Die drei !!!, 75, Tatort Hollywood (drei Ausrufezeichen) - Kirsten Vogel - E-Book
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Die drei !!!, 75, Tatort Hollywood (drei Ausrufezeichen) E-Book

Kirsten Vogel

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Beschreibung

Kim, Franzi und Marie sind "Die drei !!!". Mutig und clever ermitteln die drei Detektivinnen und sind jedem Fall gewachsen. Ihr 75. Fall führt die drei Freundinnen nach Hollywood: Schock für die drei !!! – Maries Familie zieht nach Hollywood! Kim und Franzi fliegen mit Familie Grevenbroich nach Los Angeles. Hier wartet schon der nächste Fall: Der Diamant aus dem Filmklassiker "Diamond Sky" ist verschwunden. Die Detektivinnen stürzen sich in die Ermittlungen und geraten auf die Spur eines international gesuchten Juwelendiebs. Die Jubiläumstrilogie in einem E-Book.

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Tatort Hollywood

Kirsten Vogel Ann-Katrin Heger

KOSMOS

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Friedhelm Steinen-Broo, eSTUDIO CALAMAR

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

weitere Informationen zu unseren Büchern,

Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und

Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2020, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-50268-6

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Tatort Hollywood

Teil 1: Falscher Verdacht

Kirsten Vogel

KOSMOS

Komische Hunde

»Pablo! Bei Fuß!« Kim hielt mit aller Kraft die Leine fest, an der sie den Mischlingshund der Familie Jülich durch das Villenviertel führte.

Aber Pablo dachte nicht daran, ruhig neben den drei Freundinnen herzulaufen.

Franzi sah sich um. »Ist hier irgendwo ein anderer Hund?«

Laut kläffend lief Pablo weiter.

»Oder eine Wurst?«, fragte Marie und lachte.

»Jetzt zieh doch nicht so!« Genervt beschleunigte Kim ihr Tempo.

»Was? Du lässt dich von dem kleinen Frechdachs so mitreißen?« Franzi griff nach der Leine. »Oh, er hat ja wirklich einen ganz schönen Zug drauf.«

Beide ließen gleichzeitig los, sodass Pablo mit wehender Leine davonschoss. Wie der Blitz verschwand er in der Kastanienstraße.

Franzi spurtete los. »Mist! Ich dachte, du hältst die Leine fest!«

»Ich dachte, du nimmst sie!« Kim sprintete hinterher.

»Ich hab mir unsere Sommerferien irgendwie anders vorgestellt!«, rief Marie und lief ebenfalls los, während Franzi vor ihnen bereits in die Kastanienstraße einbog.

»Wie denn?«, keuchte Kim.

»Er ist dahinten in die Auffahrt gelaufen. Ich hab gerade noch seinen Schwanz gesehen.« Franzi hatte ein gutes Gespür für Tiere. Sie selbst besaß ein Pony namens Tinka und ein Zwerghuhn, das humpelte, mit großer Vorliebe Schnürsenkel aufpickte und auf den Namen Polly hörte.

»Mit Hundesitting und Finnsitting haben wir uns vielleicht doch ein bisschen zu viel für die Sommerferien vorgenommen?!«, überlegte Marie.

Die Mädchen hatten Maries Stiefmutter Tessa versprochen, in den Ferien auf Maries dreijährigen Halbbruder Finn aufzupassen. Zu diesem Zweck waren Kim und Franzi vorübergehend in die Villa gezogen. Pablo machte ebenfalls Urlaub in der Villa Grevenbroich, denn seine Herrchen, Kims Zwillingsbrüder, waren in einem Ferienfußballcamp.

Die drei näherten sich einer Einfahrt, in der Pablo schwanzwedelnd vor einem Mädchen saß und an dessen Tasche schnüffelte. Es trug eine weite Stoffhose und hatte lange dunkelbraune Haare. Kim schätzte es auf achtzehn. Während das Mädchen auf dem Boden kniete und Pablo streichelte, hielt es seine Leine fest. »Ist das eurer?«

»Ja, eigentlich gehört er meinen Brüdern, die von Hundeerziehung anscheinend noch nicht so viel gehört haben.« Kim seufzte und nahm die Leine entgegen. »Danke, dass du dich um ihn gekümmert hast.«

»Kein Problem.« Das Mädchen stand auf und zog seinen Matchbeutel zu.

Franzi zeigte auf die Tasche. »Hast du in der Tasche zufällig eine Wurst?«

Lachend schüttelte das Mädchen den Kopf.

Kim, Franzi und Marie verabschiedeten sich von ihm und gingen mit Pablo an der Leine den Weg wieder zurück.

»Was wolltest du denn da, Pablo?«, überlegte Franzi.

»Wenn sie keine Wurst hatte, dann vielleicht Hundekuchen?« Kim grinste, denn sie selbst hatte große Lust auf ein Stück Kuchen. »Wie lange haben wir noch Zeit, bis wir Finn abholen müssen?«

»Zehn bis fünfzehn Minuten«, sagte Marie.

Eine Viertelstunde später verließen die drei Mädchen mit Kuchen und Schokolade die Chocolaterie, die sich in Maries Wohnviertel befand. Die Sonne schien und es war sommerlich warm.

Kim hielt die feine Papiertüte vor Maries Gesicht. »Hast du dir unsere Ferien so vorgestellt?«

Marie nickte zufrieden. »Perfekt!«

Pablo, den die Mädchen draußen angeleint hatten, hechelte.

»Wir gehen jetzt zurück und dann bekommst du auch was Feines, Pablo!« Kim öffnete den Knoten, mit dem sie Pablos Leine am Fahrradständer festgebunden hatte. »Und nicht wieder abhauen!« Kim gab Franzi die Papiertüte und hielt die Leine ganz fest.

Aber Pablo blieb sitzen und machte mitten auf den Fußweg einen großen Hundehaufen.

»Oh nein!« Kim versuchte, Pablo zum Gebüsch am Rand des Weges zu ziehen, es war jedoch bereits zu spät.

»Du warst aber auch schon mal besser erzogen, Pablo«, wunderte Franzi sich.

»Vielleicht muss er mal in die Tierschule von Franziska Winkler gehen«, überlegte Kim.

»Lieber nicht, dann lernt er noch, Schnürsenkel aufzupicken.« Marie musste kichern. »Wenigstens ist Finn stubenrein!«

»Haha!« Kim wühlte in der Tasche ihres gestreiften Kleides, fand darin aber nur ein sandiges, halb vertrocknetes Gummibärchen. »Mist, ich hab die Hundetüte vergessen!«

Franzi deutete auf die Papiertüte in ihrer Hand. »Wollen wir die nehmen?«

»Nee, den Kuchen können wir so nicht transportieren und ich kann den Hundehaufen damit ja gar nicht aufnehmen. Ich laufe schnell zur Villa. Bleibt ihr kurz hier?«

Marie gab ihr den Hausschlüssel. »Ja, wir sichern den Tatort ab.«

»Genau, wenn wir schon keinen Fall haben, bewachen wir wenigstens einen Hundehaufen.« Franzi blickte sich nach allen Seiten um. »Die Luft ist rein, Kim.«

»Na ja, fast.« Kim deutete auf den Hundehaufen und lief los zur Villa Grevenbroich, die sich glücklicherweise direkt in der nächsten Querstraße befand. Sie sprang die Treppen hoch, schloss die Tür auf und steckte sich schnell ein Hundetütchen in die Tasche.

Als sie abgehetzt zum Tatort zurückkam, unterhielten Franzi und Marie sich gerade mit einem älteren Herrn.

»Da ist sie ja schon!«, sagte Marie laut und deutete auf Kim. Dabei rollte sie heimlich mit den Augen. »Unsere Freundin wird den Hundehaufen jetzt beseitigen. Das ist Herr Eckhardt«, stellte sie Kim den grauhaarigen Mann vor.

