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Mitten in der Nacht wird Bastian aus einem Traum gerissen. Eine goldene Gestalt verlangt von ihm, in eine andere Welt mitzukommen. Gleichzeitig erhält der Junge ein magisches Zeichen auf der Stirn. Seine Freunde, die Zwillinge Rolf und Hendrik, begleiten ihn. Damit beginnt ein unglaubliches Abenteuer, bei dem die Jungen mehrmals in Lebensgefahr geraten, bis es ihnen gelingt, den Einfluss des Bösen, der die Welt erobern will, zu beseitigen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Manfred Weinland
Die magische Reise
Fantasy
Neuausgabe
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Verlag: Xeban-Verlag: Kerstin Peschel, Am Wald 67, 14656 Brieselang;
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Cover: © Copyright by XEBAN-Verlag nach Motiven mit einem Motiv von eedebee (KI), 2025
Korrektorat: Pia Feldmann
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Die magische Reise
Der goldene Krieger
Eine Festung im Strom der Zeit
Es gab kein Entkommen
ENBARR
Die Insel zwischen den Winden
Der kalte Fluch der Hexe
Die Suche nach Saramoon
1. Etappe: Die Moorbolde
2. Etappe: Der Wunderwald
3. Etappe: Die Dunkle Schmiede
Arawn
Die Schlacht der Bäume
Träger des Lichts
Der Traum und der Spiegel
Mitten in der Nacht wird Bastian aus einem Traum gerissen. Eine goldene Gestalt verlangt von ihm, in eine andere Welt mitzukommen. Gleichzeitig erhält der Junge ein magisches Zeichen auf der Stirn. Seine Freunde, die Zwillinge Rolf und Hendrik, begleiten ihn. Damit beginnt ein unglaubliches Abenteuer, bei dem die Jungen mehrmals in Lebensgefahr geraten, bis es ihnen gelingt, den Einfluss des Bösen, der die Welt erobern will, zu beseitigen.
***
Fantasy-Roman von Manfred Weinland
Die Nacht war zum Fürchten. Der Wind zerrte an den Bäumen vor Bastians Fenster, um auch noch die letzten Blätter, die der beginnende Herbst übriggelassen hatte, in die Dunkelheit zu entführen.
Schwarz brodelnde Wolken jagten über den nächtlichen Himmel. Von Zeit zu Zeit riss die dichte Wolkendecke an der einen oder anderen Stelle auf und ließ Sternenfunkeln durchdringen. Dann schien der Sturm jedes Mal kurz innezuhalten, um beunruhigende Schatten zu erschaffen, die durch Bastians Zimmer geisterten.
Auch der kühle Glanz des Mondes kämpfte sich bei diesen Gelegenheiten durch das Wolkengebräu und streute ein fahles Licht über Wände, Boden und Mobiliar des Zimmers, sowie Bastians sommersprossiges Gesicht.
Davon wurde er schließlich geweckt. Glaubte er.
Er öffnete die Augen und blinzelte gegen die unerwartete Helligkeit. Der Schreck fuhr ihm vollends in die Glieder, als er erkannte, dass er nicht allein im Zimmer war. Sein Herz übersprang einen Takt, und er schluckte krampfhaft.
Just in dem Moment schloss sich die Wolkendecke draußen. Nur wollte es nicht dunkel werden. Etwas hielt die Finsternis weiterhin fern. Etwas … Lebendiges!
Eine unheimliche Gestalt stand am Bettende, umgeben von einer flammenden Aura, und starrte Bastian unverwandt an.
Der Junge wurde unwillkürlich immer kleiner unter der Bettdecke. Er war kein Feigling, aber hier und jetzt hätte er sich am liebsten irgendwo verkrochen. Er überlegte, ob er um Hilfe rufen sollte, verwarf dann den Gedanken, weil er unsicher wurde, ob er nicht einfach alles träumte.
Zu unwirklich war die Gestalt im Zimmer!
Der nächtliche Besucher war von breiter, athletischer Gestalt mit flammend rotem Haar, das einen kantigen Schädel mit markigen Gesichtszügen bedeckte. Dieses Gesicht strahlte ein unglaubliches Selbstbewusstsein und Entschlossenheit aus. Die Augen darin wirkten wie schwarze Schächte, die in unendliche Tiefen führten.
