinden.«

»Ich verstehe nicht, wieso Rice uns für am geeignetsten für diesen Job hält.«

»Vielleicht kann er uns einfach gut leiden«, sagte Lamont.

»Lamont …« In Harkers Tonfall schwang eine Warnung mit.

»Sorry, Direktorin.«

»Wir haben eine Übereinkunft mit den Schweden getroffen. Sie behalten für uns die Russen im Auge, und wir helfen ihnen dafür hin und wieder aus. Quid pro quo. Ich werde sie alle schicken, nur für den Fall, dass sie auf Probleme stoßen.«

»Der Kerl auf dem Foto ist ganz sicher auf Probleme gestoßen«, sagte Ronnie.

»Er muss etwas gewusst haben«, sagte Nick. »Wieso ihn foltern, wenn sie nur seinen Tod gewollt hätten?«

»Es könnte eine Botschaft an die muslimische Bevölkerung vor Ort gewesen sein«, überlegte Selena.

»Wie meinen Sie das?«, erkundigte sich Harker.

»Der Symbolcharakter. Der Mann wurde gekreuzigt. Dafür ist die ISIS bekannt.«

»Wie lautet dann aber die Botschaft?«, fragte Lamont.

»Haltet den Mund. Das Gleiche könnte auch euch widerfahren.«

»War Andersson ein Cop?«, fragte Ronnie.

Harker tippte mit ihren Fingern auf ihren Schreibtisch. »Nein. Er arbeitete für das KSI, das Büro für besondere Einholungen. Das ist mehr oder weniger das schwedische Äquivalent der CIA, wenn auch bedeutend kleiner. Man weiß wenig über diese Organisation in Schweden, wie überhaupt auf der ganzen Welt.«

»Schwedische Spione?«, fragte Ronnie. »Mittlerweile scheint jedes Land seine Spione zu haben.«

»Das KSI ist auf HUMINT spezialisiert, Human Intelligence. Andersson wird über Informanten verfügt haben. Sie werden seiner Spur folgen.«

»Wann sollen wir aufbrechen?«, wollte Nick wissen.

»Morgen. Sie werden einen Linienflug der Scandinavian Airlines nehmen. Das nationale Hauptquartier des KSI befindet sich in Solna, einem Vorort von Stockholm. Ich habe bereits ihre Flüge gebucht. Ihr Kontaktmann wird Major Otto Forsberg sein.«

»Haben Sie uns auch schon ein Hotel gebucht?«, fragte Selena.

»Nein«, antwortete Harker. »Ich dachte, das überlasse ich Ihnen.«

»Und Waffen?«, fragte Nick.

»Die Schweden werden Ihnen nicht erlauben, welche ins Land zu bringen.«

»Das gefällt mir nicht.«

»Dagegen kann ich nichts tun. Lassen Sie mich wissen, falls es Probleme geben sollte, und ich werde sehen, was ich tun kann.«

»Ich würde mich besser fühlen, wenn Sie ein Paket an die Botschaft schicken würden, nur für alle Fälle.«

»Das lässt sich einrichten«, sagte Elisabeth.

»Wie ist das Wetter dort um diese Jahreszeit?«, erkundigte sich Lamont.

»Kalt. Aber seien Sie froh, dass es in Stockholm nicht so kalt wie noch weiter nördlich wird.«

Kapitel 2

Es war Nacht, als sie Stockholm eintrafen. Ende Oktober bedeutete in Schweden kürzere Tage und länger werdende Nächte. Die Stadt befand sich bereits im Wintermodus. Die Temperatur betrug frische minus zwei Grad Celsius. Schnee bedeckte das Gelände rund um den Flughafen.

Ein Mann in einem dunklen Mantel kam auf sie zu, als sie sich der Zollabfertigung näherten. Er besaß das Gesicht eines Mannes, der schon mehr gesehen hatte, als ihm lieb war. Er war etwa einen Meter achtzig groß, ungefähr so groß wie Nick und mit dem gleichen ernsten Blick, den Nick sah, wann immer er in den Spiegel blickte. Das war etwas, das die vielen Jahre beim Militär so mit sich brachten. Er war etwa vierzig Jahre alt, mit kurzgeschnittenem blonden Haar. Und er besaß eisblaue Augen, mit denen er Nick und die anderen kurz musterte.

»Nicholas Carter?«

»Ja.«

»Otto Forsberg. Willkommen in Schweden.«

Forsbergs Englisch war gut, mit nur leichtem Akzent. Sie schüttelten sich die Hände. Nick stellte die anderen vor. In Schweden lernte jeder Englisch in der Schule.

»Kommen Sie mit mir«, sagte Forsberg. Er zückte seinen Ausweis und führte sie so ohne Durchsuchung durch den Zoll.

»Haben Sie noch Gepäck dabei?«, fragte er.

