Die Nullform (Buch 6): RealRPG-Serie - Dem Mikhailov - E-Book

Die Nullform (Buch 6): RealRPG-Serie E-Book

Dem Mikhailov

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Beschreibung

Jeder Aufstieg ist hart. Je höher du kletterst, desto stärker, listiger und gnadenloser wird der Feind. Versicherungen gegen Verluste gibt es nicht. Gerade als Elbs eingeschworene Kampfeinheit in ein Gebiet voller todbringender Bestien vorstößt, muss sie den Verlust einiger Kämpfer hinnehmen. Treue Mitstreiter haben sich entschlossen, die Truppe zu verlassen – in einer Zeit, in der Kampfgeist und unerschütterlicher Zusammenhalt gefragt sind wie nie zuvor. Werden diese Verluste Elbs Kampfeswillen beeinträchtigen? Nein, das werden sie nicht! Nur der Tod kann den entschlossenen Kampfgoblin Elb daran hindern, weiterzumachen. Er fragt sich lediglich, wie er seine Verluste kompensieren und seine Reise fortsetzen kann. In Sichtweite ragen die trostlosen, Unheil verheißenden Mauern von Zombieland auf, während Elbs Truppe beharrlich weitermarschiert...

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Die Nullform

 

 

 

Eine LitRPG-Serie von Dem Mikhailov

 

 

Buch #6

 

Herausgegeben von Magic Dome Books in Zusammenarbeit mit 1C-Publishing

 

Die Nullform, Buch #6

Originaltitel: Nullform, Book #6

Copyright © Dem Mikhailov, 2023

Covergestaltung © Sergei Kolesnikov, 2023

Designer: Vladimir Manyukhin

Deutsche Übersetzung © Valeria Treise, Ruben Zumstrull, 2023

Lektor: Youndercover Autorenservice

Herausgegeben von Magic Dome Books in Zusammenarbeit mit 1C-Publishing 2023

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Dieses Buch ist nur für deine persönliche Unterhaltung lizensiert. Das Buch sollte nicht weiterverkauft oder an Dritte verschenkt werden. Wenn du dieses Buch mit anderen Personen teilen möchtest, erwirb bitte für jede Person ein zusätzliches Exemplar. Wenn du dieses Buch liest, ohne es gekauft zu haben, besuche bitte deinen Shop und kaufe dir dein eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass du die harte Arbeit des Autors respektierst.

 

Die Personen und Handlung dieses Buches sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung mit realen Personen oder Vorkommnissen wäre zufällig.

 

 

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Inhaltsverzeichnis:

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Über den Autor

 

Prolog

 

 

 

 

 

 

 

AN DIE WAND GELEHNT, sah ich ihnen beim Sex zu.

 

Lang, leidenschaftlich, zärtlich, von Herzen kommend, heiß und feucht.

 

Erstaunlich. 40 Jahre verheiratet und immer noch solch ein Sex.

 

Sicherlich müssten derartige Vergnügungen mit ein und demselben Partner nach so langer Zeit fade geworden sein? Doch hier waren sie, 40 Jahre später, und hatten immer noch solch einen Sex. Natürlich sah man der nackten, vollbusigen Dame, die oben lag, ihre fast 70 Jahre nicht im Entferntesten an. Sie sah aus wie eine attraktive Dreißigjährige, die regelmäßig trainierte und penibel kontrollierte, was sie aß. Ich wusste eine Menge über sie und ihre skurrilen Gewohnheiten. Sie nahm kein Fleisch in den Mund — von ihren Schäferstündchen mit ihrem geliebten Ehemann einmal abgesehen —, hatte jedoch nichts gegen Meeresfrüchte einzuwenden und gönnte sich hin und wieder einen natürlichen Hüttenkäse aus Schafsmilch.

 

Ein greller Schrei ertönte. Sie wölbte ihren Rücken und fiel, unfähig, sich zu beherrschen, auf die zerknitterten, nassen Laken. Nach einigen lieblichen Zuckungen war sie schließlich still. Er hingegen bewegte sich nicht. Er konnte es nicht.

