Die Heideärztin - Christa Canetta - E-Book
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Die Heideärztin E-Book

Christa Canetta

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Beschreibung

Er hielt ihrem Blick stand und langsam verdunkelte Sehnsucht seine Augen. Sein Blick wurde weich. In der Stille des späten Abends hörte sie jeden seiner Atemzüge. Das leise Geräusch ließ ihr Blut vibrieren. Die Ärztin Sabine Büttner hat eigentlich alles, was sie sich wünscht. Doch ihr Leben ändert sich schlagartig, als sie ihren Verlobten inflagranti mit einer Lernschwester erwischt. Dabei hatten er und Sabine gerade den Hochzeitstermin festgelegt! Der Verlust ihrer Liebe und die nie endende Arbeit im Unfallklinikum werden der jungen Ärztin zu viel. Sie beschließt, ihren langgehegten Traum Wirklichkeit werden zu lassen: als Landärztin in der Lüneburger Heide zu arbeiten! In einer verwaisten Praxis fängt Sabine ihr neues Leben an – und auch wenn so manche Herausforderung wartet, ist sie sicher, dass sie ihr Glück finden wird. Beeindruckend und gefühlvoll erzählt Christa Canetta die Geschichte einer starken Frau, die unerschrocken ihren Weg geht! Jetzt als eBook: „Die Heideärztin“ von Christa Canetta. dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 374

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Über dieses Buch:

Die Ärztin Sabine Büttner hat eigentlich alles, was sie sich wünscht. Doch ihr Leben ändert sich schlagartig, als sie ihren Verlobten inflagranti mit einer Lernschwester erwischt. Dabei hatten er und Sabine gerade den Hochzeitstermin festgelegt! Der Verlust ihrer Liebe und die nie endende Arbeit im Unfallklinikum werden der jungen Ärztin zu viel. Sie beschließt, ihren langgehegten Traum Wirklichkeit werden zu lassen: als Landärztin in der Lüneburger Heide zu arbeiten! In einer verwaisten Praxis fängt Sabine ihr neues Leben an – und auch wenn so manche Herausforderung wartet, ist sie sicher, dass sie ihr Glück finden wird.

Beeindruckend und gefühlvoll erzählt Christa Canetta die Geschichte einer starken Frau, die unerschrocken ihren Weg geht!

Über die Autorin:

Christa Canetta ist das Pseudonym von Christa Kanitz. Sie studierte Psychologie und lebte zeitweilig in der Schweiz und Italien, arbeitete als Journalistin für den Südwestfunk und bei den Lübecker Nachrichten, bis sie sich schließlich in Hamburg niederließ. Seit 2001 schreibt sie historische und Liebesromane.

Ebenfalls bei dotbooks erschienen Christa Canettas Romane Das Leuchten der schottischen Wälder und Schottische Engel.

***

Neuausgabe August 2013

Copyright © der Originalausgabe 2006 by Moments in der area verlag gmbh, Erftstadt

Copyright © der Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de

Titelbildabbildung: © Thinkstockphoto/Hemera; Maria Seidel

ISBN 978-3-95520-313-9

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Christa Canetta

Die Heideärztin

Roman

dotbooks.

Für Thorsten

I

Der schrille Schrei des Telefons riss Sabine aus dem ersten Tiefschlaf dieser Nacht. Erschrocken und verwirrt setzte sie sich auf und griff zum Hörer. Die Leuchtziffern des Weckers zeigten genau zwei Uhr an.

»Büttner«, murmelte sie verschlafen.

»Schnell, Doktor Büttner, Sie werden in der Notaufnahme gebraucht.«

»Aber ich habe doch heute keinen Bereitschaftsdienst«, protestierte Sabine, weil sie wusste, dass solche Versehen in der Zentrale durchaus passierten.

»Sie werden gebraucht, bitte beeilen Sie sich«, mahnte die ungeduldige Frauenstimme am anderen Ende der Telefonleitung.

