DER SCHWARZE TOD (Project 9) - Alex Lukeman - E-Book

DER SCHWARZE TOD (Project 9) E-Book

Alex Lukeman

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Beschreibung

Verschollene Reliquien, mystische Schätze und geheimnisvolle Artefakte – begeben Sie sich zusammen mit der streng geheimen Regierungsorganisation PROJECT auf die weltumspannende Jagd nach den letzten Rätseln der Menschheit. Aus einem tief in den Bergen Nordkoreas verstecktem Biowaffenlabor wird ein tödlicher Pesterreger gestohlen. Für diesen gibt es kein Heilmittel – eine Ansteckung endet unweigerlich mit dem Tod. Sollte der Erreger freigesetzt werden, könnten Millionen Menschen ihr Leben verlieren. Die Drahtzieher hinter dem Diebstahl streben die Weltherrschaft an – und beabsichtigen, dafür die Weltbevölkerung zu dezimieren und die globale Wirtschaft zu zerstören. Einmal mehr müssen sich Nick Carter und sein Team ihren alten Widersachern stellen – der Jahrhunderte alten Geheimorganisation AEON … Doch dieses Mal ist Direktorin Harker fest entschlossen, AEON ein für alle Mal das Handwerk zu legen. Ein Kampf an mehreren Fronten, denn der Wettlauf gegen die Zeit ruft zudem noch alte Gegenspieler auf den Plan und enthüllt weitere dunkle Geheimnisse aus Selenas Vergangenheit. ★★★★★ »Alex Lukeman schreibt mit einem sicheren Gespür für filmische Atmosphäre. Seine fesselnden Romane mit ihren griffigen Plots sind einfach absolute Hits.« - MCSFilm Review Team ★★★★★ »Ein weiteres erschreckendes Meisterwerk! Alex Lukeman hat mich wieder einmal in Atem gehalten, mit schwitzenden Händen und Herzklopfen, als ich seinen neunten Teil der wunderbaren Project-Serie las.« - Gloria Lakritz, Paranormal Romance Guild ★★★★★ »Das ist es, was "DER SCHWARZE TOD" und die Projekt-Reihe besser macht als die üblichen High-Concept-Thriller: die gut gezeichneten und einnehmenden Charaktere - insbesondere Nick Carter und Selena Connor. Eine rasante Serie, die Sie fesseln wird!« - Amazon.com ★★★★★ »Ich glaube, dies ist mein bisheriges Lieblingsbuch der Reihe; es gibt genug Vertrautes, um Kontinuität zu gewährleisten, aber die Geschichte ist frisch. Normalerweise vergebe ich 5 Sterne für Bücher, die ich als lebensverändernd empfinde, aber dieses verdient 5 für den Unterhaltungswert.« - Amazon.com

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Der Schwarze Tod

Project – Band 9

Alex Lukeman

übersetzt von Peter Mehler

Copyright © 2018 by Alex Lukeman

Dieses Werk ist Fiktion. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln vervielfältigt, verbreitet oder übertragen werden, außer nach vorheriger und ausdrücklicher Genehmigung des Autors. (Dieses Werk ist Fiktion.) Namen, Charaktere, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder vom Autor frei erfunden oder als fiktives Element verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: BLACK ROSE Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Peter Mehler Lektorat: Manfred Enderle

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-659-7

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Der Schwarze Tod
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Danksagung
Hinweise
Über den Autor

Ring around the rosie,

A pocket full of posies,

Ashes, ashes,

All fall down.

Prolog

Konstantinopel, 541 nach Christus

Die Stadt starb.

Rauch und Asche stiegen aus den Scheiterhaufen zu einem metallisch grauen Himmel hinauf und bedeckten alles mit einer feinen Rußschicht, selbst die Kuppel der beeindruckenden Kirche des Kaisers. Die Toten und Sterbenden lagen als verwesende Haufen überall in der Stadt verteilt. Ihr Gestank drang bis in den Himmel.

Eine einsame Gestalt lief durch die verwaisten Straßen, mit einem Lumpen, den er sich über Mund und Nase hielt. Er wich einem verwesenden Leichnam aus. Dicke grüne Fliegen umschwärmtem die Leiche und krochen dem toten Mann in die Augen und seinen offenstehenden Mund. Die Finger der Leiche waren schwarz und verfault.

Andreas verfluchte den Tag, an dem er hierhergekommen war. Zuerst war alles noch in bester Ordnung gewesen. Sein Ruf als Hersteller guter Kupferkessel hatte sich herumgesprochen, und in ein paar Monaten hätte er gutes Geld verdienen können. Doch dann war die Pest über sie gekommen.

Manche sagten, sie wäre aus Ägypten gekommen, andere glaubten, sie wäre direkt aus der Unterwelt aufgestiegen. Aber egal, wo sie ihren Ursprung auch genommen hatte – nun waren nicht mehr sehr viele übrig, um sich darüber Gedanken zu machen. Diejenigen, die noch verschont geblieben waren, hatten jeglichen Anschein von Moral hinter sich gelassen. Sie kopulierten in den Straßen, tranken, bis sie bewusstlos wurden, oder griffen Schwache und Wehrlose an. Der Gedanke ließ Andreas unwillkürlich nach dem Dolch greifen, den er unter seiner Tunika versteckt hielt.

Ein plötzlicher Kopfschmerz ließ ihn taumeln. Er fühlte sich durstig, müde und sein Magen war in Aufruhr. Seine Kehle brannte. Angst ließ seinen Körper erzittern. Er zog seine Tunika zurück und suchte nach äußerlichen Anzeichen der Krankheit, jenen schwarzen Flecken, die sich wie giftige Blüten über die Körper der dem Tode Geweihten ausbreiteten.

Er fand nichts und atmete erleichtert auf. Wahrscheinlich waren es doch nur Kopfschmerzen. Wer wäre an seiner Stelle nicht müde gewesen? Er konnte sich schon nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal eine Nacht durchgeschlafen oder ein gutes Mahl zu sich genommen hatte. Er hatte sich mit seiner Frau und seinem Sohn versteckt. Sie hätten die Stadt verlassen sollen, als sie noch gesund gewesen waren, aber seine Frau war zu ängstlich gewesen, und nun war es dafür zu spät. Der Kaiser hatte kurz vor seinem Tod noch befohlen, die Tore zu verriegeln, und bislang hatte niemand den Befehl gebrochen.