»Nein, nur das, was wir bei uns tragen.«

»Gut. Ein Wagen wartet auf uns.«

Als sie das Flughafengebäude verließen und in die schwedische Nacht hinaustraten, traf sie die Kälte mit der Schärfe eines Rasiermessers. Selena stülpte sich die pelzbesetzte Kapuze ihres blauen Parkas über. Der Mantel brachte ihre blauvioletten Augen und ihr blondes Haar zu Geltung. Mit ihren hohen Wangenknochen und der hellen Haut hätten die meisten Schweden für eine Einheimische gehalten.

Sie stiegen in den Wagen, einen schwarzen Volvo, der im Leerlauf vor dem Eingang wartete. Die Heizung lief auf vollen Touren. Nick war froh über die Wärme im Inneren des Wagens.

»Wo werden Sie wohnen?«, erkundigte sich Forsberg.

Selena gab ihm den Namen des Hotels. Forsberg sagte etwas zu dem Fahrer, und dann fädelten sie sich in den leichten Straßenverkehr.

Forsberg öffnete einen Aktenkoffer, der in dem Wagen gelegen hatte, und nahm eine Akte heraus. Er reichte sie Nick.

»Wir werden morgen beginnen. Ich dachte mir, dass Sie in der Zwischenzeit vielleicht wissen wollen, was wir bis jetzt herausgefunden haben.«

»Irgendetwas Neues über die Mörder dieses Mannes?«

»Wir folgen immer noch den Hinweisen.«

»Also keine Neuigkeiten.«

»Noch nicht.«

»Wie lautet Ihr Plan, uns in Ihre Ermittlungen einzubeziehen?«

»Ich will ganz ehrlich sein. Es war nicht meine Idee, Sie hierher einzuladen. Ich wüsste nicht, was Sie besser könnten als wir. Aber nun sind Sie einmal hier, und meine Befehle lauten, einen Weg zu finden, wie Sie sich nützlich machen können.«

»Wir sind froh, uns nützlich machen zu können«, sagte Lamont.

»Das ist eine unangenehme Situation«, sagte Forsberg. »Im Moment bin ich nicht sicher, wie Sie sich einbringen sollen. Aber Sie bringen frischen Wind in die Ermittlungen. Vielleicht fällt Ihnen etwas auf, was wir übersehen haben. Sie wissen ja, wie das ist. Geheimdienstarbeit ist in etwa so, als wäre man Polizist. Die meiste Zeit über betrachtet man unzählige kleine Hinweise, und versucht, sie zu einem Bild zusammenzusetzen, welches für uns Sinn ergibt.«

»Kannten Sie den toten Mann?«, wollte Selena wissen.

»Ja. Ich kannte ihn. Wir sind eine kleine Organisation und er war ein guter Freund. Das Ganze ist sehr persönlich für mich. Ich will die Leute finden, die das getan haben. Wenn Sie mir dabei helfen können, werde ich Ihnen sehr dankbar sein.«

»Wir konnten unsere Waffen nicht mitbringen«, sagte Nick. »Da Sie gerade von dankbar sprachen … das wäre ich auch, wenn Sie uns mit Pistolen ausstatten könnten.«

»Glauben Sie, dass Sie die brauchen werden?«

»Etwas wie die, die Sie unter ihrem Mantel tragen, würde uns schon genügen.«

»Ah, ich hatte nicht geglaubt, dass das so offensichtlich wäre.«

»Was tragen Sie denn bei sich?«, fragte Ronnie.

»Eine Pist88, 10mm. Sie würden sie wahrscheinlich Glock 17 nennen.«

»Um Ihre Frage zu beantworten«, sagte Nick, »ich weiß nicht, ob wir sie brauchen werden, aber ich möchte es ungern erst dann herausfinden, wenn wir in Schwierigkeiten stecken. Wer immer ihren Mann umgebracht hat, fackelt nicht lange. Und falls wir ihn finden sollten, bekommen wir es möglicherweise mit seinen Kumpanen zu tun. Und selbst wenn er allein ist, wird er sicherlich nicht freiwillig mit uns kommen.«

»Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte Forsberg, »aber es ist unwahrscheinlich, dass man es ihnen gestatten wird. Es tragen nicht viele von uns hier Waffen.«

»Mmm«, murmelte Nick.

»Morgen werden wir eines der Flüchtlingszentren besuchen«, erklärte Forsberg. »Das ist der letzte Ort, an dem Andersson lebend gesehen wurde, bevor er verschwand. Ich möchte die Bewohner noch einmal befragen.«

»Bewohner?«

»Es ist ein Wohnhaus, voller Menschen aus Syrien und dem Irak. Es ist kein sehr angenehmer Ort, aber immer noch besser, als in einem Plastikzelt zu hausen. Die Leute dort haben Glück.«

»Das nenne ich mal Glück«, sagte Lamont.

»Sprechen Sie arabisch?«, fragte Selena.