»Na, da bin ich aber froh. Ich wäre nämlich beinahe hineingetreten. Es gibt hier in der Nachbarschaft einfach zu viele Hunde. Und die Hundehalter haben heutzutage auch kein Benehmen mehr. Neulich bin ich erst in einen Hundehaufen getreten. Ekelhaft, sage ich euch!« Der grauhaarige Mann beobachtete skeptisch, wie Kim sich die schwarze Tüte über die Hand stülpte und damit den Hundehaufen aufhob. Dann drehte sie die Tüte geschickt um und knotete sie zu.

»So, jetzt können Sie sich wieder frei bewegen.« Kim entsorgte die Tüte in einen Mülleimer, der an einer Straßenlaterne hing.

»Danke.« Herrn Eckhardts Gesichtszüge wurden etwas weicher.

»Dann wäre das Villenviertel wieder sicher«, ergänzte Franzi und zwinkerte Kim zu.

Die drei !!! verabschiedeten sich freundlich und liefen weiter.

»Er wäre gar nicht beinahe reingetreten«, raunte Marie Kim zu, als sie ihren Weg zur Villa fortsetzten.

»Natürlich nicht!« Kim lachte.

»Los, jetzt starten wir die Aktion Kuchenessen!« Franzi lief los.

Marie sah auf ihre Uhr. »Gut, dass wir den Fall Hundehaufen so schnell gelöst haben.«

»Stimmt, ein neuer Fall wäre aber trotzdem mal wieder schön«, überlegte Kim, als sie die Villa Grevenbroich fast erreicht hatten. Die drei Mädchen waren nämlich nicht nur beste Freundinnen und Kinder- und Hundesitterinnen, sondern auch Detektivinnen, und zwar Die drei !!!. Zusammen hatten sie bereits über siebzig Fälle gelöst. Ihr letzter Fall lag schon eine Weile zurück und da war es vorprogrammiert, dass die drei sich irgendwann nach neuem Nervenkitzel sehnten.

In der Villa angekommen stellte Franzi die Tüte auf den Esstisch im Wohnzimmer und verschwand im Bad, während Kim Pablo mit Wasser und Hundekuchen versorgte.

»Ich hole noch schnell Holunderlimonade. Und dann zeige ich euch, wie ich morgen am Set meine Rolle als Taschendiebin spielen will«, schlug Marie vor, ehe sie im kleinen Vorratsraum, der an die Küche angrenzte, verschwand.

Maries Vater Helmut Grevenbroich war der Hauptdarsteller in der erfolgreichen Fernsehserie Vorstadtwache, die demnächst ihr zehnjähriges Jubiläum feierte. Die drei !!! hatten schon öfter kleine Komparsenrollen übernommen und Marie hatte das Talent ihres Vaters geerbt.

Als Kim ins Wohnzimmer zurückkam, stand die schöne Papiertüte der Chocolaterie nicht mehr auf dem Tisch. Kim entdeckte sie neben dem Sofa. Sie hob sie auf und blickte hinein.

»Pablo! Hast du etwa meine Cake-Pops geklaut?«, rief Kim Richtung Küche. Ein Kläffen kam zurück.

Franzi und Marie kamen nun mit Tellern und Gläsern dazu und begannen, den Tisch zu decken, während Kim kopfschüttelnd den Wohnzimmerboden absuchte. Sie erschrak. »Das gibt es doch nicht!« Hinter dem Sofa saß ein mittelgroßer Hund. Und er aß gerade ihren Cake-Pop.

»Sweety! Where are you?«

Kim, Marie und Franzi waren wie vom Donner gerührt, als plötzlich ein Mädchen im Zimmer stand, das sie bis jetzt nur aus dem Fernsehen kannten. Die siebzehnjährige Schauspielerin hatte viele Jahre die Hauptrolle in der amerikanischen Kinderdetektivserie Carla Blomquist gespielt. Kim wusste, dass Marie mal ein großer Fan dieser Serie gewesen war.

Das dunkelblonde Mädchen mit den langen, offenen Haaren und den grünen Augen betrachtete die drei !!! neugierig.

»Hello!«, rief sie mit amerikanischem Akzent, kam dabei zielstrebig auf Marie zu und nahm sie in den Arm. »Nice to meet you. Mein Dad hat schon so viel von dir erzählt.«

»Hallo, du bist Amy, oder?!«, antwortete Marie. »Mein Vater hat gar nicht gesagt, dass ihr kommt. Ist dein Vater auch da?«

»Ja, er lädt gerade unsere Koffer aus dem cab. Ich bin schon mal vorgegangen. Die Terrassentür war offen.«

»Cab? Heißt es in Amerika nicht auch taxi?«, fragte Kim irritiert.

Amy drehte sich zu Kim. »Geht beides. Du weißt Bescheid, Sweety. Ihr seid Kim und Franzi, right?«

Die drei !!! waren perplex.

»Woher weißt du, wie wir heißen?«, fragte Franzi überrascht.

»Dads Agent hat für mich recherchiert.« Amy lächelte die drei mit ihren weiß glänzenden Zähnen an.

»Sweety, come here!«, rief Amy jetzt dem Hund zu. Aber anstatt zu gehorchen, blieb der Mischlingshund einfach sitzen und knabberte weiter.

»Du bist ja goldig.« Franzi wuschelte über sein Fell.

Der Hund bellte und schnappte sich dann einen Krümel, der auf dem Boden lag. Alle schauten zu, wie er weitere Krümel vom Boden aufsaugte.

»Und irgendwie lustig.« Kim fand den Mischlingshund auch knuffig. Er hatte graues Fell und braune Schlappohren. Sie beobachtete, wie er in Amys braune, überdimensional große Designerledertasche hüpfte. Jetzt waren nur noch seine Schlappohren zu sehen, die oben heraushingen.

Das Bild, das sich ihnen bot, war irgendwie unpassend. Kim fand, dass es albern aussah. »Sitzt der immer in der Tasche?«

»Yes, das ist Sweety!«, sagte Amy stolz.

Franzi beugte sich über die Handtasche. »Und wie heißt er?«

»Na, Sweety, Sweetie.«

»Sweety Sweety?« Jetzt kam Kim gar nicht mehr mit.

»Er heißt Sweety. Und Franzi habe ich auch Sweetie genannt«, erklärte Amy.

»Aha«, sagte Kim verwundert.

Im selben Moment betrat ein großer dunkelhaariger Mann den Wohnbereich. Kim stockte kurz der Atem, denn das war der bekannte Schauspieler Joe King, der einen der Polizisten in der amerikanischen Serie Cops and the City spielte. Der Mann war in Amerika ein Star und jetzt stand er hier in Maries Wohnzimmer.

»Sie sind Joe King?« Marie gab ihm die Hand.

»Ja, hallo, und du bist Marie. Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du noch ein kleiner Mops, und jetzt bist du schon so groß.«

Franzi und Kim mussten kichern, aber Marie achtete nicht darauf. »Mein Vater hat schon viel von Ihnen erzählt.«

»Dir!«, unterbrach King Marie. »Sagt doch bitte Du.«

»Okay!« Marie drehte sich zu ihren beiden Freundinnen. »Das sind meine besten Freundinnen Kim und Franzi. Das ist Joe King. Er war mit meinem Vater in Berlin auf der Schauspielschule. Da hieß er noch Josef König.«

»Ja, long time ago …«, sagte King und sah sich in der Villa um. »Nice, really nice«, sagte er dann. »Ist Helmi da?«

»Helmi?«, wunderte sich Marie.

»Helmuts Nickname in der Schauspielschule«, erklärte Amy.

»Er ist am Set. Dort feiert die Vorstadtwache zehnjähriges Jubiläum«, sagte Marie.