Hunger und die Schreie seines Kindes hatten ihn auf die Straße getrieben. Sein Ziel war eine Backstube in der nächsten Gasse. Andreas bog um die Kurve und erblickte drei Männer, die betrunken vor dem Laden standen. Durch die geöffnete Ladentür konnte er den Bäcker im Inneren auf dem Boden liegen sehen. Die Steine um ihn herum waren mit roten Flecken bespritzt. Hinter seine Leiche lag noch ein letzter Laib Brot auf einem der Regale.

Einer der Männer sah Andreas näherkommen und stieß seinen Kameraden an. Er hob sich einen Weinschlauch an die Lippen, trank und warf den leeren Weinschlauch dann achtlos beiseite.

»Was willst du hier?«, lallte er.

Andreas griff nach seinem Dolch. »Brot. Einen Laib Brot für meine Familie.«

»Verschwinde«, rief der Mann. »Das ist unser Laden und unser Brot.«

Der zweite Mann starrte ihn aus blutunterlaufenen Augen an. »Eine schöne Tunika trägst du da«, sagte er. »Gib sie mir.«

Andreas zog seinen Dolch. »Ich will nur Brot für mein Kind. Lasst mich vorbei.«

»Ooh«, höhnte der Anführer. »Ein Schweinepikser.«

Plötzlich schienen die drei Männer nicht mehr so betrunken zu sein. Der Anführer zog eine lange gebogene Klinge hinter seinem Rücken hervor. Der zweite Mann zückte einen Dolch aus seinem Gürtel. Der Dritte griff nach einer Keule, die an der Wand des Ladens lehnte.

Andreas hustete, ein schwerer, bellender Husten, der seinen Körper in heftigen Krämpfen durchschüttelte. Er schmeckte Blut, einen plötzlichen warmen Schwall in seinem Mund. Er beugte sich vornüber und erbrach einen dicken, roten Strahl auf die Pflastersteine.

Die drei Männer wichen angsterfüllt zurück. Ohne ein weiteres Wort drehten sie sich um und rannten davon.

Andreas wischte sich über die Lippen. Er würgte noch einmal, dann taumelte er auf den Laden zu, trat über die Leiche des Bäckers hinweg und nahm das altbackene Brot aus dem Regal.

Meine arme Familie, dachte er bei sich. Was werden sie nur ohne mich tun?

Kapitel 1

Das Biowaffenlabor, in dem Kim Bong Cha arbeitete, lag tief in einer verlassenen Goldmine in Nordkoreas Pinandok-Bergen verborgen, unsichtbar für die Spionagesatelliten des Westens. Für ihre siebenundzwanzig Jahre hatte man Cha eine Menge Verantwortung übertragen. Oft rühmten ihre Vorgesetzten ihre Hingabe. Es war schwer, etwas zu finden, das sich an ihr bemängeln ließ, und das in einer Gesellschaft, in der Kritik ein wesentlicher Teil ihrer Lebensführung war.

Wenn Cha eine Schwäche besaß, dann war es ihr schlechtes Händchen, was Männer anbetraf. Sie lebte mit einem Kleinkriminellen namens Hyo zusammen, der seinen Lebensunterhalt damit verdiente, Aufnahmen westlicher Fernsehsendungen von China in die Volksrepublik zu schmuggeln. Wenn er eines seiner Geschäfte über die Bühne brachte, besaß Hyo gutes Geld und war glücklich. Hyo war immer glücklich, wenn er Geld in den Taschen und genügend zu trinken hatte. Aber das Geld hielt nie lange, und dann wurde er mürrisch und gewalttätig, bis er seinen nächsten großen Treffer landete. Nun hatte er ihn gefunden und er brauchte Cha, um ihn durchziehen zu können.

Als Cha sich an diesem Morgen für die Arbeit fertigmachte, redete Hyo von nichts anderem, machte ihr damit sogar etwas Angst. Sie konnte bereits den ersten Drink des Tages in seinem Atem riechen. In seiner Stimme lag etwas Bedrohliches, als er ihr erklärte, was er wollte.

Sie hatte mit ihm gestritten.

»Hyo, das ist gefährlich. Wenn man mich erwischt, werden sie mich in eines dieser Lager bringen.«

»Man wird dich nicht erwischen. Du musst nichts weiter tun, als die Tür zu öffnen.«

Es war sein Versprechen gewesen, das Geld für ihre Flucht in den Süden zu benutzen, womit er Cha schließlich überredete. Sie hatte immer schon in den Süden gehen wollen, weg von all der grimmigen Propaganda und der Armut des Nordens. Die verbotenen Fernsehprogramme ließen ihn wie einen magischen Ort erscheinen, an dem jedermann glücklich und wohlhabend war.

Sie sah auf die Uhr an der Wand. Gleich ist es so weit, dachte sie.

Cha gehörte zu einem Team, das für die Entwicklung neuer biologischen Waffen auf der Basis von genetisch mutierten Bakterien und Viren zuständig war. Derzeit arbeitete sie an einer Probe, die nur als E495 bezeichnet wurde. Unter zweihundertfacher Vergrößerung sah E495 wie ein stabförmiger Klumpen aus Sicherheitsnadeln aus, der von klebrigen Strängen und Fasern umwickelt war. Diese Erhebungen und Fasern verrieten ihr, dass die Probe zur Familie der Yersinia pestis gehörte, der Beulenpest. Sie hatte schon früher mit Pestbakterien gearbeitet, aber noch nie eine Probe wie diese gesehen. Es war eine Mutation, die man mithilfe modernster gentechnischer Verbesserungen zu neuem Leben erweckt hatte.

Die nordkoreanischen Wissenschaftler hatten dazu die Genome aus den Zähnen dreier in der Türkei ausgegrabener Leichen manipuliert, um es wiederzuerwecken. Die Probe unter Chas Mikroskop aber stammte nicht von jenen Skeletten, sondern war dem Blut einer Ratte entnommen worden, die in ihrem Labor lebte.

Die Ratte würde jedoch nicht mehr lange am Leben sein.

Die gemeine Form der Beulenpest, der berühmte Schwarze Tod, welcher im Mittelalter in Europa und London wütete, war mittlerweile hinlänglich erforscht. Sie konnte mit modernen Antibiotika behandelt werden und verlief nur selten tödlich, sofern man sie rechtzeitig erkannte. Aber E495 stammte von Opfern eines ausgestorbenen Bakterienstammes, der im sechsten Jahrhundert im Byzantinischen Reich wütete. Sie unterschied sich von den anderen bekannten Varianten. Sie tauchte stets als Lungenpest auf, die sich über die Luft verteilte, sobald der Wirt mit ihr infiziert war. Alle Ratten oder Affen, die man zu Testzwecken benutzt hatte, waren daran gestorben oder lagen im Sterben. Die Todesrate lag bei einhundert Prozent. Bislang hatte E495 allen Bemühungen, ein Heilmittel zu finden, getrotzt.

