Gewalt bricht Gewalt - U.H. Wilken - E-Book

Gewalt bricht Gewalt E-Book

U. H. Wilken

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Western von U. H. Sonnenstrahlen flirrten durch die Baumkronen. Geblendet durchbrach er das Unterholz. Tiefhängende Zweige peitschten ihn. Luftwurzeln ließen ihn immer wieder straucheln. Da öffnete sich die Lichtung. Er musste sie überqueren, wollte er seinem Verfolger entkommen. Jäh trat er fehl. Er prallte gegen den Stamm eines entwurzelten Baumes. Der Länge nach schlug er hin. Schmerz zuckte durch das Bein. Es war gebrochen. Keuchend stürmte der Häscher heran, halb wahnsinnig vor Eifersucht. »Du kriegst sie nicht zurück, Mart Taylor!«, hallte es über die Lichtung. »Nie wieder! Ich bring dich um!« Mart Taylor war wehrlos. Er konnte dem Verhängnis nicht entrinnen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 134

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die großen Western Classic – 89 –

Gewalt bricht Gewalt

U.H. Wilken

Sonnenstrahlen flirrten durch die Baumkronen.

Geblendet durchbrach er das Unterholz.

Tiefhängende Zweige peitschten ihn. Luftwurzeln ließen ihn immer wieder straucheln.

Da öffnete sich die Lichtung.

Er musste sie überqueren, wollte er seinem Verfolger entkommen.

Jäh trat er fehl.

Er prallte gegen den Stamm eines entwurzelten Baumes.

Der Länge nach schlug er hin.

Schmerz zuckte durch das Bein. Es war gebrochen.

Keuchend stürmte der Häscher heran, halb wahnsinnig vor Eifersucht.

»Du kriegst sie nicht zurück, Mart Taylor!«, hallte es über die Lichtung. »Nie wieder! Ich bring dich um!«

Mart Taylor war wehrlos. Er konnte dem Verhängnis nicht entrinnen. Und dann sah er über sich das verzerrte Gesicht.

»Es ist so weit, Taylor! Die Frau gehört mir!«

Stumm flehten Mart Taylors Augen, heftig zuckten die Lippen.

Da fiel der Schuss.

»Flower«, hauchte er mit versagender Stimme. »Cherie …«

Der Knall des Schusses grollte wie ein fernes Gewitter durch die Bergwildnis. In den sonnenhellen bewaldeten Tälern verebbte das Echo und verlor sich zu einem geisterhaften Geflüster.

Gebrochene Augen starrten in den blauen Himmel von Montana.

*

Lässig ruhte Ethan Taylor an der grünen weiten Uferböschung des Yellowstone River, blickte über den Strom nach Westen und blinzelte in die Glut der sinkenden Sonne.

Die sehnige linke Hand lag auf dem angezogenen Knie, das rechte Bein war lang ausgestreckt. Neben ihm im Gras lag ein Volcanic-Repetiergewehr. Versonnen beobachtete er ein flaches Dampfboot, das unten auf dem Strom vorbeiglitt und den Anlegesteg von ­Miles City ansteuerte.

Aus der kleinen Stadt hinter ihm kam sein Gefährte und Freund Eli Johnson heran und ließ sich ächzend neben ihm nieder.

»Schön friedlich hier«, meinte Eli und kratzte sich im dunklen Haar, hantierte umständlich mit seinem Lee-Enfield-Gewehr herum und seufzte. »Da kann man nicht meckern – wui, wui.«

»Was heißt denn das schon wieder?«, brummte Ethan Taylor, ohne den verschmutzt aussehenden Gefährten anzublicken. »Wui, wui?«

Eli Johnson grinste.

»Das ist Französisch und heißt ja, ja.«

»Ach, so. Hab ich dir eigentlich heute schon gesagt, dass du wie ’nen Otter stinkst?«

»Nein, heute noch nicht. Glaubst du, ich geh da rein in den Yellowstone, in diese Lehmkuhle?«

Eli kramte in der Tasche seiner mürben Lederjacke herum und holte eine Zigarre hervor, die schon ziemlich zerknautscht war, brannte sie an und paffte. »Gut so? Echter Virginia. Tötet jeden Geruch.«