»I know. Er hat mich eingeladen. Ich spiele eine Gastrolle in der Jubiläumsfolge. Ich hab Amy mitgebracht, damit sie mal mein Heimatland kennenlernt. Und wo kann man das besser als in einer echten Familie?!«

»Ja, wir verzichten sogar auf das Fünfsternehotel, das die Produktionsfirma der Vorstadtwache bezahlen wollte«, meinte Amy stolz. »By the way, wo sind denn eure Bediensteten? Die könnten mal meine Koffer in mein Zimmer tragen.«

Marie blieb der Mund offen stehen. »Dein Zimmer?«

»Bedienstete?« Kim war baff. Sie glaubte, im falschen Film zu sein, und beobachtete, wie Amy nun ganz selbstverständlich in die Papiertüte der Chocolaterie griff und einen weiteren Cake-Pop herauszog, den sie dem Hund in die Tasche hielt. »Hier, Sweety, sweeties für dich. Gut, dass da keine Schokolade drin ist. Das vertragen Hunde nicht. By the way, sind die mit Dinkelmehl gebacken?«

Kim stockte der Atem.

Auch Franzi und Marie waren ziemlich perplex und zuckten mit den Schultern.

Da kam Pablo um die Ecke und bellte Amys Tasche an. Kim beobachtete, wie die Schlappohren in der Tasche sich neugierig aufstellten und die Schnauze zum Vorschein kam.

»Oh, Sweetie, wer bist denn du?« Amy griff einen weiteren Cake-Pop und wollte ihn gerade Pablo reichen.

Kim fand ihre Fassung wieder und riss Amy den Cake-Pop aus der Hand. »Der Hund bekommt Hundekuchen, keinen sündhaft teuren Kuchen aus der Chocolaterie«, blaffte sie Amy an.

Einfach weg

»Krass, dass er mit Joe King auf der Schauspielschule war. Neulich hab ich mir mit David ein paar Folgen Cops and the City angesehen. Zu Recherchezwecken. Der ist echt ein guter Schauspieler.« Kim griff in eine Tüte und fischte eine weiße Gummimaus heraus.

»Ist David eigentlich gut in Frankreich angekommen?«, erkundigte sich Marie.

»Ja, er ist erst seit zwei Tagen weg und es kommt mir schon vor wie eine halbe Ewigkeit.« Kim seufzte und biss in die Gummimaus. »Ich kann gar nicht glauben, dass dein Vater vergessen hat, euch von dem Besuch zu erzählen.«

Marie nahm sich ebenfalls eine Gummimaus aus Kims Tüte. »Er ist anscheinend so busy mit dem Jubiläum, dass er es deswegen vergessen hat.«

»Busy. Haha. Redest du jetzt auch Amerikanisch?« Franzi streichelte Amys Hund. »Dann versteht Sweety dich wenigstens.«

»Ich hoffe, sie ist bald mal fertig. Ich wollte noch eine Honigmaske auflegen.« Marie schaute zu ihrer Badezimmertür, hinter der Amy sich gerade ein Bad einlaufen ließ.

»Ich weiß echt nicht, warum sie unbedingt bei uns schlafen soll, nur weil ihr Linas Wandanstrich nicht gefällt«, flüsterte Kim.

Die drei Mädchen lagen bereits auf ihrem Matratzenlager in Maries Zimmer. Marie hatte ihr eigenes Bad und so waren sie abends sonst immer unter sich.

»Ich mag Linas Einrichtungsstil auch nicht«, meinte Marie beschwichtigend. »Diese Batiktücher an der Wand und die Räucherstäbchen. Puh! Außerdem: Amy ist doch viel älter als Lina.«

Lina war Tessas Tochter und Maries jüngere Stiefschwester, mit der sie sich öfter stritt.

»Na und?! Sie ist auch älter als wir. Warum kann sie denn nicht im Gästezimmer wohnen?« Kim hörte, dass Amy das Wasser abgedreht hatte.

»Da schläft King. Würdest du mit deinem Vater in einem Zimmer schlafen wollen?«, fragte Marie leise.

Kim zuckte mit den Schultern. »Warum denn nicht? Wir haben neulich auch alle im Zelt geschlafen.«

»Zelten ist was anderes. Also, ich finde es ganz spannend, dass sie bei uns schläft.« Marie sah nervös auf ihre Uhr. »Apropos schlafen. Ist langsam Zeit. Bevor wir morgen zum Set fahren, müssen wir ja auch noch Finn in den Kindergarten bringen. Und wenn wir alle nacheinander ins Bad gehen, dauert das ja ewig.«

Franzi kuschelte sich in ihre leichte Sommerdecke ein. »Keine Sorge, ich bin morgens im Bad schneller als der Blitz.«

Kim atmete die laue Sommerluft ein, die durch das geöffnete Fenster hineinwehte. »Ich auch. Ich brauche nur eine Dusche wie einen Sommerregen!«, meinte Kim. »Kein Honigbad oder so.«

»Ach, Mist, ich muss für morgen auch noch meine Fingernägel lackieren.« Marie sprang wieder auf. »Wenn ich die kleine Rolle der Taschendiebin übernehmen soll, will ich gepflegt rüberkommen.«

Kim zog die Stirn in Falten. »Deine Nägel sind doch gepflegt.«

»Quatsch, am kleinen Finger blättert der Lack schon ab.« Marie klopfte gegen die Badezimmertür. »Amy, bist du bald fertig?«

»Sorry, Sweetie!«, rief Amy aus dem Bad zurück. »Ich muss noch ein Zuckerpeeling machen. Ich beeile mich aber, okay?« Marie setzte sich auf ihre Matratze.

»Wie süß! Ein Zuckerpeeling, Sweetie«, sagte Kim und grinste. »Das passt irgendwie zu deiner Honigmaske.«

Plötzlich ging die Tür auf und Amy kam in Maries Bademantel heraus. »Du kannst doch ins Bad.«

»Und was ist mit dem Zuckerpeeling?«, wollte Kim wissen.

»Das lasse ich erst mal einwirken.«

Marie zog die Augenbrauen hoch. »In meinem Bademantel, oder was?«

»Das ist bestimmt ganz schön klebrig«, mischte Kim sich ein.

Amy nickte. »Habt ihr keine Hausfee, die die Wäsche macht?«

»Hausfee?« Franzi sah Amy verständnislos an.

»Du kannst auch Putzfrau dazu sagen«, gab die etwas pampig zurück.

Von draußen hörten sie eine Männerstimme. »Ein Jahr vor dem Abitur willst du die Schule schmeißen, weil du in Amerika groß rauskommen willst?«

Marie knipste das Licht aus und schlich zum Fenster. »Das ist die Stimme von Herrn Sternberg, unserem Nachbarn, da gab es in letzter Zeit öfter Streit.«

Auch Amy stellte sich an das geöffnete Fenster.

»Das ist jetzt nicht euer Ernst, oder? Wie neugierig seid ihr denn bitte?!« Kim schüttelte empört den Kopf.

»Für dich gibt es halt nur Zahlen, Zahlen, Zahlen. Aber Jessie und ich würden gern was bewegen.«

»Das ist sein Sohn Nico«, erklärte Marie leise.

»Mit Theaterspielen? Das ist aber sehr naiv! Dafür bekommst du von mir keinen Cent!«, brüllte Vater Sternberg, ehe man ein lautes Türenknallen hörte.

»Wow!« Amy schüttelte den Kopf. »Diese …« Sie überlegte. »Wie heißt das noch mal auf Deutsch?«

»Spießer?«, fragte Marie.

»Ja, genau, Spießer.«

»Dein Vater hat doch auch eine Schauspielausbildung gemacht, Marie«, warf Kim ein.

»Stimmt, aber vorher hat er auch einfach so Theater gespielt.«

»Ich verstehe schon, dass Herr Sternberg gerne möchte, dass sein Sohn Abi macht«, sagte Kim. »Das kann man ihm ja nicht übel nehmen.«

»Ja, aber das ist auch nicht alles«, entgegnete Franzi.

»Als Krimiautorin brauchst du doch auch keine Ausbildung und kannst einfach so schreiben«, überlegte Marie und schaltete wieder das Licht an.

»Aber eine gute Allgemeinbildung schadet nie. Wissen ist Macht. Ohne unsere Kenntnisse hätten wir so manchen Fall nicht lösen können.« Kim nahm eine weitere weiße Maus aus der Tüte und biss hinein.