»Nein.«

»Dann könnte ich für Sie übersetzen.«

»Ja, ihre sprachlichen Fähigkeiten wurden in Ihrer Akte erwähnt. Verstehen Sie auch die verschiedenen Dialekte?«

Es gibt immer eine Akte, dachte sie. Manchmal fragte sie sich, ob es irgendeinen Aspekt ihres Lebens gab, der nicht irgendwo in einer Akte vermerkt war.

»Das hängt davon ab, aber prinzipiell ja. Ich beherrsche die meisten Dialekte des Mittleren Ostens.«

»Das ist die erste gute Nachricht, die ich heute gehört habe. Als wir die Leute in dem Zentrum befragten, mussten wir uns auf einen ihrer Dolmetscher verlassen. Ich bin sicher, dass er nicht alles übersetzte. Vielleicht haben Sie mehr Glück.«

Der Wagen hielt vor dem Eingang des Hotels.

»Wir sind da.«

Sie stiegen aus dem Wagen.

»Ich bin morgen früh um 0800 wieder da und hole sie ab.« Er sah auf die Uhr. »Ich sollte mich besser beeilen. Wir haben heute Abend ein spezielles Familienessen geplant. Mein Großvater hat Geburtstag. Er wird zweiundneunzig.«

»Das ist ja fantastisch«, sagte Nick.

»Er meldete sich freiwillig, um im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen zu kämpfen. Ich denke, Ihnen würden seine Geschichten gefallen.«

»War Schweden denn nicht neutral?«

»Nicht alle von uns.«

Forsberg stieg wieder in den Wagen. Sie blickten ihm nach, während er davonfuhr.

»Er schien recht nett zu sein«, sagte Ronnie.

»Soll mir recht sein«, sagte Lamont. »Für gewöhnlich bekommen wir nur zu hören, dass wir uns fernhalten sollen.«

»Früher oder später wird das auch hier jemand sagen«, sagte Nick.

Kapitel 3

Stockholm war auf einem Archipel errichtet worden, einer Reihe von Inseln, durchzogen von Seen und Kanälen. Nicks und Selenas Zimmer blickte auf den See Mälaren hinaus und bot zudem eine gute Aussicht über die Stadt. Auf der einen Seite lag das Rathaus, auf der anderem das schwedische Parlamentsgebäude und die Altstadt.

Das Hotel entsprach dem typischen, gehobenen europäischen Design, mit einem zentralen Wohnbereich, der mit einem hellen Holz vertäfelt war, bei dem sich um Birke oder Esche handelte. Eingelassen in eine der Wände befand sich ein riesiger Fernseher. Das Badezimmer war grau und schwarz gefliest, mit verchromten Akzenten und vielen Spiegeln. Große weiße Keramikschalen auf einer Steinplatte dienten als Waschbecken.

Die Suite wirkte, als wäre sie direkt den Seiten eines modernen Architekturmagazins entnommen worden. Hellblaue, durchsichtige Stoffvorhänge hingen vor einer Reihe von Fenstern, die auf den See hinausblickten.

Die Möbel waren funktional und bequem und bestanden aus Sesseln und einer Couch mit grauen Stoffbezügen, mit dazu passendem durchgehenden Teppichboden und einem polierten runden Tisch. Über diskret versteckte Einbaulampen ließen sich verschiedene Lichtstimmungen erzeugen.

Nick sah sich um.

»Nicht schlecht.«

Selena warf ihre Jacke über den Rücken eines Sessels. »Die Schweden haben ein Händchen für so etwas.«

»Lass uns unten etwas essen und trinken. Könnte für eine Weile unsere letzte Chance sein. Morgen in aller Frühe geht es los.«

»Was ist mit Ronnie und Lamont?«

»Ich rufe sie an. Sie wohnen gleich nebenan.«

Fünfzehn Minuten später saßen sie an der Bar in der Lobby, vor einem massigen Steinkamin, in dem ein Gasfeuer prasselte. Eine Kellnerin brachte ihre Drinks. Ein Wasser für Ronnie, Alkohol für alle anderen.

Alkohol vertrug sich nicht gut mit Ronnies Navajo-Genen. Einer der Gründe, weshalb er sich den Marines angeschlossen hatte, war, den Problemen zu entkommen, die das Trinken in dem Reservat verursachte. Alkohol war auf Stammesgelände in jeglicher Form verboten, aber das hielt die Leute nicht davon ab, sich ständig zu betrinken. Armut und Alkohol gingen in den Reservaten Hand in Hand.

»Das Feuer fühlt sich gut an«, sagte er. »In diesen Tagen macht mir die Kälte zu schaffen, wenn sich das Wetter ändert.«

»Was hast du denn erwartet?«, fragte Lamont. »Du wirst alt. Ich meine, ich bin überrascht, dass du noch keinen Rollator brauchst.«

»Wenn hier einer einen Rollator braucht, dann du«, entgegnete Ronnie.

