Diagnose Eifersucht: Dr. Florian Winter Arztroman 2 - Horst Weymar Hübner - E-Book

Diagnose Eifersucht: Dr. Florian Winter Arztroman 2 E-Book

Horst Weymar Hübner

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Beschreibung

Krankenschwester Uschi Eisfeller tritt ihre neue Arbeitsstelle in der Paul-Ehrlich-Klinik an. Eigentlich ist sie nur ihrem Freund, Chirurgie-Assistenzarzt Norbert Brieger, dorthin gefolgt, der schon seit Längerem in dieser Klinik arbeitet. Leider muss sie erfahren, dass dieser an seiner attraktiven Kollegin, Doktor Brigitte Busse aus reichem Haus, mehr als nur kollegiales Interesse zu haben scheint. Enttäuscht zieht sich die hübsche Krankenschwester zurück und stürzt sich mit Elan in ihre neue Arbeit. Doch immer häufiger wird sie von starken Schmerzen ungeklärter Ursache überfallen. Schließlich begibt sie sich in ihrer Klinik in Behandlung, aber keiner der Ärzte scheint zu wissen, was ihr fehlt …

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Horst Weymar Hübner

Diagnose Eifersucht: Dr. Florian Winter Arztroman 2

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Inhaltsverzeichnis

Diagnose Eifersucht: Dr. Florian Winter Arztroman 2

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Diagnose Eifersucht: Dr. Florian Winter Arztroman 2

von Horst Weymar Hübner

Krankenschwester Uschi Eisfeller tritt ihre neue Arbeitsstelle in der Paul-Ehrlich-Klinik an. Eigentlich ist sie nur ihrem Freund, Chirurgie-Assistenzarzt Norbert Brieger, dorthin gefolgt, der schon seit Längerem in dieser Klinik arbeitet. Leider muss sie erfahren, dass dieser an seiner attraktiven Kollegin, Doktor Brigitte Busse aus reichem Haus, mehr als nur kollegiales Interesse zu haben scheint. Enttäuscht zieht sich die hübsche Krankenschwester zurück und stürzt sich mit Elan in ihre neue Arbeit. Doch immer häufiger wird sie von starken Schmerzen ungeklärter Ursache überfallen. Schließlich begibt sie sich in ihrer Klinik in Behandlung, aber keiner der Ärzte scheint zu wissen, was ihr fehlt …

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

1

Uschi Eisfeller setzte ihren Handkoffer ab und verschnaufte. Hier musste es sein. Straße und Hausnummer stimmten jedenfalls. Und passabel sah das Gebäude auch aus.

Na ja, Norbert hatte schon immer gewusst, wo die schönen Ecken zu finden waren.

Sie hoffte, dass ihr die Überraschung voll und ganz gelang, wenn sie plötzlich vor ihn trat. Er rechnete ja erst zur Mitte der Woche mit ihrem Eintreffen.

Ein bisschen komisch hatte er sich am Telefon ja gegeben, als sie ihm eröffnet hatte, dass es mit der Schwesternstelle schon zum nächsten Ersten geklappt hatte.

Dabei war es zwischen ihnen eine feste vereinbarte und besprochene Sache gewesen, dass sie sich ebenfalls um einen Arbeitsplatz in der Paul-Ehrlich-Klinik bewarb, nachdem Norbert dort eine Assistentenstelle in der Chirurgie bekommen hatte.

Von der reinen Chirurgie verstand sie zu wenig. Sie war in der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe untergekommen. Bei einem Professor Winter. Der hatte sie bald nach ihrer Bewerbung angerufen und das Einstellungsgespräch am Telefon geführt. Wegen ihrer außergewöhnlichen Zeugnisse und Beurteilungen. Und er hatte gesagt, aufs Aussehen gäbe er wenig, ihm käme es darauf an, was die Mitarbeiter könnten. Und sei man miteinander nicht zufrieden, würde man sich eben im guten Einvernehmen trennen.

Kurz und bündig: Auf den Professor in natura war sie mindestens so gespannt wie auf das Gesicht von Norbert.

Sie hatte sich schon etwas dabei gedacht, weswegen sie ein paar Tage eher angereist war. Erstens hatte sie noch Urlaub zu bekommen, zweitens konnte sie sich schon um eine Wohnung kümmern, falls sie kein Zimmer im Schwesternwohnheim fand, und drittens hatte sie ein ganzes langes Wochenende mit Norbert vor sich.