»Ach, gut, dass ihr es sagt …« Amy griff in die Seitentasche ihrer überdimensional großen Luxusledertasche, in die Sweety gerade hineinhüpfte. »Ich bin echt begeistert, welche Fälle ihr schon gelöst habt.« Amy zog eine pinkfarbene Mappe hervor. Dabei fiel ein Zeitungsausschnitt heraus.

Kim hob den Schnipsel auf und wollte ihn Amy zurückgeben, aber sie stockte. »Das ist ja ein Artikel über uns.«

Amy nahm das Papier zurück. »Ja, die hab ich gesammelt. Mein Vater bekommt German newspapers per Post und ich verfolge eure Karriere schon eine ganze Weile.« Amy klappte die Mappe auf. »Ich hab auch deine Reportagen gelesen, Kim. Darüber, wie ihr den ›Graffiti-Code‹ geknackt habt, und den Artikel über Mädchenfußball. Du schreibst gut.«

»Wow, wir sind über die Grenzen Europas hinaus bekannt«, stellte Marie fest.

Kim freute sich zwar, dass Amy ihren Schreibstil lobte, aber ihr kam es höchst seltsam vor, dass sie das alles sammelte. »Darf ich mal?«

»Klar!« Amy reichte ihr die Mappe.

Während Kim darin blätterte, wunderte sie sich immer mehr. Alles, was über die drei !!! jemals in der Zeitung gestanden hatte, war fein säuberlich ausgeschnitten, eingeklebt und mit Datum versehen.

»Darf ich fragen, warum du das gemacht hast?«, meldete Franzi sich zu Wort, die über Kims Schulter alles mit angesehen hatte.

»Ich finde es total interessant und spannend, was ihr macht.« Amy nahm Kim die Mappe wieder ab. »Ich würde euch gerne helfen. Ich glaube, mit meinem Know-how sind wir unschlagbar und können auch international agieren.« Aus einem kleinen Fach, das sich vorne in der Mappe befand, zog Amy einen kleinen Stapel Karten und verteilte an jede der Detektivinnen eine – mit der Rückseite nach oben. »Erst umdrehen, wenn ich jetzt sage!«, rief sie in strengem Tonfall.

Die drei !!! warfen sich fragende Blicke zu.

»Jetzt!«, sagte Amy feierlich.

Kim drehte die kleine Karte in ihren Händen um und traute ihren Augen nicht, als sie las, was darauf stand.

Die Punkte der Ausrufzeichen waren etwas erhaben und glitzerten. Schriftart und Design war genauso wie auf den echten Karten der drei !!!, nur die Hintergrundfarbe war nicht Weiß, sondern Pink.

Kim hatte es die Sprache verschlagen. Dachte diese zugereiste Barbie aus Amerika allen Ernstes, dass sie sie in ihren Detektivclub aufnahmen? Mit ihrem Know-how international agieren? Was war das für ein Quatsch? Oder war das nur ein schlechter Scherz?

Kim versuchte, Blickkontakt mit ihren beiden Freundinnen herzustellen, aber nur Franzi schaute sie an.

Marie hielt die Karte in der Hand und fühlte mit dem Zeigefinger über die Punkte. »Sieht schön aus«, sagte sie dann. »Fast ein bisschen wie Diamanten.«

»Ach, da bin ich aber happy, dass euch die Karte gefällt. Ich hab erst mal nur einhundert machen lassen, aber Papas Agent kann schnell Nachschub ordern, wenn wir welche brauchen.«

Amy setzte sich so dicht neben Kim auf die Matratze, dass die Amys süßliches Peeling riechen konnte. Kim nahm sich eine weitere weiße Maus, biss ihr den Kopf ab und gab Amy die Karte zurück. »Sorry, Sweetie, aber in einen Detektivclub kann man sich nicht einfach so einschleichen. Dafür muss man sich qualifizieren. Wir drei sind ein eingeschworenes Team und beste Freundinnen, wir haben schon fast fünfundsiebzig Fälle zusammen gelöst. Dafür braucht man eine Begabung, den richtigen Riecher und Mut. Keine Visitenkarten, die aussehen wie die Einladungskarte zum Geburtstag von Prinzessin Kitschifee.«

Marie sah Kim tadelnd an. »Also, ich finde die Karten ganz gelungen.«

»Darum geht es Kim doch gar nicht«, mischte Franzi sich ein.

»Falls es darum geht, wie man richtig ermittelt: Ich war jahrelang als Carla Blomquist unterwegs«, meinte Amy.

»Ja, aber das war doch nur eine Rolle. In einer Fernsehserie!«, sagte Kim ein bisschen zu laut.

Pablo, der unter Maries Bett geschlafen hatte, kam hervor.

Kim seufzte. »Komm, Pablo. Wir gehen noch mal Gassi. Wir brauchen frische Luft.«

Als Kim aus der Haustür trat, war es bereits dunkel. Ihr Herz klopfte – nicht weil sie Angst im Dunkeln hatte, sondern weil sie Amy so unverschämt fand, dass sie sich total aufregte. Und Maries Reaktion auf die Karten hatte sie auch ziemlich geärgert. Sie fand den Kitsch schön?! Warum hatte Marie nicht auch sofort klipp und klar gesagt, dass sie niemals jemanden in den Club aufnehmen würden?!

»So spät noch draußen, Kim?« Maries Vater kam gerade mit Joe King die Treppen zur Villa herauf.

»Ja, Pablo wollte noch mal Gassi gehen«, log Kim, denn sie konnte den Männern ja kaum die Wahrheit sagen.

»Thank you übrigens so much, dass Amy bei euch schlafen darf«, sagte King. »Sie ist ein bisschen isoliert in Los Angeles. Kinderstars haben es manchmal nicht leicht.«

»Kein Problem«, sagte Kim und ging dann weiter, um nicht noch länger mit den Männern über Amy sprechen zu müssen. »Kim, kommst du dann bitte gleich zurück und sagst mir Bescheid? Ich finde es nicht so gut, wenn ihr abends noch allein unterwegs seid«, sagte Maries Vater.

»Mach ich. Ich gehe nur einmal um den Block.« Kim zog Pablo hinter sich her.

»Gut.« Helmut Grevenbroich wandte sich seinem Jugendfreund zu. »Wollen wir deine Szenen noch zusammen durchgehen?«

»Klar, Helmi, wie in den good old times.« King klopfte Grevenbroich auf die Schulter. Zusammen verschwanden die beiden in der Villa.

Kim versuchte, ruhiger zu atmen, während sie mit Pablo die Straße entlangging.

»Hast du einen Golden Retriever gesehen?« Die Stimme einer aufgeregten Frau riss Kim aus ihren Gedanken.

»Nein. Ist er Ihnen weggelaufen?« Kim betrachtete die Frau aufmerksam.

Sie trug eine graue Jogginghose und ihre schulterlangen braunen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Kim schätzte sie auf Mitte vierzig.

»Ich weiß es nicht. Ich hab Biene wie jeden Abend vor dem Schlafengehen noch mal in den Garten gelassen und plötzlich war sie weg. Biene kommt immer sofort zurück, wenn ich sie rufe.«

»Komisch. Haben Sie die Polizei schon informiert?« Kim war froh, dass Pablo ausnahmsweise mal an der Leine neben ihr stehen blieb. Neugierig schnupperte der kleine Hund an dem Hosenbein der Frau.

»Du kannst meine Biene riechen, nicht?«, sagte die Frau zu Pablo. Dann wandte sie sich wieder an Kim. »Die können doch auch nichts machen. Sie ist ja auch erst vor zehn Minuten verschwunden.«

»Ich kann Ihnen ja Bescheid sagen, wenn ich sie sehe oder etwas höre.«

»Ja, bitte mach das. Ich heiße Briel und wohne in der Schönhaarstraße 19. Das ist meine Telefonnummer.« Die Frau gab Kim eine Visitenkarte. »Biene!«, rief sie laut, während sie weiterging.

»Es wird bestimmt alles gut!«, sagte Kim laut. Dann ging sie mit schnellen Schritten zurück zur Villa.

Vier sind eine zu viel

»Und Action!«, sagte der Regisseur, der neben dem Kameramann stand und auf seinem Bildschirm verfolgte, was vor der Kamera passierte.

