Die großen Western 334 - U.H. Wilken - E-Book

Die großen Western 334 E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Schaurig heulten die Wölfe auf der Steppe. Der Nachtwind brachte ein klagendes Wimmern herüber. Die Fensterläden des einsam gelegenen Farmhauses klapperten monoton. Trübes Licht sickerte durch die Fugen. »Hörst du es, Logan?« Die blonde Angie Willcox lauschte dem Klappern und Heulen. Reglos saß sie am derben Tisch und blickte ihren Mann unruhig an. Logan Willcox horchte angespannt und biß die Zähne auf den Stiel der erloschenen Tabakpfeife. »Das ist der Wind, Angie. Er kommt heute aus einer anderen Richtung, er fängt sich in den Felsklippen am Devil's Canyon.« »Ich meine nicht den Wind, Logan. Hörst du nicht dieses Wimmern? Es hört sich an wie das Weinen eines Babys.« Der Farmer horchte wieder. »Ich höre nichts, Angie.« »Ja«, flüsterte sie, »jetzt ist es weg. Aber vielleicht ist es doch ein Kind, Logan! Manchmal kommt doch ein Treck über die Ebene. Vielleicht haben Indianer einen Wagenzug überfallen – und ein Kind lebt noch!«

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Die großen Western – 334 –

Unser Mann John

U.H. Wilken

Schaurig heulten die Wölfe auf der Steppe. Der Nachtwind brachte ein klagendes Wimmern herüber. Die Fensterläden des einsam gelegenen Farmhauses klapperten monoton. Trübes Licht sickerte durch die Fugen.

»Hörst du es, Logan?«

Die blonde Angie Willcox lauschte dem Klappern und Heulen. Reglos saß sie am derben Tisch und blickte ihren Mann unruhig an.

Logan Willcox horchte angespannt und biß die Zähne auf den Stiel der erloschenen Tabakpfeife.

»Das ist der Wind, Angie. Er kommt heute aus einer anderen Richtung, er fängt sich in den Felsklippen am Devil’s Canyon.«

»Ich meine nicht den Wind, Logan. Hörst du nicht dieses Wimmern? Es hört sich an wie das Weinen eines Babys.«

Der Farmer horchte wieder.

»Ich höre nichts, Angie.«

»Ja«, flüsterte sie, »jetzt ist es weg. Aber vielleicht ist es doch ein Kind, Logan! Manchmal kommt doch ein Treck über die Ebene. Vielleicht haben Indianer einen Wagenzug überfallen – und ein Kind lebt noch!«

»Mach dich nicht verrückt, Angie«, sprach er beruhigend auf sie ein und erhob sich. Weich strich er über ihre Wange. Sie legte das sonnenverbrannte schöne Gesicht in seine große schwielige Hand und fühlte sich bei ihm geborgen.

»Du hast recht, Logan. Aber manchmal bekomme ich Angst. Es ist diese Weite, Logan – diese grenzenlose Einsamkeit um uns, die mich ängstigt. Wenn uns nun was passiert, dann wird niemand dasein, der uns hilft.«

»Was sollte uns schon zustoßen, Angie? Die Indianer sind weit weg. Ich wette, daß sie unsere Farm noch niemals gesehen haben.«

»Ich weiß nicht, Logan… Aber ich glaube an dich – und ich glaube an Gott. Dennoch mache ich mir Sorgen um die Kinder.«

Er atmete tief ein und strich über ihr blondes Haar. Nachdenklich blickte er in das blakende Licht. Die Lampe summte leise und rußte. Draußen winselte der Wind um das Haus. Das Stalltor schlug knarrend hin und her. Manchmal ächzte das Holz des Hauses.

Nebenan schliefen die beiden Kinder, die vierzehnjährige Jessica und der zehnjährige Jimmy. Sie ahnten nichts von den Sorgen der Erwachsenen, von ihren Nöten und ihrem Kummer.

Tagein und tagaus schufteten die Willcox auf ihren staubigen Feldern und rangen dem Boden eine karge Ernte ab, die sie selber zum Leben brauchten.

»Sie schlafen so ruhig, Angie«, murmelte er weich. »Was sie wohl jetzt träumen?«

Angie lächelte flüchtig. Sie wollte antworten, doch in diesem Moment war wieder das klagende Schluchzen zu hören. Fahle Blässe zog über Angies Gesicht.

»Da ist es wieder, Logan!«

Er horchte, und die Gesichtshaut wurde grau und rissig. Jetzt hörte auch er dieses nervenzerrüttende Schluchzen.