Als sie in der Klinik angerufen hatte, war gesagt worden, Doktor Brieger hätte sein absolut freies Wochenende. Ohne Bereitschaft. Ganz zur eigenen und freien Verfügung.

Das gab’s tatsächlich auch für einen Assistenzarzt.

Norbert hatte ihr gegenüber am Telefon nichts davon erwähnt, aber sie sah es für verzeihlich an. Er hatte andere Probleme um die Ohren, als ausgerechnet an sein langes freies Wochenende zu denken. Sie wusste, was Assistenzärzte leisten mussten. Die wurden hergenommen, bis ihnen die Ohren rauchten.

Dieses Wochenende aber gehörte er ihr.

Und sie ihm.

Energisch fasste sie den Koffergriff und spürte mal wieder dieses lästige Ziehen im rechten Unterbauch, das sich schon mehrmals bemerkbar gemacht hatte. In immer kürzeren Abständen.

Es war nicht das, was sonst eine Frau erschrecken oder vor Freude erschauern lässt. Der Test war negativ verlaufen. Keine Schwangerschaft in Aussicht.

Allerdings war auch keine geplant.

Es war wohl besser, wenn sie mal für einige Zeit nicht schwer hob. Vor allem keinen Koffer.

Zum Glück war der Weg aus Waschbetonplatten nicht sehr lang. Neben der Haustür zwinkerte eine schadhafte Mietertafelbeleuchtung.

Aus der Höhe drang in diesem Augenblick unbändiges vielstimmiges Gelächter. Eine fröhliche Runde feierte ausgelassen in einer Wohnung dieses Hauses, der Wetterlage angepasst bei offenen Fenstern.

Vielleicht wollten die Feiernden der lauschenden Nachbarschaft etwas zukommen lassen.

Uschi seufzte. Die Leute da oben machten sich was aus dem Abend nach dem bisher heißesten Tag des Jahres. Abgekühlt hatte es sich kaum, obschon es seit einer Stunde dunkel war.

Da oben kreischte jetzt ein Mädchen oder eine Frau los, eine Spur zu aufdringlich. Fast ordinär.

Auf einem Balkon vom Nachbarhaus machte ein Mann sehr unfreundliche Bemerkungen. Und die keineswegs leise.

Aber die feiernde Schar ließ sich die Freude nicht vermiesen.

Uschi studierte die Tafel. Das zuckende Licht schien seinen reduzierten Betrieb vollends einstellen zu wollen.

Gerade noch fand sie den Namen: Brieger.

Mehr nicht.

Sie stippte den Zeigefinger auf die Klingel.

Es gab keine Rufanlage.

Der Türöffner summte, die Tür sprang auf.

Uschi wuchtete den Koffer in den Hausflur und tastete erst einmal nach der Treppenhausbeleuchtung, nachdem Norbert das Licht nicht anknipste.

Einigermaßen seltsam kam ihr das schon vor. Er ließ jeden rein, der auf seine Klingel drückte!

Sie schleppte den Koffer in den vierten Stock hinauf. Immerhin waren Steintreppen vorhanden. Ein Aufzug leider nicht. Der Hausbesitzer schien der Ansicht zu huldigen, dass Treppensteigen jung und beweglich erhält.

Schon im dritten Stockwerk spürte sie wieder dieses lästige Reißen. Sie verdrängte den Schmerz, denn sie kam dem Getöse der fröhlichen Feier näher.

Dann sah sie die Tür mit dem schlichten Pappkärtchen: Norbert Brieger.

Ihr Herz klopfte bang.

Der Lärm herrschte hinter Norberts Wohnungstür.

Er hat halt Freunde eingeladen, dachte sie. Kollegen aus der Klinik. Ein lauter und vermutlich feuchter Junggesellenabend.

Sie hielt den Finger auf die Messingschelle.

Die Wohnungstür wurde geöffnet, Partylärm brandete ohrenbetäubend ins Treppenhaus. Und ein Schwall dicke Luft kam gleich hinterher. Eine Mischung aus Zigarettenqualm, Alkoholdunst, Grillgeruch und - Parfüm.

Eine junge Frau stand in der Türöffnung. Rank und schlank gewachsen, das schwarze Haar nach einer Seite gekämmt, die sinnlichen Lippen mit Stift verschmiert und ziemlich angeheitert. Vorsorglich hatte sie ihr halbvolles Glas mitgebracht.