Cha versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken, wieso ihr Land mit diesen derart tödlichen Seuchen und Viren herumexperimentierte, mit denen sie täglich zu tun hatte. Das geht mich nichts an, sagte sie sich. Und das sagte sie sich oft. In der Demokratischen Volksrepublik Korea waren diese Worte so etwas wie ein Überlebensmantra geworden.

Doktor Park würde noch eine abschließende Bewertung vornehmen müssen, aber sie konnte trotzdem erkennen, dass diese spezielle Probe etwas Besonderes war. Die Form dieses tödlichen Bazillus war höchst ungewöhnlich. Das Bakterium mutierte. Sie schrieb sich eine letzte Notiz, zog die Probe aus ihrem Mikroskop und legte sie in den Sicherheitsbehälter zurück. Darin war die Seuche isoliert und sicher verwahrt.

Sie stand von ihrem Arbeitsplatz auf und begab sich zu dem Lagerschrank, in dem alle Level-4-Erreger aufbewahrt wurden. Von ihrem Druckanzug führten Schläuche in Schlaufen zu einem über ihr befindlichen Gestell. Die Level-4-Tresore enthielten eine Sammlung der tödlichsten infektiösen Substanzen der Welt, und in dieser Einrichtung hatte es über die Jahre viele Tote gegeben, auch wenn die meisten Gefangene gewesen waren, die man für experimentelle Versuche benutzt hatte. Der Bioschutzanzug hielt sie am Leben, wenn sie sich in diesem Raum befand.

Sie platzierte den Sicherheitsbehälter mit E495 darin in dem Lagerschrank, schloss die Tür und aktivierte ein System, welches die Luft darin austauschte und reinigte. Es war essenziell, die Luft zu reinigen, da der Tresorraum über den Raum, in dem sie arbeitete, betreten werden konnte, ohne vorher das Labor betreten zu müssen. Ihr Sicherheitslabor war der Ort, an dem man die Killer aus ihren Käfigen entließ.

Sie steckte nun schon seit über einer halben Stunde in dem Anzug und war erschöpft. Die Luft, die in ihren Anzug drang, half nur wenig, um sie abzukühlen. Es war schon schlimm genug, mit etwas zu arbeiten, das einen bei der erstbesten Gelegenheit töten konnte. Aber der Stress wurde von der Enge des Anzugs noch verstärkt. Es war alles andere als eine leichte Arbeit.

Das Labor wieder zu verlassen, war ein mühsamer Prozess. Sie passierte eine Druckluftschleuse und gelangte von dort in einen Dekontaminationsraum, wo ihr Anzug mit chemischen Sprays getränkt wurde. Dann betrat sie einen Vakuumraum, in dem sie sich entkleiden konnte. Danach folgten eine Reihe von prasselnden Duschen, die ebenfalls nach Chemikalien rochen. Sie hasste diese Duschen. Sie trockneten ihr Haar aus und reizten ihre Haut. Immer noch nackt lief sie durch eine weitere Schleuse in einen Raum, wo sie sich endlich wieder anziehen konnte. Nach einer weiteren Schleuse war sie wieder außerhalb des Sicherheitsbereiches angekommen und konnte wieder normal atmen.

Normalweise hielten sich in dem äußeren Raum viele Menschen auf, aber nicht an diesem Abend. Sie war lange aufgeblieben, unter dem Vorwand, noch viel zu tun zu haben. Außer den Wachen in den Fluren war niemand mehr da. Von draußen ließ sich die Tür zum Laboratorium nur mit einer entsprechenden Karte und einer biometrischen Authentifizierung öffnen. Von innen brauchte man jedoch nur einen Handgriff herunterdrücken. Sie lief zu der verschlossenen Tür, die zum Rest des unterirdischen Komplexes führte.

Bong Cha sah auf ihre Uhr und dachte an Hyos Instruktionen. Er war hartnäckig gewesen und hatte sie genau wiederholen lassen, was er ihr sagte.

»Du öffnest heute Abend um 19:20 Uhr die Tür. Um genau 19:20 Uhr. Hast du verstanden? Jemand wird hereinkommen. Sprich nicht mit ihm. Zeige ihm, wo sich die Sicherheitsbehältnisse befinden. Dann geh nach Hause. Mehr musst du nicht tun.«

»Es gibt dort Kameras. Was, wenn mich jemand beobachtet? Was, wenn ich geschnappt werde?«

»Darum werden wir uns kümmern. Niemand wird zusehen. Hör zu, das ist unsere Chance. Mein Cousin wartet in Seoul auf uns. Er ist der derjenige, der mir von diesem Mann erzählte. Es wird alles gutgehen.«

»Dein Cousin ist in der Mafia.«

»Mein Cousin ist Geschäftsmann, das ist alles.«

»Nur die wenigsten haben Zutritt zu dem Lagerschrank. Was ist mit den Wachen?«

»Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich sagte doch schon, dass wir uns um alles kümmern. Die Wachen werden kein Problem sein. Zeige ihm einfach, wo die Proben aufbewahrt werden, und verschwinde. Tu einfach, was ich sage.«

»Ja, Hyo.«

Sie sah auf ihre Uhr. Es war 19:20 Uhr. Sie öffnete die Tür und trat unwillkürlich einen Schritt zur Seite.

Drei Männer standen davor, nicht einer. Sie waren schwarz gekleidet und hatten sich Skimasken über ihre Gesichter gezogen. Einer von ihnen trug einen Rucksack auf dem Rücken. Zwei der Männer besaßen Sturmgewehre. Der Dritte hielt einen speziellen Transportbehälter in der Hand.

»Hallo, Cha«, begrüßte sie der erste Mann.

Er zog ein Messer und schlitzte ihr damit mit einer schnellen Bewegung die Kehle auf. Bong Chas Blut spritzte auf ihren Angreifer, quer über die Tür und an die Wand. Sie versuchte zu sprechen, zu schreien, aber aus ihrem Mund sprudelten nur Blutblasen. Mit beiden Händen umklammerte sie ihre Kehle, taumelte zurück und starb.

»Bewegung«, befahl der Anführer mit leiser, gutturaler Stimme. »Öffnet den Schrank und nehmt alles mit. Aber seid vorsichtig.«

Der zweite Mann hielt mit seinem Sturmgewehr Wache. Der Dritte lief zu dem Schrank und öffnete die Tür. Darin befanden sich sechzehn sorgfältig gekennzeichnete Proben. Mit großer Vorsicht begann er, diese in dem Behälter zu verstauen, den er mitgebracht hatte.