»Das kann kein Kind sein, Angie! Unmöglich. Die Steppe ist riesengroß und flach wie ein Brett. Wir hätten den Treck heute abend gesehen, aber das Land war völlig leer. Ja, es muß der verdammte Wind sein. Hör nicht hin, Angie.«

Langsam ging er durch den Raum und blieb vor dem Gewehr stehen, das an der Wand lehnte. Zögernd griff er danach und lud es durch.

Angie richtete sich auf und blickte ihn mit flackernden Augen an.

»Du sagst gute Worte zu mir, Logan, die mich beruhigen sollen, aber du nimmst dein Gewehr.«

»Es ist besser so«, entgegnete er. »Ich muß das Gewehr spüren, dann bin ich ruhig. Das Stalltor schlägt. Ich geh mal raus und seh nach. Geh du zu den Kindern.«

»O Logan!« hauchte sie und lief zu ihm. Sie lehnte sich gegen ihn und spürte die Kraft seiner Arme. »Sei vorsichtig, Logan, bitte.«

»He, was ist denn mit dir, Angie? Du wirst doch wohl keine Angst haben? Draußen ist nichts. Der Mond macht die Steppe hell. Man könnte draußen sogar lesen, so hell ist es jetzt. Ich werde alles sehen können. Aber ich sag dir, da ist nichts.«

Seltsam steif wich sie zurück. Sie wollte ihm ihre Angst nicht zeigen. Tapfer nickte sie und zwang sich sogar zu einem Lächeln.

»Ich warte hier auf dich, Logan.«

Er faßte unter ihr Kinn und nickte. Wortlos wandte er sich ab und ging zur Tür. Langsam drückte er sie auf und trat auf die Schwelle hinaus. Bleiches Mondlicht traf sein angespanntes Gesicht. Horchend stand er still.

Schluchzen wehte über die Steppe. Es hörte sich wirklich wie das Weinen eines Kindes an.

Die Maiskolben bewegten sich schwankend im Wind. Trocken raschelte das Bohnengestrüpp. Staub trieb über die Felder. Weiße Wolkenberge türmten sich am Horizont. Der Himmel war endlos. In der Ferne buckelten sich die schroffen Berge und umgaben den Devil’s Canyon.

Zitternd wich Angie zum Tisch zurück und berührte die alte abgegriffene Bibel. Starr sah sie auf den Rücken ihres Mannes.

Vor Jahren war Logan Willcox’ erste Frau gestorben. Vor gut einem Jahr hatte er Angie geheiratet. Sie war mit einem Treck vorbeigekommen. Nun war sie die Mutter seiner Kinder – und sie war eine großartige Mutter und Frau, obwohl sie noch jung war.

Mit behutsamer Bewegung drücke er die Tür zu.

Angie war allein.

Sie konnte ihm nicht nachsehen, die Fensterläden waren geschlossen.

Sie konnte nicht seine Schritte hören, sie vernahm nur den Wind, das Klappern der Luken, das Knarren des Stalltors und dieses jämmerliche Schluchzen.

Stöhnend setzte sie sich und umfaßte mit beiden Händen die Bibel. Nebenan schliefen die Kinder tief und fest.

Logan Willcox ging mit schweren, erdhaften Schritten über seinen Hof. Wieder verharrte er. Er glaubte, fernen wehmütigen Trompetenklang zu hören, den Marschgesang von Männern in den dunklen Canyons. Ein kalter Hauch umgab ihn und ließ ihn frösteln.

Was war dies für ein Land! So unermeßlich weit und grenzenlos, so feindselig und wiederum so großartig!

Er sah die unzähligen hellen Sterne und den großen bleichen Mond über der Steppe. Er sah das hohe sonnenverbrannte Gras auf der Ebene wogen gleich den Wellen eines Meeres. Und er beobachtete die fernen treibenden Wolken, die über dem Indianerland hinwegzogen.

Als wieder einmal ein Treck vorbeigekommen war, da hatte er den Leuten einen Brief mitgegeben. Sie sollten ihn in der nächsten Stadt abgeben. Ob dieser Brief jemals seinen Bruder erreichen würde, wußte er nicht.

In dieser Nacht empfand Logan Willcox zum erstenmal Angst. Es war eine stille Angst, die er sich nicht erklären konnte.

Langsam ging er weiter und näherte sich dem Stall.

Der Wind faßte erneut hinter das Stalltor und drückte es auf, und der Farmer blickte in das gähnende Dunkel des Stalls, in dem zwei Milchkühe, zwei Ochsen und drei Pferde standen. Das Federvieh war im Verschlag untergebracht. Hinter dem Stall lag der kleine Korral. Eine Latte hatte sich gelöst und wippte im Wind. Mit angeschlagenem Gewehr betrat er den Stall. Die Ausdünstung der Tiere schlug ihm entgegen. Er tastete sich nach den Boxen und legte die Schulter dagegen.

