Die goldene Göttin - Das Schwert der Wahrheit - Terry Goodkind - E-Book

Die goldene Göttin - Das Schwert der Wahrheit E-Book

Terry Goodkind

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Beschreibung

Die Saga vom Schwert der Wahrheit geht weiter – der Auftakt des neuen Zyklus »Die Kinder von D'Hara«.

Der Krieg gegen die Alte Welt ist beendet, und Richard Rahl, der Herrscher des Reichs D'Hara, verspricht seinem Volk ein goldenes Zeitalter. Er ahnt nicht, welches Unheil er damit heraufbeschwört. Denn so wird die Goldene Göttin auf ihn aufmerksam. Ihr Botschafter verlangt die völlige Unterwerfung unter ihre Herrschaft. Sollte sich Richard weigern, würden er und alle seine Angehörigen eines schrecklichen Todes sterben.

Die Kinder von D'Hara bei Penhaligon:
1. Die goldene Göttin
2. Die Vorboten des Todes
3. Im Labyrinth des Zauberers
4. Der Bann der Hexe
5. Das Tor zur Dunkelheit

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Seitenzahl: 162

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Buch

Der Krieg gegen die Alte Welt ist beendet, und Richard Rahl, der Herrscher des Reiches D’Hara, verspricht seinem Volk ein goldenes Zeitalter. Er ahnt nicht, welches Unheil er damit heraufbeschwört. Denn so wird die Goldene Göttin auf ihn aufmerksam. Ihr Botschafter verlangt die völlige Unterwerfung unter ihre Herrschaft. Sollte sich Richard weigern, würden er und alle seine Angehörigen eines schrecklichen Todes sterben.

Autor

Terry Goodkind (*1948 † 2020) wurde in Omaha, USA, geboren und war nach seinem Studium zunächst als Rechtsanwalt tätig. 1994 erschien sein Roman »Das erste Gesetz der Magie«, der weltweit zu einem sensationellen Erfolg wurde und den Auftakt zu einer der erfolgreichsten Fantasy-Sagas aller Zeiten bildet. Er lebte bis zu seinem Tod in Maine, USA.

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »The Scribbly Man (The Children of D’Hara, Episode 1)« bei Head of Zeus, London.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2019 by Terry Goodkind Published in agreement with the author c/o Baror International, Inc., Armonk, New York, USA Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2021 by Penhaligon in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München Redaktion: Werner Bauer Umschlaggestaltung: © Max Meinzold, München, Inkraft nach einer Originalvorlage von Head of Zeus Ltd. Umschlagdesign: Jessie Price HK · Herstellung: mr Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN: 978-3-641-25855-9V001www.penhaligon.de

1

»Ich bin gekommen, Eure Übergabe entgegenzunehmen.«

Richards Stirn legte sich in Falten, und er stützte einen Ellbogen auf die lederne Polsterlehne des wuchtigen Sessels, in dem er saß; er war eher verdutzt denn beunruhigt.

Der rundliche Mann war in ein förmliches weißes, reich mit güldenen Mustern besticktes Gewand gekleidet, das seiner birnenförmigen Gestalt einen Hauch von Würde verlieh. Geduldig stand er an der Spitze einer Warteschlange von Bittstellern, die in dem gewaltigen Gewölbesaal bis weit nach hinten reichte. Hohe, seitliche Fenster ließen Streifen trüben Nachmittagslichts herein, die dem ausgedehnten Raum etwas fast Spirituelles verliehen. Massive schwarze Marmorsäulen, durchzogen von roten und goldenen Adern, erhoben sich eng gestaffelt zu beiden Seiten des langen Saals. Goldene Kapitelle auf den Säulen stützten Galerien, auf denen eine große Menschenmenge – gemeinsam mit den Personen im Hauptgeschoss im Schatten hinter den Säulen – das Geschehen verfolgte.

An der Stirnseite des Saales, hinter den in prächtigen Sesseln vor einer schweren Tafel auf einem erhabenen Podium thronenden Richard und Kahlan, fasste ein Ring aus bleiverglasten Fenstern ein zwei Stockwerke hohes weißes Marmormedaillon ein, das die lange Abstammungslinie des Hauses Rahl darstellte. Es war ein beeindruckender Machtsitz. Richard, aufgewachsen in den Wäldern Kernlands, hätte sich einen solchen Ort niemals vorzustellen vermocht – und noch viel weniger sich selbst an dessen Spitze.