»Deinen nicht, denn du riechst nicht nur – du stinkst!«

»Ach, hör auf mit dem Mist! Ich fühl mich eben wohl dabei. Du kannst das nicht vorstehen, du würdest am liebsten zehn Pfund Schmierseife mit in die Wildnis nehmen! Sag mal, wo steckt überhaupt dein Bruder? Mart heißt er wohl, wie?«

»Der ist da oben irgendwo, am Missouri, mit seiner Verlobten – ein wunderschönes Mädchen, sag ich dir. Sie heißt Scarlet. Ja, er ist unter die Holzfäller gegangen. Ich glaube, ihm geht’s ganz gut. Ein richtiger Holzwurm ist er geworden.«

»Da gehen wir lieber auf Biberfang und Pelztierjagd, wie?«

»Ja. Kannst du nicht mal aus der Windrichtung gehen? Du versaust mir den schönen Abend. Ich will mich ausruhen und nicht zu einem geräucherten Lachs werden. Bald brechen wir auf. Die Zeit der Regenfälle und der Schneeschmelze ist vorbei. Der Yellowstone führt jetzt viel Wasser. Wir kommen weit stromaufwärts.«

»Warum versuchen wir es nicht mal im Quellgebiet des Missouri? Dann müssten wir uns allerdings beeilen, die Pelztiere werfen bald ihr Winterfell ab.«

»Darüber lässt sich reden. Hast du eine Ahnung, wo Bill ist? Er weiß doch, dass ich hier unten bin.«

»Da gibt es nur zwei Plätze, wo wir ihn finden können – in Mammys Bordell oder in der Saloon-Taverne. Wahrscheinlich dort, weil er viel von Magenreinigung hält.«

»Well, dann gehen wir mal hin!«

Ethan Taylor nahm die Volcanic und stellte sich auf die langen Beine, straffte den schlanken, zähen Körper und strich glättend über seine Wildlederjacke mit den Fransen an Armen und Taschen. Mit blaugrauen Augen blickte er auf die kleine Stadt Miles City. Herd­rauch stieg empor und verwehte über den flachen Dächern der Holzhäuser und Blockhütten. Vom Strom aus wirkte Miles City idyllisch und friedlich, und es gab sogar zwei Kirchen dort: eine französische und eine englische.

Das Gebiet Montana hatte einst den Franzosen gehört, als unorganisiertes Territorium Louisiana war es 1803 von den Vereinigten Staaten gekauft worden. Jetzt gehörte es als Territorium Nebraska den USA.

An diesem Abend im Frühsommer des Jahres 1860 dachte noch kein Mensch an den verheerenden Bürgerkrieg, der im fernen Osten und Süden ein Jahr später ausbrechen sollte.

Miles City war ein großer Umschlag- und Handelsplatz. Hier trafen sich Fallensteller, Pelztierjäger und Reisende. Manchmal kamen auch die Mountain Men aus den Rocky Mountains hierher, Missionare und Goldsucher. Selten erschienen Soldaten, und wenn, dann beritten und in Stärke einer Schwadron.

Miles City war ein kleines Sodom und Gomorrha inmitten mächtiger Bergzüge und endloser Waldgebiete.

Drei Gefährten hatten hier einen Teil des Winters verbracht: Der langbeinige, schlaksige Ethan Taylor, der gewitzte Eli Johnson und der dicke Bill, ein Brocken von einem Mann.

Doch der Friede in Miles City war trügerisch.

Während Ethan und Eli sich vom Ufer des Yellowstone River entfernten, stand ein gestandenes Mannsbild im verräucherten Saloon von Miles City und kam mit seiner angeborenen Gutmütigkeit nicht gegen den Zynismus eines Pokerspielers französischer Abstammung an.

Wie die beiden in Streit miteinander geraten waren, wusste niemand. Vielleicht noch nicht einmal sie selber. Der Spieler hatte am Pokertisch verloren und sich zornig erhoben. Dabei war ihm auf dem kurzen Weg zur Theke der dicke Bill in die Quere gekommen.

»Hau ab, du fetter Hundesohn!«, hatte der Spieler ihn angefaucht.

Bill war stehen geblieben und hatte nur gegrinst.

Daraufhin hatte der Franzose ihm gedroht: »Isch stesche disch ab, du fettes Schwein!«

Nach diesen Worten hatte der Spieler sein Messer gezogen und Bill damit bedroht.

Bill brauchte immer viel Zeit, um einen Gedanken zu fassen: seine Entschlüsse waren wohldurchdacht.