Im Stall war nichts Ungewöhnliches zu merken.

Der Nachtwind fuhr herein und trieb die Spreu hoch. Die erloschene Stallaterne schlug gegen den Pfosten. Dumpf rumorten die Pferde.

»Ist ja schon gut«, sagte er, als könnten die Tiere ihn verstehen, senkte das Gewehr und verließ den Stall. Mühsam drückte er das Tor gegen den Wind und schloß es.

Auf dem Weg zum Haus hörte er wieder das Schluchzen. Kalt kroch es ihm über den Nacken. Die harten Hände umpreßten das Gewehr. Mit einem Ruck drehte er sich um und stapfte gegen den Wind, dorthin, woher das Schluchzen kam.

Er folgte dem schmalen Weg durch das Maisfeld und hörte es rascheln und rauschen. Überall könnten Gegner sich verborgen halten. Überall könnte der Tod lauern.

Logan wollte wissen, was so wimmerte und schluchzte, um seiner Angie eine Erklärung darüber geben zu können. Er kam am alten Brunnen vorbei und blickte suchend umher. Der Ledereimer schwang am Strick über dem Brunnenschacht hin und her. Dunst stieg hoch. Die feuchte Ausstrahlung traf Logans Gesicht. Er stand wie versteinert auf dem Weg.

Struppige Wölfe strichen wie graue Schatten über die Steppe und zogen im Rudel davon.

Geduckt stand ein Indianer vor ihm!

Er wollte anlegen und schießen, wollte den Indianer töten und dann zum Haus flüchten.

In diesem Moment spürte er im Rücken einen heftigen Schmerz. Er wußte nicht, daß es ein Pfeil war, der sich durch die Rippen gebohrt hatte. Auf einmal konnte er das Gewehr nicht mehr halten. Er konnte auch nicht mehr denken und handeln. Vor seinen Augen wurde es dunkle Nacht. Schlaff fiel er nach vorn und gegen den Indianer, rutschte ab und sackte leblos zu Boden.

Sehnige Hände griffen nach seinem Gewehr.

Geschmeidige Körper glitten aus dem Maisfeld hervor und packten den Körper des Farmers.

Sekunden später lag der Feldweg wieder verlassen im Mondlicht.

Das Schluchzen hielt an. Ein Indianer kauerte am Wegrand und ahmte das Wimmern eines Kindes nach.

Die Nähe der Indianer hatte die Wölfe davongetrieben.

Der Wind raunte im Maisfeld.

Krieger schlichen auf das Haus zu. Sie blieben in der Deckung des Maisfeldes und starrten unentwegt zum Haus.

Schleifspuren am Brunnen verrieten noch, daß dort ein Körper weggezogen worden war. Die Gefahr wurde immer größer für die Menschen im Farmhaus.

Angie wartete auf ihren Mann.

Wie unter einem Zwang erhob sie sich und ging zum Schrank. Sie zog die Schublade auf und langte zum Colt. Zitternd füllte sie die Trommel mit Patronen. Dann kehrte sie zum Tisch zurück und setzte sich. Sie schlug die Bibel auf und blickte auf die Zeilen. Es war die Geschichte über Moses, der in das gelobte Land zog.

Sie hatte nach Kalifornien ziehen wollen. Aus Liebe zu Logan war sie in der unendlichen Steppe geblieben.

Draußen ertönte das Schluchzen.

Sie dachte unentwegt an Logan. Er mußte jeden Moment zurückkommen. Wenn er den Colt sah, würde er nicht darüber lächeln, aber er würde sich Sorgen um Angies Furcht machen.

Darum legte sie die aufgeschlagene Bibel auf den Colt.

Plötzlich verstummte das Schluchzen.

Totenstille herrschte. Das Stalltor schlug nicht mehr. Nur der Wind war zu hören.

Starr blickte Angie auf die Tür.

Die Lampe flackerte ein wenig. Nebenan rollte Jimmy sich auf die Seite und seufzte im Traum. Jessica hatte die Schlafdecke bis ans Kinn gezogen.

Der Tod schlich um das Haus. Weiche Mokassins glitten durch den Sand. Die Schatten der Krieger huschten über die Außenwände.

Ein leises, kaum hörbares Kratzen an der Tür ließ Angie zusammenzucken.

»Bist du es, Logan?« flüsterte sie mit erstickter Stimme.

Niemand antwortete.