Sie trug eine Art Hosenanzug, pluderig geschnitten, schneeweiß, und das Oberteil hatte sie wohl der Hitze wegen bis fast zum Bauchnabel geöffnet.

Sie betrachtete die unverhoffte Besucherin und wusste nichts mit ihr anzufangen, und noch verständnisloser starrte sie auf den Koffer. Dann dämmerte ihr, dass das wohl den Wohnungsinhaber etwas anging.

Sie wandte sich halb um und schwankte. „Norbert-Schätzchen, komm doch eben mal!“, rief sie. „Da ist so ’ne komische Frau. Erwartest du noch Gäste?“

Uschi gab es einen Stich bis ins Herz. Norbert-Schätzchen!

Die angesäuselte Frau nahm sich einiges heraus. Aber irgendwie hörte es sich an, als hätte sie ein Recht dazu.

Uschi starrte sie verblüfft an. Irgendwas zog herauf, sie spürte es. Und es hatte mit dieser Frau zu tun, die trotz ihres angeheiterten Zustandes ungemein mondän wirkte.

Passend zu ihrem schneeweißen offenherzigen Anzug trug sie Schmuck. Uschi bezweifelte nicht, dass er echt war.

Die Frau strahlte eine ungeheure Selbstsicherheit aus. Sie war der Typ, dem alles zuflog, sie brauchte nicht einmal mit dem kleinen Finger zu winken.

„Was für ’ne komische Frau?“ Das war Norberts Stimme, Uschi gab es noch einen Stich. „Es sind alle da, und sonst habe ich niemand eingeladen.“

Seine Stimme klang ebenfalls angeheitert und eine Spur gereizt. Die Störung seines Sommernachtfestes gefiel ihm überhaupt nicht.

Aus dem diffusen Licht im Flur der Wohnung schälte sich seine Gestalt.

Im nächsten Augenblick starrte er die unverhoffte Besucherin vor der Tür an.

„Du, Uschi? Das nenne ich eine Überraschung!“ Er meinte es, wie er es sagte. Er ließ keinen Zweifel aufkommen, dass ihm diese Überraschung nicht behagte.

„Ich fürchte, ich komme ungelegen“, sagte Uschi tapfer und fühlte sich dabei ganz elend.

Die mondäne Frau hängte sich ungeniert an Doktor Norbert Brieger. Ihre Augen begannen zu funkeln. Kriegerisch, siegesbewusst.

„Willst du uns nicht bekannt machen, Norbert-Schätzchen? Was ist das für eine Uschi? Geht sie abends von Tür zu Tür und verkauft Besen und Bürsten aus dem Koffer ...?“

„Gitti, ich bitte dich!“ Norberts Stimme klang scharf und zurechtweisend. „Ich erkläre dir das später. Na, so was! Komm erst mal rein, Uschi. Ich habe eine kleine Feier inszeniert und Kollegen eingeladen.“ Er löste sich von der mondänen Gitti und griff nach dem Koffer. „Du wolltest doch erst nächste Woche kommen. Jedenfalls habe ich dich so verstanden.“

Ich habe solche Sehnsucht nach dir, wollte Uschi sagen. Stattdessen sagte sie: „Es hat sich so ergeben, und es ist auch einiges zu erledigen. Ich dachte, ich komme schon zum Wochenende. Ich wollte dir eine Überraschung bereiten. Deinem Gesicht sehe ich an, dass mir das gelungen ist.“

Die Situation war ihm peinlich. Mit einem forschen Lächeln versuchte er, darüber hinwegzukommen. „Mit dir gerechnet habe ich nicht, zugegeben. Aber nun bist du da, jetzt kommst du erst mal mit herein.“ Er ruckte zweimal am Koffer. „Ein Quartier hast du natürlich nicht?“

„Der Zug ist vor einer Stunde angekommen, die Fahrt war mörderisch bei der Hitze. Nein, ich hatte noch keine Gelegenheit, mich um eine Bleibe zu kümmern. Ich möchte auch lieber nicht mit hineinkommen.“ „Faule Ausreden! Die lasse ich nicht gelten. Du kannst dich frisch machen“, bestimmte er. „Wir haben sowieso Männerüberschuss und sind für jedes weibliche Wesen dankbar. Um das Quartier kümmern wir uns später. In der Stadt kriegst du nichts mehr.“

Sie war entschlossen, nicht in die Wohnung zu gehen, aber sie ließ sich von Norbert umstimmen.

