DIE SUCHE NACH ATLANTIS (Project 12) - Alex Lukeman - E-Book

DIE SUCHE NACH ATLANTIS (Project 12) E-Book

Alex Lukeman

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Beschreibung

Verschollene Reliquien, mystische Schätze und geheimnisvolle Artefakte – begeben Sie sich zusammen mit der streng geheimen Regierungsorganisation PROJECT auf die weltumspannende Jagd nach den letzten Rätseln der Menschheit. Eine über Jahrhunderte verschollene Fotografie enthält womöglich den Schlüssel zur Entdeckung von Atlantis und einem uralten Artefakt mit mysteriösen Kräften. Als diese Fotografie zusammen mit einem Brief und einer Karte das PROJECT erreicht, begibt sich das Team auf eine abenteuerliche Suche, die von den Tiefen des Atlantiks bis in die Wüste Ägyptens führt. Doch ihre Suche ist gleichzeitig ein Wettlauf gegen den russischen Geheimdienst. Russische Agenten heften sich an die Fährte von Nick und seinem Team, angeführt von einem Mann, der vor nichts zurückschreckt, um die Karriereleiter weiter emporzuklettern. Dem Gewinner dieses Wettlaufs winkt das Wissen, die Welt voranzubringen … oder sie für immer zu zerstören. ★★★★★ »Alex Lukeman schreibt mit einem sicheren Gespür für filmische Atmosphäre. Seine fesselnden Romane mit ihren griffigen Plots sind einfach absolute Hits.« - MCSFilm Review Team

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Die Suche nach Atlantis

Project – Band 12

Alex Lukeman

Copyright © 2019 by Alex Lukeman

Dieses Werk ist Fiktion. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln vervielfältigt, verbreitet oder übertragen werden, außer nach vorheriger und ausdrücklicher Genehmigung des Autors. (Dieses Werk ist Fiktion.) Namen, Charaktere, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder vom Autor frei erfunden oder als fiktives Element verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: THE ATLANTIS STONE Copyright Gesamtausgabe © 2023 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Peter Mehler

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2023) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-789-1

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Inhaltsverzeichnis

Die Suche nach Atlantis
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Anmerkungen
Danksagung
Über den Autor

Prolog

Alexandria, Ägypten, 1801

Umstellt und belagert blieb keine andere Wahl mehr, als sich zu ergeben.

Zwei Männer saßen auf der Veranda jener Villa, die Napoleons Befehlshaber in das Hauptquartier der französischen Streitkräfte in Ägypten umgewandelt hatte. General Abdullah Jacques-François Menou goss gerade zwei Gläser Cognac ein und reichte eines davon dem kahl werdenden, rundgesichtigen Gelehrten, der im gegenübersaß.

Geoffroy Saint-Hilaire war von Anfang an Teil dieses Feldzuges gewesen. Er hatte eine große Auswahl an Fossilien, Artefakten und heimischen Pflanzen zur Verschiffung zurück nach Frankreich zusammengetragen. Aber nun forderten die Briten, ihnen alles zu übergeben, bevor sie die Belagerung aufheben würden. Sie waren hinter dem Stein her, der in Rosette gefunden worden war.

Der Stein war Teil einer Granitstele, die von Königs Ptolemaios V. Epiphanes errichtet wurde und Dekrete in drei verschiedenen Sprachen enthielt: ägyptische Hieroglyphen, Demotisch und Altgriechisch. Mit ihrem Fund ließen sich nun endlich ägyptische Hieroglyphen entschlüsseln, mit dem Altgriechischen als Schlüssel. Es war ein bedeutender archäologischer Fund und die Briten waren fest entschlossen, ihn an sich zu bringen.

Was die Briten jedoch nicht wussten, war, dass es noch eine andere Entdeckung gab, eine Tafel, die mit einer bislang unbekannten Sprache beschriftet war. Man hatte sie hunderte Kilometer westlich von Kairo gefunden. Für ihre Größe ungewöhnlich leicht, hatten zwei Männer genügt, um sie anheben und tragen zu können. Saint-Hilaire beabsichtigte, den Stein von Rosette zu studieren, bis er die Hieroglyphen verstand, und danach seine Aufmerksamkeit dem zweiten Fund zuzuwenden.

»Ich werde Ihren Forderungen nicht nachkommen«, sagte Saint-Hillaire. »Lieber zerstöre ich alles, als es Ihnen zu überlassen.«

»Die Steine sind nur Steine, Geoffroy.«

Saint-Hilaire sah seinen Freund an, als hätte dieser gerade ins Taufbecken der Kathedrale von Notre Dame gespuckt.

»Sollen die Briten sie doch bekommen«, fuhr Menou fort. »Sie wissen nichts von der Tafel. Wir können uns ja selbst keinen Reim darauf machen. Sie ist wertlos.«

»Nur, weil wir sie nicht verstehen, bedeutet das nicht, dass sie wertlos ist. Sie ist mindestens so alt wie der Stein, den wir in Rosette fanden, vielleicht sogar älter. Ich werde sie nicht hergeben, schon gar nicht an diese Bastarde.«

Menou hob sein Glas und leerte es.

»Geoffroy, meine Männer sterben. Uns sind die Rationen ausgegangen. Nachts schleichen die Araber durch die Straßen und schlitzen ihnen die Kehlen auf. Ich muss kapitulieren. Uns bleibt keine andere Wahl.«

Saint-Hilaire wurde wütend.