»Logan!« rief sie. »Komm herein, bitte!«

Ihre Stimme weckte die Kinder. Jessica richtete den Oberkörper auf und blickte in den Wohnraum. Jimmy rieb sich die Augen.

Angie riß sich gewaltsam zusammen.

»Schlaft weiter, Kinder«, sagte sie leise.

»Ich kann nicht mehr einschlafen, Mam.«, antwortete Jimmy. »Erzähl uns eine Geschichte.«

Sie wollte antworten. Jäh ging die Tür auf. Heftig flackerte die Lampe. Ein muskulöser Indianer schnellte über die Türschwelle und stand urplötzlich im Raum. Das Gesicht war zur Fratze verzerrt. Die dunklen Augen glühten im Lichtschein.

Schon hob er das Gewehr an, um auf Angie zu schießen.

Sie konnte später nie erklären, warum sie so gehandelt hatte. Sie dachte in dieser Sekunde nur an die Kinder, nicht an sich und nicht an Logan.

Mit aller Kraft und grenzenloser Angst schleuderte sie die Bibel durch den Raum. Das schwere Buch mit den flatternden Seiten traf die Brust des Indianers.

Unwillkürlich duckte der hünenhafte Indianer sich und verlor entscheidende Sekunden.

Schon hatte Angie den schweren Colt gepackt und hochgerissen. Sie feuerte, ohne nachzudenken. Blei traf den Indianer und riß die Brust auf. Die Kugeln stießen den leblosen Körper zurück und durch die Tür hinaus. Wie trunken wirbelte er in den Staub des Platzes.

Mit einem gellenden Schrei rannte Angie zur Tür, bekam sie zu fassen und schloß sie, warf den Querbalken in die Halterung und fiel keuchend gegen die Wand.

Draußen ertönte furchtbares Geheul. Schüsse krachten. Kugeln und Pfeile bohrten sich in das Holz der Tür.

»Mammy!« schrie Jimmy angsterfüllt auf.

Jessica sprang aus dem Bett und hetzte durch das Haus. In ihrem Nachthemd sah sie wie ein Engel aus. Mit ihren vierzehn Jahren zeigte sie in diesen Sekunden einen Mut, der aus tiefster Angst geboren war. Sie zog Angie weiter von der Tür weg.

»Zurück, Jessica!« flehte Angie. »Um Gottes willen, bleib bei Jimmy!«

Sie hatte nun die Kraft zurückgewonnen, um Jessica in den Nebenraum zu bringen. Jimmy weinte auf einmal. Zitternd umarmte sie ihre Kinder.

»Wo ist Daddy?« rief Jessica entsetzt.

»Er ist draußen«, antwortete Angie mühsam, »im Stall. Beruhigt euch. Es können nicht viele Indianer sein. Gott wird uns nicht verlassen.«

Wieder krachten Schüsse.

Pfeile blieben draußen in den Fensterläden stecken.

Angie hastete in den Wohnraum zurück und löschte das Licht. Dann hob sie die Bibel und den Colt auf und schloß die Augen. Ihre Lippen bebten. Sie betete um das Leben der Kinder.

Die Indianer versuchten plötzlich, durch das Fenster des Nebenraumes in das Haus einzudringen.

Sofort lief sie zurück. Sie hörte die harten und heftigen Schläge und wurde auf einmal erschreckend ruhig. Sie hatte die Grenze der Angst überschritten. Langsam legte sie die Bibel auf Jimmys Bett. Den Colt behielt sie in der Hand. Sie wußte, daß Logan tot war. Die Indianer hatten ihn umgebracht, sonst wäre er längst im Haus.

Die dröhnenden Schläge gegen die Fensterluken trieben sie nicht mehr in Panik.

»Die Fensterläden werden halten«, sagte sie klanglos. »Habt keine Angst. Kommt, Kinder. Zieht euch an.«

Sie half Jessica und Jimmy in die Kleidung und zog die Kinder dann in den kleinen Küchenraum. Hier zog sie die Bodenluke auf. Im kleinen unterirdischen Raum befand sich das Vorratslager.

»Bleibt unten, was auch geschieht«, flüsterte sie. »Ihr dürft nicht herauskommen, das müßt ihr mir versprechen! Jessica, hörst du mich? Sag es, Jessica.«

»Ja, Mam.«

»Und jetzt du, Jimmy. Versprich es mir.«

»Und du, Mammy? Ich will ja hier unten bleiben, aber du mußt uns auch was versprechen. Du kommst zu uns, wenn die Indianer ins Haus kommen, nicht wahr? Du läßt uns nicht im Stich, Mammy?«

»O Gott – nein, Jimmy! Niemals lasse ich euch im Stich! Das schwöre ich!«

»Dann verspreche ich es dir, Mammy«, sagte der Junge erschütternd.