Dabei kam sie sich vor wie das dumme Lieschen vom Lande. Fehl am Platze, von dieser Gitti belauert, müde und kleidungsmäßig nicht auf eine Party eingerichtet. Die Gäste würden sie für einen Trampel halten. Gitti hielt sich an ihrem Glas fest, stand wie ein Hofhund im Flur und wankte und wich nicht.

„Heißt das, diese Uschi schläft bei dir?“, fragte sie; ihre Stimme hörte sich mit einem Schlag gar nicht mehr betrunken an. „Wer und was sind Sie? Seine Schwester? Seine Freundin? Seine Geliebte? Oder was?“

Uschi sah, wie peinlich Norbert dieser Auftritt war. Er machte obendrein ein Gesicht wie das buchstäbliche schlechte Gewissen.

„Das wüsste ich auch gern“, sagte sie nicht ohne Schärfe. „Aber ich bin sicher, ich finde das noch heraus.“

Diese Gitti machte schmale Katzenaugen, wenn sie ins Licht schauen. „Ich glaube, hier muss noch viel mehr geklärt werden.“ Mit diesen Worten kippte sie den Inhalt des Glases in einem Zug hinunter. Sie war wütend, und sie zeigte das.

Uschi Eisfeller hatte plötzlich Angst.

Diese Frau bedeutete höchste Gefahr - für Norbert, für sie, für ihr kleines bescheidenes Glück.

Die Frau wollte Norbert haben.

Oder hatte sie ihn schon?

2

Mit einem schalen Geschmack im Mund, mit Kopfschmerzen und mit dem penetranten Ziehen im Bauch erwachte Uschi, weil ihr die Sonne mitten ins Gesicht schien.

Sonne? In ihr Zimmer schien nie die Sonne!

Sie setzte sich erschrocken auf.

Das war gar nicht ihr Zimmer, und was sie umgab, sah wie ein Schlachtfeld aus.

Auf einem Sideboard sah sie einen großen bauchigen Bowlentopf stehen.

Diese Entdeckung half ihr insoweit, als sie jetzt wusste, woher ihre Kopfschmerzen kamen.

Dann schlossen sich auch die übrigen Erinnerungslücken.

Sie war zu Norbert gefahren, und sie war mitten in seine Party hineingeplatzt. Wie dumm von ihr, dass sie nicht auf dem Absatz kehrtgemacht und bei der Bahnhofsmission um ein Nachtlager gebeten hatte!

Das reinste Spießrutenlaufen hatte sie über sich ergehen lassen müssen. Die Neugierde hatte Norberts Gäste ja fast umgebracht. Am nettesten waren noch seine drei Arztkollegen gewesen. Harmlose Männer, trotz der zunehmenden Trunkenheit und der zweideutiger werdenden Reden.

Einer hatte gesagt, man müsse ab und zu mal einen auf die Lampe kippen, aber man müsse es mit der Haltung und Würde eines zaristischen Gardeoffiziers tun. Daran erinnerte sie sich noch. Der Arzt hatte Wort gehalten.

Es waren natürlich auch andere Männer mit von der Partie gewesen. Ein aufdringlicher Mensch aus der Verwaltung, der ihr dreimal auseinandergesetzt hatte, dass eine Klinik nur funktionierte, wenn sie eine Verwaltung hatte. Die Verwaltung sei sozusagen die Seele des Unternehmens und käme auch ohne Ärzte, Personal und Patienten aus.

Dieser Mensch war ihr unangenehm aufgefallen. Sie hatte seine wortreichen Erläuterungen für einen geschmacklosen Witz gehalten und erst später zu ihrem Entsetzen festgestellt, dass er glaubte, was er sagte. Ganz fest sogar glaubte.

An die anderen Männer erinnerte sie sich weniger deutlich. Einer war wohl Anwalt gewesen und einer Gerichtsreferendar, Jugendfreund von Norbert. Vom einen hatte er gewusst, dass er seine Kanzlei in der Stadt eröffnet hatte, vor Jahren schon; den Referendar hatte er zufällig auf der Straße getroffen.

Dann war noch ein sportlicher Mann dagewesen. Er hatte ihr was von Tennis und Squash erzählt, damit halte er sich fit. Die täglichen Brötchen verdiente er mit seiner Versicherungs- und Makleragentur.