»Ich kann immer noch schneller laufen als du.«

»Das glaube ich nicht.«

Nick schaltete sich ein. »Lasst uns über den morgigen Tag sprechen.«

»Wann öffnet das Restaurant?«, fragte Lamont. »Haben wir noch Zeit für ein Frühstück?«

»Hier gibt es vierundzwanzig Stunden Zimmerservice. Häng einfach eine von diesen Karten außen an die Türklinke, was du haben willst und wann. Dann bringen sie es dir aufs Zimmer.«

»Mann, ich liebe Hotels wie dieses. Danke, dass du uns hier einquartiert hast, Selena.«

»Gern geschehen«, sagte sie.

Selena hatte ihre Zimmer in dem Hotel aufgewertet, einfach, weil sie es konnte. Das Gleiche tat sie auch mit ihren Flugtickets, wenn sie Linienflüge nahmen. Sie hatte Nick erklärt, dass es helfen sollte, die vielen Male wettzumachen, in denen sie auf einem Bett aus Steinen oder im Sand schlafen mussten, im Schlamm oder im Schnee froren oder Skorpione und Schlangen abwehren mussten. Ein großes Erbe sorgte dafür, dass sie sich um Geld keine Sorgen machen brauchte, und sie beabsichtigte, diesen Umstand zu genießen. Auf irgendeine Weise aber war es ihr gelungen, trotz ihres Wohlstands auf dem Teppich zu bleiben.

»Ich verstehe immer noch nicht, was wir hier tun sollen«, sagte Lamont.

»Das hängt ganz davon ab, was Forsbergs Team herausfindet.« Nick leerte seinen Whiskey und gab der Bedienung das Zeichen, ihm einen weiteren zu bringen. »Du hast ja gehört, was er sagte. Er hofft, dass Selena etwas erhascht, das ihnen bei ihrem ersten Besuch in dem Wohnheim entging. Wir bringen eine frische Sichtweise auf die Dinge mit. Vielleicht finden wir etwas, was ihnen entgangen ist.«

»Uns alle zu entsenden bedeutet, dass Elizabeth der Ansicht ist, es könnte Ärger geben«, sagte Selena.

»Manchmal ist sie recht verschlossen«, antwortete Nick, »aber sie würde nie etwas Wichtiges verheimlichen.«

»Es muss ja auch nichts mit ihr zu tun haben«, gab Ronnie zu bedenken. »Rices Amtszeit ist so gut wie vorbei, aber hätte sicher nichts dagegen, seinem Vermächtnis noch ein paar Erfolge gegen die ISIS hinzuzufügen, bevor er abdankt. Er ist schließlich derjenige, der sie benachrichtigte.«

»Wir wissen noch nicht, ob die ISIS etwas damit zu tun hatte«, sagte Nick.

»Stimmt, aber meiner Meinung nach scheint es recht wahrscheinlich zu sein. Die ISIS jagt Statuen hoch und schändet Skulpturen, wo sie nur hinkommen, aber die kleinen Dinge zerstören sie nicht. Sie verkaufen sie für großes Geld und kaufen sich Waffen davon. Wenn Andersson einem von ihnen auf die Schliche gekommen war, dürfte das Grund genug für sie gewesen sein, ihn umzubringen.«

»So viel zu dem, was der Koran über Bildnisse sagt«, warf Lamont ein. »Keiner ihrer radikalen Ansichten ist noch einen Pfifferling wert, wenn es darum geht, Geld zu scheffeln.«

»Das ist der Klassiker.« Selena hatte sich einen Martini bestellt. Sie nippte an ihrem Glas und stellte es wieder ab. »Ideologien treten hinter Geld zurück. Sie entschuldigen es damit, das Werk der Ungläubigen gegen sie selbst zu verwenden.«

»Die ISIS bedeutet nichts Gutes«, sagte Nick. »Man fragt sich, wie sie tun können, was sie tun.«

»Ich frage mich, wie überhaupt jemand die Dinge tun kann, die sie tun«, erwiderte Lamont.

»Deswegen bist du ja auch einer von den guten Jungs.«

»Der radikale Islam ist nicht rational«, sagte Selena. »Er bedeutet kollektiven Wahnsinn.«

Ronnie wechselte das Thema. »Glaubt ihr, die Schweden werden uns Kanonen geben?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Nick. »Warten wir mal ab, ob Forsberg etwas arrangieren kann.«

Kapitel 4

Am nächsten Morgen wartete Forsberg, bis sich der Volvo von ihrem Hotel entfernte, bevor er mit der Sprache herausrückte.