Nahebei standen Palastbeamte mit ihren Helfern bereit, alles Nötige zur Hand. Schwer bewaffnete Soldaten der Ersten Rotte – zwischen Richard, Kahlan und dem übrigen menschengefüllten Saal – gaben sich größte Mühe, unauffällig zu bleiben, und verharrten größtenteils abseits an den Seiten. Hinter Richard und Kahlan, vor dem riesigen Marmormedaillon, standen ganz ungezwungen sechs Mord-Sith.

Fünf der Mord-Sith trugen ihren weißen Lederanzug. Eine, Vika, trug Rot. Richard hatte sie alle gebeten, dem Anlass entsprechend Weiß zu tragen, damit sie weniger bedrohlich wirkten, schließlich sei dies eine Zeit des Friedens. Vika hatte erwidert, sie sei hier, um den Lord Rahl zu beschützen, und wenn sie bedrohlich aussehe, umso besser. Richard hatte längst begriffen, dass das Leben einfacher war, wenn er den Mord-Sith in unbedeutenden Dingen ihren Willen ließ. Er wusste, wenn es darauf ankam, würden sie seine Befehle befolgen. Wenn es sein musste, bis in den Tod.

Die Menschen zu beiden Seiten des Hauptgeschosses und oben auf den Galerien, alle, von Farmern bis zum Adel, verstummten, während sie darauf warteten, was der Lord Rahl auf ein derart hanebüchenes Ansinnen erwidern würde. Auch der stämmige Mann im goldbestickten weißen Gewand wartete.

Die Silberketten um seinen Hals, unter einem kunstvoll gearbeiteten weißen Umhang, der von seiner mächtigen Leibesfülle geteilt wurde, wiesen unmittelbar unter den Falten seines Doppelkinns eine Vielzahl kleiner Ornamente auf, welche Richard an die Rangabzeichen erinnerten, wie sie Armeeoffiziere bei förmlichen Anlässen an ihren Uniformen trugen.

Er entsann sich, ähnlich gekleidete Menschen in einem offenen Zelt unten auf dem Markt am Fuß des kolossalen Felsplateaus gesehen zu haben, das den ausgedehnten Palast des Volkes trug. Seit Wochen hatten die Menschen sich unten auf dem Markt und in der Zeltstadt eingefunden, um eine Gelegenheit zu ergattern, Zeugen eines Ereignisses zu werden, wie es sich in dieser Form zu ihren Lebzeiten niemals zugetragen hatte – oder daraus Profit zu schlagen.

»Meine Übergabe«, wiederholte Richard mit ruhiger Stimme in der gedrückten Atmosphäre. »Meine Übergabe wovon?«

»Eurer Welt.«

Einige der in der Nähe stehenden Soldaten und Palastbediensteten lachten amüsiert. Derweil sie dies taten, fielen etliche Zuschauer ein. Zumindest bis sie gewahrten, dass Richard keineswegs amüsiert war.

Sein Blick zuckte kurz zu Kahlan, die neben ihm an jenem Tisch saß, auf dem Bittsteller Karten, Verträge und andere Dokumente zur Prüfung vorlegen konnten. Er sah, dass sie nicht nur das weiße Gewand der Mutter Konfessor trug, sondern auch ihre Konfessorinnenmiene aufgesetzt hatte. Ihr langes Haar schimmerte im Schein des Lichts, das durch den Ring aus Fenstern hinter ihnen fiel. Er konnte sich nicht vorstellen, dass eine Gütige Seele eindrucksvoller aussehen könnte.

Nichts an ihren schönen Zügen verriet, was sie vielleicht dachte. So unergründlich und ungerührt sie möglicherweise auf andere wirkte, konnte Richard doch das Feuer in diesem ruhigen Gesichtsausdruck erkennen. Wäre sie ein Wolf, ihre Nackenhaare wären aufgestellt gewesen.

Er lehnte sich zu ihr hinüber, denn er wollte wissen, warum sie innerlich zu kochen schien.