Als ganz schlimm hatte Uschi die sensationslüsternen Blicke der wenigen Frauen empfunden, die zu dieser Fete gekommen waren. Insbesondere ihre indiskreten Fragen.

Sie hatte schon verstanden, dass das mit dieser Gitti zu tun hatte und dass die weiblichen Gäste auf irgendetwas warteten. Auf einen Knall, einen mittleren Gesellschaftsskandal oder etwas in dieser Richtung.

Eine eigenartige Stimmung hatte über der Party gelegen - trotz der Fröhlichkeit und Ausgelassenheit und der mehr oder weniger benebelten Köpfe.

Die Frauen waren nicht auf ihre Kosten gekommen. Uschi hatte sich zu nichts hinreißen lassen.

Dafür hatte diese Gitti, die dominierende Figur des Abends, aus Verärgerung ein paar Gläser zu viel zur Brust genommen und war von dem hilfreichen Tenniscrack und Versicherungsmakler und begleitet von grinsend erteilten Ermahnungen fortgeschafft worden, nachdem sie die Glut aus dem Holzkohlengrill vom Balkon in diverse Hausgärten hinabgekippt hatte.

Uschi war aufgefallen, wie Norbert danach aufgeatmet hatte. Wie jemand, der gerade noch mal um eine höchst unangenehme Auseinandersetzung herumgekommen ist und die gewonnene Galgenfrist genießt.

Das waren eine Menge Gründe, um Fragen zu stellen.

Gestern Abend hatte sie wohlweislich geschwiegen.

Ob es klug gewesen war, bezweifelte sie jetzt allerdings.

Sie war immer für klare Verhältnisse und übersichtliche Situationen gewesen, und an dieser Einstellung hatte sich nichts geändert.

Gut, vor den Ohren der Gäste eine Aussprache mit Norbert zu führen wäre falsch gewesen. Was zu besprechen war, ging nur sie beide an. Schon möglich, dass heftige Worte gefallen wären und sich Missverständnisse ergeben hätten.

Wo sie sich doch tatsächlich zu viel Bowle hatte aufnötigen lassen. Ganz harmlos hatte die Mixtur geschmeckt, aber eine tückische Wirkung gehabt.

So gegen Mitternacht waren dann die meisten Gäste lärmend gegangen und die letzten, als es draußen hell zu werden begann und die Amseln in den Bäumen ihr Frühkonzert angestimmt hatten.

Die Gästeschar hatte nichts übrig gelassen, keinen Happen. Das kalte Büfett, das Norbert mit viel Geschick hergerichtet hatte, war leer geputzt. Als ob die Heuschrecken darüber hergefallen wären.

Dunkel entsann sich Uschi, dass Norbert dann noch versucht hatte, zärtliche Zweisamkeit mit ihr zu suchen.

Sie war nicht in der richtigen Stimmung gewesen. Sie hatte ihn abgewiesen und war auf seine Couch im Wohnzimmer ausgewichen. Erst mussten einige ganz grundsätzliche Dinge zwischen ihnen geklärt werden. Dinge, die jene Gitti betrafen.

Brummend, gekränkt und angeschlagen war Norbert in sein Schlafzimmer zurückgekehrt. Er war nicht einmal in der Lage gewesen, die Tür ordentlich zu schließen. Den Namen, den er schon halb im Schlaf genannt hatte, hatte sie zwar nicht verstanden, aber er hatte nicht wie ihrer geklungen.

Uschi schlug die bunte Reisedecke zurück, stand auf, holte sich eine Schmerztablette aus der Handtasche und spülte sie mit einem Schluck Wasser aus der Leitung hinunter. Danach kuschelte sie sich noch einmal in das Bettzeug auf der Couch und wurde erst wieder wach, als sie Geschirrgeklapper hörte und ein frischer Luftzug über ihr Gesicht strich.

Blinzelnd wagte sie einen Blick.

Norbert betätigte sich als Hausmann, räumte das Schlachtfeld auf und lüftete. Dennoch haftete der Wohnung noch etwas von einer verräucherten Imbissstube an, in der Gulasch verkauft wurde.

Er merkte, dass sie wach war und ihn bei der Arbeit beobachtete.