»Bin schon unterwegs«, rief Sabine und sprang aus dem Bett. Nach der Betätigung eines kleinen Schalters auf dem Nachttisch ging in der ganzen Wohnung das Licht und in der Küche die Kaffeemaschine an. Diese Installation hatte sie ein kleines Vermögen gekostet, aber sie half ihr bei plötzlichen Einsätzen, schnell ganz wach zu werden und sich in Windeseile fertig zu machen. Mit dem gleichen Knopfdruck eines Schalters neben der Eingangstür konnte sie alle elektrischen Geräte und Lampen wieder ausschalten.

Es war nur ein kleines Appartement im Ärztehaus, das Sabine bewohnte – Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad –, aber sie liebte ihr Domizil, und es genügte ihr, weil sie die Räume im Laufe der Jahre sehr persönlich eingerichtet hatte.

Sabine lief ins Bad, spritzte sich Wasser ins Gesicht und Zahncreme in den Mund – fürs Zähneputzen blieb bei einem solchen Anruf keine Zeit –, streifte die weiße Kleidung über, die immer bereitlag, trank etwas von dem brühheißen Kaffee und schlüpfte in Arztkittel und Schuhe. Dann griff sie nach der Notarzttasche, die ihren Platz neben der Wohnungstür hatte, warf das dunkelblaue Lodencape über die Schultern, löschte das Licht und zog die Tür ins Schloss. Sie lief den Flur entlang zum Treppenhaus. Auf den Lift verzichtete sie nachts, der hatte nämlich so seine Tücken. Sie war aus der zweiten Etage schneller unten, wenn sie lief, als wenn sie irgendwo im Lift stecken blieb.

Draußen empfing sie eine bitterkalte Nacht. Obwohl der Kalender Mitte März anzeigte, verbiss sich ein eisiger Nordostwind in ihrer Haut. Ein paar vereinzelte Laternen zeigten ihr den Weg durch den Park zum Krankenhaus. Rechts und links auf dem Rasen, wo das Licht hinfiel, spiegelte sich glitzernder Raureif in hundertfachen Farben. Aber für die Schönheit der Natur hatte Sabine Büttner in dieser Nacht keine Zeit. Sie versuchte, auf dem frostigen Boden die Balance zu halten und so schnell wie möglich das Haupthaus zu erreichen.

Vor dem Eingang zur Notaufnahme herrschte Hochbetrieb: Krankenwagen mit Blaulicht, aber ohne Martinshorn fuhren vor und wieder fort, Schwestern, Ärzte und Sanitäter eilten hin und her. Leise Kommandos und hundert Fragen füllten die hektische Atmosphäre.

Sabine blieb einen Augenblick neben der Außentür stehen. Ihr Herz jagte, und sie musste tief durchatmen, um dieses Herzrasen zu bekämpfen. Sie lehnte sich gegen die Wand, weil ein leichter Schwindel festen Halt forderte. ›Jochen Bellmann muss mich durchchecken‹, dachte sie erschrocken, ›diese Herzattacken nehmen zu. Ist ja auch kein Wunder bei diesem Stress. Da hat man nach sechsunddreißig Stunden Bereitschaftsdienst endlich eine Nacht lang Ruhe, und dann wird man doch aus tiefstem Schlaf gerissen. Eigentlich habe ich nichts gegen die Hektik, aber vielleicht sollte ich doch ab und zu auf meinen Körper hören.‹

Sabine griff in die Tasche und zog die Briefchen mit den Tenormin-Tabletten heraus. ›Zur Not muss es eben ohne Wasser gehen‹, dachte sie und zerkaute das bittere Medikament. Seit drei Monaten hatte sie diese Tabletten immer griffbereit. Sie war Ärztin genug, um zu wissen, was Herzrhythmusstörungen bedeuteten. ›Aber mit dreiunddreißig ist es einfach zu früh für solche Medikamente‹, schalt sie sich. ›Ich sollte mir endlich die ruhige Landarztpraxis suchen, von der ich während des Studiums geträumt habe. Wenn da nicht Axel wäre ...‹ Und dann dachte sie für einen Augenblick an den Chirurgen Axel Bentrop. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie ihren Verlobten in Gedanken vor sich sah. Seinetwegen blieb sie im Unfallklinikum Großbresenbek. Er war der stellvertretende Chefarzt und würde die Klinik nie verlassen. Für einen flüchtigen Moment dachte sie sogar an ihre Hochzeit, die für Ostern geplant war. ›Vielleicht gelingt es mir dann, als seine Frau, ihn von dieser Hektik zu lösen und einen ruhigeren Lebensrhythmus für uns beide zu finden.‹

Sabine atmete noch einmal tief ein. Das Herz hatte sich beruhigt.