Schließlich löste sie den Blickkontakt mit dem Mann, beugte sich zu Richard und erklärte in vertraulichem Ton: »Dieser Mann stammt aus Estoria. Die Medaillen und Auszeichnungen um seinen Hals weisen ihn als Generalkonsul aus.« Unauffällig musterte sie ihn kurz. »Ich glaube, ich bin ihm ein-, zweimal begegnet, vor langer Zeit, als er noch unbedeutend war.«

»Estoria, was ist das?«

»Eines der kleineren Länder der Midlands, die ich als Mutter Konfessor verwaltet habe. Die Menschen dort verdienen sich ihren Lebensunterhalt hauptsächlich damit, dass sie sich als Berufsdiplomaten verdingen. Der Generalkonsul dürfte etwa gleichbedeutend mit einem König sein.«

Richard runzelte die Stirn. »Du meinst, es sind Söldner der Diplomatie?«

Sie nickte. »So merkwürdig es klingt, es gibt Menschen, die bei der Vertretung ihrer Angelegenheiten einen Diplomaten benötigen. Brauchen sie einen solchen, heuern sie oftmals einen Estorier an. Es ist schon vorgekommen, dass Estorier den Standpunkt eines Klienten mir gegenüber im Rat vertreten haben.«

Richard runzelte noch immer die Stirn. »Wer könnte solche Dienste benötigen?«

»Du wärst überrascht. Jeder, von wohlhabenden Einzelpersonen im Streit mit einem Herrscher bis hin zu einem Königreich am Rande eines Krieges. In einigen Fällen vermag geschickte Diplomatie Meinungsverschiedenheiten beizulegen oder doch zumindest einen bewaffneten Konflikt enorm hinauszuzögern, während sich die Gespräche endlos hinziehen. Estoria gilt als neutral, weshalb bei schwierigen Verhandlungen die verschiedenen Parteien dort untergebracht werden. Die Menschen dort verdienen sich ihren Lebensunterhalt zum Teil mit der Unterbringung solch wichtiger Gäste und ihres Gefolges. Nicht selten veranstaltet der Generalkonsul bei den Verhandlungen ausschweifende Bankette für beide Parteien. Natürlich nicht zur selben Zeit. Die Estorier haben eine lange Geschichte als Berufsdiplomaten. Verhandeln ist ihr Lebensinhalt, sie sind sehr gut darin. Nicht selten, heißt es, würden sie sogar versuchen, mit dem Hüter der Unterwelt eine Übereinkunft über einen späteren Abschied aus dem Leben auszuhandeln. Das ist halt ihre Arbeit – sie verhandeln.«

»Und was bringt dich so sehr auf?«

Sie sah ihn an, als könnte sie nicht fassen, wie begriffsstutzig er war. »Begreifst du nicht? Estorier verhandeln. Sie stellen niemals Forderungen. Das liegt ihnen einfach nicht im Blut.«

Schließlich begriff er, weshalb sich ihr alles sträubte. Dieser Mann hatte zweifelsohne eine Forderung gestellt, was augenscheinlich vollkommen seinem Wesen widersprach.

Erneut richtete er sein Augenmerk wieder auf den Diplomaten, der an der nicht weit vor ihnen befindlichen Pforte im Geländer stand. Zwei Palastwachen in furchterregenden Kettenpanzern samt dunklem Lederbrustharnisch standen zu beiden Seiten des niedrigen Törchens, um Bittsteller mit zu prüfenden Unterlagen oder wen auch immer durchzulassen, den Richard und Kahlan näher heranwinkten.

Rechts und links innerhalb des Geländers hatten die geschlossenen Reihen der Palastbeamten in ihren weißen oder blassblauen Gewändern Aufstellung genommen. Sie bearbeiteten eine Vielzahl von Angelegenheiten im Palast des Volkes selbst sowie in D’Hara insgesamt. Und sie schienen großen Gefallen an Details zu haben. War jemand vor Richard und Kahlan hingetreten, hatte sein Gesuch vorgetragen, eine Verfahrensfrage gestellt oder um einen Rat gebeten, wurde er häufig an einen der zahlreichen Beamten weiterverwiesen, der in der Lage war, sich der Einzelheiten ihres Anliegens anzunehmen.

Bei vielen in der langen Schlange der Bittsteller handelte es sich um Vertreter entlegener Länder, die, üblicherweise in feierlichem Aufzug, nicht wegen einer Bitte hergekommen waren, sondern um dem neu gegründeten D’Haranischen Reich ihre Treue zu bekunden. Sie alle wollten bei dem für später geplanten Bankett den bestmöglichen Eindruck hinterlassen. Frieden war das Schmiermittel allen Handels; die Bereitschaft zur Zusammenarbeit würde den Handel mit allen Teilen des Reiches erleichtern.