Er wurde verlegen. „Morgen, Uschilein, o Gott, mein armer Kopf! War das eine Fete!“

„Mit Chirurgenbesteck kannst du bedeutend besser umgehen als mit leer gefutterten Platten und Töpfen“, sagte sie vorsichtig und zog die Reisedecke bis ans Kinn. „Feiert ihr in dem Stil öfter?“

„Das war die erste Fete, seit ich die Wohnung habe. Eine Art Einweihungsparty. War längst überfällig.“ Er setzte sich zu ihr auf die Couch: „Kriege ich einen Kuss?“

„Das muss ich mir noch sehr überlegen. Gestern Abend ja, da hättest du viele haben können. Ich spüre, dass sich etwas zwischen uns geschoben hat.“ Sie nahm allen Mut zusammen. „Dieser Gitti hätte es bestimmt missfallen, wenn ich dir in der Tür um den Hals gefallen wäre. Wer ist sie, Norbert? Keine Ausflüchte, bitte!“

Norbert Brieger stellte zwei Platten auf den Fußboden zwischen seine Füße. „Nun mache bitte kein Drama daraus, ja? Sie ist ein bisschen extravagant, auch überspannt ...“

„Du kennst sie schon länger?“ Der Argwohn, den sie vom ersten Moment an gehegt hatte, war wieder da.

„Sie ist eine Kollegin, Doktor Brigitte Busse. Man kommt sich eben näher, wenn man in derselben Abteilung arbeitet.“ Er wich ihrem forschenden Blick aus.

„Man kommt sich offenbar sehr nahe. Ich habe Augen im Kopf, und ich weiß, was in der Welt los ist. Zwischen dir und ihr ist etwas.“

Sie sagte es einfach so. Es war kein Vorwurf in ihrer Stimme. Sie traf lediglich eine Feststellung. Aber in ihrem Herzen tobte ein Aufruhr.

Norbert Brieger saß in der Klemme, das ließ er erkennen. Er wollte aufstehen. Uschis Hand zog ihn zurück.

Er setzte ein trotziges Gesicht auf und schaute angestrengt aus der weit geöffneten Balkontür. Aber auf der Hauswand gegenüber gab es keine sensationellen Entdeckungen zu machen.

Die Stille wurde peinlich. Uschi baute ihm keine goldene Brücke. Er musste selber mit einer Erklärung aufwarten.

„Ich verabscheue Szenen, Uschilein, das weißt du. Und ich liebe dich. Die Sache ... also, die hat nichts zu bedeuten, wirklich.“ Er konnte sie nicht ansehen, als er es sagte.

„Keine Angst, Norbert, ich mache dir keine Szene. Ich frage mich nur, ob unsere schönen vier Jahre, die hinter uns liegen, alles sind, was uns die Erinnerung lässt. Ich bin immer für die Wahrheit gewesen, ich hasse Lügen und Ausflüchte.“

Hätte sie ihn mit Vorwürfen überhäuft, hätte er ein Argument gehabt, um sich störrisch zu geben. Aber so?

Er begann, auf sein rechtes Knie zu trommeln.

Uschi war immer ein feiner Kerl gewesen, ein echter Kumpel, ein feiner Kamerad, das Mädchen, das er liebte, auch wenn sie aus einfachsten Verhältnissen kam und es überaus schwer gehabt hatte, bis zur Zweitschwester aufzusteigen. Aber sie war ein Naturtalent, hatte eine frappierende Auffassungsgabe und einen messerscharfen Verstand.

Gerade weil sie sozusagen ein einfaches Mädchen war, konnte man ihr nichts vormachen. Und er schon gar nicht.

An seiner Liebe zu ihr hatte sich bis heute nichts geändert. Aber sie hatte eben eine Art an sich, einen ohne große Worte in die Enge zu treiben, dass man glattweg auf die Palme sausen konnte. Allein mit einem Blick konnte sie einem das schlechte Gewissen einimpfen.

„Ich ... ich liebe dich, das weißt du!“, sagte er, weitaus heftiger allerdings, als gemeinhin eine so bedeutsame Äußerung getan wird. „Und daran wird sich auch nie etwas ändern. Nicht von meiner Seite.“

„Du wiederholst dich“, sagte Uschi.

Seine Nähe beunruhigte sie. Fast war sie bereit, die Sache zu vergessen. Aber auch nur fast.

„Lieber Himmel, du machst es einem aber auch schwer!“, brummte er vorwurfsvoll. „Na schön, wenn du es nicht anders haben willst - aber gib mir nicht die Schuld.“ Das war die Art einer guten Vorwärtsverteidigung.