»Tut mir leid, keine Waffen«, sagte er. »Und falls Sie versuchen sollten, das Verbot zu umgehen, würde ich Ihnen davon abraten.«

»Würde uns im Traum nicht einfallen«, erklärte Nick. »Aber fürs Protokoll – ich denke, das ist ein Fehler.«

»Sie werden sie nicht brauchen«, sagte Forsberg.

»Hoffen wir, dass Sie recht behalten.«

Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend.

Das Flüchtlingswohnheim befand sich in einem Vorort am Rand von Stockholm, in unmittelbarer Nähe zu Agrarland. Etwas eingerückt zur Straße stand ein langes, sechsstöckiges Ziegelgebäude, das einen gesamten Straßenzug einnahm. Es war vor dem Zweiten Weltkrieg erbaut worden und zeigte Anzeichen seines Alters. An der Vorderseite prangten Graffitis in arabischer Sprache. Müll verunzierte das karge Gelände vor dem Haus. Eine Gruppe mürrisch wirkender Männer in Jacken und mit Wollmützen auf dem Kopf umringten ein Feuer, das in einer Mülltonne brannte.

»Lassen Sie den Motor laufen«, befahl Forsberg dem Fahrer. »Wir sollten nicht zu lange brauchen.«

Die Männer vor dem Feuer warfen ihnen feindselige Blicke zu, als sie aus dem Wagen stiegen. Lamont betrachtete das Gebäude. Aus einem Fenster im zweiten Stock sah jemand zu ihnen hinunter. In der obersten Etage zog jemand einen Vorhang zu.

»Keine besonders angenehme Atmosphäre«, sagte Lamont. »Erinnert mich an gewisse Orte in D.C.«

»Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl, was diesen Ort anbelangt«, sagte auch Ronnie.

»Der religiöse Führer hier heißt Abu Sayed Hussein«, erklärte ihnen Forsberg. »Ich möchte zuerst mit ihm sprechen. Diese Leute hören auf ihn.«

»Was sagte er, als Sie ihn das erste Mal befragten?«

Es war kalt. Nick behielt seine Hände in den Taschen. Sein Atem bildete kleine Dampfwölkchen in der Luft, während er sprach.

»Er sagte, er wüsste nichts davon. Aber er verbarg etwas.«

»Ist jeder hier ein Muslim?«

»Ja.«

»Und ist Hussein Sunnite oder Schiite?«, fragte Selena.

»Sunnite. Wir fanden recht schnell heraus, dass es eine gute Idee wäre, die beiden Seiten voneinander fernzuhalten. Sie sind in unterschiedlichen Einrichtungen untergebracht.«

»Die ISIS sind ebenfalls Sunniten«, sagte Nick.

»Soll ich übersetzen?«, fragte Selena.

»Es wäre vielleicht besser, wenn er nicht weiß, dass Sie Arabisch sprechen. Ich rief zuvor an und sprach mit dem Mann, der diesen Ort hier leitet, und ließ ihn wissen, dass wir kommen. Ich bat außerdem um einen Übersetzer. Hussein wird jemand bei sich haben. Ich möchte, dass Sie mir hinterher berichten, ob seine Übersetzung akkurat war. Wenn Sie aber glauben, dass ich etwas fragen sollte, während wir uns unterhalten, dann unterbrechen Sie uns ruhig.«

»Sie rechnen damit, dass er lügt?«

»Mit diesem Typen stimmt etwas nicht«, sagte Forsberg. Er drehte sich Nick und den anderen um. »Ich würde es besser finden, wenn der Rest von ihnen im Wagen bleibt.«

»Wieso?«, fragte Nick.

»Nicht falsch verstehen, aber sie alle zusammen wirken ziemlich einschüchternd. Es ist schon schwer genug, diese Leute dazu zu bringen, mit uns zu reden. Ich möchte nicht, dass sie glauben, wir wären hier, um jemanden festzunehmen. Alle haben Angst, dorthin zurückgeschickt zu werden, woher sie kamen.«

»Sie wissen aber doch bereits, dass wir hier sind«, sagte Nick. »Sie beobachten uns, seit wir vorgefahren sind.«

»Ich weiß, aber wir sollten vorsichtig sein.«

Nick rollte mit den Augen.

Ein schlaksiger Mann mit einem Büschel aschblonder Haare auf dem Kopf trat aus dem Gebäude und hielt auf sie zu.

»Das ist Alf Nilsson«, sagte Forsberg. »Er ist der Leiter hier, aber Hussein ist derjenige, der wirklich das Sagen hat. Ich kenne Alf schon seit Jahren.«

Nick wollte etwas erwidern, behielt es aber für sich.

Nilsson kam zu ihnen. »Guten Morgen, Otto. Hussein erwartet euch.«

»Hallo, Alf«. Die beiden Männer schüttelten sich die Hand.

»Wen hast du da mitgebracht?«

Forsberg stellte Nick und die anderen vor.

»Amerikaner?«, fragte Nilsson.