Der Mann in dem goldbestickten Gewand ließ sich keine Gefühlsregung anmerken, während er auf Richards förmliche Übergabe wartete.

»Welche Bedingungen schlagt Ihr vor?«, fragte Richard aus Neugier. Er erwartete irgendeinen diplomatischen und deutlich weniger unheilvoll klingenden Vorschlag, der erklärte, was sich tatsächlich hinter diesem seltsamen Ansinnen verbarg.

»Es gibt keine Bedingungen. Die Übergabe muss bedingungslos erfolgen.«

Richard hob eine Braue. Das klang nicht nach seiner Vorstellung von diplomatischen Verhandlungen. Er richtete sich auf. »Wie lautet Euer Name?«

Der Mann blinzelte, als hätte ihn die Frage überrascht und sei zudem völlig unmaßgeblich. Aus irgendeinem Grund fiel es ihm schwer, Richard direkt anzusehen. Wann immer es ging, wandte er den Blick ab.

»Mein Name tut hier nichts zur Sache und ist in der Euch vorliegenden Angelegenheit bedeutungslos«, erklärte er und bestätigte damit seinen verstörten Gesichtsausdruck.

»Bedeutsam oder nicht, ich wüsste gerne Euren Namen.«

Weite Armreifen baumelten an seinen mächtigen Handgelenken, als er seine ungeschlachten Hände ausbreitete. Wie abwesend blickte er nach rechts und links, so als wüsste er nicht, wie er auf die unerwartete Frage reagieren sollte. »Ich bin lediglich gekommen, um im Namen meines Klienten Eure Übergabeerklärung entgegenzunehmen.«

»Und wer ist dieser Klient?«

»Die Göttin.«

Richard war verblüfft. Göttinnen kannte er nur aus der Mythologie. Er glaubte nicht, dass Göttinnen berufsmäßige Diplomaten anheuerten, jedenfalls nicht in der Welt der Sagen.

»Wir sind hier zusammengekommen, um uns der Angelegenheiten derer anzunehmen, die uns aufgesucht haben. Diese ›Göttin‹ ist nicht hier. Ihr hingegen seid es.« Aus Richards Stimme wich die Geduld. »Nennt mir Euren Namen.«

Der Mann zögerte und vermied es, Richard direkt anzusehen. Er schnappte sich eine lange Strähne grauen Haars, die über seine finsteren Augen gefallen war, und schob sie wieder über seine kahle Schädelplatte. Dann benetzte er seinen Finger, strich sie glatt und klebte sie an ihren Platz.

»Wenn es sicherstellen hilft, dass Ihr der Forderung der Göttin nachkommt: Mein Name lautet Nolodondri, besser bekannt als Nolo.«

»Verratet mir, Nolo, wieso diese Göttin nicht persönlich hergekommen ist, um die Übergabe des D’Haranischen Reiches zu erbitten.«

Der Mann hob den soeben angefeuchteten Finger, um zu korrigieren. »Nicht Euer Reich, Lord Rahl, Eure Welt. Und es ist auch keine Bitte. Es ist ein Befehl.«

»Aha. Meine Welt. Ich nehme alles zurück. Und es ist ein Befehl, keine Bitte. Gebührend zur Kenntnis genommen.« Richard machte eine auffordernde Handbewegung. »Demnach verehrt Ihr also besagte Göttin, richtig?«

Auf Nolos Stirn zuckte es. »Nein, nicht ganz.«

»Was soll das heißen?«

»Würde der Himmel die Verehrung der Ameisen tief unter ihm am Boden erwarten?«

»Na schön, warum also sollte diese Göttin eine Ameise schicken, die ihr zu Willen ist, anstatt eine solch außerordentlich gewichtige Forderung persönlich vorzutragen?«

Nolo neigte leicht den Kopf. »Mit Belanglosigkeiten wie der Übergabe von Welten gibt sich die Göttin nicht ab, weshalb sie mich angewiesen hat, die Erfüllung ihrer Wünsche einzufordern.«

Aus dem Augenwinkel konnte Richard beobachten, wie Kahlans Aura sich verfinsterte.