Der Körper des Kriegers – um einen solchen handelte es sich ohne Zweifel – steckte in einer goldenen Rüstung, an der in Hüfthöhe eine leere Schwertscheide mit einem kunstvoll verzierten Gürtel befestigt war.
Golden wie seine Rüstung schimmerte der ganze Fremde. Eine fast überirdische Aura schien ihn zu umwehen.
»Du bist erwacht, das ist gut«, hörte Bastian eine Stimme, ohne dass sich die Lippen des Kriegers bewegten. Sein Gesicht blieb weiterhin entschlossen, aber erstarrt, wie aus Stein gemeißelt.
Minutenlang lauschte der Junge dann einer Stimme, die kein anderer gehört hätte, wenn er sich zufällig im Raum befunden hätte, die sich aber Wort für Wort in sein Bewusstsein brannte.
Schließlich schwieg der Goldene, und Bastian fürchtete sich nicht mehr, als er dichter an ihn herantrat, flüchtig mit den Fingerkuppen seiner ungeschützten Rechten über seine Stirn strich – und dann verschwand, als hätte es ihn nur in der Phantasie des Jungen gegeben.
Bastian kauerte fast eine Stunde bewegungslos im Bett. Sein Herz schlug immer noch etwas schneller als gewöhnlich.
Ihm ging viel durch den Kopf. Er stand vor einer schweren Entscheidung.
Schließlich tastete er nach der Nachttischlampe, die der weltläufigen Meinung eines Ufos nachempfunden war und schaltete sie durch Handauflegen ein.
Dann kroch er aus den Federn.
Seine Bewegungen, als er in Jeans und Pullover schlüpfte, waren flüssig, und dennoch hatte er mehr als einmal das Gefühl, nicht ganz aus freiem Willen zu handeln. So, als führte ihn etwas an unsichtbaren Fäden, wie eine Marionette.
Aber er hatte sich entschieden.
Im Eifer gelang es ihm fast nicht, seine knöchelhohen Turnschuhe zu schnüren.
Ein Blick zum Fenster hinaus riet ihm, zusätzlich noch eine Cordjacke überzuziehen. In die Innentasche steckte er eine Taschenlampe und zog den Reißverschluss fast bis zum Kragen, damit sie nicht herausfallen konnte, wenn er rannte.
Etwas feucht fühlten sich seine Hände dann schon an, als er das Licht der Ufo-Lampe löschte, die leise knarrende Tür vorsichtig öffnete und mit federnden Schritten hinaus auf den Flur trat.
Hier war es noch dunkler als in seinem Zimmer, das unter dem Dach des zweistöckigen Reihenhäuschens lag. Bastian musste am Schlafzimmer seiner Eltern vorbei, um zur Treppe zu gelangen.
Ausgerechnet, als er auf Höhe ihrer Tür war, hörte er drinnen Stimmgemurmel.
Sein Vater.
Im nächsten Moment sah er unter Türschlitz und aus dem Schlüsselloch einen Lichtschein in den Korridor fallen.
O nein, dachte Bastian. Ausgerechnet jetzt. Auf den Fußballen eilte er zum Ende des Ganges. Ein bisschen knarrte der Parkettboden, aber es war unwahrscheinlich, dass außer ihm jemand darauf achtete.
Die Treppe hinunter schaffte er nicht mehr, denn in diesem Augenblick wurde die Tür des Elternschlafzimmers aufgemacht.
Bastian konnte gerade noch hinter den altmodischen Schrankkoloss flüchten, auf den er sonst immer schimpfte, weil er den Flur so eng machte, der ihm in dieser Situation jedoch sichere Deckung garantierte.
Puh, dachte Bastian, als er hörte, wie sein Vater ins Badezimmer schlurfte und die Tür hinter sich schloss. Gerade noch geschafft …
Dumm war nur, dass er die Schlafzimmertür offengelassen hatte. Und seine Mutter musste auch wach sein, denn auch ihre Stimme hatte er kurz herausgehört.