»Sie sind hier, um zu helfen.« Forsberg führte nicht weiter aus, welche Art von Hilfe das sein sollte.

»Wenn du das sagst. Folgt mir.«

Das Gebäude verfügte über drei separate Eingänge. Nilsson führte Forsberg und Selena und zu dem ganz links. Die Tür öffnete sich zu einem schmalen Flur. Die Luft war geschwängert von Kochdüften und dem sauren Geruch zu vieler Menschen. Auf der rechten Seite führte eine Betontreppe mit einem eisernen Geländer in die oberen Stockwerke. Die gelbe Farbe an den Wänden blätterte ab und offenbarte das Mauerwerk darunter. Eine einzelne Glühbirne erhellte den Flur. Überall waren arabische Graffitischmierereien zu sehen.

»Was wird aus den Leuten, die hier wohnen?«, fragte Selena Nilsson.

»Das kommt darauf an. Manche werden deportiert. Manche werden an einen anderen Ort gebracht. Und manche bleiben hier, in Schweden.«

Nilsson wendete den Blick von ihr ab, während er sprach.

Er möchte nicht darüber reden, dachte sie. Und ich kann es ihm nicht verübeln.

Sie liefen an mehreren Appartements vorüber bis zum Ende des Ganges und klopften dort an eine Tür.

Eine ältere Frau mit einem grauen Tuch über ihren Haaren und ihren Schultern öffnete die Tür. Es war schwer, ihr Alter zu schätzen. Sie schien abgezehrt und wütend zu sein, jene Art von Aussehen, das von Jahren der Armut und der Mühsal herrührte.

Ihre Augen huschten zu Selena, dann runzelte sie die Stirn. »Er erwartet Sie.«

»Ich lasse euch jetzt allein«, sagte Nilsson.

Die Frau machte kehrt und lief davon, ohne sich davon zu überzeugen, ob sie hinter ihr blieben. Sie folgten der Frau in einen großen Raum am hinteren Ende, dessen Fenster auf ein schneebedecktes Feld und ein halbes Dutzend Kinder hinausblickten, die Fußball spielten. Ein abgenutzter Perserteppich bedeckte den Boden.

Abu Sayed Hussein saß auf einem Kissen auf einem niedrigen Podest, ein rundgesichtiger Mann mit fahlem Teint und bekleidet mit einer schwarzen Robe und einem weißen Turban. Eines seiner Augenlider blieb halb geschlossen. Sein dunkles Haar hätte einen Friseur nötig gehabt, und er trug einen dichten, vollen Bart. Ein grünes Banner mit der Aufschrift »Allah ist groß« in weißen arabischen Buchstaben hing hinter ihm an der Wand.

Ein selbsternannter Mullah, dachte Selena. Das hat uns gerade noch gefehlt.

Ein kleiner, rattengesichtiger Mann mit einem dünnen Bart und schwarzen Knopfaugen saß zu Husseins Linken. Er stellte sich selbst als Gabriel vor. Hussein deutete auf die Kissen vor sich. Während Selena und Forsberg darauf Platz nahmen, begann er auf Arabisch: »Major, falls Sie wegen Ihres unglückseligen Freundes hier sind, habe ich Ihnen bereits alles gesagt, was ich weiß.«

Gabriel übersetzte. Seine Augen krochen dabei über Selena.

»Danke für Ihre Gastfreundschaft«, erwiderte Forsberg. »Wir haben nur noch ein paar Routinefragen, die wir Ihnen stellen müssen.«

»Wen haben Sie da mitgebracht?«, fragte Gabriel.

»Sie ist eine meiner Kolleginnen in Ausbildung. Sie ist hier, um zu lernen.«

Hussein deutete auf Selena und sagte etwas auf Arabisch. Er sah zornig aus.

»Es tut mir leid«, sagte Selena. »Ich spreche kein Arabisch. Habe ich etwas falsch gemacht?«

»Sie sind ungebührlich gekleidet«, sagte Gabriel. »Ihr Haar ist unbedeckt.«

»Bitte entschuldigen Sie. Ich lerne noch.«

Selena zog die Kapuze ihres Parkas über ihr Haar. Hussein brummte zustimmend.

Die Frau, die ihnen die Tür geöffnet hatte, kam mit einem Tablett herein und stellte es ab. Sie kniete sich hin und goss Tee aus einer Messingkanne in Gläser ein. Diese reichte sie Forsberg, Gabriel und Hussein und ignorierte Selena. Stattdessen warf sie ihr einen missbilligenden Blick zu und verließ den Raum.

Zum Glück wollte ich keinen Tee, dachte Selena.

Forsberg begann.

»Ich wollte noch einmal zu dem zurückkehren, was Sie uns über Andersson berichteten. Sie sagten, dass er nur einmal hier gewesen ist?«

Der Übersetzer übertrug die Worte für Hussein ins Arabische. Selena hörte zu.