 

Ich ließ ihnen ein paar Minuten Zeit, ihre Fassung wiederzuerlangen, bevor ich meine Hand leicht bewegte, den Abzug zweimal drückte und ihnen so je eine Dosis einer bestimmten Substanz verabreichte.

 

Die Opfer verstanden das Geschehene nicht sofort. Sie gab ihrem schweißglänzenden Oberschenkel einen müden Klaps, fuhr mit einer Hand über ihre leicht gebräunte, seidige Haut und hob sich auf die Ellbogen. Er verharrte genauso regungslos wie ich, obwohl mein Körper bereits andeutete, dass es an der Zeit war, die Position zu wechseln - trotz des Trainings und der Tatsache, dass meine Muskeln daran gewöhnt waren. Ich wartete noch ein paar Sekunden, damit sich die raffinierte chemische Mischung im Blut des im Bett liegenden Paares verteilen konnte. Erst als ich sicher war, dass alles nach Plan verlief, erhob ich mich langsam aus meiner dunklen Ecke, in der ich die letzten 40 Minuten gehockt hatte. Es war wirklich erstaunlich, dass sie nach ihrer langen Ehezeit nicht nur noch regelmäßig Sex hatten, sondern auch noch so lange.

 

Obwohl es durch meine Maske hindurch nicht zu erkennen war, lächelte ich dem welken Ehepaar breit und herzlich zu, als ich mich dezent verbeugte und sprach: „Guten Abend. Ihr persönlicher Voyeur ist restlos begeistert, mein liebes Grischin-Paar.“

 

Ein russischer Nachname, aber diese beiden trugen vermutlich nicht mehr als zehn Prozent russischen Blutes in sich. In dieser Welt war längst alles durcheinandergeraten. Und während er zumindest einigermaßen slawisch aussah, wirkte sie eher asiatisch, mit einer deftigen Prise Lateinamerika.

 

„Wer bist du?“ Die chemisch betäubte Stimme des nackten, auf dem Rücken liegenden Mannes klang nahezu emotionsbefreit.

 

Eine Emotion jedoch war deutlich wahrnehmbar, nämlich die Angst. Nicht um ihn selbst, sondern um seine Frau neben ihm, die ihre starren, schlangenartigen Augen nicht von mir lassen konnte.

 

„Zunächst möchte ich dem verehrten Familienoberhaupt versichern“, fuhr ich fort, nachdem ich mich mit dem Rücken an die Wand gelehnt und abwechselnd die Beine ausgestreckt hatte, „dass ich seine holde und äußerst agile Frau nicht vergewaltigen werde. Ich bin in einer ganz bestimmten Angelegenheit hier, und es gibt einen einfachen Grund für meinen späten Besuch, nämlich die Tatsache, dass Ihre geliebte Gattin nur schwer zu finden ist. Ich hab‘ auf der letzten Konferenz auf sie gewartet, doch sie ist nicht aufgetaucht. Genauso wie die letzte Vorstellung ohne die Anwesenheit von Frau Grischin verstrichen ist. Sie ist einfallsreich und trügerisch.“

 

An seinem Gesicht und seinen Augen konnte ich ablesen, dass er sich entspannte. Natürlich nicht vollständig, aber das Wichtigste hatte er begriffen: Seine Frau würde nicht vergewaltigt werden. In seiner Lage war das sehr wichtig, denn es gab nichts Schrecklicheres für einen Mann, als so etwas mitansehen zu müssen und nicht eingreifen zu können. Und er konnte definitiv nicht eingreifen, denn das wissenschaftliche Genie Grischin war gelähmt. Wohlgemerkt, es behinderte seine Arbeit nicht im Geringsten. Womöglich war sie dadurch sogar noch tiefgreifender, scharfsinniger und zeitgemäßer geworden.

 

„Was willst du?“, fragte Frau Grischin und versuchte mühsam, ihre Nacktheit zu bedecken. „Geld? Den Inhalt des Tresors?“

 

„Ich bin wegen eines Geheimnisses hier“, antwortete ich bereitwillig. „Verraten Sie mir das Geheimnis von Amnos, und ich verschwinde wieder.“

 

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, erwiderte sie fast augenblicklich.