Bastian überlegte, ob er warten sollte, bis sein Vater aus dem Bad zurückkehrte und die Tür wieder hinter sich schloss. Aber das konnte dauern, und es kribbelte den Jungen vor Spannung in Händen und Füßen.
Nein, entschied er, und dann war er auch schon unten am Fuß der Treppe, wo alles etwas einfacher war. Vom Schlüsselbrett nahm er seinen persönlichen Haustürschlüssel, der an einer dicken Kordel befestigt war, steckte ihn ins Sicherheitsschloss und drehte dreimal, bis alle Riegel zurückgeschnappt waren. Noch einmal lauschte er nach oben, um zu hören, ob niemand aufmerksam geworden war. Dann zog er den Schlüssel ab und hängte ihn um den Hals.
Er drückte die Klinke und trat wenig später nach draußen in die Nacht.
Es regnete zwar immer noch nicht, doch es war nasskalt.
Bastian zog die Tür hinter sich ins Schloss und machte ein paar Probeschritte über den mit bunten Pflastersteinen ausgelegten Weg, der durch einen kleinen Vorgarten zur Straße führte.
Noch konnte er umkehren. Noch hatte er die Möglichkeit, zurück in sein Bett zu schleichen, einzuschlafen und alles nur als besonders wirklichkeitsgetreuen Traum abzutun.
Bastian überlegte es sich ernsthaft. Er liebte jede Art von Abenteuer, solange es sich überschauen ließ.
Diese Situation war neu für ihn. Hier ließ sich nichts mit Bestimmtheit vorhersagen. Hier, das ahnte er, spielte eine durchaus reale Gefahr mit.
Er wollte sich die Worte des Mannes in der goldenen Rüstung in Erinnerung rufen, Worte, die sich wie Feuer in sein Gedächtnis gebrannt hatten, aber er musste zu seiner Verwunderung feststellen, dass er sich plötzlich nur noch an jenen Teil erinnern konnte, der mit dieser Nacht zu tun hatte. Mit seinem Ziel.
»Seltsam«, murmelte er, ohne zu merken, dass er laut sprach.
Dann ging er los.
Nicht zurück zum Haus, sondern zur Straße und dann im trüben Schein der Laternen zum Ende des Wohngebietes, wo sich der Weg gabelte. Von dort war es noch eine gute Stunde Fußmarsch, bis er dort anlangte, wo er den Ort vermutete, den ihm der Goldene beschrieben hatte.
Brachliegendes Gelände, von einem hohen Maschendrahtzaun abgeriegelt. Hier wollte die Stadt ein zusätzliches Industriegelände anlegen. Bisher hatte sich außer dem Zaun allerdings noch nicht viel getan. Das Gebiet war ziemlich verwildert. Hier und da ragten Ruinenreste aus dem dichten Gestrüpp von ehemaligen Gebäuden, die noch nicht vollends niedergerissen und abgetragen worden waren.
Eine Landschaft, die gespenstisch wirkte in dieser Sturmnacht. Es gab auch keine Beleuchtung. Die letzte Straßenlaterne lag etwa hundert Meter hinter Bastian. Jetzt halfen nur noch die Taschenlampe und die Erinnerung. Denn das Gelände kannte der Junge wie seine Westentasche. Erlaubt war es nicht, doch mit Rolf und Hendrik zusammen hatte er hier den idealen Abenteuerspielplatz vorgefunden. Kaum ein Nachmittag, an dem sie nicht gemeinsam hierher aufbrachen und jeden Stein umdrehten. Manchmal fanden sie Verwertbares aus dem Hausrat jener Leute, die früher hier wohnten, ehe die Stadt das Viertel sanierte. Dinge, die man vergessen hatte oder einfach nicht mitschleppen wollte in die neuen Wohnungen. Damit rüsteten die Jungen ihr Clubhaus aus.
Unwillkürlich musste Bastian an all dies denken, als er den Zaun erreichte. Es war ganz normal, dass er flüchtig mit dem Gedanken spielte, erst seine Freunde einzuweihen, ehe er sich weiter auf die Suche machte. Gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass der Goldene unmissverständlich erklärt hatte, dass das, was zu tun war, nur diese Nacht möglich war. Bis zur nächsten Gelegenheit konnten Jahre verstreichen. Genau ließ sich das nicht vorhersagen.