Typisch Mann, dachte Uschi. Er hat etwas ausgefressen, und er schiebt jegliche Schuld weit von sich!

„Ich höre!“, sagte sie mit einer Gefasstheit, die sie selber am meisten erstaunte.

Norbert druckste herum.

„Also schön, es ... es ist da mal was passiert zwischen uns ... ich meine, zwischen Kollegin Busse und mir. Eben so.“

Uschi spürte, wie ihr eiskalt wurde. Instinktiv rückte sie von ihm ab.

„Passiert? Eben so? Und das sagst du mir ins Gesicht?“

„Wohin denn sonst?“, versuchte er einen hilflosen Scherz anzubringen.

„Hat sie Ansprüche auf dich? Irgendwelche Anrechte?“

„Bitte, Uschilein, du redest wie ein Anwalt! Lass dir doch erklären, wie es kam. Ich war ganz neu hier, hatte noch keinen Anschluss, da nahm sie mich mit auf eine Party. Ich kriegte erst spät mit, dass das im Haus ihrer Eltern war. Schwerreiche Leute übrigens. Es waren eine Menge Leute da, es wurde eine Menge getrunken - tja, und da ist es halt geschehen. Sie hatte es auf mich abgesehen, nichts anderes. Es tut mir leid, Uschi, ich bereue es. Aber ich kann es nicht ungeschehen machen.“

„Nein, das nicht“, sagte sie. Ihre Stimme klang ganz hilflos und winzig, irgendwie verloren. „Du warst also erst ein paar Tage hier und hattest nichts Eiligeres zu tun, als dich in die Arme einer anderen Frau zu werfen.“ Die aufsteigenden Tränen würgten ihr vollends die Stimme ab.

„Sie hat mich reingezogen!“, behauptete Norbert. Dann ging ihm auf, dass das nicht sehr männlich und fair war. Zu einer solchen Sache gehörten immer zwei. Und wenn er nicht gewollt hätte, dann ...! Aber er war ja bereit gewesen und hatte der süßen Versuchung gerne nachgegeben.

Zum Teufel, liebte er etwa beide? Gitti und Uschi?

Er horchte in sich hinein.

Aber da konnte er nichts hören außer seinem heftigen Herzschlag.

Das konnte auch bloß ihm passieren. Jetzt saß er da mit zwei Mädchen! Wenn Uschi vernünftig war und einen klaren Kopf behielt, war die Affäre vielleicht mit Anstand aus der Welt zu schaffen. Sie war doch immer ein tapferer Kerl gewesen, den nichts aus den Schuhen stoßen konnte!

Wenn sie vielleicht auf ihn verzichtete?

Natürlich fühlte er sich ihr verpflichtet. Vier Jahre waren nicht mit einem Federstrich und ein paar Worten zu löschen. Und er liebte sie ja auch, das war das Verrückte daran. Obgleich sie ein ganz einfaches Mädchen war, ohne große Schul- und Allgemeinbildung.

Eine Verbindung mit Gitti eröffnete ihm ungeahnte berufliche Perspektiven. Sie kam aus reichem Hause, sie war gebildet, sie hatte alles, was eine Frau haben musste. Und sie war Ärztin. Man konnte durchaus für später eine gemeinsame Praxis ins Auge fassen, wenn die Zeit kam, da man sich niederzulassen gedachte. Kliniker wollte er nicht bis in alle Ewigkeit bleiben. Und Gitti gewiss auch nicht.

Die Zeit bringt’s, sagte er sich. Ich lasse die Dinge einfach auf mich zukommen! Manchmal spielt das Leben die tollsten Streiche!

Uschi schwieg. Nur ihre Augen waren feucht.

Ihr Anblick schnitt ihm ins Herz.

„Sag doch was!“, fuhr er sie an. „Sag, dass ich ein Schuft bin! Schmeiß mir irgendetwas vor die Füße!“

„Und was würde ich damit ändern, Norbert? Bitte, lass mich in Ruhe, ich muss das erst verkraften.“

Sie wünschte, nie den dummen Vorsatz gefasst zu haben, vor der Zeit zu ihm gefahren zu sein. Aber sie war nun mal da, und sie hatte die Wahrheit erfahren.

Die bittere, schmerzende Wahrheit. Er hatte sie betrogen, kaum dass sich ihm die erste Gelegenheit geboten hatte!