»Dieser schwedische Hund fragt wieder nach dem Mann, der gestorben ist. Er behauptet, du hättest ihm erzählt, dass der Mann nur einmal hier gewesen sei. Er will wissen, ob das der Fall ist. Erzähle ihm einfach, was er hören will, damit er wieder verschwindet.«

»Antworte ihm ja, nur einmal«, sagte Hussein. »Er wird langsam lästig.«

»Er sagt ja, nur einmal.«

»Nun, sehen Sie, dann haben wir hier ein Problem«, sagte Forsberg. »Wir haben kürzlich Anderssons Notizen gefunden. Darin erwähnt er drei Besuche hier, nicht nur einen.«

»Das kann nicht sein«, antwortete Gabriel und wandte sich Hussein zu.

»Er sagt, der Mann wäre dreimal hier gewesen. Ich erklärte ihm, dass das nicht stimmen kann.«

»Sag ihm, wenn der Mann öfter hier war, dann ohne mein Wissen. Sag ihm, dass er mit diesen Vernehmungen meine Gastfreundschaft und die Regeln seiner Regierung missachtet.«

Gabriel wiederholte Husseins Worte.

»Ob es nun drei oder ein Besuch waren, aber dies war der letzte Ort, an dem Andersson gesehen wurde«, fuhr Forsberg fort. »Ein Zeuge beobachtete, wie er vor dem Haus mit einem Mann sprach, bevor er ging. Später an diesem Abend wurde er ermordet. Wir würden diese Person gern ausfindig machen und mit ihr sprechen wollen.«

»Wie sah dieser Mann aus? Wir haben hier viele Männer.«

»Er besaß eine auffällige Narbe an seiner Wange. Ich möchte die anderen hier gern befragen und ihn finden.«

»Er spricht von Achmed. Dieser Narr war so dumm, gesehen zu werden. Das ist nun schon weit genug gegangen. Sag ihm, dass es unmöglich ist, die Männer zu befragen und dass es darüber hinaus hier niemanden mit einer solchen Narbe gibt. Frag ihn, wer der Zeuge gewesen ist. Und dann sag ihm, dass diese Unterredung damit beendet ist.«

»Wer war dieser Zeuge?«, erkundigte sich Gabriel.

»Das kann ich ihnen nicht verraten.«

»Es wird Ihnen nicht möglich sein, mit den Männern zu reden. Außerdem lebt hier niemand mit einer Narbe, so wie Sie sie beschreiben. Diese Unterhaltung ist beendet.«

Gabriel stand auf.

»Was ist mit dem Mann mit der Narbe, den ich draußen sah? Als wir hereinkamen?«, fragte Selena.

»Es gibt keinen solchen Mann. Das Gespräch ist vorbei.«

Husseins Frau hatte an der Tür gelauscht. Nun lief sie in den Gang und klopfte an der Tür der nächsten Wohneinheit. Ein Mann öffnete sie. Die Frau sagte etwas zu ihm. Er nickte, verließ sein Appartement und lief hastig in Richtung Ausgang.

In dem Wohnzimmer erhoben sich Forsberg und Selena. Hussein blieb mit ernster Miene sitzen. Mit einer Handbewegung gab er ihnen zu verstehen, sich zu entfernen.

»Sie müssen jetzt gehen«, sagte Gabriel.

»Gehen wir«, sagte Forsberg zu Selena. Sie verließen den Raum.

»Er log«, sagte Selena, als sie den Flur entlangliefen. »Er kennt den Mann mit der Narbe. Sein Name ist Achmed.«

Nachdem sie gegangen waren, drehte sich Hussein zu Gabriel.

»Schicke Achmed zu dem Bauernhof Feld. Er soll Jamal ablösen.«

»Ich sagte dir, dass der Mord an dem Spion Probleme verursachen würde. Wir hätten seine Leiche verschwinden lassen sollen.«

»Es war ein direkter Befehl von al-Baghdadi. Er wollte ein Exempel statuieren. Möchtest du ihm deine Bedenken mitteilen?«

»Ich wollte nicht respektlos erscheinen.«

»Der Schwede, mit dessen Hilfe wir die Artefakte verkaufen, hat vergessen, wem er sein Glück zu verdanken hat. Er zweigt Profite ab, indem er ausgewählte Stücke für sich behält.«

»Die Schweden sind korrupte Menschen«, sagte Gabriel.

»Ruf ihn an. Drohe ihm damit, die Geschäftsbeziehung zu beenden, es sei denn, er unternimmt etwas, um die Polizei von uns abzulenken. Das wird ihn glauben lassen, dass wir ihm immer noch vertrauen, aber sein Nutzen für uns hat sich überlebt. Nachdem er getan hat, was du von ihm verlangst, wirst du in sein Haus gehen und ihn eliminieren. Bringe dort alles an dich, was zu uns zurückführen könnte.«

Gabriel legte sich seine Hand über sein Herz und verbeugte sich.