»Ja, aber Sie können verhandeln. Geben Sie ihnen den Stein von Rosette, wenn es sein muss, um ihre Gier zu befriedigen. Ich habe Kopien der Inschriften angefertigt. Aber den anderen werde ich behalten. Und ich verlange, meine naturhistorischen Präparate behalten zu können. Wenn sie sich weigern, werde ich sie alle vernichten.«

»Beruhigen Sie sich, mon ami. Ich werde tun, was ich kann. Die Briten wollen diese Sache genauso gern hinter sich bringen wie ich. Nur zu, verstecken Sie Ihre Tafel.«

Etwas beruhigt atmete der Gelehrte tief durch. »Wir müssen so viel behalten, wie wir nur können. Bei Gott, gemessen an Napoleons Ehrgeiz haben wir sonst nicht viel vorzuweisen.«

»Bonaparte ist ein großer General. Seine Taktiken und Formationen haben das Gesicht der modernen Kriegsführung verändert.«

»Er ist ein großer General, der unsere Armee ins Verderben führte und nach Hause rannte, als die Dinge schwierig wurden. Und jetzt, wo er zum ersten Konsul ernannt wurde, fürchte ich um das Wohl unserer Republik.«

General Menou goss sich ein weiteres Glas Cognac ein. »Bonaparte ist ein Patriot, der Frankreich zu wahrer Größe führen wird. Es wäre wohl besser, wenn Sie Ihre Ansichten für sich behielten.«

»Möglicherweise.« Saint-Hilaire erhob sich. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, Baron. Es gibt noch viel zu tun, bevor die Briten in die Stadt eindringen werden.«

Menou stand ebenfalls auf. »Beeilen Sie sich. General Hutchinson wird ungeduldig. Wenn er die Tafel findet, werde ich nicht in der Lage sein können, sie ihm wieder abzunehmen.«

»Er wird sie nicht finden, das kann ich Ihnen versichern.«

Nachdem er Menous Hauptquartier verlassen hatte, eilte Saint-Hilaire zu den Hütten, in denen er seine geliebten Präparate aufbewahrte. Die Augustsonne brannte von einem unnachgiebigen Himmel aus Feuer herunter. Als er sein Ziel erreichte, war sein weißes Leinenhemd bereits durchgeschwitzt.

Die Holzhütte war über dreißig Meter lang und an beiden Enden offen. Doch selbst im Schatten des Spitzdaches fühlte sich Saint-Hilaire, als würde er in einem Ofen stehen.

Was bin ich froh, nicht länger in dieser elenden Hitze zubringen zu müssen, dachte er.

Schmale Gänge schlängelten sich durch Holzkisten, die entlang der Hütte aufgestapelt waren. Sie enthielten alles, was während der Jahre der Eroberungen und des Rückzuges gesammelt wurde. Zwei Assistenten von Saint-Hilaire überwachten andere Arbeiter dabei, die verschiedenen Präparate zu sortieren. Er rief nach ihnen.

»Francois, André, kommen Sie mit.«

Die beiden Männer folgten ihm ans hintere Ende der Hütte, wo der Stein von Rosette aufrecht auf dem Erdboden stand. Daneben befand sich eine lange Kiste.

Saint-Hilaire deutete auf die Kiste. »Öffnen Sie sie.«

Francois brach den Deckel der Kiste auf. In ihrem Inneren lag, unter eine Lage Stroh verborgen, die Tafel.

»Nehmen Sie das Stroh heraus und füllen Sie sie mit Erde. Pflanzen Sie dann heimische Pflanzen hinein. Wenn Sie damit fertig sind, bringen Sie die Kiste zu den Präparaten, die wir nach Hause schicken. Lassen Sie sie geöffnet, damit die Briten sehen können, dass sie nur Pflanzen enthält.«

»Aber die Tafel wird schmutzig werden«, sagte André.

»Sie sind ein Idiot. Natürlich wird sie schmutzig werden. Wir werden sie säubern, wenn wir nach Hause kommen.«

Francois kicherte.

Saint-Hilaire wurde gestattet, die meisten seiner Präparate zu behalten, aber es sollte bis Januar dauern, bis die Kiste mit der Tafel auf ein Schiff nach Frankreich verladen wurde. Als sie Paris erreichte, ließen die Historiker alle Kisten in das Naturkundemuseum am linken Ufer der Seine bringen.

In der darauffolgenden Nacht gab er die Anordnung, die Tafel auszugraben und in den Keller zu bringen, weg von den restlichen ägyptischen Pflanzenproben. Er beabsichtigte, sie in sein Chateau zu bringen, um sie persönlich studieren zu können.

Doch dazu kam es nicht. Die Tafel blieb, wo sie war. Der Raum wurde zu einem Abstellraum des Museums für ungenutzte Dinge. Niemand beachtete die seltsame Steintafel, die dort an einer Wand lehnte.

Denn niemand konnte entziffern, was auf ihr geschrieben stand.

Kapitel 1

Juri Sokolow lief die Zeit davon.

Sokolow saß in einem schäbigen Zimmer eines drittklassigen Hotels in Amsterdam und schrieb einen Brief. Ans untere Ende der Seite kritzelte er seine Unterschrift, dann steckte er den Brief in einen Umschlag, zusammen mit einer alten Karte und einer ausgeblichenen Fotografie. Er versiegelte den Umschlag und adressierte ihn. Zum Schluss klebte er eine Briefmarke darauf.

Sich auf dem ramponierten hölzernen Beistelltisch stützend, den er als Tisch benutzt hatte, richtete Sokolow sich auf und zuckte bei dem plötzlichen Schmerz in seiner Hüfte zusammen. Er schaltete das Licht aus und lief ans Fenster. Vorsichtig darauf bedacht, nur an dessen Rand zu treten, zog er den fadenscheinigen Vorhang zurück und blickte auf die Straße und den Kanal drei Stockwerke tiefer hinunter.

Es war bereits nach Mitternacht. Am anderen Ende der Stadt, in dessen Rotlichtbezirk, wimmelte es noch von Menschen und Polizei. In diesem Teil der Stadt aber waren die Straßen verlassen. Alle braven Bürger lagen bereits in ihren Betten.

Aber es waren keine braven Bürger, nach denen Juri Ausschau hielt.

Er konnte niemanden sehen. Ein Hoffnungsschimmer flackerte in seiner Brust auf. Es bestand die Möglichkeit, dass sie nicht wussten, wohin er geflohen war, als er Moskau verlassen hatte.