Sie ging in die Notaufnahme und erkundigte sich am Zentralverteiler: »Doktor Büttner, wo werde ich gebraucht?«

Eine Mitarbeiterin suchte im Computer. »Drittes Obergeschoss, Station vier. Man wartet auf Sie.«

»Was ist da los? Wer erwartet mich?«

»Weiß ich nicht«, erklärte die Schwester. »Ist heute Nacht sehr turbulent. Es gab einen Unfall am Rangierbahnhof. Wir sind überfüllt. Man wird Sie oben einteilen, Doktor.«

Sabine eilte zur Treppe, da die Aufzüge mit Krankentragen besetzt waren. Atemlos nahm sie immer zwei Stufen auf einmal. ›Komisch‹, dachte sie, ›auf der Drei und Vier gibt's doch gar keinen akuten Unfalldienst. Da liegen Rekonvaleszenten.‹

Endlich war sie oben. Sie wartete einen Augenblick, um ihren keuchenden Atem zu beruhigen, dann öffnete sie die Glastür. Außer einigen Notleuchten war der Flur dunkel.

›Seltsam‹, dachte Sabine, ›hier schlafen doch alle. Außerdem ist das die Station von Jochen Bellmann, der würde mich nie aus dem Schlaf reißen.‹ Leise ging sie den Flur entlang. Hinter der Tür mit der Aufschrift »Stationsschwester« brannte Licht. Sie klopfte leise und trat ein. Am Schreibtisch saß keine Nachtschwester, sondern der Arzt persönlich.

»Hallo«, sagte sie leise, »was ist denn los, Jochen?«

Der Arzt stand auf, reichte ihr die Hand und bat sie: »Komm mit, ich muss dir etwas zeigen.«

Sprachlos sah sie ihn an. »Nur um mir etwas zu zeigen, holst du mich mitten in der Nacht aus dem Bett?«

»Warte es ab.«

Sabine schüttelte den Kopf, folgte ihm aber über den langen Flur. Jochen Bellmann war der rücksichtsvollste Mann, den sie kannte, und seit vielen Jahren ein guter Freund. Als sie in der Klinik anfing, damals, als Assistenzärztin, hatte er sie unter seine Fittiche genommen und ihr den Einstieg auf jede erdenkliche Art leicht gemacht. Als Oberarzt hatte er sie vor eifersüchtigen Schwestern geschützt, die der jungen, gut aussehenden Ärztin das Leben zur Hölle machen wollten. Er hatte sie in Schutz genommen, wenn bei der Arbeit Schwierigkeiten aufgetaucht sind, hatte für genügend Freizeit gesorgt, in der sie sich vom Stress der Unfallklinik hatte erholen können, und hatte ihr geholfen, sich in der fremden Großstadt zurechtzufinden. Er hatte sie auf ihrem Weg die Karriereleiter hinauf unterstützt und zu dem gemacht, was sie heute war: eine kompetente, energische, von allen geachtete Medizinerin, der die Klinikleitung großes Vertrauen entgegenbrachte.

Und dann hatte sie Axel Bentrop kennen gelernt und sich sofort in den neuen stellvertretenden Chefarzt verliebt. Er war charmant, umwarb sie mit Zärtlichkeiten, mit Blumen und kleinen Präsenten, führte sie zum Essen aus und fuhr sie in seinem schnittigen Porsche durch die Gegend, wenn es die Zeit erlaubte. Er verkörperte alles, was sie sich von einem Mann erträumt hatte – obwohl, viel Erfahrung mit Männern hatte sie nicht.