Kim, Franzi und Marie hatten sich mit Amy direkt hinter dem Absperrband postiert und beobachteten neugierig das Geschehen. Sweety war in Amys Tasche, die sie an ihrem Arm trug. Eines seiner Schlappohren hing über den Taschenrand. Gedreht wurde die Jubiläumsfolge der Vorstadtwache auf dem Parkplatz des Superkaufs, des großen Supermarkts, der sich in Kims Wohnviertel befand. Die drei Detektivinnen hatten hier vor einiger Zeit einen spannenden Fall gelöst, bei dem Graffitisprayer Spinnen an die Supermarktwand gesprüht hatten und sogar eine riesige Spinne im Supermarkt aufgetaucht war. Der Parkplatz, auf dem die drei Detektivinnen damals in eine spannende Verfolgungsjagd verwickelt gewesen waren, war nun zum Teil für den Kundenverkehr gesperrt, damit die Dreharbeiten nicht gestört wurden.

Helmut Grevenbroich alias Kommissar Brockmeier befreite mit seinem jüngeren Kollegen Kommissar Ulrich gerade einen Hund aus einem parkenden Auto, als ein schwarz gekleideter Mann angelaufen kam, sich in das Auto setzte und damit losfuhr. Brockmeier lief dem Auto hinterher, gleichzeitig näherte sich ein Polizist, der dem fahrenden Auto entgegenlief und gar nicht daran dachte auszuweichen, sondern über das Auto lief.

»Das ist wie damals, als Holger über das Auto gesprungen ist. Macht der etwa auch Parkouring?« Kim hielt den Atem an.

»Der ist Stuntman, der kann so etwas«, erklärte Amy und zeigte auf ihren Vater, der im gleichen Kostüm wie der Stuntman weiter hinten stand und sich gerade in Bewegung setzte. Unbeschadet landete der Stuntman hinter dem Auto, das nun anhielt.

»Vielleicht sollte Holger auch Stuntman werden?!«, bemerkte Franzi.

Während der Stuntman aus dem Bild verschwand, kam King aus der gleichen Richtung ins Bild. King und Brockmeier näherten sich dem Auto und holten den Fahrer heraus. Brockmeier drehte sich zu dem Polizisten, der von King gespielt wurde. »Danke, Kollege. Gute Arbeit.«

»Und Cut!«, rief der Regisseur.

Kim beobachtete, wie der gerade befreite Fernsehhund Bommel nun zu seinem Tiertrainer lief, der ihn mit einem Leckerli versorgte. »Drehen die neuerdings immer in so langen Einstellungen?«

Die drei !!! waren schon öfter mal am Set gewesen und kannten sich ein bisschen mit der Arbeit des Filmteams aus.

»Ja, dann kommt mehr Bewegung in die Bilder«, erklärte Marie und begrüßte den Schauspieler, der den jungen Kollegen von Kommissar Brockmeier spielte. Während Marie mit ihm sprach, hörten Amy und Franzi zu, bis Amy Marie einfach unterbrach und weiterredete. Kim beobachtete, wie Marie Amy empört von der Seite ansah, aber das schien Amy egal zu sein. Sie merkte auch nicht, dass Sweety aus der Handtasche hüpfte und schwanzwedelnd davonlief.

Kim verdrehte die Augen, dann fiel ihr Blick auf den kleinen Fernsehhund, den Kommissar Brockmeier gerade aus dem Auto gerettet hatte. Während der Tiertrainer sich mit dem Regieassistenten unterhielt, streichelte ein kleiner Mann mit Glatze den Hund und steckte ihm Leckerlis zu. Sweety lief geradewegs auf die beiden zu und ließ sich nun ebenfalls von dem kleinen Mann füttern. Dabei schaute sich der Mann immer wieder verstohlen um. Kim näherte sich ihm ein Stück, weil sie lesen wollte, was auf seinem bedruckten T-Shirt stand.

»Hallo, Kim, schön, dass ihr mal wieder da seid«, wurde Kim von Sandra, der Maskenbildnerin, begrüßt. »Seid ihr heute auch Statisten?«

Kim sah auf ihre Uhr. »Das war der Plan und Marie hat eine kleine Nebenrolle als Taschendiebin, aber ich fürchte, heute wird es doch nichts mehr, denn wir müssen gleich Finn vom Kindergarten abholen.«

»Ja, wir hängen leider in der Zeit, weil Herr King etwas zu spät kam. Jetlag oder so«, erklärte Sandra.

»So etwas kann sich aber auch nur ein Hollywoodstar erlauben, oder?«, fragte Kim.

»Ja, für Joe King verzichte ich ausnahmsweise mal gern auf meinen Feierabend.« Sandra grinste. »Ich sag mal dem Regieassistenten Bescheid, dass Marie heute nicht länger am Set bleiben kann. Er wird schon einen anderen Taschendieb finden.« Die Maskenbildnerin verabschiedete sich von Kim.

Kim entschied, den Mann mit der Glatze einfach anzusprechen. »Sind Sie auch Tiertrainer?«

Der Mann blickte überrascht auf. Er trug eine Brille und auf seinem T-Shirt stand: Tierpension Hund Katze BÄR. Comichaft war darunter ein Bär gemalt, der auf seinen Vordertatzen einen Hund und eine Katze trug.

»Hallo, mein Name ist Bär. Nein, ich schaue nur zu und helfe Herrn Specht ein bisschen.«

»Herrn Specht?« Kim hatte den Namen noch nie gehört.

»Der Tiertrainer Timo Specht. Ich bin ein Freund von ihm«, erklärte Bär freundlich. »Gehören Sie auch zum Filmteam?«

Kim schüttelte den Kopf. »Nein, aber der Vater meiner Freundin spielt den Kommissar Brockmeier.«

»Wirklich?« Bär schien Kim nicht zu glauben.

»Ja, wirklich.« Kim sah Marie auf sie zukommen. »Das ist Marie Grevenbroich, das ist Herr Bär«, stellte Kim die beiden einander vor.

Marie schüttelte Bärs Hand und wandte sich dann an Kim. »Kommst du? Wir müssen zu Finn!«

Schnell verabschiedete Kim sich von Bär und ging dann mit Marie zurück zu Franzi, die sich über das Catering hergemacht hatte. Franzi schob sich gerade ein Minicroissant in den Mund. »Wollen wir?«

»Moment, ich möchte auch etwas essen. An mich denkt wieder keiner«, beschwerte sich Kim.

»Die arme Kim verhungert gleich. Herr Brockmeier, kommen Sie schnell.« Marie lachte und musste dann gähnen.

»Die arme Marie hat sich umsonst die Fingernägel lackiert und war bis in die Puppen wach!«, konterte Kim, nahm sich ebenfalls ein Minicroissant und einen kleinen Bagel. Während sie aß, beobachtete sie, wie Bär sich mit Bommel beschäftigte.

»Ich bleib noch ein bisschen bei Dad, wenn es für euch okay ist?!« Amy hatte sich mit Sweety auf dem Arm neben die drei Freundinnen gestellt.

»Klar«, sagte Kim schnell. »Sorry übrigens, dass ich gestern so ehrlich war, aber ich denke weiterhin, dass unser Detektivclub so bleiben soll, wie er ist.« Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte Kim sich an Franzi und Marie. »Wollen wir jetzt den kleinen Feuerwehrmann abholen?« Dann lief sie einfach los und war erleichtert, dass Marie und Franzi ihr folgten.

Nachdem die drei Detektivinnen mit Pablo zusammen Finn aus dem Waldkindergarten abgeholt hatten, gingen sie mit den beiden noch ein bisschen spazieren.

»Guck mal, da ist ein Hund!«, rief Finn.

Franzi sah sich um. »Wo denn, Finn?«

»Da, auf dem Bild!« Finn zeigte auf das Foto eines Golden Retrievers, das an einem Baum hing.