Der Briefkasten befand sich zwei Querstraßen weiter, neben einem Zeitungsstand auf der anderen Seite des Kanals. Er warf sich seinen langen Mantel über und war froh über die Wärme, die der edle Wollstoff spendete. Er trat in den Flur hinaus und schloss die Tür hinter sich. Der Fahrstuhl war defekt, weshalb der gezwungen war, die Treppe zu nehmen. Diese war schmal und schlecht beleuchtet. Sein Herz hämmerte gegen seine Rippen, als er sich fragte, wer auf dem nächsten Treppenabsatz womöglich auf ihn wartete. Im Erdgeschoss angekommen, sah er den Concierge, der in seinem Metallkäfig schlief. Jury schlüpfte durch die Tür und in die raue Nacht hinaus. Ein dünner Nebel hüllte die Stadt ein.

Er spähte nach links und rechts. Immer noch niemand zu sehen. Nebelschwaden stiegen von dem schwarzen Wasser des Kanals auf. Er hastete über die Fußgängerbrücke, die den Kanal überquerte. Seine Schritte hallten von den schlafenden Gebäuden wider, die den Kanal säumten.

Sokolows Ziel tauchte aus dem Nebel auf. Der Zeitungsstand war nachts geschlossen, aber der grellorange Postkasten, wo er seine Last abladen konnte, hing an dessen Außenseite. Mit einem erleichterten Seufzen erreichte er den Briefkasten und warf den Brief in den linken Schlitz, der für Post ins Ausland vorbehalten war.

Nun würde er in sein Zimmer zurückkehren, seine wenigen Habseligkeiten zusammen sammeln und sich dann zum Bahnhof begeben. Morgen würde er bereits in Paris sein.

Der Concierge war nirgends zu sehen, als Juri das Hotel betrat. Der Aufzug war immer noch defekt. Er begann, die Stufen in den dritten Stock emporzusteigen.

Später, als die Polizei die anderen Gäste des Hotels über die Ereignisse in dieser Nacht befragte, konnte niemand etwas Verwertbares über den Mann in Zimmer 314 beitragen. An seiner Leiche konnte kein Ausweis gefunden werden. Niemand hatte Schreie aus dem Zimmer dringen hören, obwohl der Mann brutal gefoltert worden war, bevor er starb. Die einzige andere Bewohnerin auf der dritten Etage war eine ältere Frage, die die Ermittler immer wieder bat, ihre Fragen zu wiederholen.

Ein Hotelgast der zweiten Etage berichtete von lauter Musik, die für eine Weile lief, aber sonst hatte er nichts gehört. Niemand wusste irgendetwas, was häufig in Hotels der Fall war, deren Gäste so wenig wie möglich mit der Polizei zu tun haben wollten. Die Verhaftung eines kleinen Drogendealers und eines Gelegenheitsdiebes waren eine kleine Entschädigung für den erfolglosen Versuch, das Mordopfer oder seine Mörder identifizieren zu können.

Am Morgen nach dem Mord wurde der Postkasten geleert und der Brief auf seinen Weg nach Amerika geschickt.

Kapitel 2

»Autsch.«

Nick Carter legte das Rasiermesser auf den Rand des Waschbeckens und tupfte den Schnitt mit einem Stück Toilettenpapier ab. Dann betrachtete er sich im Spiegel. Die Albträume hatten wieder eingesetzt. Er schlief nicht gut. Dunkle Ringe unter seinen Augen brachten deren graue Färbung und die goldenen Flecken in ihnen zur Geltung.

Kaum rasiert, sah er schon wieder den nachwachsenden Bart hindurchschimmern. Manchmal fragte er sich, wieso er sich überhaupt die Mühe machte. Sein Gesicht sah immer noch beinahe so aus wie gestern, abgesehen von dem Schnitt, der einen Punkt auf dem kleinen weißen Stück Papier markierte, das er auf ihn geklebt hatte. Es war ein starkes Gesicht, nicht unbedingt schön, aber auch nicht hässlich. Er glaubte, neue Anzeichen des Älterwerdens erspäht zu haben. Oder bildete er sich das nur ein?

Er würde eine gute Trainingseinheit im Fitnessraum des PROJECTS einlegen müssen, etwas, das die Anspannung von ihm abfallen lassen würde, die er seit ein paar Wochen spürte. Er war nicht sicher, woher sie kam.

Es war der frühe Morgen eines vielversprechend wirkenden, wundervollen Frühlingstages in Washington. Nick trug eine bequeme Hose und ein hellgraues Baumwollhemd. Er lief in die Küche, nahm eine Tasse aus dem Hängeschrank und füllte sie mit schwarzem Kaffee aus der Kanne auf der Anrichte. Er trug die Tasse zu dem Tisch, auf dem die Post des gestrigen Tages verstreut lag, setzte sich und begann, sie zu sortieren.

Selena kam in die Küche. Sie goss sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein und setzte sich zu ihm.

Selena war eine Frau, die man nicht übersah. Sie besaß intensiv leuchtende Augen, deren Färbung zwischen violett und einem tiefen Blau schwankte, je nach Lichtverhältnissen. Beides aber passte zu ihrem rotblonden Haar. Sie war fünf Zentimeter kleiner als Nick, der einen Meter achtzig maß, und wog um die sechzig Kilogramm. Das wenige Körperfett, das sie besaß, befand sich genau an den richtigen Stellen.

»Du hast Post aus Amsterdam.« Nick schob ihr den Brief zu. »Dein Agent hat ihn weitergeschickt. Er wurde an Selena Connor adressiert.«

Es war nicht ungewöhnlich, dass sie Briefe unter ihrem Mädchennamen erhielt. Selena stand noch immer in Kontakt mit früheren akademischen Freunden. Hin und wieder wurde sie zu Veranstaltungen oder Gastauftritten eingeladen, auch wenn dies seltener geworden war. Meistens musste sie ihre Teilnahme absagen. Es war schon einige Zeit her, seit sie ihre letzte Vorlesung gehalten hatte, aber ihre internationale Reputation als Expertin für alte Sprachen sorgte immer noch für einige Anfragen. Diese wurden über einen Agenten weitergeleitet, der ihre berufliche Korrespondenz übernahm.