Jochen Bellmann, der diese Entwicklung mit Sorge, Wut und Traurigkeit beobachtet hatte, zog sich aus ihrem Leben zurück. Er blieb ihr Freund, wenn sie Hilfe brauchte, aber er ließ sie nun allein auf ihrem Weg die Karriereleiter hinauf und in die Arme von Axel Bentrop.

Sie gingen bis ans Ende des langen Flurs. Die dicken Gummisohlen der Ärzteschuhe, die jeder auf der Station trug, machten keinerlei Geräusch. Als Bellmann vor einer der letzten Türen stehen blieb, legte er seinen Zeigefinger auf die Lippen. Dann stieß er ganz plötzlich die Tür auf, bediente gleichzeitig den Lichtschalter und trat zur Seite. Geblendet starrte Sabine in den Raum. Was sie sah, trieb ihr Herz zur Raserei. Auf dem Krankenbett im leeren Privatzimmer lag ihr Verlobter, eng umschlungen von den Armen und Beinen einer Lernschwester, und befand sich im Endstadium sexueller Befriedigung. Hartes Keuchen und helle, schrille Schreie zeigten das nahende Ende der Vereinigung an. Die beiden Liebenden waren so vertieft, dass sie weder die aufschlagende Tür noch das blendende Licht, noch die Besucher im Türrahmen bemerkten. Versteinert von dem Anblick, blieb Sabine stehen, bis sich die Erregung auf dem Bett gelegt hatte und die Umschlungenen ihre Umwelt wieder wahrnahmen. Als die Augen ihres verblüfften Verlobten sich erschrocken auf sie richteten, drehte sie sich um und verließ das Zimmer. Sie hörte, wie er ihren Namen rief, aber sie ging mit erhobenem Kopf und ohne zu wanken den langen Flur zurück ins Zimmer der Stationsschwester. Erst als der Freund die Tür hinter ihr geschlossen hatte, brach sie schockiert zusammen. Bellmann versuchte, sie zu trösten und zu beruhigen.

Langsam drang das Erlebte in ihr Bewusstsein ein. Sie barg ihr Gesicht in den Händen und versuchte ganz ruhig zu atmen, doch es dauerte lange, bis sie sich so weit gefasst hatte, dass sie fragen konnte: »Warum? Warum hast du das gemacht?«

»Es war der eindrücklichste Weg, es dir zu sagen. Oder hättest du mir geglaubt, wenn ich es dir nur erzählt hätte?«

»Nein«, sagte sie mit heiserer Stimme. »Nein, ich hätte dir nicht geglaubt.« Hätte man sie in diesem Augenblick gefragt, was sie fühle, sie hätte es nicht beschreiben können. Ihre Empfindungen wirbelten in einem solchen Tempo durcheinander, dass sie keinen zusammenhängenden Gedanken fassen konnte. Dann sah sie die Sorge in den Augen des Freundes. »Du warst brutal, aber du hast richtig gehandelt.«

»Siehst du, das dachte ich mir.«

»Seit wann ...?«

»Seit Wochen. Mit wechselnden Personen.«

»Und heute? Warum heute?«

»Ich wusste, dass die Zeit in dieser Nacht reichen würde, um dich zu holen.« Er legte seinen Arm um ihre Schulter, aber alles, was Sabine sah und hörte, waren diese umschlungenen Körper und das Keuchen der Leidenschaft da hinten in dem dunklen Zimmer.

Sie löste sich aus dem Arm, der sie hielt. »Wusste er, dass du ...?«

»Nein. Ich weiß es selbst erst seit fünf Tagen, aber im Haus ist die Sache anscheinend seit langem bekannt. Ein paar Schwestern sind sehr eitel, die müssen einfach plaudern, wenn sie Erfolg bei ihm hatten.«

Sabine atmete tief ein. »Danke, dass du mich auf so drastische Weise gewarnt hast. Ich glaube, ich möchte jetzt gehen.« Sie wusste, wenn sie die nächsten Stunden überstehen wollte, musste sie jetzt allein sein. Und langsam, ganz langsam verwandelte sich die bittere Enttäuschung in einen gesunden Zorn.

»Ich begleite dich. Ich muss nur noch die Nachtschwester zurückbitten.« Er drückte auf einen Knopf auf einer Tafel an der Wand.