»Beeilung«, trieb ihn der Anführer an.

Der Mann vor dem Schrank schloss den Deckel seines Transportbehälters und verriegelte ihn.

»Fertig.«

Der Anführer ließ sein Gewehr sinken, nahm seinen Rucksack ab, öffnete ihn und griff hinein. Er legte einen Schalter um. In dem Rucksack begann eine Digitalanzeige aus roten Ziffern von 4 Minuten an rückwärtszuzählen.

»Vier Minuten«, erklärte er. Er ließ den Rucksack auf dem Boden stehen und hob sein Gewehr auf. Einer der Männer nahm den Behälter an sich, und dann verließen alle drei den Raum.

Hinter ihnen auf dem Boden lag Bong Cha, würdelos und im Tod entstellt. Sie sollte nie erfahren, was sie getan hatte, als sie diese Tür öffnete.

Und vielleicht war das auch besser so.

Kapitel 2

Elizabeth Harker war für den Job als Leiterin des PROJECTs von Präsident Rice persönlich ausgewählt worden. Rice war entschlossen gewesen, nicht als einer jener Führer zu enden, die am Ende wie der Kaiser ohne Kleider dastanden. Es war leichter, Personen zu finden, die ihm erzählten, was er hören wollte, als Menschen, die den Mut hatten, ihm zu sagen, was er hören musste. Eine solche Person hatte er aber in Elizabeth gefunden. Nur wenige Menschen wussten, wer sie war oder was ihre Einheit tat. Das PROJECT operierte im Verborgenen, so sehr vor dem Auge der Öffentlichkeit verborgen, als wären sie auf der dunklen Seite des Mondes im Einsatz.

Nick Carter und Selena Connor saßen auf der Couch vor ihrem Schreibtisch. Nick hatte Jahre bei der Marineaufklärung verbracht und führte das Einsatzteam des PROJECTs an, welches bis auf Selena aus ehemaligen Spezialsoldaten bestand. Selena hatte zuvor ein bürgerliches Leben und besaß einen ganz eigenen Mix aus verschiedenen Fähigkeiten, der den harten militärischen Werdegang der anderen aufwog.

Sie besaß eine besondere Begabung für alte Sprachen und sprach mit Leichtigkeit um die zwölf der modernen Sprachen. Sie beherrschte verschiedene Kampfsporttechniken und hatte diese bereits des Öfteren einsetzen müssen, seit Harker sie rekrutiert hatte. Seit sie sich dem PROJECT angeschlossen hatte, hatte sie einige der tödlichen Fähigkeiten aufgeschnappt, die Nick und die anderen über Jahre während ihres militärischen Trainings erworben und verbessert hatten.

Das dritte Teammitglied war Lamont Cameron. Er saß auf einem Stuhl neben der Couch. Sein Gesicht war von einer dünnen, pinkfarbenen Narbe gezeichnet, die sich deutlich von seiner kaffeefarbenen Haut abhob. Sie führte von seinem rechten Auge bis an den Rand seiner Nase hinunter – ein Andenken aus dem Irak. Lamont war früher Navy SEAL gewesen. Seine blauen Augen, denen kaum etwas entging, waren ein genetisches Geschenk seiner äthiopischen Vorfahren.

»Haben Sie etwas von Ronnie gehört?«, fragte Elizabeth.

Ronnie Peete war das vierte Mitglied ihres Einsatzteams. Bei ihrer letzten Mission auf den Philippinen war er schwer verwundet worden und nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus nach Arizona zurückgekehrt. Er hatte Nick erklärt, dass er nach Hause in sein Navajo-Reservat gehen wollte, um dort an einer Heilungszeremonie teilzunehmen. Das war vor zwei Wochen gewesen.

»Ich habe gestern mit ihm gesprochen«, antwortete Nick. »Er hat nichts darüber gesagt, wann er wieder zurückkommen wird.«

»In Ordnung. Bringen Sie ihn auf den aktuellen Stand, wenn er wieder hier ist.«

Elizabeth kam nun auf den Grund ihres Treffens zu sprechen.

»Was wissen Sie über das Biowaffenprogramm Nordkoreas?«, fragte sie.

Nick rieb sich die Wunde an seinem linken Ohr, wo ihm eine chinesische Kugel das Ohrläppchen abgerissen hatte. Seine Augen waren rauchig-grau, mit goldenen Sprenkeln darin. Sein schwarzes Haar war kurz geschnitten. Er trug ein graues Jackett, welches zu seinen Augen passte. Eine kleine Wölbung unter seinem Jackett verriet ein Schulterholster. Jedes Mitglied des PROJECTs war zu jedem Zeitpunkt bewaffnet.

»Ich weiß gar nichts darüber«, antwortete er, »aber ich nehme an, dass sie eines haben. Ich hoffe nur, Sie haben nicht vor, uns nach Nordkorea zu schicken.«

»Nein«, antwortete Harker. »Ich werde Sie nach Hongkong schicken.«

»Das ist sehr beruhigend.«

»Haben wir Zeit, shoppen zu gehen?«, fragte Lamont. »Ich wollte schon immer mal so einen Seidenanzug besitzen.«

»Für Witze ist es noch zu früh, Lamont.«

»Sorry, Direktorin.«

Elizabeth tippte mit ihrem Finger auf eine Akte auf ihrem Tisch. »Das ist die Abschrift eines Gesprächs, welches die NSA zwischen dem Leiter des nordkoreanischen Biowaffenprogramms und dem Vizepräsidenten ihres Verteidigungsrates abfangen konnte. Letzterer ist der zweitwichtigste Mann im Land, nach dem obersten Führer. Ihr Top-General.«

»Worüber haben sie gesprochen?«, fragte Nick.

»Es gab ein Sicherheitsleck in einem ihrer Biowaffen-Labors.«

»Welche Art von Sicherheitsleck?«, hakte Selena nach.

Sie trug eine dunkelblaue Hose und ein dazu passendes lockeres Top. Eine SIG-Sauer in einem Holster an ihrem Gürtel sorgte für einen zusätzlichen dunklen Akzent in ihrem lässigen Look. Ihre Kleiderwahl harmonierte mit ihren violetten Augen und ihrem rotblonden Haar. Selena war eine Frau, nach der man sich überall umdrehte.