»Wie du wünschst, Abu.«

Kapitel 5

Vor dem Gebäude warteten Nick und die anderen neben dem Wagen. Nick sah einen Mann aus dem Haus kommen und zu der Gruppe bei dem Feuer laufen. Er begann, laut zu reden und dabei auf ihr Auto zu zeigen.

»Er scheint ziemlich aufgebracht«, sagte Lamont.

Nick kratzte sich am Ohr. »Das gefällt mir nicht. Wo bleiben Selena und Forsberg?«

»Da sind sie, zusammen mit dem anderen Kerl. Sie kommen gerade heraus.«

Forsberg, Alf und Selena hielten auf den Wagen zu. Aus den beiden anderen Eingängen des Gebäudes strömten ein Dutzend Männer. Einige von ihnen hielten Rohre in der Hand. Nick konnte zudem ein Messer erspähen. Sie sahen grimmig aus.

»Es gibt Ärger.« Nick drehte sich zu dem Fahrer. Er war jung und sah nervös aus. »Machen Sie sich bereit, von hier zu verschwinden.«

»Wir sollten ihnen besser entgegengehen«, sagte Ronnie.

Die Männer, die sich um das Feuer versammelt hatten, hielten nun auf Selena und Forsberg zu, die anderen auf Nick, Ronnie und Lamont.

»Jetzt hätte ich wirklich gern eine Knarre dabei«, sagte Lamont.

»Halte dich nicht zurück«, riet ihm Nick. »Teile so hart aus, wie du kannst. Diese Leute werden versuchen, uns fertigzumachen.«

»Was ist mit Selena?«

»Sie kann auf sich selbst aufpassen, und Forsberg ist bewaffnet.«

»Verstanden«, sagte Lamont.

Nick spürte den Adrenalinschub, als ihn der erste Mann erreichte und mit seinem Rohrstück nach ihm ausholte. Nick wehrte den Schlag ab und brach dem Mann den Ellenbogen.

»Aaaahhhh!«

Der Schrei hallte über den Platz.

Alle Sinne Nicks erwachten. Die Zeit verlangsamte sich. Er bekam mit, wie der rohrschwingende Mann zu Boden fiel, sich den Arm hielt und schrie. Er sah, wie Ronnie und Lamont in die Menge schritten. Sein Training übernahm, mit Reaktionen, die ihm über Jahre hinweg eingetrichtert und in zahllosen Übungsstunden perfektioniert worden waren.

Er spürte, wie seine Schläge landeten. Jemand hieb mit einem Messer nach ihm und schlitzte seine Jacke auf. Er trat dem Mann gegen das Knie, was dieses in einem unmöglichen Winkel abstehen ließ. Der Mann schrie, als er zu Boden ging. Nick trat ihm gegen den Kopf. Das Messer flog ihm aus der Hand. Jemand sprang ihm auf den Rücken. Er packte einen Arm und eine Jacke und warf sich den Angreifer über die Hüfte und zu Boden. Der Kopf des Mannes schlug hart auf dem Boden auf. Er blieb regungslos liegen.

Dann war ein Schuss zu hören. Der scharfe Knall hallte durch die kalte Luft. Jemand schrie auf. Nick blickte in die Richtung und sah Selena. Sie in war in voller Bewegung, ihre Arme und Beine wirbelten verschwommen herum. Ihre Angreifer gingen vor ihr zu Boden, als würde sie eine Sense schwingen. Drei Männer lagen bereits am Boden, ein vierter sackte zusammen, während er sie beobachtete.

Dann war es vorbei. Die Männer, die noch aufrecht standen, rannten in das Gebäude zurück. Nick wusste, dass sie in wenigen Minuten zurück sein würden, mit Verstärkung.

Forsberg kniete am Boden und hielt sich die Seite. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Seine Pistole lag neben ihm auf dem Boden. Selena bückte sich und hob sie auf.

Alf Nilsson lag bewusstlos am Boden und blutete aus einer Kopfwunde.

Selena kam zu Nick. Ihr Gesicht war rot angelaufen. In ihrem Parka befand sich ein langer Schlitz, wo sie jemand mit einem Messer getroffen hatte.

»Geht es dir gut?«, erkundigte sie sich.

»Ja. Ich wollte dich gerade das Gleiche fragen.«

»Mir fehlt nichts.«

»Sieht so als, als würdest du eine neue Jacke brauchen.«

Ronnie und Lamont kamen ebenfalls zu ihnen. Lamont rieb sich die Schulter.

»Das war eine ganz schöne Schlägerei«, sagte Lamont.

»Bist du okay?«, fragte Nick.

»Ja. Irgendein Arschloch hat mich mit seinem Rohr erwischt. Jetzt liegt er da drüben und hält mit seinen Kumpeln ein Schläfchen.«