 

„Amnos?“, meinte der Krüppel sichtlich verwirrt. „Ich verstehe nicht.“

 

Seine Frau versuchte es erneut. „Wir zahlen so viel du willst. Wir überweisen dir den gewünschten Betrag, wohin auch immer du...“

 

„Genug!“, unterbrach ich sie. „Ihr Tablet liegt gleich neben Ihnen, Frau Grischin. Geben Sie Ihr Passwort ein, gehen Sie ins Netz, loggen Sie sich in Ihren persönlichen Hochsicherheits-Datenserver ein und schicken Sie das Rezept für Amnos, auch bekannt als ‚Gedächtniskorrektor‘, an die Adresse, die ich Ihnen gebe.“

 

„Ich verstehe nicht, wovon du sprichst“, wiederholte sie hartnäckig.

 

Ich wunderte mich über ihre Dickköpfigkeit und erkannte, dass ich mit Gewalt vorgehen und ihr Wertvollstes angreifen müsste: ihren Mann. Oder besser gesagt, seine Liebe zu ihr.

 

„Vor sieben Jahren ist Ihr Flieger abgestürzt, Herr Grischin“, begann ich ohne Umschweife und mit ruhiger, gleichmäßiger Stimme. „Ihr Leben ist durch eine Reihe von Faktoren gerettet worden. Das Sicherheitssystem des Fliegers, Ihr erstklassiges, persönliches Erste-Hilfe-Set und die Ambulanzbrigade, die eine Sekunde vor dem Aufprall eingetroffen ist. Gelobt seien die Computer-Orakel, die wahrnehmen, vorhersehen und reagieren! Nur der Notabfangdienst ist ein klein wenig zu spät erschienen, aber alles noch im Rahmen. Kurzfassung, man hat Sie gerettet. Allerdings hat Ihre Wirbelsäule... Nun ja, Sie sind danach gelähmt gewesen. Außerdem haben Sie eine schockbedingte Amnesie erlitten und einen Teil Ihres Gedächtnisses verloren. Das ist jedoch ein kleines Problem im Vergleich zur Lähmung. Wer hätte das gedacht? Und das auch noch in diesen fortschrittlichen Zeiten. Hat die Elite-Privatklinik mit den hochrangigen Ärzten nicht geholfen?“

 

„Worauf willst du hinaus?“

 

„Ich möchte mich keineswegs über eine hilflose Person lustig machen, mein Herr, oh, nein. Auch wenn ich zu den Jungs gehöre, die mehr als einmal einen Stock genommen haben, um eine verirrte Qualle auf den Betonplatten aufzuspießen. Diese Art von Bastard bin ich also. Ich stochere jetzt allerdings nicht mehr ausschließlich mit einem Stock. Und Sie sollten mir dankbar sein, denn ich werde Ihnen die Augen öffnen. Ich werde eine epische Täuschung enthüllen, eine wahrhaft theatralische Aufführung, eine Show mit einem einzigen Teilnehmer: Ihnen.“

 

„Ich verstehe nicht.“

 

„Das reicht!“ Frau Grischin hatte alles verstanden und wendete sich endlich ab, um langsam nach dem Tablet neben ihrem Bett zu greifen.

 

Sie aufzuhalten war nicht schwer. Ich versprach ganz einfach:

 

„Die nächste Dosis wird Sie ausschalten. Ich werde ihm nicht nur die Wahrheit sagen, sondern ich werde ihn Ihnen wegnehmen, Frau Spinnendame. Frau toxische Spinnendame.“

 

Sie erstarrte, nur ihre Lippen bewegten sich unmerklich.

 

Ich steigerte munter den Grad der Drohung: „Kein Wort, keine einzige Bewegung. Wenn Sie sich in meine Geschichte einmischen, verpass‘ ich Ihnen eine Nadel mit einer K.o.-Dosis. Bleiben Sie still liegen. Sie haben das Recht zu nicken.“

 

Eine Sekunde verging. Noch eine. Ein leichtes Nicken. Schrecken, Resignation, Angst und Entschlossenheit zeichneten sich zeitgleich in ihren Augen ab. Besser so. Sie wusste genau, was ich sagen wollte, und sie verstand, was bald über sie hereinbrechen würde. Außerdem wusste sie, wie sie die Situation wieder in Ordnung bringen könnte, und ihr bezaubernder, kluger Kopf würde bald einen einfachen und wirksamen Plan zur Beseitigung des gerade entstehenden Schadens hervorbringen.