Kurz darauf betrat eine ältere Schwester den Bereitschaftsraum. »Alles erledigt?«

»Danke, ja.« Bellmann zog seinen Mantel an, reichte Sabine ihr Cape und führte sie durch die Station, die Treppe hinunter, durch die Notaufnahme und durch den Park. Vor der Tür zum Ärztehaus sah Sabine ihn an. »Ich möchte jetzt bitte allein sein.«

»Ich verstehe. Aber ruf mich an, wenn du mich brauchst. Meine Handynummer hast du ja, ich bin Tag und Nacht für dich da, das weißt du.«

»Ja, danke.« Sabine ging ins Haus, stieg die Treppen hinauf und öffnete ihre Wohnungstür. Diesmal machte sie kein Licht mit dem exklusiven Schalter. Sie schleppte sich ins Wohnzimmer, dann ließ sie sich schluchzend auf die Couch sinken. Sie wusste, dass in diesen Minuten nicht nur ihre Lebensplanung erloschen war, sondern dass auch ihre Arbeit in dieser Klinik augenblicklich beendet war. Hinter ihrem Rücken würde geredet und mit dem Finger auf sie gezeigt werden, und schadenfrohes Grinsen würde ihre Arbeit begleiten. Sie weinte und spülte mit den Tränen ihre Träume und ihre Zukunft fort.

Jochen Bellmann zögerte im Park. Konnte er Sabine nach diesem Schock wirklich allein lassen? Wäre es nicht besser gewesen, bei ihr zu bleiben, sie zu trösten, ihr in seinen Armen Schutz und Geborgenheit zu bieten? Er schüttelte den Kopf. ›Nein‹, dachte er, ›sie ist jetzt erschüttert, schockiert und fassungslos, aber sie ist auch stark, sie wird damit fertig. Ich werde morgen nach ihr sehen. Wenn sie frei hat, gehe ich zu ihr, wenn sie Dienst hat, treffe ich sie auf der Station. Vielleicht ist sie wütend auf mich, weil ich sie praktisch in diese Ernüchterung hineingestoßen habe. Aber ich musste es tun. Bentrop ist ein schrecklicher Casanova, und ich konnte nicht zulassen, dass eine ehrliche und selbstlose Frau wie Sabine in solch eine Falle stolpert. Sie ist in intimen menschlichen Angelegenheiten einfach zu naiv. Sie ist eine wunderbare Ärztin, und ich würde mein Leben in ihre Hände geben, aber als Mensch ist sie zu arglos und zu leichtgläubig.‹

Langsam ging er zurück zur Notaufnahme. Er erinnerte sich, wie hinter Sabines Rücken über ihre Liebe und die bevorstehende Hochzeit getuschelt worden war. Lange Zeit wusste er nicht, weshalb man über sie redete, bis er per Zufall hörte, wie sich zwei junge Ärzte über Bentrop unterhielten: Sie achteten ihn als Mediziner, und sie bewunderten sein chirurgisches Können, aber sie bezeichneten ihn auch als Playboy und unersättlichen Schürzenjäger.

Als er heimlich nachforschte, war seine Bestürzung groß, und er wusste, dass er Sabine vor einem großen Fehler bewahren musste. Selbst auf die Gefahr hin, dass sie ihm das nie verzeihen würde, musste er sie mit der Wahrheit konfrontieren – und zwar auf diese grausame Weise. Hätte er sie mit Worten zu überzeugen versucht, hätte sie ihn ausgelacht und ihm kein Wort geglaubt, das hatte sie ihm eben selbst bestätigt. ›Sie tut mir Leid, aber ein heilsamer Schock ist besser als eine unglückliche Ehe‹, überlegte er und ging zum Eingang des Krankenhauses zurück.

Im Osten kündigte sich erstes Morgengrauen an. In der Notaufnahme herrschte noch immer Hochbetrieb. Der Unfall auf dem Rangierbahnhof hatte mehr Verletzte gefordert, als man zunächst angenommen hatte. Ein Kesselwagen mit Benzin war entgleist und in eine Baracke gerast, in der die Rangierarbeiter gerade eine Mitternachtspause eingelegt hatten.