Die Lücke im Zaun hatten sie mit losen Ästen und Strauchwerk getarnt, damit nicht auch noch andere darüber stolperten oder die Stadt den Fehler ausbesserte.
Bastian räumte alles beiseite und zwängte sich dann durch die schmale Öffnung. Mit der Taschenlampe leuchtete er die unmittelbare Umgebung ab. Alles sah aus wie immer, wenn die Nacht es auch ein bisschen verfremdete.
Und jetzt?, fragte sich der Junge hilflos. Wie soll es weitergehen?
Wieder geschah etwas Seltsames.
Er selbst wäre vermutlich unschlüssig stehengeblieben und nach einer Weile umgekehrt. Doch etwas zog ihn magisch tiefer in das hügelige Gelände. Der Lichtkegel der Taschenlampe tanzte munter über den Boden.
Bastian erreichte eine kleine Anhöhe. Auf der anderen Seite fiel das Gelände ziemlich steil ab und mündete in einer weiten Senke.
Der Sturm wurde noch heftiger und drückte Bastian buchstäblich den Hang hinunter.
Kaum hatte er die Senke erreicht, als etwas Merkwürdiges geschah: Es wurde still um ihn, absolut windstill!
Hoch über ihm jagten Wolken in irrwitzigem Tempo dahin, aber dort, wo er stand, regte sich kein Hauch mehr. Das Gras stand ruhig und wie gebannt, als warte es auf etwas …
Da tat Bastian etwas, ohne lange nachzudenken. Er winkelte den rechten Arm an, streifte den Ärmel seiner Jacke zurück und hielt den Lichtstrahl gegen seine Armbanduhr.
Stand die Zeit still?
Jedenfalls war der Sekundenzeiger auf dem Zifferblatt genauso erstarrt wie die Natur rings um ihn! Bastian fröstelte. Ging es jetzt los?
Kam jetzt das, was der Goldene ihm angekündigt hatte? Hinter ihm entstand ein Geräusch, das Bastian erschrocken herumwirbeln ließ.
*
Was Bastian nicht wusste, nicht einmal ahnte, war, dass der Goldene Krieger in dieser Nacht noch an einem anderen Ort erschienen war, und zwar im Zimmer seiner besten Freunde, den Zwillingen Rolf und Hendrik!
Das mysteriöse Erscheinen und Verschwinden des Fremden war bei ihnen exakt so abgelaufen wie bei Bastian. Doch sie wohnten etwas weiter in der Innenstadt, sodass sie entsprechend länger brauchten, um den Weg zum Industriegelände zurückzulegen. Außerdem waren sie zu zweit, und auch wenn sie eineiige Zwillinge waren, hieß das noch lange nicht, dass sie auch immer einer Meinung waren. Deshalb hatte sich dem Abgang des Unheimlichen eine heftige Diskussion angeschlossen, ob sie dem Drängen nachgeben sollten.
Doch sie ähnelten in ihrer abenteuerhungrigen Art viel zu sehr ihrem Freund, als dass sie sich gedrückt hätten.
Bastian traute seinen Augen nicht, als er Rolf und Hendrik den Hang herunterkommen sah.
»Wo kommt ihr denn her?«, empfing er sie völlig überrascht.
»Und du?«, erwiderten sie wie aus einem Mund. Auch ihnen war anzumerken, dass sie nie damit gerechnet hatten, ihn hier anzutreffen.
Bastian musste lachen, und er wunderte sich selbst am meisten, dass er dazu unter diesen Bedingungen fähig war.
Die Zwillinge starrten ihn verdutzt an.
Rolf strahlte ihm mit seiner Taschenlampe direkt ins Gesicht, als wollte er sich vergewissern, dass ihr Kamerad nicht durchgedreht war. Er selbst war in dieser Nacht mehrfach nahe dran gewesen.
»Was gibt’s denn da zu lachen?«, rief Hendrik, während sein Bruder den Lichtstrahl wieder zum Boden lenkte.
Bastian kam gar nicht dazu, eine Antwort zu geben.