 

„Ich verstehe nicht“, wiederholte Grischin jetzt mit zorniger Stimme. Trotz der starken Chemikalien war er beunruhigt, obwohl man das von einem ehemaligen Sportler und Kämpfer nicht gerade erwarten würde.

 

Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass die blinzelnden Augen der reizenden Spinnendame — oder Schlange — auf mich gerichtet waren und sie schwieg, erzählte ich weiter:

 

„Trotz der Tragödie ist Ihre Familie nicht nur nicht auseinandergebrochen, sondern sogar noch stärker geworden. Alle haben applaudiert, und Sie haben weitergemacht wie bisher. Die Ärzte haben regelmäßig über Ihrer Wirbelsäule geschwitzt, immer wieder die neusten Technologien implantiert, spezielle Präparate in Ihr Blut injiziert und Ihnen allen möglichen genetisch modifizierten Unfug auf die beschädigten Rückenwirbel gepflanzt. Dennoch sind Sie gelähmt. Ist das nicht erstaunlich?“

 

„Es hat nichts mit meinen Rückenwirbeln oder meinem Rückenmark zu...“

 

„Das ist doch alles Quatsch“, unterbrach ich ihn. „Das Problem, Professor, ist, dass es keinen Unfall gegeben hat. Ihr Flieger ist abgestürzt, das ist eine Tatsache, aber Sie haben nicht dringesessen. Ihre Wirbelsäule und Ihr Rückenmark sind voll funktionsfähig. Ihre Amnesie ist die Folge einer hochmodernen experimentellen Substanz namens Amnos, die Ihnen verabreicht worden ist. Dabei ist Folgendes passiert: Sie sind abgeschaltet worden, woraufhin die Erinnerungen eines ganzen Monats verloren gegangen sind. Anschließend hat man Ihnen die Wirbelsäule herausgeschnitten und Sie dadurch in ein kuscheliges, lebendiges Bettgeschöpf verwandelt, ein Seitenschläferkissen. Doch Ihr Glied funktioniert, ein Hoch auf die schlauen Chemikalien, was? Ihre Frau tanzt regelmäßig ein Tänzchen mit Ihnen und nennt Sie ‚den Allerbesten‘. Sie lügt nicht. Für sie sind Sie der Allerbeste. Die Sache ist die, Professor, dass Ihre Frau eine gewisse psychische Störung hat. Sie ist schmerzhaft abhängig von Ihnen, sie ist verliebt, bis über beide Ohren, durch und durch. Sie sieht für sich kein anderes Leben als an Ihrer Seite. Sie gehört zu den Frauen, die sich lebendig neben ihren verstorbenen Mann ins Grab legen würden. Und genau darin hat das Problem gelegen, als Sie plötzlich von einer anderen abgelenkt worden sind. Mehr noch - Ihre Gefühle sind so schnell so stark gewachsen, dass die Intrige innerhalb eines Monats zu etwas viel Größerem mutiert ist. Oh, Sie Verräter! Doch Sie haben dafür bezahlt, sehr viel bezahlt, und deshalb können Sie die Ärzte nicht wieder auf die Beine bringen, denn Ihre Ärztin ist Ihre holde Frau höchstpersönlich. Sie ist das Oberhaupt der Brigade. Sie trifft alle kühnen und unsinnigen Entscheidungen, verheimlicht und verdreht Informationen und lässt Sie nicht auf die Beine kommen, während sie Sie gleichzeitig ermutigt und von vielversprechenden Behandlungen predigt.“

 

„Was für ein Schwachsinn! Dass du...“

 