Jochen Bellmann ging zu seiner Station. Auch hier würden in dieser Nacht alle Betten belegt werden. Aber noch war es ruhig. Er ging in sein Sprechzimmer, weil die Bettenbelegung neu eingeteilt werden musste. Immer wieder jedoch schweiften seine Gedanken hinüber zur anderen Seite des Parks. Was würde Sabine gerade machen? ›Weinen‹, dachte er, ›sie wird weinen.‹ Er sah sie vor sich, das hellblonde Haar zerdrückt und ungekämmt und den Kopf in einem Kissen vergraben. ›Sie ist so zart und so überaus sensibel‹, dachte er. Gleichzeitig wusste er aber auch, dass diese zierliche Frau eine unglaubliche Stärke und Ausdauer besaß. Ohne diese hätte sie die zehn Jahre im Klinikum Großbresenbek nicht durchgehalten.

Aber wie würde es nun weitergehen? Konnte er ihr helfen? Durfte er sich noch stärker einmischen? Damals, als sie in die Klinik gekommen war, um als Assistenzärztin zu arbeiten, hatte er ihr geholfen, weil er sich im allerersten Augenblick in das hübsche Mädchen verliebt hatte. Aber diese Liebe war von ihr nicht erwidert worden. Sie war dankbar, freundlich und lernbegierig gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Nach dieser Einsicht hatte er seine Gefühle zuerst verheimlicht und schließlich begraben – aber er blieb stets ihr Freund. Und so hatte er sie als Freund beim gemeinsamen Nachtdienst am Patientensimulator gelehrt, Kranke umzubetten, er hatte ihr Handgriffe gezeigt, die die Schwestern perfekt beherrschten, von denen die junge Ärztin aber keine Ahnung hatte. In seinen Armbeugen hatte sie üben dürfen, Spritzen richtig zu setzen und die Venen auf Anhieb zu treffen ...

Und dann war der neue stellvertretende Chef gekommen, dieser Casanova Bentrop; mit dem er nicht Schritt halten konnte. Dieser Adonis von fast zwei Metern und einem draufgängerischen Charme hatte die Herzen aller Frauen im Sturm erobert. Da hatte er, der kleine Oberarzt, rundlich, unsportlich und mit schütterem Haar, nicht mithalten können. Aber sein Helfersyndrom war geblieben. Auch wenn die intimen Gefühle für Sabine scheinbar gestorben waren, sein Herz und sein Verstand gehörten ihr.

Ungeduldig erhob sich Jochen Bellmann von seinem Stuhl, ging ein paar Schritte, um sich gleich darauf wieder hinzusetzen. Sabine entsprach in allen Punkten dem, was er sich je von einer Frau erhofft hatte – sie war treu, sensibel und selbstlos, gleichzeitig besaß sie trotz ihrer inneren Stärke eine Aura der Verletzlichkeit, die seinen Beschützerinstinkt wachrief. Wie würde es nun weitergehen? Er merkte in diesem Moment, dass seine intimen Gefühle für sie damals wohl doch nicht gänzlich erloschen waren, denn er fühlte, wie sie in seinem Innern neu aufflammten. Sollte er es noch einmal wagen, sie für sich zu gewinnen? Konnte man eine verletzte Seele in solch einer Situation überhaupt durch neue Liebe retten? Wie würde sie reagieren, wenn er jetzt versuchte, erneut um sie zu werben? War sie überhaupt stark genug, sich dem Getuschel im Haus zu stellen, stand sie über diesen Dingen oder zerbrach sie daran – vielleicht in diesem Augenblick?

Bellmann spürte, wie ihm plötzlich der Schweiß ausbrach. War das Angst davor, Sabine nun ganz zu verlieren? Sollte er nicht doch zu ihr laufen, sie einfach in die Arme nehmen? Denn, sollte sie sich entscheiden, die Klinik zu verlassen, konnte er ihr auf keinen Fall folgen.