»Vermisst: Biene! Bitte melden Sie sich, wenn Sie Hinweise haben!«, las Marie vor. »Und hier ist eine Telefonnummer.«

»Ach ja, ich bin gestern Abend beim Gassigehen der aufgeregten Hundehalterin begegnet. Da war der Hund gerade mal zehn Minuten weg. Sie heißt Frau Briel. Kennst du sie?«

Marie überlegte. »Ich glaube nicht.«

»Und warum hast du uns nichts gesagt?« Franzi fotografierte das Bild mit ihrem Handy.

»Stimmt. Keine Ahnung. Wahrscheinlich war ich wegen Amy so durch den Wind, dass ich es vergessen habe.« Kim wunderte sich über sich selbst, dass sie das Verschwinden des Hundes so wenig ernst genommen und ihren Freundinnen nicht davon erzählt hatte.

»Marie?«, sagte Finn mit zuckersüßer Stimme.

Marie kniete sich vor ihren kleinen Bruder. »Ja?«

»Darf ich ein Eis?«

»Darfst du, aber nur, wenn du mir ein Küsschen gibst.«

Marie knuffte ihrem kleinen Bruder liebevoll in den Bauch.

Verzückt beobachtete Kim, wie der kleine Junge seiner großen Schwester ein Küsschen auf die Nase hauchte. Marie gab ihm ebenfalls ein Küsschen. »Eine Kugel Schokolade mit Streuseln?«

»Nee, schwarzer Teller!«, erwiderte Finn.

»Schwarzer Teller?« Kim zog die Augenbrauen zusammen. »Was ist denn das?!«

»Na, ist doch ganz klar: Finn möchte Stracciatella!« Franzi lachte.

Finn nickte.

»Ach so! Die Chocolaterie hat in den Sommermonaten auch selbst gemachtes Eis«, fiel Kim wieder ein. »Da können wir doch vorbeigehen?«

»Ich gebe eine Runde Eis aus und dann gehen wir auf den Spielplatz«, schlug Marie vor.

»Au ja!« Finn klatschte in die Hände.

Am Spielplatz angekommen, leinte Kim Pablo außen am Zaun an. »Jetzt haben wir auf dem kurzen Weg schon zwölf Plakate mit Bienes Suchanzeige gesehen.«

»Guckt mal, auf dem Bild da drüben ist ein anderer Hund.« Franzi ging über die Straße zu einem Baum, an dem ebenfalls ein Vermisst-Plakat hing, und machte mit ihrem Handy ein Foto. »Da wird noch ein Hund vermisst.« Mit dem Telefon in der Hand kam sie zurück.

Kim und Marie betrachteten das Foto.

»Ein Labrador«, stellte Franzi fest. »Die armen Hunde! Was ist denn bloß mit denen passiert?«

»Wir setzen uns hier auf die Bank, Finn. Möchtest du dich neben uns setzen?« Marie nahm Finn sein Eis aus der Hand.

»Das ist aber meins!«, protestierte er.

»Ich wollte es nur halten, damit du dich hinsetzen kannst.«

»Ich will aber nicht sitzen«, jammerte Finn.

Marie gab Finn das Eis zurück, der sich damit in ein Holzspielhaus verzog.

»Ich finde, wir sollten der Sache mit den Hunden nachgehen, aber ich muss noch kurz mit euch sprechen. Mich belastet nämlich etwas.« Endlich hatte Kim die Gelegenheit, Marie und Franzi auf Amy anzusprechen.

Marie und Franzi setzten sich in den Schneidersitz auf die Bank.

»Klar!« Marie kaute auf einem Schokostück herum.

»Schieß los.« Franzi sah Kim neugierig an.

»Sag mal, gefallen dir Amys Visitenkarten wirklich, Marie?«

»Ja, ich finde sie ganz okay.« Marie lutschte an ihrem Eis, ohne Kim anzusehen.

»Das ist nicht dein Ernst?! Die sind oberkitschig. Und es ist eine absolute Frechheit, dass sie denkt, sie könnte einfach so dazugehören. Die vier Ausrufezeichen. Unfassbar!« Kim biss in ihre Eiswaffel.

»Ja, das ist übertrieben. Aber musst du sie deshalb so vor den Kopf stoßen? Das war doch gut gemeint!« Marie winkte Finn zu, der aus dem Fenster des Holzhäuschens guckte.

»Ich hab mich doch vorhin schon entschuldigt.« Kim kickte ein kleines silbernes Plättchen weg.

»Na ja, ein bisschen halbherzig.« Marie lutschte nachdenklich an ihrem Eis.

»Aber besser als gar nicht!« Franzi stand auf und hob das kleine Plättchen auf. Sie wollte es in den Mülleimer werfen, stutzte jedoch. »Das ist ja eine Hundemarke. Ist das Pablos?«

Kim blickte zum Zaun, wo Pablo ein kleines Schläfchen machte, und schüttelte den Kopf. »Er hat seine noch.« Kim tauschte aufgeregte Blicke mit Marie und Franzi. »Ich rufe mal Frau Briel an.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche.

Franzi holte eine kleine Tasche aus ihrem Rucksack, aus der sie einen Pinsel und Grafitpulver entnahm. Vorsichtig pinselte sie die Hundemarke damit ein. »Keine brauchbaren Fingerabdrücke. Leider ist die Marke total verschmiert.«

Eine Viertelstunde später war eine aufgelöste Frau Briel auf dem Spielplatz. Sie hatte noch einen weiteren Nachbarn mitgebracht. Der Mann trug einen Anzug und lockerte gerade seine Krawatte. »Hallo. Könnt ihr uns mal die Hundemarke zeigen?«

Franzi überreichte ihm die Marke. »Sie lag hier im Sand.«

»Die ist von Flocke«, presste er bedrückt hervor.

»Das ist Herr Heimann«, erklärte Frau Briel. »Sein Hund Flocke ist ebenfalls seit gestern Abend verschwunden.«

»Ist das Plakat von Ihnen?« Franzi deutete auf das Bild des Labradors, das an der Laterne hing.

»Ja, das ist Flocke.«

»Das klingt ja nach einem neuen Fall für die vier Ausrufezeichen!« Amy war wie aus dem Nichts dazugekommen. Kim konnte nicht glauben, was Amy gerade gesagt hatte, und auch Franzi und Marie waren sprachlos.

»Vier Ausrufezeichen?« Frau Briel sah verwundert in die Runde. »Ich werde jetzt erst mal die Polizei informieren.«

Kim, die ihre Fassung wiedergefunden hatte, holte ihr Handy aus der Tasche. »Das ist die Nummer von Kommissar Peters. Mit ihm haben wir schon oft zusammengearbeitet.«

»Zusammengearbeitet?« Frau Briel tippte die Nummer in ihr Handy.

»Erzählen wir gleich«, meinte Kim.

Während Frau Briel ein Stück beiseiteging, um mit dem Kommissar zu sprechen, ließ Kim Amy, die sich zu Herrn Heimann drehte, nicht aus den Augen.

»Well, also, wie wäre es, wenn wir für Sie erm…«, begann sie, aber Kim unterbrach sie schnell.

»Sorry, Amy, aber das ist unsere Sache.« Sie holte eine kleine silberne Dose aus ihrer Tasche, aus der sie ein Kärtchen nahm, das sie Herrn Heimann überreichte.

»Wir drei«, dabei zeigte Kim auf Franzi, Marie und sich selbst, »sind die drei Ausrufezeichen. Wir sind Detektivinnen und haben bereits über siebzig Fälle erfolgreich gelöst«, fuhr Franzi fort. »Wir würden Ihnen gerne helfen, Ihre Hunde wiederzufinden.«

Frau Briel, die das Telefonat mit dem Kommissar gerade beendet hatte, hatte die letzten Sätze gehört.

»Wie toll, dass ihr Detektivinnen seid. Ich würde eure Hilfe gern in Anspruch nehmen. Und euer Kommissar ist gerade in der Parkstraße, gleich nebenan. Dort wird bei Familie Borgwardt ebenfalls ein Hund vermisst. Der Kommissar kommt jetzt hier vorbei.«

»Das gibt es doch nicht. Sind da etwa Hundeentführer am Werk?« Heimann wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.