»Die Volksrepublik experimentiert mit ein paar wirklich fiesen Erregern herum. Haben Sie schon mal von der Beulenpest gehört?«

»Ich weiß, dass die im Mittelalter eine Menge Leute dahingerafft hat. Bekommt man da nicht so Knoten unter den Armen und zwischen den Beinen? Und schwarze Flecken?«

»Das ist richtig. Sie befällt die Lymphknoten, zerstört das Immunsystem, und breitet sich danach auf die Organe aus. Unbehandelt tritt der Tod nach einer bis zwei Wochen ein. Es existiert eine septische Variante, bei der es zu Blutungen unter der Haut kommt und sich diese Bereiche schwarz verfärben. Deshalb nannte man sie im Mittelalter auch den Schwarzen Tod. Sie wirkt sich auf die Blutgerinnung aus. Man muss dabei zusehen, wie die eigenen Finger schwarz werden und verfaulen, bevor man selbst stirbt.«

Lamont sah auf seine Hände hinunter.

»Wie wurde sie übertragen?«, fragte Nick.

»Normalerweise über Flohbisse, aber es gibt auch noch andere Übertragungswege. Beispielsweise bei einer Form der Lungenpest, an der man sich durch Husten oder Niesen anstecken kann. Die Vorstellung, dass eine über die Luft übertragene Pest wieder einmal auftauchen könnte, ist eine Sorge, die die Weltgesundheitsorganisation nachts wachhält.«

Harker machte eine Pause und nahm ihren Stift zur Hand, einen schwarzen Montblanc. Mit ihm tippte sie dreimal auf ihren Schreibtisch. »Unsere nordkoreanischen Freunde haben einen Superstrain einer über die Luft übertragbaren Pest entwickelt. Wir glauben, dass sie ihn mithilfe von Aerosolen waffenfähig gemacht haben.«

Nick schüttelte den Kopf. »Was stimmt mit diesen Leuten eigentlich nicht?« Er sah sie an. »Jetzt werden Sie mir gleich erzählen, dass das Zeug verschwunden ist, oder?«

Sie nickte. »Genau darum ging es in der abgefangenen Unterhaltung. Bei dem koreanischen Labor handelte es sich um eine Level-4-Einrichtung. Das ist die höchste Sicherheitsstufe, die es gibt. Vor zehn Tagen ließ eine dort beschäftigte Technikerin einige Männer in das Labor. Sie töteten sie und die Wachmänner und brachten Behälter mit Proben dieses neuen Bakteriums an sich. Dann brachten sie Sprengsätze an und verschwanden. Es war eine sauber durchgeführte Aktion, mit militärischer Präzision. Als die Sprengsätze detonierten, wurde das Labor zerstört, und ein Teil des Berges stürzte darüber zusammen. Das ist die einzig gute Nachricht an der Sache. Die Volksrepublik wird jetzt dort für eine Weile keine neuen Bazillen mehr züchten können.«

»Woher wissen Sie, was dort passiert ist, wenn doch alles zerstört wurde?«

»Es gab Videoaufzeichnung des gesamten Überfalls. Die Sicherheitskameras sandten die Aufnahmen aus den Hochsicherheitslaboratorien in ein separates Gebäude.«

Nick wartete.

»Ich habe mich heute Morgen mit dem Präsidenten und DCI Hood getroffen«, sagte Elizabeth. »Sie wollen uns auf eine Mission schicken, die etwas Feingefühl verlangt.«

»Feingefühl ist nicht unbedingt unsere Stärke«, sagte Nick.

»Das Ganze ist politischer Sprengstoff. Rice möchte weder Langley noch eine der regulären JSOC-Einheiten hinzuziehen, für den Fall, dass etwas schiefgeht.«

Nick seufzte. »Was sollen wir seiner Meinung nach tun?«

»Wir müssen herausfinden, was die Nordkoreaner dort genau entwickelt haben. Der Chefwissenschaftler des Biowaffenprogramms in Pjöngjang ist ein Mann namens Kim Jung-Hun. Er verlässt Nordkorea so gut wie nie, wird aber an diesem Wochenende an einer internationalen Konferenz in Hongkong teilnehmen. Er will überlaufen. Um dem Gefängnis zu entgehen, ist er bereit, uns Details über ihr Programm zu liefern.«

»Wow«, sagte Nick. »Das wäre mal ein großer Fisch.«

»Ganz genau, und deshalb will der Präsident ihn auch an Land ziehen«, antwortete Elizabeth.

»Und Sie wollen, dass wir ihn abholen.«

Elizabeth nickte. »Es wird nicht leicht werden. Ich schicke Sie und Lamont. Kim wird rund um die Uhr schwer bewacht werden. Uns bleibt ein Zeitfenster von nur zwei Tagen, dann wird er nach Nordkorea zurückkehren. Für die Extraktion werden sie Unterstützung bekommen. Aber wenn vorher etwas schiefgeht, sind Sie auf sich allein gestellt. Dann kann ich Sie nicht beschützen.«

»Wie sollen wir ihn rausholen?«

»Der MI-6 wird so freundlich sein, Ihnen ein Boot zur Verfügung zu stellen, sobald Sie Kim in Sicherheit gebracht haben.«

»Und wie genau sollen wir ihn aufgabeln?«

Elizabeth lächelte. »Das überlasse ich Ihnen, Nick. Denken Sie sich was aus.«

Kapitel 3

Die dunklen Wellen der ostchinesischen See schwappten gegen den Schiffsrumpf. Nick stemmte sich gegen die konstante, Übelkeit erregende Bewegung. Seine schwarze Wollmütze und die dicke Jacke hielten etwas von der nassen, nächtlichen Kälte ab. Dicker Nebel dämpfte das Rattern ihres Motors. Wassertröpfchen bedeckten wie die obsessive Berührung eines Liebhabers jede Oberfläche des Schiffs.

Das Schiff war alt und langsam. Ein großes, offenes Steuerhaus bot kaum Schutz vor den Nebelschwaden, die in jeden Winkel krochen. Kleine Wasserrinnsale rannen an den verglasten und nur schwach beleuchteten Instrumenten der Steuerkonsole hinunter. Das altmodische Ruder war glitschig, und es auf Kurs zu halten, ließ seine Hand schmerzen. Ein sadistischer kubanischer Polizist hatte ihm die letzten beiden Finger gebrochen, welche ihm seither Probleme bereiteten. Nick versuchte, durch den Nebel hindurch etwas zu erkennen, und hoffte, dass sie nicht auf eines der chinesischen Patrouillenboote trafen, die in diesen Gewässern verkehrten.

Es war ihnen gelungen, Kim Jung-Hun in Hongkong zu schnappen, aber es war recht blutig verlaufen. Drei von Kims Aufpassern waren tot. Nun suchten alle chinesischen Geheimdienste nach dem mausartigen Mann, der zitternd in der Kabine unter Deck hockte. Die Chinesen und die Nordkoreaner würden alles tun, um Kim zurückzubringen. Wenn ihnen das nicht gelang, würden sie versuchen, ihn zu töten, dessen war sich Nick sicher.