»Amsterdam? Ich glaube nicht, dass ich dort jemanden kenne. Wahrscheinlich soll ich irgendwo einen Vortrag halten.«

»Der Brief hat keine Absenderadresse.«

»Das ist ungewöhnlich. Lass mal sehen.«

Die einzige Beschriftung auf dem Umschlag bestand aus ihrem mit krakeliger Handschrift verfassten Namen und der Anschrift ihres Agenten. Sie benutzte ein Frühstücksmesser, um den Umschlag aufzuschneiden.

»Es ist eine alte Fotografie und eine Karte. Und ein Brief.«

»Eine Karte wovon?«

Sie faltete die Karte auseinander. Sie war zerknittert und abgenutzt, als hätte sie jemand über viele Jahre hinweg in seiner Tasche herumgetragen.

»Ägypten, als es noch eine britische Kolonie war. Also bis Anfang des letzten Jahrhunderts.«

Sie legte die Karte beiseite und betrachtete die Fotografie. Sie war vergilbt und an den Rändern eingerissen.

»Was steht in dem Brief?«

»Warte, ich lese ihn laut vor. Liebe Frau Dr. Connor, mein Name ist Juri Sokolow. Ich bin Forschungsleiter der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Mein Fachgebiet ist die Archäologie des Mittleren Ostens. Ich schreibe Ihnen, da Sie über eine einzigartige Reputation als Expertin der Linearschrift A gelten.«

»Ein Russe?«, fragte Nick.

»Unterbrich mich nicht.«

»Entschuldige.«

Selena las weiter.

»Das Foto wurde irgendwann im Jahre 1912 von Michail Popow aufgenommen, einem Archäologen und Freund von Zar Nikolaus II. Ich fand es in einer Akte über Popows Korrespondenz, zusammen mit der Karte von Ägypten. Auf der Karte befindet sich eine Markierung nahe der Hafenstadt Marsa Matruh. Ich nehme an, dass dies der Ort ist, an dem die Aufnahme gemacht wurde.«

Selena nahm eine Lupe zur Hand und studierte die Fotografie.

»Interessant«, sagte sie.

»Was ist interessant?«

»Es ist die Aufnahme einer Steinsäule, die im Sand liegt und mit Hieroglyphen und etwas versehen ist, das die wie Linearschrift A aussieht. Ich habe diese beiden Sprachen noch nie auf diese Weise miteinander verbunden gesehen. Es muss sehr alt sein.«

Sie widmete sich wieder dem Brief.

»Auf dem Foto können Sie zwei Arten von Inschriften auf der Säule erkennen. Die Hieroglyphen sind in einer sehr frühen Form gehalten. Die anderen Zeichen sind eine Abwandlung der Linearschrift A. Ich konnte nur einen Teil dieser Inschriften übersetzen, aber allein das, was ich dadurch entdeckte, überraschte mich über alle Maßen. Dann gab ich eine Kopie des Fotos einem Kollegen, um mir eine Zweitmeinung einzuholen. Doch das war ein Fehler. Es gibt Gerüchte, dass mein Kollege ein Informant des Geheimdienstes ist. Noch am selben Abend rief mich ein Freund an, um mir mitzuteilen, dass das FSB auf dem Weg zu meinem Appartement sei.

Die Inschrift dieser Säule hat möglicherweise militärische Implikationen, jedenfalls genug, um das Interesse des FSB zu wecken. Meiner Regierung wird diese Informationen nicht an die Öffentlichkeit geben wollen. Wenn Sie sie übersetzt haben, werden Sie meine Bedenken verstehen.

Morgen werde ich nach Paris reisen und von dort nach Amerika. Dort würde ich mich gern mit Ihnen treffen, um diese Angelegenheit persönlich mit Ihnen zu besprechen.

Herzlichst, Juri Sokolow.«

»Klingt, als wäre er ein Idealist«, sagte Selena.

»Das ist alles?«

»Mehr steht da nicht.«

»Welche Art von militärischen Implikationen?«

»Darüber schweigt er sich aus.«

»Kannst du die Inschrift auf dem Foto lesen?«

»Lass mich mal nachsehen.«

Selena holte sich einen Stift und Papier und begann, die Fotografie durch ihre Lupe zu betrachten. Nick sah zu, wie sie sich Notizen machte. Ihr Gesichtsausdruck war angespannt, konzentriert.

»Wenn da wirklich steht, was ich glaube, wirst du es nicht glauben.«

»Lass hören.«

»Ich denke, die Inschrift spricht von Atlantis.«

»Du machst doch Witze!«

»Siehst du? Ich sagte doch, dass du mir nicht glauben wirst.«

»Atlantis ist eine Legende.«

»Wenn sich herausstellen sollte, dass es nicht nur eine Legende ist, werden eine Menge Leute ziemlich verärgert sein. Ägyptologen zum Beispiel.«

»Bist du sicher, dass es um Atlantis geht?«

»Ich bin nicht völlig sicher, aber ich gehe davon aus.« Sie deutete mit ihrem Stift auf die Fotografie. »Diese Zeichen bilden einen Ausdruck, der Heimat bedeutet. Sie wird als Ebene mit Bergen und umgeben von Wasser beschrieben.«

»Das könnte Kreta sein. Die minoische Kultur benutzte die Linearschrift A, und Kreta liegt nicht so weit von Ägypten entfernt. Was steht da noch?«

»Es ist ein Bericht, der von der Macht dieses Heimatlands prahlt. Es heißt, die Priester dort konnten schwere Steinblöcke mit Hilfe eines Objektes anheben, welches ihnen von den Göttern gegeben wurde, eine Art Artefakt.«

»Eine Kraft, mit der man schwere Felsbrocken heben kann? Vor tausenden Jahren?«

»So steht es da geschrieben.«

»Das muss Sokolow gemeint haben, als er von militärischen Auswirkungen sprach. Wenn die Russen glauben, dass an der Sache etwas dran ist, werden sie nicht gewollt haben, dass er andere in dieses Geheimnis einweiht.«

»Ich frage mich, ob er noch in Paris ist.«

»Das bezweifle ich. Es muss Tage gedauert haben, bis der Brief hier eintraf. Und dann musste er noch von deinem Agenten an dich weitergeschickt werden. Wenn er seinen Plan wie beschrieben umsetzte, müsste er längst hier sein. Er hätte dich kontaktiert.«

»Du glaubst, sie haben ihn erwischt?«, fragte Selena.