Seine Existenz und seine Zukunft waren mit der Arbeit hier so eng verbunden, dass eine Trennung ihn zerrissen hätte. Großbresenbek und die Patienten, das war ganz einfach sein Leben.

Und dann hörte er, wie draußen auf dem nächtlichen Flur das Leben Einzug hielt. Krankes, verletztes Leben, und hier war unmittelbare Hilfe gefragt. Seine Station wurde mit Männern belegt, die ganz andere Leiden erdulden mussten als er selbst, denn eine Trennung von Sabine würde Leid bedeuten, das wusste er genau.

II

Sabine weinte nicht lange. Zorn und Stolz besiegten die Tränen schneller, als sie selbst erwartet hatte. Sie knipste die Stehlampe an und ging in ihre winzige Küche, um sich den Kaffee zu holen, den sie vorhin nicht ausgetrunken hatte.

Sie starrte in die Tasse mit der kalten, schwarzen Flüssigkeit und dachte: ›Aus! Vorbei! Alles zu Ende! So schnell geht das also.‹ Dann sah sie sich in dem gemütlichen Zimmer um. Auch das würde bald der Vergangenheit angehören. ›Schade, aber es ist eben alles aus, ich werde rigoros alles aufgeben: die Wohnung, die Arbeit, die Freunde, die idiotische Hochzeit, die ich geplant, und die Familienidylle, von der ich geträumt habe.‹ Mit zwei kräftigen Schlucken leerte sie die Tasse und stellte sie ab. ›Keine Zeit mehr zum Träumen‹, überlegte sie wütend, ›ich muss und ich werde mich der Realität stellen. In der Klinik kann ich nicht bleiben. Ich würde zum Gespött der Mitarbeiter. Wer weiß, wie lange die schon hinter meinem Rücken gelacht und getuschelt haben. Sie wissen es alle, hat Jochen gesagt. Manche werden Schadenfreude spüren lassen, andere werden mich bemitleiden, und beides will ich nicht. Also muss ich gehen.‹ Sie fuhr sich mit den Fingern durch die blonden Locken und dachte an die Pläne, die sie früher einmal gehabt hatte.

›Früher? Mein Gott, wann war das? Es muss eine Ewigkeit her sein, dass ich von einer Praxis auf dem Land geträumt habe, von einem gemütlichen Strohdachhaus und von Menschen, die mit all ihren Sorgen zu mir kommen. Die mir ihr Leben anvertrauen und mich einbeziehen in ihre Familien und in eine wunderbare Gemeinschaft.‹ Aber Sabine wusste auch, dass derartige Träume blankes Wunschdenken waren. Diese heile Welt gab es schon lange nicht mehr, auch in der Abgeschiedenheit eines Dorfs nicht. ›Arbeitslosigkeit, Abwanderung, Existenzangst und Sorgen beherrschen die Dörfer heute‹, überlegte sie und dachte an verlassene Höfe, an brachliegende Felder und verwilderte Bauerngärten. ›Trotzdem‹, machte sie sich Mut, ›ich werde es versuchen. Ich werde die Ärmel hochkrempeln, in die Hände spucken und mich nicht unterkriegen lassen. Und ich werde sofort damit beginnen.‹ Sie zog die Gardine zurück und ließ die kühle Märzmorgensonne ins Zimmer. Dann holte sie ihren Laptop hervor, fuhr das Textverarbeitungsprogramm hoch und schrieb ihre Kündigung kurz, stolz und selbstbewusst. Danach rechnete sie aus, wie viel Urlaub ihr noch zustand. ›Ich werde heute noch kündigen, sofort Urlaub nehmen und dann nicht mehr wiederkommen. Schade, ich war gern hier, die Patienten sind mir oft sehr ans Herz gewachsen, manche schreiben mir heute noch oder schicken mir Urlaubskarten, und sogar die kleinen oder größeren Intrigen eifersüchtiger Schwestern habe ich ertragen. Ich habe mich durchgesetzt, und man hat mich anerkannt Am Anfang war's eine schwere Zeit, aber da gab es Jochen Bellmann, und dann wurde es von Jahr zu Jahr besser, und zum Schluss war ich wirklich gut. Aus! Vorbei!‹

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