Angie schob die Kinder in den kleinen Keller und legte die Luke zurück.

Die Schläge dröhnten durch das Farmhaus.

Mit dem Colt in der Rechten, hastete Angie zurück. Als sie den Schlafraum erreicht hatte, krachten auch Schläge vorn an der Tür. Sie wußte nicht, wohin sie sollte. Gehetzt blickte sie in den Wohnraum. Die Indianer stießen immer wieder Wutschreie aus, die Angie zusammenzucken ließen.

»Ihr Teufel!’« schrie sie und trat neben die Tür. »Kommt nur, ich töte euch, damit ihr uns nicht tötet!«

Tomahawks trafen die Tür. Das Holz splitterte. Ein Riß tat sich auf. Der Indianer zerrte den Tomahawk zurück.

Angie sah das Mondlicht hereinstechen. Sie holte tief Atem und stellte sich an die Tür, hielt die Mündung des Colts in den Riß und jagte den Schuß hinaus. Mit dem Krachen des Schusses brüllte ein Indianer röchelnd auf. Haßerfülltes Geheul tobte um das Haus.

Plötzlich war es furchtbar still.

Aber Angie gab sich keinen Hoffnungen hin. Die Indianer würden nicht so schnell aufgeben. Ihr Haß war zu einer lodernden Flamme der Vernichtungswut geworden. Sie würden kein Erbarmen mit Angie und den beiden Kindern haben.

Trotz dieser entsetzlichen Gefahr blieb Angie ruhig. Sie lief zum Schrank und zählte die Munition, stieß die Hülsen aus den Kammern und lud den Colt auf.

Leben oder Sterben…

Sie hatten Proviant für etliche Tage im Haus – auch Wasser, wenn sie sparsam damit umgingen. Es kam darauf an, die Belagerung durchzustehen. Nach einer Woche würden die Indianer bestimmt aufgeben. Angies Sorge war groß. Wenn die Indianer das Haus in Brand setzten, dann würde sie mit den Kindern den Flammentod finden.

»Nein«, stöhnte sie, »eher bring ich uns alle um.«

Es war ihr heiliger Ernst.

Die Stille wurde beklemmend und zerrüttete die Nerven.

Im Kellerraum flüsterten die Kinder miteinander.

Vorsichtig näherte Angie sich dem kleinen Loch in der Tür. Sie blickte hinaus, konnte aber keinen einzigen Indianer entdecken. Das Blickfeld war klein. Drüben lag der Stall. Sie konnte das Stalltor sehen, den hervorspringenden Dachbalken und die hängende Gestalt an diesem Balken.

Es war Logan, ihr Mann.

Die Indianer hatten ihn tot am Dachbalken aufgehängt!

Halb bewußtlos fiel sie zu Boden und krümmte sich. Sie preßte die Hände ans Gesicht und schluchzte wie ein kleines Kind. Die Grausamkeit dieser Welt war zuviel für sie. Im Nachtwind schwang der Körper am Strick schwach pendelnd hin und her. Der Pfeilschaft ragte aus dem Rücken.

Nicht oft hatten Logan und Angie über die Indianer gesprochen, doch Logan hatte dann immer gesagt, daß die Indianer eigentlich den Frieden wollten, daß sie sich in die Chiricahua Mountains zurückgezogen hätten. Welch ein Irrtum!

Nein, sie würden nicht so schnell aufgeben. Angie hatte zwei von ihnen getötet.

Zitternd und stöhnend zog sie sich am Querbalken vor der Tür hoch und schwankte zum Tisch. Sie starrte ins Leere und flüsterte Worte, die niemand hörte.

Dann ging sie in den Küchenraum, zog die Luke hoch und blickte in die blassen Gesichter der Kinder. »Es wird noch alles wieder gut werden«, sagte sie leise. »Ihr bleibt hier unten. Jessica, du paßt auf Jimmy auf.«

»Ja, Ma’m.«

Sie legte die Bodenluke zurück und drückte sich hoch. Sie sagte kein Wort über Logan und sein schreckliches Ende. Einsam schwankte sie durch das Haus. Sie nahm die Bibel vom Kinderbett und kehrte in den Wohnraum zurück. Hier fiel sie auf den Stuhl und weinte. Die Tränen näßten die Bibel.

Jäh erfolgte der nächste Ansturm der Indianer.

Harte Schläge krachten gegen alle Fensterläden und gegen die Tür.