»Wenn sie ihn schnappten, dürfte das nichts Gutes für ihn bedeuten.«

»Wenn er ein Forschungsleiter eines angesehenen russischen Instituts ist, müsste sich etwas über ihn in den Datenbanken finden lassen. Steph könnte Nachforschungen über ihn anstellen.«

Stephanie Willis war Direktorin Elizabeth Harkers Stellvertreterin und zuständig für die Computertechnologie des PROJECTS. Wenn man nach irgendeiner Information suchte, war Stephanie diejenige, die sie finden konnte.

»Wir fragen sie, wenn wir im Büro sind.«

Selenas Stimme hörte sich enthusiastisch an. »Wir sollten nach dieser Säule suchen. Es steht noch mehr auf ihrer Rückseite geschrieben, die ich nicht sehen kann. Vielleicht erfahren wir noch mehr.«

»Zeigt die Karte an, wo das Foto aufgenommen wurde?«

»Nicht genau. Marsa Matruh liegt an der Mittelmeerküste, westlich von Kairo. Die Markierung auf der Karte ist etwas von ihr entfernt, in Richtung Libyen.«

»Ich glaube nicht, dass Fremde in diesem Teil der Welt derzeit gerne gesehen sind. Es dürfte nicht leicht werden, dorthin zu gelangen.«

»Wenn es zu der Entdeckung jener Kraft führt, die in der Inschrift beschrieben wird, ist es jede Anstrengung wert.«

Nick wollte sich an seinem Ohr kratzen, ließ es aber bleiben.

»Ja, wahrscheinlich schon«, antwortete er.

Kapitel 3

Elizabeth Harker öffnete die Verandatüren zu der Terrasse vor ihrem Büro und dachte über den vor ihr liegenden Tag nach. Zum Teufel mit den Sicherheitsvorschriften, der Tag war viel zu schön, um den Frühling auszusperren. Später würde es schwül und heiß werden. So früh am Morgen aber wehte noch eine kühle, frische Brise. Der Duft von Blumen und grünem Gras wehte in das Zimmer.

Vögel sangen und zwitscherten. Sie hoffte, dass der Kater nicht einen von ihnen einfing und ihr als Geschenk brachte.

Normalerweise trug sie einen schwarzen Hosenanzug und eine weiße Bluse, aber heute hatte sie das übliche Muster umgekehrt. Dieses Mal war der Anzug weiß und die Bluse schwarz. Eine goldene und smaragdgrüne Brosche in der Form eines keltischen Knotens zierte ihre linke Brust. Das Smaragdgrün brachte das leuchtende Grün ihrer Augen zur Geltung.

Elizabeth kleidete sich gern in Schwarz und Weiß. Das machte die Dinge einfacher. Ihr Leben war schon kompliziert genug, um sich auch noch über ihre Garderobe Gedanken machen zu müssen. Diese Gewohnheit hatte während ihres Jurastudiums begonnen und sie auch dann noch beibehalten, als sie für das Justizministerium arbeitete.

Sie war Teil der 9/11-Taskforce gewesen, doch im Laufe der Untersuchungen war ihr zuerst mulmig geworden, dann hatten sich ernsthafte Bedenken eingestellt. Mit der Erklärung, die man den Medien und der Öffentlichkeit unterbreitet hatte, war sie nicht einverstanden gewesen. Daraufhin brandmarkte man Elizabeth als jemanden, der kein Teamplayer sein wollte, und versetzte in einen Sackgassen-Job einer endlosen RICO-Untersuchung. Sie war kurz davor gewesen, zu kündigen, als Präsident Rice sie dafür ausgewählt hatte, das PROJECT zu leiten.

Rice hatte ein Problem mit den Geheimdiensten. Manchmal glaubten sie, besser als das Weiße Haus zu wissen, was getan werden musste. Entscheidende Informationen wurden zurückgehalten, weil irgendjemand der Ansicht war, dass Rice diese Dinge nicht zu wissen brauchte. Aber wie zur Hölle sollte er gute Entscheidungen treffen, wenn ihm nicht alle nötigen Informationen vorlagen? Er wollte eine neue Organisation ins Leben rufen, die nur ihm unterstand. Sie sollte klein und vor der Öffentlichkeit verborgen sein, geleitet von jemandem, der ihm die Wahrheit sagen würde. Es war Harkers beharrliche Weigerung gewesen, die offizielle Story über den 11. September mitzutragen, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte.

Elizabeth hatte ein Team zusammengestellt, auf das sie stolz war, angeführt von Nick. Er war die erste Person gewesen, die sie rekrutierte, direkt aus einem Krankenbett in Bethesda. Er war nicht immer der Umgänglichste, aber sie hatte ihre Entscheidung nie bereut.

Selena war zu der Organisation gestoßen, als ihr wohlhabender Onkel gefoltert und ermordet aufgefunden worden war. Da er ein persönlicher Freund des Präsidenten gewesen war, hatte Rice Elizabeth gebeten, sich des Falls anzunehmen. Dann war eines zum anderen gekommen und nun war Selena Teil des Teams. Sie hatte es sich verdient, auf die harte Tour. Ihre Schusswunden und Narben bewiesen das.

Die anderen beiden Mitglieder des Einsatzteams waren Ronnie Peete und Lamont Cameron. Beide waren während der letzten Mission in Deutschland schwer verwundet worden. Ronnie hatte als Gunnery Sergeant bei den Marines gedient, und Lamont war ein Navy SEAL gewesen, bevor beide zum PROJECT stießen.