„Ich sag‘ die reine Wahrheit, Professor. Aber ehrlich gesagt ist es mir egal, ob Sie mir glauben. Verstehen Sie, Sie sind mir egal. Ich erzähle Ihnen das alles nur aus einem einzigen Grund: damit Sie wissen … damit Sie verstehen, wozu Ihre liebende Frau Sie verdammt hat. Sobald ich Ihnen alles erzählt habe, wird Sie die Formel für Amnos von sich aus an die von mir genannte Adresse schicken, zusammen mit einer Beschreibung der notwendigen Ausrüstung, einer Liste der geeignetsten Rohstoffe und allen anderen relevanten Informationen. Wenn dann alles geritzt ist, verlasse ich Ihr trautes Schlafzimmer für immer. Nachdem die Wirkung der Medizin abgeklungen und sie wieder zu sich gekommen ist, wird sie ebenfalls aufstehen, ihr Seidenhöschen anziehen und ohne mit der Wimper zu zucken gehen. Doch schon bald wird sie zurückkehren, frisch gewaschen, bekleidet, frisiert und mit einer Spritze in der Hand. Und wieder wird sie Ihrem Blick ausweichen — der in einem Feuerwerk aller Gefühle aufgehen wird, die Sie so gerne erwähnen, mit Ausnahme von Liebe — und Ihre flehenden Bitten ignorieren. Stattdessen wird sie Ihnen eine Beruhigungsspritze geben. Dann, so denke ich, werden Sie in die Beobachtungsstation des von ihr geleiteten Krankenhauses gebracht — dessen Mitinhaber ironischerweise Sie selbst sind — und werden sich dort erneut der vergnüglichen wie fesselnden Prozedur der Auslöschung eines ausgewählten Teils Ihres Gedächtnisses unterziehen. Beim ersten Mal ist Ihr Gedächtnis von allen Erinnerungen an die kichernde kleine Blondine mit den verschiedenfarbigen Augen befreit worden. Sie ist übrigens am Tag Ihres angeblichen Unfalls verschwunden und niemals gefunden worden. Wenn sie in die Hände Ihrer Frau gefallen ist, beneide ich die junge Dame keinesfalls um ihr Schicksal.“

 

„Das ist...“

 

„Hören Sie sich das Ende der Geschichte an, Professor, denn schließlich kommen alle Beteiligten auf ihre Kosten. Eines schönen sonnigen Morgens wachen Sie in diesem Bett auf, nachdem Ihr Gedächtnis ausgelöscht worden ist. Neben Ihnen wird Ihre liebende Frau liegen, die sich mit ihrem Alpha-Männchen heißem Morgensex hingibt, bevor sie ihm ein leichtes und sehr gesundes Frühstück aus knusprigem Müsli und reifen Früchtchen serviert. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Sie werden meine Worte für immer vergessen und als intelligentes Schlafzimmerspielzeug fortleben. Auch sie wird glücklich sein. Also, Frau Grischin, wofür entscheiden Sie sich? Glück? Oder Kummer?“

 

„Ich werde die Informationen sofort übermitteln. Was wird mir zugesichert?“

 

„Nichts. Aber ich hab‘ keinen Grund, Sie zu töten, und Professor Grischin und seine Mobilität sind mir ebenso schnuppe wie Ihr Familienleben.“

 

„Na schön.“

 

„Weitermachen“, sagte ich und lächelte breit. „Und denken Sie daran — ich weiß, dass die schrecklichste Strafe für Sie die Erkenntnis ist, dass Ihr Mann am Leben ist und die Wahrheit über seine unglaublich hinterhältige Frau kennt. Das ist unerträglich für Sie, nicht wahr? Als würde man mit dem Messer in der Wunde herumstochern.“

 

Tränen kullerten über ihr Gesicht. Sie schluchzte lautlos und wich dem anhaltenden Blick ihres Mannes aus, während sie mit ihren manikürten Fingern geschäftsmäßig auf den Bildschirm ihres Tablets herumtippte.

 

„Adresse?“

 

Ich diktierte die Zahlen und wiederholte sie einmal. Das Tablet pingte, woraufhin sie die Anfrage entschlossen bestätigte. Elektrische Impulse schwirrten umher, und Textzeilen flackerten vor meinen Augen auf. Erledigt. Ich wartete noch einen Moment und bewunderte schweigend das nackte Ehepaar, bis ich die Bestätigung des Empfängers der Information erhielt. Alles vollständig und korrekt, entsprechend den bis dahin vorliegenden Informationsschnipseln.