Lamont kam an Deck und gesellte sich zu Nick im Steuerhaus. Mit seinem Nachtsichtfernglas suchte er den undurchdringlichen Nebel ab.

»Ich kann verdammt noch mal gar nichts erkennen«, sagte Lamont. Der Nebel schluckte den Klang seiner Stimme. Er ließ das Fernglas sinken.

»Wie geht es unserem Gast?«, erkundigte sich Nick.

»Ist seekrank. Kotzt in einen Eimer. Da unten stinkt’s. Ich musste an die frische Luft.«

»Mittlerweile werden sie dahintergekommen sein«, sagte Nick. »Jemand wird hier draußen nach uns suchen.«

Lamont grunzte. Es gab keinen Grund, sich über all das den Kopf zu zerbrechen, was möglicherweise schiefgehen könnte.

»Du solltest sicherheitshalber den Raketenwerfer einsatzbereit machen«, sagte Nick. Die Waffe lag in einer offenen Kiste auf dem Boden des Ruderhauses.

Lamont zog ihn aus der Kiste und lud eine Granate.

»Fertig«, sagte er. »Hoffen wir, dass wir ihn nicht brauchen. Gegen ein Patrouillenboot wird er uns ohnehin nicht viel nützen.«

»Besser als gar nichts.«

»Das stimmt.«

Für ein paar Minuten schwiegen die beiden Männer. Nur der gedämpfte Rhythmus des Schiffsmotors und die Wellen, die gegen den Rumpf schlugen, waren zu hören.

»Der Nebel lichtet sich«, sagte Nick schließlich. »Ich fürchte, wir werden bald ohne Deckung sein.«

»Wie weit ist es noch bis zum Extraktionspunkt?«, fragte Lamont. Sie befanden sich auf dem Weg zu einem Treffen mit einem Hubschrauber eines amerikanischen amphibischen Angriffsschiffs der Wasp-Klasse.

»Noch zehn Minuten«, antwortete Nick.

Der Nebel klammerte sich an die Anzeigen. Nick wischte die Wassertropfen mit der rechten Hand ab.

»Immer noch genügend Treibstoff.«

Dann hörten beide gleichzeitig das Geräusch.

»Motoren. Große«, sagte Lamont.

Nick drosselte den Motor und ließ das Schiff lautlos über die schwarze See treiben. Dünne Nebelschwaden wirbelten um sie herum. Das Geräusch schien ganz aus der Nähe zu kommen.

»Vielleicht nur ein Fischerboot«, sagte Lamont.

Nick deutete voraus. »Ich fürchte nicht«, sagte er.

Der spitze Bug eines Patrouillenschiffes tauchte aus dem Grau auf, als beide Schiffe einen klaren Bereich innerhalb der Nebelbank erreichten. Das chinesische Schiff war lang und wirkte mit seinen Kanonen überaus gefährlich. Nick rammte den Gashebel nach vorn. Ein greller Suchscheinwerfer fiel auf sie, als sie versuchten, wieder zurück in den Nebel zu fliehen.

»Haben wir ein Glück«, murmelte Lamont.

»Das ist eine Shanghai-II-Klasse«, sagte Nick. »Veraltet, bringt aber immer noch ihre dreißig Knoten. Zwei 37er- und zwei 25er-Geschützbatterien für das Grobzeug, und dazu schwere Maschinengewehre. Wenn sie beschließen sollten, das Feuer zu eröffnen, könnten sie diesen Kahn in zehn Sekunden in Zahnstocher verwandeln.«

Nick steuerte das Schiff tiefer in den Nebel hinein und schaltete den Motor ab.

Hinter ihnen konnten sie Rufe und Alarme schrillen hören. Dann herrschte Stille.

Die beiden Schiffe trieben durch den Nebel.

»Ich hab Versteckspielen noch nie leiden können«, sagte Lamont.

»Hole unseren Gast rauf. Wahrscheinlich müssen wir uns beeilen. Ich werde mal sehen, wo unser Taxi bleibt«, sagte Nick. Er justierte sein Headset und schaltete den Transponder ein, der ihn als Verbündeten auswies. Nun, da man sie aufgespürt hatte, gab es keinen Grund mehr, Funkstille zu halten.

»Raven One, hier ist Tango. Können Sie mich hören?«

Es knisterte in seinem Headset.

»Tango, hier spricht Raven One. Wir haben Sie auf dem Schirm. Sieht ganz so aus, als hätten Sie Gesellschaft bekommen. Wie ist Ihr Status?«

»Raven One, ein chinesisches Patrouillenschiff sitzt uns im Nacken. Sie verfügen über Flugabwehrkanonen. Passen Sie auf sich auf.«

»Verstanden, Tango. No Problemo. Bleiben Sie noch fünf Minuten am Leben.«

»Verstanden.«

Lamont stieg in die kleine Kajüte hinunter und tauchte wenig später mit ihrem Hauptgewinn wieder auf. Er war ein kleiner Mann, mit einem formlosen braunen Anzug bekleidet. Er umklammerte einen Aktenkoffer und wirkte verängstigt. Nick konnte es ihm nicht verübeln. Wenn die Nordkoreaner ihn in die Finger bekommen sollten, würden sie ihn bei lebendigem Leib an ein Rudel hungriger Hunde verfüttern.

Sie trieben durch den lichter werdenden Nebel dahin. Vor ihnen war das Meer klar und dunkel. Sterne leuchteten am Himmel. Sekunden später tauchte auch das chinesische Schiff aus der Nebelbank auf, keine dreißig Meter von ihnen entfernt. Sie warfen die Motoren an. Ein Suchscheinwerfer fegte über die schwarzen Fluten hinweg und nagelte sie in einem grellweißen Lichtkegel fest. Nick sah, wie sie ihre Waffen ausrichteten.

»Lamont.«

»Schon dabei.«

Lamont hob den Raketenwerfer und feuerte ihn ab. Das Geschoss traf die Brücke und explodierte in einem grell orangefarbenen Feuerball. Das chinesische Schiff schwenkte nach Backbord. Nick gab Gas und wirbelte das Steuerruder herum, um das Schiff wieder in die Nebelbank zu lenken. Ihre Manövrierfähigkeit war der einzige Vorteil, den sie noch besaßen. Sie brachen nach rechts durch die Fluten, während das Feuer der Kanonen die Stelle unter Beschuss nahm, an der sie sich eben noch befunden hatten. Das Patrouillenboot brannte, wo die Granate eingeschlagen war. Lamont lud eine weitere Granate nach und feuerte auch diese ab, dieses Mal auf die feindlichen Kanoniere. Zwei Körper flogen durch die Luft. Das 25-mm-Geschütz auf dem Vorderdeck hämmerte gnadenlos auf sie ein und ließ immer wieder Wasserfontänen aufsteigen.