»Aber hör mal«, knurrte er, »du kannst mich doch nicht so einfach abstechen! Ich habe dir doch nichts getan! Wenn ich wollte, könnte ich dich durch die Fußbodenbretter kloppen. Dann wärst du nur noch Mus, Frenchman!«

Bill wollte sich abwenden, langte zur Theke, wo der Blechbecher mit Brandy stand, wo aber auch sein altes Hawken-Gewehr lag – und da geschah es.

Er spürte das Messer, das ihm durch die Rippen gejagt worden war, aber er empfand wohl noch keinen Schmerz, denn er blickte den Franzosen fragend und verwundert an, als wäre das alles unfassbar, als hätte der Spieler ihm nur den Ellbogen in die Seite gestoßen. Seine himmelblauen Augen weiteten sich, und sein Gesicht schien sich wie in einem schönen Traum verklären zu wollen. Jäh bäumte er sich auf, der Schmerz durchfuhr seinen massigen Körper, ein Röcheln kam über die zuckenden Lippen, Blut schoss hervor, und torkelnd knallte er gegen die Theke, rutschte ab und brach zusammen.

Totenstill war es im Saloon.

»Isch konnte nicht anders«, verteidigte sich der Spieler, »ihr habt es gesehen, er hat zum Gewehr gegriffen! Er wollte misch totschießen!«

Es war Mord.

Und während alle reglos im Saloon standen oder saßen, kamen Ethan Taylor und Eli Johnson herein, erblickten ihren dahingestreckten Freund vor der Theke und erstarrten. Quietschend schwangen die Türflügel in trockenen Holzangeln hin und her und pendelten langsam aus. Draußen in der Abendröte rollte ein Wagen vorbei, stampften Männer über den Plankenweg. Eine Dirne lachte.

Ethan musste mehrmals schlucken.

Erschüttert sah er auf den leblosen Freund.

Seine leise Stimme strahlte eisige Kälte aus: »Ich stelle fest, dass mein Freund Bill ermordet worden ist. Der Mörder soll am Galgenbaum hängen.«

Ethan wusste nicht, dass auch sein Bruder Mart ermordet worden war dort in dunstiger Ferne, wo der Missouri durch die Wildnis floss und das Camp der Holzfäller lag.

Zwei Menschen, die ihm sehr viel bedeutet hatten, hatte er verloren!

Er stand Bills Mörder gegenüber.

Mit flachen Schritten wich Eli Johnson zur Seite und spie den qualmenden Zigarrenstummel auf den schmutzigen Boden. Notfalls würde er eingreifen. Sein Blick schnellte umher, er beobachtete alle Anwesenden – nur Ethan und diesen Spieler nicht. Niemand sollte heimlich zur Waffe greifen und Ethan in den Rücken schießen können. Wer es versuchte, würde es mit dem Leben bezahlen.

Ethan warf einen Blick auf das Messer in der Hand des Spielers und atmete vernehmbar schwer. Das Blut am Messer war Bills Blut!

Der Lauf der Volcanic war auf den Mörder gerichtet. Ethans Daumen lag am Auswerfer bei der Waffe, es war das erste in den Vereinigten Staaten gebaute Gewehr, das ein Magazin besaß.

Er wollte nicht töten.

Bills Mörder sollte am Strick sein Leben aushauchen.

Doch dieser Spieler zwang Ethan zur Selbstverteidigung.

»Nun«, dehnte Ethan kalt, »lass das Messer fallen. Gib auf.«

Eli war ein rauer Bursche, mit allen Hunden gehetzt – doch als er Ethan so sprechen hörte, rann es ihm kalt über den Rücken. So hatte er Ethan Taylor noch niemals zuvor erlebt, so entschlossen und hart.

Der Spieler brachte es fertig, im Angesicht des Toten zu lächeln und zu behaupten: »Er hat angefangen, nischt isch! Isch musste misch wehren!«

»Das Messer …«, wiederholte Ethan.

Fordernd streckte Ethan die linke Hand aus, während er mit dem rechten Ellbogen die Volcanic an den Körper presste und das Gewehr weiterhin auf den Mörder gerichtet hielt.

Der Spieler zögerte, und das Lächeln gefror. Vielleicht ahnte er plötzlich, dass es für ihn keinen Ausweg mehr gab, dass am Ende seines Weges der Galgenbaum wartete, der Strick des Henkers.

Denn das Gesetz der Wildnis machten hier Männer wie Ethan Taylor. Ohne dieses Gesetz ging es nicht.