 

„Ich wünsche Ihnen alles Gute“, sagte ich, stand in aller Ruhe auf und schritt zu dem mit langen Vorhängen drapierten Fenster.

 

„Töte mich.“ Auf die Worte des Mannes hin blieb ich stehen und drehte mich überrascht um.

 

Fehler. Doch es lag so viel Flehen in seiner Stimme, so viele Tränen, so viele Gefühle...

 

Ich erstarrte unwillkürlich, als ich sein von Emotionen verzerrtes Gesicht erblickte. In dem gelähmten Stück Fleisch lebte eine echte Seele und er wollte sterben, auf der Stelle und schnell. Er sah nicht mehr zu seiner Frau, sondern nur noch zu mir.

 

„Fass ihn ja nicht an!“ Ihr Schrei klang wie das Fauchen einer Wildkatze, die ihre Jungen beschützen wollte. Sie bedeckte ihn mit ihrem wunderschönen Körper und schrie, bis der Bildschirm des Tablets alarmierend rot aufblinkte.

 

Ich trat wieder zum Fenster zurück. Eine Welle warmer Luft kam von der Decke herab und vermischte sich mit der eisigen Zugluft aus dem Fenster zu einer frischen Nachtbrise. Hier oben, in eineinhalb Kilometern Höhe, war es immer kalt.

 

Ich stand bereits auf der Fensterbank, als eine weitere kurze Zeile vor meinen Augen erschien. Nachdem ich sie gelesen hatte, zog ich meine Waffe und gestand mit einem Seufzer:

 

„Ich hab‘ also doch gelogen. Eliminieren.“

 

„Rühr‘ sie nicht an! Töte mich!“ Er sah sie immer noch nicht an und bettelte trotzdem darum, sie zu verschonen. Was für eine wahnsinnige Familie!

 

Dann stürzte sie sich auf mich. Katze, Schlange, Spinnenfrau, liebende Ehefrau, verrückte, wunderschöne Schlampe. Ich schoss zweimal, und ihr schöner nackter Körper brach zu meinen Füßen zusammen. Ihr Kopf erhielt eine zusätzliche kurze Salve. Beim Aufblicken stellte ich fest, dass ich einen weiteren Fehler gemacht hatte. Der sich schnell und seltsam bewegende Körper des nackten Mannes traf mich. Eine Hand packte meine Kehle, und ich schaffte es gerade noch, meinen Kopf zu neigen und meine Stirn auf den Schlag einzustellen. Treffer. Ohrensausen. Neben dem altmodischen krächzenden Alarmsignal gab das Tablet auf dem Bett nun eine bemerkenswert gelassene Meldung von sich:

 

„Protokoll des Familienoberhaupts aktiviert. Protokoll des Familienoberhaupts aktiviert.“

 

„Was passiert mit mir?“, fragte der Mann, der mir an der Kehle hing. „Bin ich gerade wirklich aufgestanden?“

 

Sein nächster Schlag traf die Wand neben dem Fenster so hart, dass sein bläulicher Ellbogen knirschte, doch das hielt ihn nicht auf. Als Nächstes schlang er seine Arme um mich und streckte ruckartig seine Beine durch. Und so stürzten wir eng umschlungen aus dem Fenster.

 

„Scheiße!“, fasste ich das Ergebnis meines Handelns zusammen, während ich meinen linken Daumen in das Auge des vermeintlich Gelähmten presste.

 

„Du hast meine Frau getötet, also töte ich dich!“

 

„Scheiße“, wiederholte ich, während wir durch die dichten, bleiernen Wolken stürzten.

 

 

 

Kapitel 1

 

 

 

 

 

 

 

BETÄUBT VOM LETZTEN TAGTRAUM,rieb ich mir das Gesicht und blickte erwartungsvoll nach vorne. Unter meiner Zunge löste sich nach und nach ein Viertel einer grauen Tablette auf, während ich mit gekreuzten Beinen auf dem vorderen Dach des Hauptwaggons saß, direkt hinter der Spitze einer in den Wagenkörper integrierten Beobachtungskuppel. Wenn sich die launenhaften Visiere doch einmal dazu entschlossen hatten, sich mir misstrauisch zuzuwenden, huschten ihre Laserstrahlen für einen kurzen Augenblick über meine Brust, bevor sich das Auge des allmächtigen Systems wieder der Beobachtung örtlicher Naturschönheiten und Bestien hingab.