Die chinesischen Maschinengewehre eröffneten das Feuer. Nick und Lamont warfen sich auf den Boden. Kugeln pfiffen über das Schiff hinweg, zerschlugen die Steuerkonsole und bohrten sich in Kim Jung-Huns Brust. Sein Aktenkoffer schlitterte über das Deck, als er fiel. Nick griff nach oben und drehte das Steuerrad herum. Die Granate aus der 25-mm-Kanone schlug achtern ein und ließ Teile ihres Kutters in die Luft fliegen. Der Motor schrie, riss sich selbst auseinander und erstarb mit einem letzten Krächzen gequälten Metalls. Das Schiff begann, an der Heckseite rasch zu sinken.

Über die lauten Explosionen der chinesischen Geschütze hinweg hörte Nick das Geräusch von Rotoren. Ein SH-60B Seahawk erschien und kam nur dreißig Meter über den Wellen tief herangeflogen. Der chinesische Kanonier schwenkte herum und begann zu feuern. Eine Reihe greller Leuchtspuren schoss auf den Hubschrauber zu. Nick sah, dass auch der Hubschrauber zwei Hellfire-Raketen abfeuerte.

Die Raketen hoben das chinesische Schiff teilweise aus dem Wasser und rissen es in zwei Teile. Eine dicke Wassersäule schoss in den Nachthimmel. Nick umklammerte die Reling ihres sinkenden Schiffes, während Wasser auf ihn herabregnete. Die von der Detonation ausgelöste Welle schwappte über den Kutter hinweg. In weniger als einer Minute war das Patrouillenboot verschwunden.

Kim lag an Deck, seine Brust blutig von den Kugeln zerfetzt. Seine Augen standen offen. Sein Gesicht sah aus, als hätte er etwas gesehen, das ihm einen riesigen Schrecken eingejagt hatte. Nick hob den Koffer auf.

Das Heck war bereits unter Wasser, und das Schiff neigte sich zur Seite. Lamont sprang ins Wasser und begann, von dem Schiff wegzuschwimmen. Nick tauchte hinter ihm in die Fluten. Der Bug des Kutters bäumte sich auf, glitt in die wogenden Fluten hinab und versuchte, sie mit sich zu ziehen.

Über ihnen trieben die Rotoren des Seahawks Muster ins Wasser. Ein Lichtkreis fand sie. Eine Luke öffnete sich, und ein Rettungskorb wurde hinabgelassen.

Nick hoffte, dass er keinen Krieg vom Zaun gebrochen hatte.

Kapitel 4

Die koreanische Operation hatte Major Igor Kaminsky in gute Laune versetzt. Das tat Action immer. Kaminsky war ein ranghoher Agent des Zaslon, einer derart geheimen und gnadenlosen Spezialeinheit, dass der Kreml sich genötigt sah, ihre Existenz abzustreiten. Den Einsatz in der Ukraine hatte er verpasst, obwohl es noch immer möglich war, dass man seine Spetsnaz-Einheit dorthin entsenden würde. Oder sie schicken mich in eines der baltischen Gebiete, dachte er. Für Kaminsky und seine Vorgesetzten waren die baltischen Staaten nur vorübergehend unabhängig. Jeder von ihnen besaß einen hohen Anteil an russischer Bevölkerung mit hohen innenpolitischen Bestrebungen, wieder Teil von Novo Rossiya, des neuen Russlands zu werden. Seine Einheit würde Teil aller künftigen Einsätze im Baltikum werden.

In der Zwischenzeit genoss er den Luxus eines Erste-Klasse-Zugabteils in einem Spezialzug. Kaminsky war auf dem Weg von Moskau zum Militärlabor Sverdlovsk-19 am Rand von Jekaterinburg an der östlichen Seite des Urals. Sechs seiner Männer fuhren mit ihm. Ein Aluminiumkoffer mit den nordkoreanischen Proben darin stand auf dem grünen Plüschsitz neben ihm.

Der Angriff auf den Forschungskomplex war problemlos verlaufen. Die Sicherheitsvorkehrungen waren überraschend lasch gewesen. Kaminsky hatte mit wenigstens doppelt so vielen Wachen gerechnet, aber es schien, dass der Oberste Führer die Anlage allein schon wegen ihrer Geheimhaltung und der schweren Erreichbarkeit für sicher hielt. Der schwierigste Teil der Operation hatte darin bestanden, sich und seine Männer unbemerkt auf das Gelände zu bringen. Alle Männer, die er für diese Mission ausgewählt hatte, hatten asiatische Züge besessen. Zwei von ihnen sprachen fließend Koreanisch. Mehrere Sprachen zu sprechen, war eine Grundvoraussetzung für den Dienst als Spetsnaz-Agent.

Aber selbst Wissenschaftler und Wachpersonal mussten etwas essen. Kaminsky war mit einem Lebensmittel-Kleintransporter bis an die Tore herangefahren, wobei er hinten im Wagen saß, wo man seine westlichen Gesichtszüge nicht erkennen konnte. Die Wachsoldaten an dem Wachhaus umzubringen, war nicht schwer gewesen. Und als sie sich erst auf dem Gelände befanden, war der Rest ein Kinderspiel gewesen.

Nur das Mädchen in dem Labor tat ihm leid. Sie war hübsch gewesen, zumindest, bis er ihr die Kehle durchgeschnitten hatte. Es ließ sich keine Spur zu ihrem Freund und dessen russischen Kontakt zurückverfolgen, denn ihr Freund war natürlich auch längst tot. Vielleicht fanden sie sich ja in der koreanischen Version des Himmelreiches wieder, sofern sie noch an irgendetwas anderes geglaubt hatten als an ihren Traum vom Süden.

Der Zug befand sich noch immer auf der westlichen Seite des Urals. Vor ihnen ragte das Gebirge, welches den europäischen Teil Russlands vom Rest des Landes trennte, düster und kalt in einen winterlichen Himmel voller dahinrasender grauer und schwarzer Wolken hinauf. Dichter Schnee lag auf den Bahngleisen. Ein neuer Sturm zog auf, und die ersten nassen Schneeflocken klatschten bereits gegen Kaminskys Fenster.