Doch für diesen Franzosen waren auch Leben und Tod nur Teile eines großen Spieles, man musste hoch setzen, um zu gewinnen. Sein Einsatz war das eigene Leben, sein Gewinn sollte Taylors Tod sein.

Um Ethan zu täuschen, nickte er jetzt und senkte wie ergeben den Kopf. Seine Stimme klang reumütig und sanft: »Isch gebe auf. Die Wahrheit wird sisch schon noch zeigen, Monsieur. Hier ist das Messer.«

Auf alles war Ethan gefasst – nur nicht darauf, dass dieser skrupellose Spieler wirklich das Messer vor seine Stiefel werfen würde.

Klirrend schlug es auf.

Als wollte er sich restlos ergeben, hob der Spieler beide Hände bis in Schulterhöhe an – und dann griff er blitzschnell in den Nacken, riss ein Wurfmesser hervor und schleuderte es auf Ethan. In letzter Sekunde konnte Ethan seine Haltung ändern, doch das Messer traf ihn trotzdem. Dröhnend entlud sich die Volcanic und spie Feuer und Blei.

Tot wirbelte der Mörder zurück, stürzte rücklings zwischen die Tische, riss eine Sitzbank um und blieb neben einem umgestürzten Tisch liegen. Beißender Pulverrauch breitete sich vor Ethans Gesicht aus. Verbissen hielt er die Volcanic und presste die linke Hand gegen die Schulter.

»Eli«, ächzte er, »zieh es raus!«

Der Gefährte trat an ihn heran, während alle Anwesenden noch schockiert verharrten. Er umfasste den Griff des Bowiemessers und musste es mit Gewalt herausreißen. Schmerz entstellte Ethans Gesicht.

»Nimm Bill mit, Eli«, stöhnte er dann schwankte er hinaus, nahm erst jetzt das Gewehr herunter und hielt sich an einem Vordachpfosten fest und atmete schwer. Eisern zwang er sich zum Weitergehen und folgte den tiefen Radrinnen des Wagenweges, verließ ihn am Stadtrand und schleppte sie zum Yellowstone River hinunter.

Eli trug die schwerste Last seines Lebens aus der Stadt – und niemand sah die schillernden Tränen in seinen braunen Augen …

*

Die Wildnis lag in rötlichem Licht des Abends.

Verhallt waren die Axtschläge der Holzfäller, verstummt die Gespräche rauer, starkknochiger Männer. Rauch stieg auf der Lichtung am Missouri empor, kräuselte sich in die Baumkronen und löste sich auf.

Zelte standen im Kreis auf der Lichtung.

Ein herzzerreißendes Schluchzen drang aus einem der Zelte, und nur in diesem Zelt blakte eine Lampe. Die verschwommenen Schatten zweier Menschen fielen von innen gegen die Zeltplane.

»Hast du alles geschrieben, Jimmy?«, klang es leise durch die zerschlissenen und schwach bemoosten Zeltplanen.

»Ja, Scarlet – dass wir ihn gefunden haben – erschossen. Vielleicht von Indianern. Dass wir sonst nichts weiter wissen und Mart auf seinem Lieblingsplatz am Fluss bestattet haben.«

»Hast du Ethan geschrieben, dass ich ihn bitte, zu kommen, dass ich ihn brauche?«

»Ja, Scarlet. Natürlich! Glaubst du denn, dass er in Miles City ist und deinen Brief bekommen wird?«

»Mit Gottes Hilfe – ja, Jimmy. Ich danke dir, dass du das für mich geschrieben hast: meine Hände zittern jetzt noch. Gib mir bitte den Brief, ich muss ihn wenigstens unterschreiben.«

»Hier, Scarlet. Ja, du zitterst tatsächlich. Ich auch, Scarlet.«

»Du bist immer unser Freund gewesen, Jimmy – mein Freund, auch Ethans Freund – und Marts Freund. Wenn ich dich jetzt nicht hätte, Jimmy … Mein Gott, wer kann das nur getan haben, Jimmy? Die Indianer kämpfen doch lautlos! Die Teton-Sioux, Blackfeet und Crows! Aber auf Mart ist geschossen worden, und das ganz aus der Nähe, wie du mir gesagt hast!«

»Ich weiß es nicht, Scarlet. Ich muss mich jetzt beeilen – unten liegt ein Boot der Pelzhandelsgesellschaft. Irgendwie wird der Brief Ethan schon erreichen.«

»Komm gleich wieder, Jimmy.«

»Ja.«

Gebeugt verließ ein junger mittelblonder Mann, der nicht älter als zwanzig sein konnte, das Zelt und richtete sich draußen auf. Schweigend hockten die anderen Männer an den Feuern und sahen, wie er zum Missouri hinunterlief. Jimmy war immer ein fröhlicher Junge gewesen – jetzt aber machte ihn der ernste Gesichtsausdruck um Jahre älter.