Irgendetwas veranlasste die Zwillinge, die er im Laufe der Zeit an tausend Kleinigkeiten auseinanderzuhalten gelernt hatte, sich gegenseitig mit den Ellenbogen anzustoßen und dann auf Bastian zu deuten.
»Was ’n das?«, presste schließlich Rolf hervor, der etwas Forschere von beiden.
»Was meinst du?«, fragte Bastian.
»Na, das Ding auf deiner Stirn …«
»Spinnst du?«
Bastian wischte sich über die Stirn. »Was soll’n da sein?«
Das Einzige, was er feststellte, war, dass sich sein Kopf ziemlich heiß anfühlte, als hätte er Fieber. Das war ihm bisher nicht aufgefallen.
»Deine Stirn …«, wiederholte auch Hendrik jetzt und trat einen Schritt näher, als traue er seiner eigenen Sehkraft nicht mehr.
Rolf nestelte indes an seiner Jacke herum und brachte aus irgendeiner Tasche einen kleinen Spiegel hervor. Er wischte mit der Innenseite kurz über sein Hosenbein und hielt ihn dann vor Bastians Gesicht, verzichtete aber darauf, ihn mit der Taschenlampe anzuleuchten, weil das gar nicht nötig war.
Bastian sah auch so, was los war.
Ein Schwert, dachte er benommen. Auf meiner Stirn ist ein leuchtendes Schwert eingraviert!
*
Als der erste Schreck verflogen war, erinnerte sich Bastian plötzlich wieder an die Szene, als der Goldene Krieger dicht zu ihm getreten war und ihn kaum spürbar mit den Fingern berührt hatte.
Das Ganze war so flüchtig gewesen, dass er ihm keinerlei Bedeutung geschenkt hatte.
Auch jetzt verstand er nicht, was bei der Berührung geschehen war. Beim Besprechen ihrer nächtlichen Erlebnisse, die erst wenige Stunden zurücklagen, stellte sich heraus, dass es einen einzigen, folgenschweren Unterschied gab: Bei den Zwillingen hatte der Goldene stets Distanz gewahrt. Keiner von beiden trug ein Stigma auf der Stirn!
Nur Bastian war auf diese Weise gezeichnet.
Warum?
Ein goldenes Schwert von der Größe seines kleinen Fingers, das er nicht spürte, wenn er darüberstrich, aber das ein warmes Licht ausströmte, als befände sich hinter Bastians Stirn ein geheimes Licht … unheimlich!
»Mich interessiert da noch etwas«, sagte Bastian unvermittelt. »Habt ihr eure Armbanduhren dabei?«
Die Zwillinge nickten.
»Schaut mal drauf.«
Rolf war mal wieder etwas schneller als sein Bruder. »Stehengeblieben. Zwei Uhr siebenunddreißig. Naja, das Ding hatte schon lange einen Knacks.«
»Musst du mir immer alles nachmachen? Ist ja grauenhaft«, beschwerte sich Hendrik neben ihm.
»Wieso?«
»Na, zwei Uhr siebenunddreißig.« Hendrik hielt ihm sein Zifferblatt hin, auf dem auch alle Zeiger stillstanden.
»Verrückt!«
Bastian nickte. »Meine ist bei zwei Uhr fünfundzwanzig stehengeblieben, und ich hatte den Eindruck, dass es genau in dem Moment passierte, als ich hier in der Senke ankam.«
Nach diesen Worten schwiegen die drei Jungen minutenlang.
Jeder hing seinen Gedanken nach.
»Wie gespenstisch still es hier ist«, sagte Hendrik schließlich.
»Ja, Jungs, wenn ihr mich fragt, dann ist das heute unsere Nacht. So was erleben wir so schnell nicht wieder«, meinte Bastian. »Habt ihr Angst?«
»Quatsch!«, empörte sich Rolf. »Naja, komisch ist es schon. Fast wie in einem von diesen Filmen … du weißt schon.«
Plötzlich zerriss die Stille.
Es war, als hätte jemand eine unsichtbare, schalldichte Glocke, unter der sie sich bislang befunden hatten, angehoben.
Ein Knistern, Prasseln und wildes Rauschen erfüllte die Luft – aber es hörte sich anders an, als der Sturmwind, der hoch über ihnen immer noch schwere Regenwolken durch die Nacht peitschte.