»Ihr sagt, es sei ihre ›Forderung‹ gewesen, dass ich meine Welt abtrete?«

Nolo neigte sein Haupt tiefer, so als wäre Richard begriffsstutzig. »Ja, natürlich. Ich dachte, das hätte ich klar zum Ausdruck gebracht.«

Cassias weißer Lederanzug knarzte, als sie sich von hinten über Richards rechte Schulter beugte, um ihm etwas zuzuflüstern. »Bitte, Lord Rahl«, meinte sie und zerrte ihren einzelnen blonden Zopf nach vorn, als nähme sie sich selbst an die Leine. »Ich flehe Euch an. Lasst mich ihn töten.«

Berdine, ebenfalls in weißem Leder, beugte sich neben ihr nach vorn. »Lord Rahl, Ihr habt mich ewig lange hier zurückgelassen, wo ich Euch nicht beschützen konnte. Ich denke, ich habe es mir verdient, diejenige zu sein, die ihn tötet.«

»Vielleicht können wir das später klären«, antwortete Richard den beiden mit einem dünnen Lächeln. »Lasst Ihr einstweilen mich das regeln?«

Die beiden verdrehten die Augen und richteten sich auf, ihre Strafer jedoch ließen sie fallen, sodass die Waffen, allzeit bereit, an dünnen Goldkettchen von den Handgelenken baumelten.

2

Richard hielt diese öffentliche Audienz nur ab, weil Kahlan ihn darum gebeten hatte. Sie hatte ihm erklärt, es entspreche einem alten Brauch, dass der Oberste Zauberer Leute mit ihren Eingaben und Sorgen empfing. In der Vergangenheit, in Zeiten, als es keinen Obersten Zauberer gab, hatte sie als Mutter Konfessor den Rat der Zauberer beaufsichtigt. Aufgrund dieser Erfahrung, so ihre Erklärung, wisse sie, wie vorteilhaft dies sei.

Anfangs hatte Richard protestiert, erklärt, ein Rat der Zauberer sei veraltet, und außerdem sei dies jetzt das D’Haranische Reich und nicht mehr bloß die Midlands.

Eben deshalb, hatte sie erwidert, sei es umso wichtiger. Sie hatte argumentiert, dieses Anliegen sei keineswegs aus der Zeit gefallen und dass er, als Lord Rahl, als Anführer des D’Haranischen Reiches und neuer Oberster Zauberer, sehr viel einflussreicher sei, als dies der Rat der Zauberer jemals hätte sein können. Weil er im Besitz der absoluten Macht sei, so ihre Überzeugung, müssten die Menschen wissen, dass diese in jeder Hinsicht gerecht sei. Und dafür müssten sie ihrer Ausübung aus erster Hand beiwohnen. Dies sei ein Weg, hatte sie ihm erklärt, die Menschen wissen zu lassen, dass ihre Stimme als Teil des D’Haranischen Reiches gehört werde und sie gebührend behandelt würden.

Richard hatte es stets als schwierig, wenn nicht unmöglich empfunden, sich Kahlans Ratschlägen zu widersetzen, zumal es sich nahezu immer um vernünftige Vorschläge handelte. Als Mutter Konfessor wusste sie weit mehr über die Regularien der Macht, als er jemals lernen würde.

Zwar war Richard schon lange kein einfacher Waldführer mehr, aber auch Kahlan war längst jener Frau entwachsen, der er an jenem Tag vor langer Zeit in den Wäldern Kernlands begegnet war. Sie war die Mutter Konfessor – die letzte Konfessorin. Sie hatte die Macht über den Rat der Midlands und damit über die Midlands selbst. Könige und Königinnen lagen auf Knien zitternd vor ihr. Mit Autorität und Herrschaft kannte sie sich aus.

Sie hatten einen langen und erbittert schwierigen Krieg geführt, um der Welt schließlich Frieden zu bringen. Wie nahezu jeder hatten sie in diesem Kampf zahlreiche liebe Freunde verloren. Beide waren sie und Richard die jeweils Letzten ihrer Art, und zusammen bedeuteten sie die Hoffnung ihrer Welt.

Letztendlich hatte er eingesehen, dass Kahlan recht damit hatte, eine solche Veranstaltung abzuhalten.

Drei Tage lang hatten sie Menschen – angereist von nah und fern, um mit ihren Sorgen bei dem Lord Rahl und der Mutter Konfessor vorzusprechen oder andere dies tun zu sehen – Gehör geschenkt. Auch wenn er es als ermüdend empfand und die meisten Angelegenheiten als quälend gehaltlos, sah er doch ein, dass die Menschen, die zusammengekommen waren, um dies mitzuerleben, es nicht nur aufregend fanden, sondern geradezu fesselnd – und beruhigend.