Elizabeth machte sich ihretwegen Sorgen. Die Jahre, gekennzeichnet von Verwundungen und Operationen, forderten ihren Tribut. Das galt auch für Nick. Selena hatte nie beim Militär gedient, aber nach einigen wenigen Jahren beim PROJECT hatte sie zu den anderen aufgeschlossen.

Das Team schien Gefahren förmlich anzuziehen. Elizabeth betete, dass sie alle noch eine Weile durchhalten würden. Sie konnte sich nicht vorstellen, auch nur einen von ihnen zu ersetzen.

Das letzte Puzzleteil in ihrem Team war Stephanie Willits. Steph konnte so gut mit Computern umgehen wie die anderen mit ihren Waffen. Mit Steph an den Tasten bildeten die Cray-Computer im Keller eine mächtige Ressource unter Elizabeths Befehl. Ihr war noch nichts untergekommen, was Stephanie mit Hilfe ihrer Computer nicht erreichen konnte. Sie war entscheidend an dem Erfolg des PROJECTS beteiligt.

Stephanie betrat den Raum.

»Ich habe gerade an Sie gedacht«, begrüßte sie Elizabeth.

»Hoffentlich nur Gutes.«

»Aber natürlich. Ich dachte, wie dankbar ich doch dafür bin, dass wir zusammenarbeiten können.«

Steph lächelte sie an. »Das kann ich nur zurückgeben.«

»Sie wirken heiterer«, bemerkte Elizabeth.

»Ich denke, Lucas und ich sind über die Ereignisse einigermaßen hinweggekommen.«

Sie spielte auf einen Hinterhalt von Auftragsmördern auf dem Highway an, die versucht hatten, das Team auszuschalten. Im dritten Monat schwanger, hatte Stephanie ihr Baby verloren. Lucas Monroe war der Leiter des Clandestine Service in Langley und ihr Lebensgefährte. Er hatte am Steuer des Wagens gesessen und war bei dem Zwischenfall schwer verletzt worden. Dem tragischen Zwischenfall waren finstere Tage der Depression und des Kummers gefolgt.

»Wir werden es wieder versuchen«, erklärte Stephanie. »Die Ärzte sagen, es gäbe keinen Grund, weshalb wir kein weiteres Kind bekommen könnten. Aber wir waren noch nicht soweit.« Sie legte eine Pause ein. »Ich war noch nicht bereit.«

»Das ist wunderbar, Steph. Ich freue mich so für Sie. Ich denke, Sie haben sich richtig entschieden.«

»Was steht heute auf der Tagesordnung?«

»Nick und Selena sollten jeden Moment hier eintreffen. Ronnie und Lamont sind drüben im Walter-Reed-Krankenhaus zur Untersuchung. Ausnahmsweise scheint es einmal kein Feuer zu geben, welches wir eilig austreten müssen.«

»Das wird nicht lange andauern«, sagte Stephanie. »Also sollten wir den glücklichen Umstand genießen.«

»Wir waren schon eine ganze Weile nicht mehr einfach nur zum Spaß aus. Ich dachte, wir könnten vielleicht in diesem neuen Restaurant in Georgetown zu Mittag essen. Wenn wir zeitig genug starten, bekommen wir vielleicht noch einen guten Tisch.«

»Das ist eine großartige Idee«, rief Nick, der gerade zu der offenen Tür hereinkam.

Zusammen mit Selena betrat er den Raum. Gemeinsam setzten sie sich auf eine lange Ledercouch gegenüber Elizabeths Schreibtisch.

»Wo sind Ronnie und Lamont?«, erkundigte sich Selena.

»Sie werden im Walter-Reed-Krankenhaus durchgecheckt.«

»Was steht heute Morgen so an?«, wollte Nick wissen.

»Ich sagte gerade zu Steph, dass es außergewöhnlich ruhig ist.«

»Dies könnte das ändern«, warf Selena ein.

Sie reichte Elizabeth den Brief sowie die Karte und das Foto, welche sie von Sokolow erhalten hatte.

»Ich sagte doch, dass es nicht lange dauern würde«, sagte Stephanie.

Elizabeth betrachtete das Foto.

»Eine Steinsäule? Was ist darin eingraviert?«

»Zwei Arten von Schriften. Eine frühe Version der Hieroglyphen und eine Variante der Linearschrift A. Das Foto wurde in Ägypten aufgenommen. Ich konnte nur einen Teil davon übersetzen, aber ich denke, wir sollten der Sache nachgehen.«

»Was steht da geschrieben?«, fragte Steph.

Selena erzählte ihnen, was sie bislang herausfinden konnte.

Elizabeth sah aus, als hätte sie etwas geraucht.

»Das ist die bizarrste Geschichte, die ich je von Ihnen gehört habe. Diese Inschrift beschreibt Atlantis?«

»Es besteht die Möglichkeit.«

»Wieso glauben Sie das? Es könnte sich auch um die minoische Kultur handeln. Auch sie waren von Wasser umgeben.«

»Das Gleiche hat Nick auch gesagt. Und das würde auch Sinn ergeben, wenn da nicht der Teil wäre, in dem vom Anheben schwerer Steine mithilfe einer unbekannten Kraft berichtet wird. Ausgehend von dem Brief scheinen die Russen die Sache ernst zu nehmen. Deshalb sollten auch wir ihr Aufmerksamkeit schenken. Wir müssen uns diese Säule genauer ansehen.«

»Was, wenn dieser Juri Sokolow nicht der ist, der er zu sein vorgibt? Der Brief könnte eine bewusste Irreführung der Russen sein.«

»Aber wieso sollten sie ihn dann an Selena schicken?«, fragte Nick.