Unmittelbar vor ihnen, im Zentrum der Senke, zuckte ein weit verästelter Blitz auf!
Ein Blitz, der nicht vom Himmel in den Boden stach, sondern umgekehrt von der Erde hoch in die brodelnden Wolken schoss!
Die Jungen hielten den Atem an.
So etwas hatten sie noch nicht gesehen. Doch keinem schien bewusst zu sein, in welcher Lebensgefahr sie schwebten. Wenn sie nun statt hier an jener Stelle gestanden hätten, wo der Blitz aus dem Boden geschlüpft war …
Und dieser Blitz war erst der Anfang.
Etwas erschien dort im Schutze der Nacht, von dem keiner der Jungen ahnen konnte, dass es ihr weiteres Leben total umkrempeln würde.
Ein Teil von Stonehenge?
Wie ein Fragment jener jahrtausendealten Kultstätte im Süden Englands sah das Gebilde tatsächlich aus: Zwei senkrecht aufragende, grob behauene, keilförmige Steine, über die in etwas mehr als zwei Metern Höhe ein dritter Felsbrocken quergelegt war. Dadurch entstand ein Durchgang, eine Art Tor.
Zwischen den düster glimmenden Steinen schien die Nachtluft zu kochen. Es irrlichterte in einem fort.
Und dann sprach Bastian das aus, was alle zur gleichen Zeit gedacht hatten: »Wir müssen da durch!«
Unwillkürlich rückten sie dichter zusammen. Weder Rolf noch Hendrik widersprachen der scheinbar lapidaren Feststellung ihres Freundes. Auch in ihnen klangen erneut die Worte des Goldenen Kriegers auf, der von einem Tor gesprochen hatte, das sie gemeinsam und gleichzeitig durchschreiten sollten. Über das Aussehen dieses Tores hatte er Stillschweigen bewahrt. Nun sahen sie, was er meinte.
»Kommt«, sagte Bastian. »Oder wollen wir jetzt noch kneifen? Vielleicht ist alles ganz harmlos, und es passiert überhaupt nichts Besonderes.«
Glaubte er selbst an seine Worte?
Erst langsam, zögernd, dann mit zügigen Schritten gingen sie auf das Steinmonument zu.
Bastians Schwert-Stigma schien stärker zu leuchten, je näher sie dem Felsentor kamen. Aber darauf achtete jetzt niemand.
Dicht vor dem Durchgang verharrten sie noch einmal. Wenn sie die Arme ausgestreckt hätten, wären diese in die flimmernde Luft, in der Leuchtpigmente wirbelten, eingetaucht.
Längst hatten sie ihre Taschenlampen ausgeschaltet und weggesteckt. Das Steintor machte die Umgebung taghell.
Noch einmal tauschten sie unruhige Blicke.
Sie ahnten nicht, dass bereits keine Wahl mehr hatten. Eine unsichtbare Grenze rings um das Monument war von ihnen überschritten worden, und nun erfasste sie ein superstarker Sog, dem sich nichts Menschliches zu widersetzen vermochte, und riss sie in das Feld zwischen den Monolithen.
*
Ein ziehender Schmerz im Nacken ließ Bastian aus seiner Bewusstlosigkeit erwachen, die nur Sekunden, aber auch viele Stunden gedauert haben konnte.
Er lag am Boden auf kaltem Stein und richtete sich torkelnd auf. Durch Massieren versuchte er das taube Gefühl in seinem Nacken zu vertreiben. Doch es klang nur widerwillig ab.
Die Umgebung, das wurde auf den ersten Blick klar, hatte sich vollständig gewandelt.
Das Steintor hatte wahrhaftig wie ein Tor funktioniert und sie an diesen Ort verschlagen: in einen hohen Felsendom, aus dem ringförmig angeordnet mehrere Durchgänge wegführten.
An den rußgeschwärzten Wänden hingen in gusseisernen Halterungen blakende Fackeln und verbreiteten ein zitterndes, stets unruhiges Zwielicht.
Das alles nahm Bastian in Sekunden in sich auf, bevor er merkte, dass es seinen Freunden schlechter ergangen war als ihm. Sie lagen immer noch reglos zusammengekrümmt auf den Steinplatten.