Für die Versammelten war es in gewisser Weise eine Feier des Kriegsendes, eine freudige Zusammenkunft mit denen, die ihre Welt gerettet und ihnen Frieden gebracht hatten, eine Zeit, in der Herrscher von nah und fern gekommen waren, um dem Reich ihre Treue zu schwören.

Richard wünschte sich nur, es wäre vorüber, damit er mit Kahlan allein sein konnte.

Die meisten der Angereisten traten offen auf – auch wenn manche ängstlich stammelnd vor dem Lord Rahl und der Mutter Konfessor standen –, dieser Mann jedoch, Nolo, war anders. Soweit es Richard betraf, schien er keine echte Gefahr darzustellen. Vielleicht, überlegte Richard, war er einfach senil oder möglicherweise altersverwirrt. Er bemerkte jedoch, dass Kahlan anderer Meinung war.

Eine große Anzahl Menschen wartete darauf, mit ihnen zu sprechen. Mit seinem Unfug hatte dieser Mann bereits genug ihrer Zeit vergeudet, schlimmer aber war, dass er offensichtlich Kahlan verärgert hatte. Ehe Richard noch etwas hinzufügen konnte, ergriff der Mann erneut das Wort.

»Lord Rahl« – die Stimme des Estoriers wurde scharf, verlor den Schliff diplomatischer Nachsicht –, »es wäre in Eurem eigenen besten Interesse, wenn Ihr Eure Welt ohne weitere Verzögerung aufgeben würdet. Ihr könnt dies entweder freiwillig tun, worauf man Euch auf humane Weise hinrichten wird, oder aber man wird Euch, solltet Ihr Euch weigern, auf höchst grausame Weise meucheln.«

Richard lehnte sich vor, stützte beide Unterarme auf den Tisch und verschränkte seine Finger. Mit einer solch unverblümten Drohung – besonders nach einem so schwer erkämpften Frieden, aber vor allem gegen Kahlan – hatte dieser Mann soeben eine Linie überschritten.

Richards Geduld war erschöpft.

Mehrere Hundert Menschen drängten sich auf dem Hauptgeschoss und schauten zu, auf beiden Seiten der Bittsteller stehend, die darauf warteten, angehört zu werden. Zahlreiche weitere verfolgten das Geschehen von den Galerien aus. Sie alle beugten sich in Erwartung dessen vor, was der Lord Rahl erwidern oder wie er reagieren würde. Dies war ein denkwürdiger Augenblick in ihrem Leben – just jener Stoff, aus dem Legenden sind – und barg jetzt unverkennbar einen Hauch von tödlicher Gefahr.

Richard nahm an, dass die meisten eine sofortige Enthauptung erwarteten.

Stattdessen wollte er die Wachen gerade bitten, den verrückten alten Narren aus dem Palast des Volkes zu geleiten und dafür zu sorgen, dass sowohl er als auch seine Begleiter niemals wiederkehrten, als Kahlan ihn am Arm berührte. Sie blickte den Estorischen Diplomaten direkt an, während sie mit gesenkter Stimme zu Richard sprach.

»Nimm diese Drohung nicht auf die leichte Schulter, Richard.«

Selbiger konnte sehen, dass die Aura unter schwachem, flackerndem Leuchten zuckte, nicht unähnlich den Blitzen, die den Dunst ihrer Aura überall knisternd umtanzten. Seit seiner Rückkehr aus der Unterwelt hatte er das Gefühl, auf eine bis dahin unerwartete Weise Zugriff auf seine eigene innere Kraft zu haben. Zum Beispiel, indem sie ihm die Fähigkeit verlieh, Kahlans Aura zu lesen, ganz so, wie er oftmals die vielschichtige Aura einer Hexenmeisterin hatte lesen können. So gut wie er Kahlan kannte, brauchte er ihre Aura allerdings nicht zu sehen, um ihre Gemütsverfassung zu kennen.

Er neigte seinen Kopf zu ihr hinüber und sprach in vertraulichem Ton, während er den Blick auf den obersten Diplomaten Estorias gerichtet hielt.

»Ich höre.«

Schließlich wandte sie sich herum und richtete ihren feurigen, grünäugigen Blick samt dieser glühenden Aura auf ihn.

»Lass mich ihn befragen. Allein.«

Das hatte Richard nicht erwartet. »Findest du nicht, dass wir hier ein wenig übereilt vorgehen?«