»Du, Michael, hast du den kleinen Mann mit Glatze und mehreren angeleinten Hunden in letzter Zeit auch öfter hier langlaufen sehen? Vielleicht hat er etwas damit zu tun?« Frau Briel sah von Herrn Heimann zu den drei !!!.

Heimann nickte. »Stimmt, Christiane. Jetzt, wo du’s sagst. Der ist mir auch schon aufgefallen.«

Kim, Franzi und Marie warfen sich aufgeregte Blicke zu. Kim freute sich: Endlich wieder ein neuer Fall für die drei !!!.

»Wann haben Sie die Hunde denn zum letzten Mal gesehen?« Amy, die jetzt Sweety aus der Tasche ließ, witterte ihre Chance. Während Sweety zu Finn rannte und ihm die angeknabberte Eiswaffel aus der Hand futterte, zog Amy ihr Handy aus der Tasche, tippte darauf herum und hielt es Frau Briel direkt vor die Nase. »Was dagegen, wenn ich Ihre Aussage aufzeichne?« Ohne eine Antwort abzuwarten, sprach sie weiter. »Erzählen Sie noch mal genau, was passiert ist.«

Finn fing an zu weinen. »Marie, der Hund hat mir meine Waffel geklaut!«

»Amy, Hunde dürfen eigentlich nicht auf den Spielplatz. Und dein Hund hat Finns Waffel aufgegessen, findest du das okay?« Kim deutete auf Sweety und Finn.

»Oh Sweety.« Amy drückte Kim ihr Handy in die Hand und ging zu Finn. »Ich kaufe dir ein neues Eis, okay?«

»Danke, aber er hatte schon genug«, mischte Marie sich jetzt ein.

Kim schaltete Amys Handy aus und gab es ihr zurück. »Vielleicht sollte der Hund mal runter vom Spielplatz?«

»Sweety, go in your bag!«, sagte Amy in strengem Tonfall.

»Da sind sie ja wieder, meine drei Lieblingsdetektivinnen.« Kommissar Peters betrat den Spielplatz und beobachtete, wie Amys Hund umständlich zurück in seine Tasche sprang.

Peters zeigte auf Amys Tasche. »Was ist das?«

»Der Taschenhund von Amy King.« Kim deutete mit dem Kopf auf Amy, die Finn gerade wieder absetzte und auf den Kommissar zusteuerte.

»Ist der nicht viel zu groß für eine Tasche?«, wunderte Peters sich.

Kim nickte. »Ja, kein normaler Mensch kann verstehen, warum der Hund eine Tasche hat und nicht selber laufen kann.«

»Das sind die beiden Hundehalter: Frau Briel und Herr Heimann, das ist Kommissar Peters«, stellte Marie alle einander vor, aber Amy funkte dazwischen. »I’m telling you: Das ist ein ganz klarer Fall von Hundeentführung«, behauptete sie selbstbewusst. »Damit ist nicht zu spaßen!«

»Was du nicht sagst«, murmelte Kim genervt.

»Das befürchte ich auch«, bestätigte Frau Briel aufgewühlt.

Amy hielt Peters die Hand hin. »Sie kennen mich vielleicht, ich habe einige Jahre die Carla Blomquist verkörpert?«

Peters blickte Amy irritiert an. »Leider nein. So, jetzt würde ich gerne zum Punkt kommen.« Aufmerksam wandte er sich Frau Briel und Herrn Heimann zu.

Detektivtagebuch von Kim Jülich Dienstag, 18:03 Uhr

Wow und wau, wau! Die drei !!! haben einen neuen Fall. Mit Betonung auf drei !!!. Denn wir werden den Fall wie gehabt zu dritt lösen und keinesfalls zu viert! Und wir müssen schnell handeln, denn wir wissen nicht, ob vielleicht noch andere Hunde in Gefahr sind.

Momentan wissen wir nur, dass der Golden Retriever von Frau Briel gestern Abend aus dem Garten verschwunden ist, genauso wie der Labrador von Herrn Heimann, der ebenfalls abends noch mal in dessen großen, eingezäunten Garten gelassen wurde und nicht zurückkam. Der dritte Hund ist der Schäferhund von Familie Borgwardt, die ebenfalls im Viertel in einem neu gebauten Bungalow lebt. Nils, der kleine Sohn der Familie, war mit dem Hund abends Gassi gegangen, aber er hatte sich losgerissen und war ihm davongelaufen.

Auf dem Spielplatz haben wir die Hundemarke von Heimanns Hund Flocke gefunden. Leider waren keine brauchbaren Fingerabdrücke darauf.

Als wir den Spielplatz anschließend noch mal abgesucht haben, haben wir zwar viele Dinge wie Schnuller, einen Kinderschuh und diverse liegen gelassene Schaufeln und Eimer gefunden, aber keine Hinweise auf die Hunde oder die Tat. Leider tappen wir noch total im Dunkeln und haben keinen Verdächtigen. Da Amy bei uns im Zimmer schläft und uns kaum von der Seite weicht (gerade ist sie kurz verschwunden, aber sie kann Moment wieder auftauchen), haben wir uns gerade zu einem geheimen Clubtreffen morgen Vormittag verabredet. Immerhin kann sie sich nicht einfach so in unseren Dreiernachrichtenchat einklinken, und so haben wir soeben per Handy Folgendes ausgemacht: Wir werden sie ein bisschen austricksen und behaupten, dass wir zum Set kommen, wenn wir Finn in den Kindergarten gebracht haben, um sie dort zu treffen. In Wirklichkeit werden wir uns aber zu einer Clubbesprechung treffen und beraten, wie wir vorgehen wollen. Manno, jetzt werden unsere Ermittlungen auch noch durch so eine dreiste Person erschwert. Und was auch zu kurz kam: die Freude über den neuen Fall. Weil Amy die ganze Zeit an uns klebt, kam die nicht so recht auf.

Ich glaube übrigens, dass auch Marie jetzt eingesehen hat, dass Diamanten auf Visitenkarten vollkommen überflüssig sind!

Geheimes Tagebuch von Kim Jülich Dienstag, 18:35 Uhr

Achtung! Wer heimlich in Kim Jülichs Tagebuch liest, bekommt nie wieder Kuchen, Cake-Pops oder andere Süßigkeiten, sondern wird mit Hundekuchen abgespeist.

Carla Blomquist! Dass ich nicht lache! Wie kann man denn denken, dass man Detektivin sein kann, wenn man noch niemals selbst ermittelt hat, sondern nur die Rolle im Fernsehen gespielt hat?! Da haben die Drehbuchautoren die Story, Verzeihung, jetzt fange ich auch schon mit dem albernen Denglisch an, also die Drehbuchautoren haben sich die Geschichte ausgedacht und die Dialoge aufgeschrieben.

Amy hätte nicht nur den Agenten ihres Vaters, sondern auch einen Drehbuchautor mit nach Deutschland nehmen sollen, denn das, was sie gesagt hat, als Peters da war, war ziemlich daneben.

Über Peters habe ich mich auch ein bisschen geärgert, denn er hat Amy gesagt, dass sie auf uns aufpassen soll, damit wir uns nicht wieder in Gefahr begeben. Das hat sie jetzt bestimmt wörtlich genommen.

Eine Stunde später:

Während ich den letzten Satz über Peters und Amy schrieb, wurde ich von Carla Blomquist (ach nein, SORRY, Amy ) unterbrochen. Sie kam panisch in Maries Zimmer gerannt und hat berichtet, dass Sweety entführt wurde. Sie wollte uns in der Chocolaterie Nervennahrung holen, auch als Entschuldigung, weil sie und Sweety uns gestern den Kuchen weggefuttert haben. Als sie aus der Chocolaterie wieder rauskam, war Sweety weg. Amy war total aufgelöst, wollte sofort eine Clubbesprechung einberufen. Ich hab ihr erst mal die Nummer von Peters gegeben und sie hat Sweety als vermisst gemeldet. Gleich setzen wir uns wohl oder übel mit ihr zusammen, aber zuerst müssen wir zum Abendessen gehen. Helmut Grevenbroich hat angekündigt, dass er etwas Wichtiges zu verkünden hat und alle Familienmitglieder anwesend sein sollen. Amy hat gleich losgejammert, dass einer fehlt, und zwar Sweety. Ich finde ja auch, dass Hunde echte vollwertige Familienmitglieder sind, aber bei ihr regt es mich leider auf.