Aber wie sahen sie aus? Wo war ihre Kleidung, die sie eben noch getragen hatten?
Verblüfft entdeckte Bastian, dass auch er nun eine Art Lendenschurz und eine offene Weste aus braunem Fell trug. Seine Füße steckten in ledernen Mokassins.
Verschwunden war seine gesamte Kleidung und alles, was er bei sich getragen hatte, einschließlich der Taschenlampe!
Den Zwillingen ging es nicht besser.
Bastian kniete neben ihnen und untersuchte sie flüchtig, indem er ihren Puls fühlte. Ihre Herzen schlugen ruhig und gleichmäßig, aber so sehr sich Bastian bemühte, es gelang ihm nicht, sie wach zu kriegen.
Nach einer Weile gab er auf.
Er erhob sich.
Der Schmerz war abgeklungen, und er fühlte sich erstaunlich tatendurstig.
Ein erneuter Rundblick rief vage Erinnerungen in ihm wach. Es war eigenartig, aber mit einem Mal mutete ihn der Felsendom gar nicht mehr so fremd und furchteinflößend an.
Es war jenes Gefühl, als hätte man etwas, das sich gerade erst ereignete, irgendwann schon einmal im haargenau gleichen Ablauf erlebt – ein Déjà-vu, für das es keine logische Erklärung gab.
Bastian wusste plötzlich, welchen der vielen Durchgänge er benutzen musste. Und er wusste, dass er es schnell tun musste.
Noch einmal warf er einen Blick zu seinen Freunden. Die lagen immer noch vor einer Kopie jenes Steintores, das sie auf dem Industriegelände durchschritten hatten. Oder war es das Original?
Egal, dachte Bastian. Im Moment kann ich ihnen nicht helfen. Das Einzige, was ich tun kann …
Er führte den Gedanken nicht zu Ende, sondern setzte sich in Bewegung. Das Mal auf seiner Stirn pulsierte hektisch, als er den Felsendom verließ und tiefer in die Festung des Bösen vordrang.
Träge rührte Lihou in dem giftig schillernden Sud, den sie über der offenen Feuerstelle im Hof der Festung kochte. Die Hexe kniete auf einem Daunenkissen und murmelte ohne Unterlass Worte, die schließlich in einen monotonen Singsang übergingen. Dabei wandelte Lihou fortwährend ihre äußere Gestalt. Mal war sie ein strahlend schönes, blutjunges Mädchen mit sanft fallendem, lockigem Haar und elfenbeinfarbener Haut, mal eine alte Vettel, zahnlos, runzlig und mit einer dicken Warze auf der scharf geschnittenen, überlangen Nase.
Wie viele ihrer Zunft hatte sie vor ihrer Verbannung in die Festung die Gabe besessen, jede gewünschte Lebensform nachzuahmen. Sie konnte sich in einen Hasen, einen Raben, eine Spinne, ja, sogar in einen Baum, Grashalm oder auch nur ein Weizenkorn verwandeln!
Seit sie hier war, versagte diese Fähigkeit. Lihou wusste nicht genau warum, aber sie trug es mit Fassung, zumal sie in der Festung keine dieser Gestalten benötigte. Zum Zeitvertreib hatte sie ihre Zaubertränke, die sie an sich selbst oder an den übrigen Bewohnern der im Zeitstrom schwimmenden Festung ausprobierte. Und ihren Zauberspiegel, mit dem sie bei Bedarf Kontakt mit ihrem Herrn aufnehmen oder einfach nur Bilder der Außenwelt betrachten konnte.
Manchmal, dachte sie müde, fragte sie sich nach dem Sinn und Zweck ihres Hierseins. Waren es hundert oder tausend Jahre, die sie als Hüterin des Steins in der Festung zugebracht hatte?
Ein hell klingendes Lachen, das in hustendes Gekeife überging, während ihr Antlitz rasend schnell alterte, um kurz vor dem Verfall wieder neu und strahlend jung zu erstehen, schüttelte ihren Körper.
Was ist schon Zeit!, dachte sie verächtlich. Nur eine Illusion!