Er gab den Brief an Bord des flachen Dampfbootes ab und eilte sofort zurück, um Scarlet nicht länger als nötig allein zu lassen.

Sie saß zusammengesunken auf der Kante des Schlaflagers. Das andere Lager war leer. Die Lampe flackerte und rußte. Vom Strom hallte das Nebelhorn des Dampfbootes herüber. Langsam begann sich das Schaufelrad am Heck zu drehen.

Immer, wenn Jimmy Scarlet erblickte, glaubte er, einen blonden Engel zu sehen. Sie war wunderschön und zeigte in diesen düsteren Stunden eine große Tapferkeit.

»In ein paar Tagen wird der Brief in Miles City sein, Scarlet. Das hat mir der Käpt’n gesagt. Aber nur, wenn nichts dazwischenkommt. Die Indianer sind wieder unruhig geworden.«

»Mart hat jetzt seine ewige Ruhe«, flüsterte sie, »er ist in den Ewigen Jagdgründen bei Manitu, das ist jedenfalls der Glaube der Indianer. Ob das wohl wirklich so ist, Jimmy?«

»Ja, ich glaube fest daran, Scarlet. Es muss einen Gott geben und ein Weiterleben nach dem Tode. Als meine Eltern gestorben sind an Cholera, da hab ich immer daran gedacht, und alles war nicht mehr so schwer für mich. Ich habe nie an Gott gezweifelt. Die Menschen tun Böses, nicht er.«

»O Jimmy …!« Tränen rannen über ihr Gesicht. »Lass mich nicht allein im Zelt, bitte! Lass die anderen denken, was sie wollen. Ohne dich werd ich nicht fertig damit.«

Die Sonne ging unter, und die Nacht zog in die Wildnis ein.

Träge flossen die Wasser des Missouri dahin.

*

»Ich habe alles vorbereitet, Ethan. Du wolltest das ja wissen …«

Eli Johnson war in das kleine Zelt gekommen, das er für Ethan nahe am Yellowstone im Schatten der alten Laubbäume aufgeschlagen hatte. Das Zelt war so niedrig, dass er knien musste.

Ethan lag auf ausgebreiteten Fellen und Pelzen und war unter der Sonnenbräune blass. Die Schulterwunde schmerzte höllisch, doch manchmal spürte er ein heftiges Jucken, und das war gut so, denn die Wunde begann zu heilen und sich allmählich zu schließen. Sein Glück war es, dass der Spieler das Messer immer sorgfältig gereinigt hatte, Ethan hatte kein Wundfieber bekommen.

Ernst blickte er Eli an.

»Ja, ich will dabei sein, Eli. Das bin ich Bill schuldig.«

»Du solltest dich aber schonen, Freund. Wir verlieren schon genug Zeit. Ich rate dir, liegen zu bleiben.«

Um Ethans Mund zuckte es schwach, als wollte er lächeln, doch ihm war überhaupt nicht zum Lächeln zumute. Strähnig hing das sonnengebleichte sandfarbene Haar in die Stirn. Die Wildlederjacke verbarg nur wenig von dem breiten Verband, den Eli ihm über die Schulter gewickelt hatte.

»Wir fahren nicht mit dem Boot flussaufwärts, Eli – wir nehmen Pferde. Kauf zwei zähe Tiere, die klettern können. Du verstehst ja was davon. Und dazu die Ausrüstung, die wir noch brauchen. Wir reiten dann durch die Wälder und kürzen den Weg ab. Ich wette, dass die Indianer am Fluss lauern. Landeinwärts werden sie kaum einen Weißen vermuten.

»Du bist ein Optimist, Ethan! Die Rothäute sind überall. Ich hab übrigens im Saloon gehört, dass er sich mit seiner Mordbande wieder zwischen Yellowstone und Missouri herumtreiben soll.«

»Er?«