Der letzte Fall?

Kim, Franzi, Marie und Amy setzten sich an die große Tafel zu Lina und Finn im Esszimmer der Villa Grevenbroich. Finn war gerade dabei, sich Unmengen an Ahornsirup auf seinen Pfannkuchen zu gießen.

Kim half ihm dabei, den Sirup zu verstreichen. »Lecker, gibt es die für uns auch?« Sie lächelte Tessa an, die bedauernd den Kopf schüttelte. »Helmut und Joe haben gekocht. Ich durfte nicht in die Küche.«

Wie aufs Stichwort kamen nun Helmut Grevenbroich und Joe King ins Esszimmer. Beide trugen Kochmützen und schoben einen Servierwagen vor sich her, auf dem Teller standen.

Kim atmete den Geruch von gegrilltem Fisch ein.

»Papa, was ist los? Warum habt ihr gekocht und macht so eine Show daraus?« Marie steckte sich ein kleines Stück von Finns Pfannkuchen in den Mund.

Ihr Bruder protestierte. »Marie, das ist mein Pfannkuchen. Spuck den sofort wieder aus.«

Marie streichelte Finn liebevoll über den Kopf. »Das geht leider nicht, er ist schon in meinem Bauch. Aber Papa kann jetzt mal ausspucken, was er sagen will.«

»Ihr müsst raten.« Grevenbroich sah sie geheimnisvoll an.

»Darf ich euch Amys Lieblingsgericht servieren? Red Snapper an Avocadomousse«, sagte King theatralisch.

»Papa, Sweety ist verschwunden. Ich hab gar keinen Hunger!«, platzte es aus Amy heraus.

»Keine Sorge, wir sind dran«, sagte Marie leicht genervt.

»Die drei !!! werden deinen Hund finden, da bin ich sicher. Sie haben bis jetzt alle Fälle gelöst. Und das sind bestimmt schon tausend.« Helmut begann, die Teller zu verteilen.

»Da verwechseln Sie etwas. Sie feiern das 10-jährige Jubiläum der Vorstadtwache. Wir haben schon über siebzig Fälle erfolgreich gelöst«, korrigierte Kim Maries Vater.

»Stimmt, Kim, ich wollte es mit der Übertreibung auch nur verdeutlichen. Aber wo wir schon mal dabei sind: Zehn Jahre Vorstadtwache sind auch nicht schlecht. Langsam verspüre ich Lust, mal wieder in eine neue Rolle zu schlüpfen.«

Franzi war überrascht. »Als Fernsehkoch?«

Tessa prustete los. »Das wusste ich ja noch gar nicht.«

Grevenbroich und King hatten alle Teller verteilt.

»Kalt! Aber ratet mal, warum es kalifornische Küche gibt.« King setzte sich an den Tisch.

Die drei !!!, Tessa und Lina zuckten mit den Schultern.

Kim nahm sich eine Gabel. »Keine Ahnung«, nuschelte sie.

»Wollt ihr noch mal raten?« Grevenbroich lächelte Tessa, Marie und Lina an.

»Machen wir unseren nächsten Urlaub in Los Angeles?« Maries Augen leuchteten und auch Lina freute sich.

»Fast! Joe hat mir eine Rolle bei Cops and the City angeboten. Nächste Woche geht’s los.«

Kim blieb der Red Snapper fast im Hals stecken. Sie schnappte nach Luft. Maries Vater – ein Hollywoodstar?

»Ich muss mal.« Finn kletterte von seinem Kinderstuhl und lief ins Bad.

»Ist das nicht ein bisschen übereilt?«, fragte Tessa kritisch.

»Wie viele Drehtage wirst du denn haben?«, wollte Marie wissen. »Vielleicht kann ich ja mitkommen?! Ich wollte schon immer mal nach Hollywood.«

Amy strahlte. »Oh, das wäre so toll! Ich würde dir die ganze Stadt zeigen. Das wird dir gefallen!«

Kim sah Amy überrascht an, und als ihre Blicke sich trafen, setzte Amy wieder eine ernstere Miene auf. »Aber erst mal muss ich Sweety wiederfinden.«

»Ich möchte auch mit!«, rief Lina dazwischen.

»Klar, ihr kommt alle mit!«, sagte Helmut. »Die Produktionsfirma zahlt die Flüge und sucht für euch eine Unterkunft.«

»Ihr wohnt natürlich erst mal bei uns!«, meinte King.

»Aber ich muss arbeiten, Helmut«, bemerkte Tessa mit scharfem Unterton. »Deswegen sind ja auch Kim, Marie und Franzi nicht mit der Gruppe aus dem Jugendzentrum an die Nordsee gefahren, sondern passen auf Finn auf.«

»Bei der Gage muss eigentlich niemand außer mir mehr arbeiten«, entgegnete Grevenbroich. »Aber so eine gute Kamerafrau wie du sollte natürlich der Arbeitswelt erhalten bleiben. Joe hat sich schon erkundigt und Beziehungen spielen lassen. Du kannst dich einem sehr bekannten Hollywood-Produzenten vorstellen.« Er machte eine kurze Pause. Niemand sagte etwas, dann grinste er. »Stellt euch mal vor, wir zusammen unter der Sonne Kaliforniens.«

»Papa, wovon reden wir hier gerade? Willst du etwa nach Hollywood ziehen? Für immer?« Marie nahm einen großen Schluck Apfelschorle.

Grevenbroich legte sein Besteck auf den Teller und tupfte sich den Mund mit einer Serviette ab. »Ich weiß es nicht genau, Marie. Die Rolle ist auf ein Jahr angelegt.«

Marie verschluckte sich an ihrer Apfelschorle und ließ hustend das Glas auf den Tisch knallen. »Da mache ich nicht mit.« Mit rotem Kopf stand sie auf und verließ das Esszimmer durch die Tür, durch die Finn gerade zurückkam.

»Marie, warte mal!« Grevenbroich wollte aufstehen, aber Tessa hielt ihn zurück. »Erklär mir das bitte mal genauer.«

»Was meinst du? Ich habe gerade alles gesagt. Wir haben die Chance, in Hollywood ganz neu zu starten.«

»Helmut, das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?« Tessa sah Kim und Franzi bedauernd an. »Tut mir leid, dass ihr da jetzt mit reingezogen werdet.«

»Mama, ist Marie traurig? Ich will ihr ein Küsschen geben.«

»Warte mal, Finn.« Tessa stand ebenfalls auf und verschwand hinter Finn aus dem Zimmer.

Sogar Kim war jetzt der Appetit vergangen. Sie und Franzi standen gleichzeitig auf, entschuldigten sich und folgten ihrer Freundin. Aus dem Augenwinkel konnte Kim sehen, dass Amy sich genüsslich eine Gabel Red Snapper in den Mund schob.

»Finn, ich komme nachher noch mal zu dir und sage dir Gute Nacht.« Marie versuchte, ihren kleinen Bruder anzulächeln.

»Komm, wir setzen dich jetzt in die Badewanne. Ich hab ein Knisterbad für dich.« Tessa nahm Finn auf den Arm und trug ihn mit ernster Miene an Kim und Franzi vorbei.

Die beiden betraten Maries Zimmer. Ihre Freundin lag auf dem Fußboden und starrte die Decke an.

»Das kann dein Vater doch nicht einfach so machen!« Kim schloss die Tür und legte sich neben Marie auf den Boden. »Das ist ja hart.«

»Das brauche ich jetzt. Das ist der harte Boden der Tatsachen. Und klar, er kann. Wenn er denkt, dass es für uns alle das Beste ist, wird er es Tessa verkaufen, und dann haben Lina und ich keine Chance mehr.« Marie seufzte. »Aber ohne euch und Holger? Wie soll das denn gehen?«