»Es könnte ein Trick sein, um das Team in eine Falle zu locken.«

»Und ich dachte schon, ich wäre paranoid.«

Steph spielte mit einem goldenen Armreif an ihrem Handgelenk. »Ihr wisst, dass sie uns nur zu gern Schwierigkeiten bereiten.«

»Schon, aber da gibt es leichtere Wege.«

Elizabeth schaltete sich ein. »Steph, versuchen Sie, etwas über diesen Sokolow herauszufinden. Und auch über diesen Freund des Zaren, der in dem Brief erwähnt wird. Vielleicht gibt es Aufzeichnungen über ihn.«

»Ich mache mich sofort an die Arbeit.«

»Selena, wie lange würde es dauern, den Rest der Inschrift auf dem Foto zu übersetzen?«

»Ich kann es nicht genau sagen, aber ich werde sofort damit beginnen.«

So viel zum Thema Mittagessen, dachte Elizabeth.

»So lange werde ich mich wohl gedulden müssen.«

Kapitel 4

General Alexander Wolkow sah aus dem Fenster seines Büros im obersten Stockwerk des FSB-Hauptquartiers – dem ehemaligen Lubjanka-Gefängnis – hinab und betrachtete die Statue von Feliks Dzierżyński, welche den Lubjankaplatz dominierte. Seine Hände hielt Wolkow auf dem Rücken verschränkt, und seine Finger bewegten sich mit rastloser Energie. Der Leiter des FSB war breitschultriger Mann mit haarigen Armen und der Statur eines Ringkämpfers. Hinter vorgehaltener Hand nannte man ihn auch den Gorilla. Aber niemand traute sich, ihn so zu nennen, wenn er sich in Hörweite befand.

Wolkows Position als Leiter des Federal’naya sluzhba bezopasnosti Rossiyskoy machte ihn zu einem mächtigen Mann in Russland. Das alte Komitee für Staatssicherheit, der KGB, war nach dem Fall der Sowjetunion in einzelne kleinere Organisationen aufgeteilt worden. Der FSB kümmerte sich um die innere Sicherheit und um die Sammlung von Geheiminformationen. Fragen der äußeren Sicherheit fielen dem Sluzhba vneshney razvedki zu, dem SVR.

Wolkows Welt wäre perfekt gewesen, wenn er auch den Auslandsgeheimdienst hätte kontrollieren können. Aber da dem nicht so war, hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, um den SVR und dessen neuen Leiter, Alexei Vysotzky, zu untergraben. Sein großes Ziel war, den KGB wie zu alten Zeiten wiederzubeleben, mit ihm als obersten Befehlshaber. Den Namen würde er natürlich ändern, aber die Funktion wäre die gleiche. Dafür würde er aber natürlich den Segen des Präsidenten der Föderation benötigen, Wladimir Orlow.

Orlow bedeutete im russischen Adler, Wolkow bedeutete Wolf. Für Wolkow bestand kein Zweifel daran, dass der Wolf eines Tages den Adler aus der Luft holen würde. In der Zwischenzeit musste er die Rolle des loyalen Genossen und Staatsdieners spielen.

Ein Bericht über die Vernehmung Juri Sokolows lag auf seinem Schreibtisch. Seine Agenten waren gründlich gewesen, wenn auch ein wenig zu enthusiastisch. Es wäre besser gewesen, den Verräter für tiefergehende Verhöre zurück nach Moskau zu bringen, aber die Befragung war zu viel für den alten Mann gewesen. Aber sie konnten genug in Erfahrung bringen, um ein weiteres Handeln in dieser Sache zu rechtfertigen.

Sokolow hatte über die Säule auf dem Foto geredet, welches er Wolkows Informanten gezeigt hatte. Er hatte über die Inschrift gebrabbelt, über Atlantis und die Macht, mit deren Hilfe man Steine in Luft heben konnte. Wolkow interessierte sich einen Scheiß für Atlantis. Alles, was er wollte, waren weitere Informationen über das Artefakt, welches über solche mysteriösen Kräfte verfügte.

Sokolows hatte Wolkows Verhörern verraten, dass eine Karte existierte, die den Ort zeigte, an dem die Säule fotografiert worden war. Er hatte sie zusammen mit der Aufnahme nach Amerika geschickt.

Das FSB war nicht befugt, auf fremdem Boden tätig zu werden. Das war die Aufgabe des SVR. Aber so wie beim amerikanischen FBI durfte das FSB eine Ausnahme machen, wenn russische Bürger involviert waren. Sokolow war russischer Staatsbürger gewesen. Und so wie Wolkow die Dinge sah, fiel es daher durchaus in seine Zuständigkeit, den Fall weiter zu verfolgen, wohin er ihn auch führen mochte.

Er trat von dem Fenster zurück, setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und öffnete den Aktenordner mit dem Bericht. Sokolow hatte verraten, wohin er die Fotografie geschickt hatte.

Das verkomplizierte die Dinge.

Selena Connor war Mitglied des PROJECTS und stand daher in jeder Datenbank jedes russischen Geheimdienstes auf der schwarzen Liste. Das war der Punkt, an dem es kompliziert wurde. Sie würde sich nicht so leicht einschüchtern lassen, die Karte und das Foto herauszugeben. Und er brauchte diese Karte.

Vielleicht ist es möglich, sie zu stehlen, ohne sich ihnen entgegenzustellen, überlegte Wolkow. Wenn nicht, werde ich zu extremeren Maßnahmen übergehen müssen.

Solange der FSB nicht den Zorn der Amerikaner auf den Kreml hereinbrechen ließ, würde niemand in Moskau den Tod eines amerikanischen Spions bedauern.

Wolkow wusste nicht, ob die auf der Säule beschriebene Macht wirklich existierte, aber sofern auch nur eine Chance bestand, dass es sie gab, musste er sie vor den Amerikanern finden. Mit der Karte konnte er die Säule aufspüren und diese würde ihm mehr verraten. Wenn es ihm gelang, das Geheimnis dieser Macht zu entschlüsseln, würde er damit Verbündete im Militär und unter den Oligarchen finden. Er würde die Gunst Orlows gewinnen. Das würde ihn in eine bessere Position bringen, seinen Schachzug gegen den SVR und Vysotsky zu machen.

Er betätigte eine Taste an seinem Intercom-Gerät.

»Schicken Sie Major Jelzin zu mir.«

»Jawohl.«

Fünf Minuten später klopfte es an seine Tür.