Kaminsky machte die Zugfahrt nichts aus. Es war eine angenehme Abwechslung zu den Helikopterflügen und den lauten Truppentransportern, an die er sonst gewöhnt war. Er war dem unbekannten, gesichtslosen Bürokraten dankbar, der entschieden hatte, dass der Zug der beste Weg wäre, ihn und sein Paket aus Bakterien in das Labor zu schicken. Kaminsky tätschelte den Koffer neben ihm.

Der Zug fuhr in einen langen Tunnel. Die Lichter in dem Waggon begannen zu flackern, dann gingen sie aus. Einer seiner Männer fluchte.

»Lenins späte Rache«, sagte jemand.

Kurzes Gelächter war zu hören, dann herrschte Schweigen, mit Ausnahme des rhythmischen Ratterns der Räder auf den Schienen. In Russland war man elektrische Störfälle gewohnt.

Der Zug wurde langsamer, dann hielt er an. In dem Tunnel war es stockdunkel. Major Kaminsky berührte den Koffer neben sich. Er lag noch an Ort und Stelle. Trotzdem war die Dunkelheit beunruhigend.

Kaminsky hörte, wie sich am Ende des Waggons die Tür öffnete. Gut, dachte er, jetzt werde ich herausfinden, was uns aufgehalten hat. Hoffentlich gibt es einen guten Grund dafür.

Ihm blieb noch genug Zeit, um einen roten Punkt über seine Brust tanzen zu sehen, bevor sich eine Kugel in seine Uniformjacke bohrte und seinen Gedanken über den Zug und allem anderen ein Ende setzte.

Kapitel 5

Schnee bedeckte den Garten vor Elizabeths Bürofenstern des PROJECT-Hauptquartiers. Der Raum verfügte über einen Gaskamin, der hinter einer Glasfront eine angenehme Wärme abstrahlte. Er sah wie ein echter Kamin aus. Ein großer, in die Jahre gekommener orangefarbener Kater namens Burps lag zusammengerollt auf den Fließen davor. Er schnarchte. Ein nasser Fleck auf der Fliese markierte die Stelle, auf die er im Schlaf gesabbert hatte.

»Dieser Kater macht einen ziemlichen Krach«, sagte Lamont.

»Wenigstens rülpst und furzt er nicht«, antwortete Nick.

Mit ihnen befand sich noch Stephanie Willits in dem Raum. Harkers Stellvertreterin kümmerte sich um die Technik und die Kommunikation bei allen PROJECT-Einsätzen. Sie war eine Legende in der Hacker-Welt, wo sie nur unter ihrem Pseudonym Schmetterling bekannt war. Mithilfe der riesigen Crays in ihrem Computerraum konnte sie sich in jeden Server überall auf der Welt hacken. Ohne sie würden alle PROJECT-Einsätze zum Erliegen kommen.

Selena saß neben Nick auf der Couch. Sie trug einen Diamantring, der im Licht des Kaminfeuers funkelte. Seit sie ihre Verlobung öffentlich gemacht hatten, schienen die Spannungen, die stets ein Teil ihrer Beziehung gewesen zu sein schienen, nachgelassen zu haben. Dafür war Elizabeth dankbar. Sie hatte genug um die Ohren, um sich auch noch mit den persönlichen Problemen ihres Personals herumärgern zu müssen. Die beiden hatten noch kein Datum für ihre Hochzeit bekanntgegeben, und sie hoffte, dass das nicht wieder zu einem anderen Problem werden würde.

»Fangen wir an.« Elizabeth klopfte mit ihrem Stift auf ihren Tisch. »Selena hat den Inhalt von Kims Koffer übersetzt. Ich habe sie gebeten, uns einen kurzen Überblick darüber zu geben, was sie herausgefunden hat.«

»Das meiste davon ist genau das, was wir erwartet haben«, sagte Selena. »Büronotizen, bürokratische Fleißarbeit und sogar eine Einladung zu einer Geburtstagsparty.«

»Die feiern Partys in Nordkorea?«

»Lamont …« Elizabeths Stimme hatte einen warnenden Ton angenommen.

»‘Tschuldigung.«

»Der Rest waren Notizen und Unterlagen, die das bestätigen, was wir aus dem abgefangenen Gespräch gelernt haben. Nordkorea hat eine Seuche wiederbelebt, die im sechsten Jahrhundert zwanzig Millionen Menschen das Leben kostete. Man nannte sie die Justinianische Pest, nach dem römischen Eroberer, der zu jener Zeit in Konstantinopel herrschte. Auch er gehörte zu den Opfern.«

»Zwanzig Millionen sind ganz schön viele Menschen«, sagte Lamont.

»Und das nur während ihres ersten Auftretens«, sagte Elizabeth. »Sie sollte noch mehrere weitere Male grassieren, bevor sie schließlich im achten Jahrhundert ausstarb. Bis dahin hatte sie über einhundert Millionen Menschen dahingerafft.«

Lamont pfiff.

»Was macht sie so tödlich?«, wollte Nick wissen.

»Es ist eine Variante der Beulenpest. Die normale Ausprägung ist schon schlimm genug, aber man kann sie mit Antibiotika behandeln, wenn man schnell genug ist. Diese Variante ist einhundert Prozent tödlicher und wird über die Luft übertragen. Das ist das Schlimmste daran. Kim hat die Krankheit im wahrsten Sinne des Wortes wiederbelebt, in dem er Genome von Opfern veränderte, die man in der Türkei ausgegraben hatte. Dann veränderte er sie so, dass sie immun gegen alle derzeit bekannten Wirkstoffe ist. Es gibt kein Heilmittel, zumindest laut seinen Aufzeichnungen. Dem Obersten Führer war offenbar nicht daran gelegen, eines zu finden. Kims Labor baute es zu einem Kampfstoff um, der in die Luft gesprüht werden kann, so wie man es von Sprühflugzeugen kennt. Die Diebe entwendeten lebende Proben des Bakteriums.«

»Oh Mann«, entfuhr es Lamont.

»Ganz genau.«

Elizabeth nahm ihren Montblanc zur Hand und tippte auf den Tisch. »Das war ein Inside-Job. Die Frau, welche die Diebe hereinließ, ist tot, genau wie ihr Freund. Der Überfall erinnert an eine Militäroperation, durchgeführt von einer Art Spezialeinheit. Wir wissen noch nicht, wer die Proben entwendete. Wenn wir es herausgefunden haben, wird es ihr Job sein, sie zurückzuholen.«

»Würden Sie mir vielleicht erklären, wie wir das anstellen sollen, falls eine andere Regierung dahintersteckt?«, fragte Nick. »Wir wissen ja noch nicht einmal, ob es eine andere Regierung war. Vielleicht waren es auch Terroristen.«