»Herein.«

Major Borya Jelzin trug einen leidlich guten dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Anders als beim SVR trugen die Beamten des FSB eher zivile Kleidung als Armeeuniformen. Jelzin trug zivile Kleidung, aber niemand hätte ihn für einen Zivilisten gehalten.

Sein Haar war kurz geschoren. Er besaß diese Art von kalten Augen, die man oft bei Soldaten fand, die die Gräuel des Krieges erlebt hatten. Breite Schultern und ein breiter Brustkorb zeigten, dass er regelmäßig trainierte. Jelzin blieb vor Wolkows Schreibtisch stehen und nahm Haltung an.

»Sie wollten mich sprechen?«

»Ich habe eine Mission für Sie. Ich will, dass sie ein Team nach Amerika führen und dort etwas für mich an sich bringen.«

»Worum handelt es sich?«

»Ein Foto und eine Karte. Sie wurden an eine Frau gesandt, die in Washington lebt. Sie ist Mitglied einer verdeckt operierenden Geheimdienstorganisation. Versuchen Sie, unbemerkt an diese Dinge zu gelangen. Sollte das nicht möglich sein, werden Sie alles Notwendige unternehmen, um den Erfolg dieser Mission zu garantieren.«

Wolkow reichte Jelzin eine Akte, zusammen mit einer Kopie der Fotografie.

»Ich möchte, dass Sie mir das originale Foto und die dazugehörige Karte überbringen. Die Karte stammt aus dem späten neunzehnten oder frühen zwanzigsten Jahrhundert. Sie sollte leicht zu identifizieren sein. Die Adresse, an die beides geschickt wurde, finden Sie in der Akte, zusammen mit einem Foto der Frau und einer Zusammenfassung, wer sie ist. Unterschätzen Sie sich nicht. Sie ist Teil einer Eingreiftruppe und bestens ausgebildet.«

»Sie ist eine Frau. Das schaffe ich.«

»Werden Sie nicht übermütig, nur weil sie Eier haben, Major.«

Jelzin versteifte sich bei dem Tadel. »Jawohl.«

»Diese Mission erfordert Diskretion. Es wäre sehr viel besser, wenn Sie brenzlige Situationen umschiffen könnten, aber sollte es doch dazu kommen, dann sorgen Sie dafür, nicht geschnappt zu werden. Es dürfen keine Spuren zu uns führen. Verstanden?«

»Jawohl, Genosse.«

»Stellen Sie ein Team zusammen und lassen Sie mich wissen, wenn Sie bereit sind, aufzubrechen. Sorgen Sie dafür, dass es schnell geschieht.«

»Ich kann heute noch aufbrechen.«

»Ausgezeichnet. Sie können gehen.«

Jelzin schlug die Hacken aneinander und verließ den Raum.

Während er den Gang entlanglief, betrachtete er die Fotografie von Selena.

Eine attraktive Frau, dachte er. Wäre sicher interessant, sie zu verhören.

Er überlegte, wie er es anstellen würde, und begann dabei zu pfeifen.

Kapitel 5

»Du brauchst eine Pause.« Nick stellte eine Tasse schwarzen Kaffees vor Selena ab. Dampf stieg von ihr auf. »Du sitzt hier schon seit Stunden.«

Selenas Schreibtisch war mit Notizen und Referenzen bedeckt. Sie lehnte sich zurück, streckte sich.

»Danke.« Sie griff nach der Kaffeetasse, blies kalte Luft über das Getränk und nahm einen Schluck.

»Hast du irgendetwas Neues herausbekommen können?«

»Die Säule wurde während der Regentschaft von König Menes errichtet, womit sie über fünftausend Jahre alt sein dürfte. Das, was ich bislang von ihr übersetzen konnte, deckt sich mit den Legenden über Atlantis. Manchmal sind Legenden alles, was übrig bleibt, wenn die Geschichte verschwunden ist.«

»Inwiefern deckt sich die Inschrift mit den Legenden?«

»Sie beschreibt eine Stadt, die auf einer Ebene errichtet wurde, mit einem Berg in ihrer Mitte. Sie besitzt drei konzentrische, von Kanälen getrennte Kreise, wobei dem Palast des Regenten der innere Ring vorbehalten ist. Das passt zu Platos Beschreibung.«

»Du glaubst wirklich, es handelt sich um Atlantis.« Das war keine Frage.

»Es sieht langsam danach aus.«

»Was wusste Plato zu berichten?«

»Die erste bekannte Erwähnung von Atlantis findet sich in zwei seiner Dialoge, Timaeus und Kritias. Laut Plato soll Athen Atlantis in einer großen Seeschlacht besiegt haben. Aber es gibt keinerlei historische Aufzeichnungen darüber, dass eine solche Schlacht je stattfand.«

»Wieso sollte er darüber schreiben, wenn es nie passierte?«

»Seine Dialoge sind zumeist politische Allegorien, in denen die athenische Lebensart glorifiziert werden soll. Aber es gab schon immer Menschen, die Atlantis für real hielten. Sie argumentieren, dass Plato ein historisches Beispiel verwendete, welches von den Menschen seiner Zeit verstanden wurde. Ein Historiker namens Krantor war ein Zeitgenosse Platos. Er behauptete, mit ägyptischen Priestern gesprochen zu haben, die ihm die auf Säulen festgehaltene Geschichte von Atlantis zeigten. Die Säule auf diesem Foto könnte eine davon sein.«

»Das ist ziemlich weit hergeholt.«

»Aber es passt, oder nicht?«

»Es beweist aber immer noch nicht, dass es Atlantis wirklich gab.«

»Nein, aber was, wenn dem so wäre? Was wäre, wenn sich die Inschrift auf eine Energiequelle bezieht, die wiederentdeckt und eingesetzt werden könnte? Davon würden alle profitieren.«

»Oder man könnte sie in eine Waffe verwandeln«, sagte Nick. »Das wäre ein weiterer Grund für die Russen, hinter Sokolow her zu sein.«