 

Wir hatten gerade den letzten Sicherheitsbereich der Strecke passiert und dort die Hälfte der „Aquarien“ geleert. Da die Kriegsverlängerer gut durchgefroren waren, wurden die halbtoten Körper auf einen Transporter mit kugelförmigen Rädern verladen, der zuvor aus den getarnten Toren einer Felswand herausgekullert war. Der Eingang zur anderen Welt erschien sowohl vertraut und heimisch als auch dunkel und unheilvoll. Die gewaltigen Tore schlossen sich hinter dem Transporter, der die an einem seltsamen Juckreiz erkrankten Menschen zur Behandlung bringen würde, während die allerschlimmsten Fälle in einen ausgiebigen Kälteschlaf versetzt würden, nachdem ihre Erinnerungen gelöscht wären. So hatte es Ton erklärt. Außerdem hatte er berichtet, wie er noch Jahre später regelmäßig auf bereits gesichtete Raubtiere gestoßen war. In der Regel tauchten sie frühestens zwei Jahre nach ihrem Untertauchen wieder auf. Aber wozu wurde ihr Gedächtnis ausgelöscht? Wer weiß? Vielleicht ein weiterer perverser Defekt. Oder vielleicht hatte es medizinische Gründe. Mein Gehirn war mit etlichen neuen, bedeutenden Informationen gefüllt, deshalb ersparte ich mir jegliche Ratespiele.

 

Wichtig und irre.

 

Ach, Scheiße.

 

Diese Wortkombination — wichtig und irre — wiederholte sich immer häufiger.

 

Ich hatte eine völlig verrückte Geschichte gehört, die auf ihre Weise dennoch Sinn ergab. Pervers, verdreht und trotzdem logisch. In meinem Kopf hatte ich bereits zum Teil eine Art Kartografie herausgearbeitet, einige notwendige Bezeichnungen festgelegt und die aus meiner Sicht gängigsten und verständlichsten ausgewählt.

 

Der Museumsrand: Die ferne Stahlmauer, die uns gefangen hielt — von den durch unterschiedliche ethnische Gruppen bewohnten Inseln, über die Küstengewässer und Küstenlinien, bis hin zum Pfad der Reinheit. Ein weitläufiges Gebiet, relativ friedlich, bevölkert von Guten Herzen und anderen Ethnien, reich an natürlicher Flora und bescheidenen Populationen wilder Fauna, üppigen Obstgärten, Feldern und Wiesen. Um die Sicherheit dieser Heimat kümmerten sich die ruhigen und friedliebenden Guten Herzen, indem sie Wächter, sogenannte Virgs, direkt aus ihrer Mitte auswählten. Sie waren radikal sesshaft und zufrieden mit ihrem Leben.

 

Der Pfad der Reinheit: Dieser verlief entlang der Grenze zwischen dem Rand und Midyard. Dieser Pfad bildete eine Art Grenze zwischen zwei unterschiedlichen Gebieten und war alles andere als ein eigenständiges, souveränes Territorium. Es wurde von tyrannischen, vagabundierenden Virgs beherrscht und regiert, denen das Recht auf Niederlassung genommen worden war. Patrouillen durchstreiften den Pfad stetig, säuberten das Gebiet um ihn herum von jeglicher Gefahr und Abscheulichkeit und nahmen, wenn nötig, Zombies, Raubtiere und alle anderen Arten von totem Fleisch in ihre Obhut, indem sie sie in ihre Container luden.

 

Midyard: Dies war der bombastische und oft verwendete Name für das Gebiet zwischen dem Pfad der Reinheit und den Ländern der Allianz. Es grenzte auf der einen Seite an den Pfad der Reinheit und auf der anderen Seite an unbezwingbare Klippen und war reich an den primitivsten Formen der Natur. Je weiter man sich vom Pfad entfernte, desto verheerender wurden die Stürme, desto finsterer das Gesindel und desto heimtückischer das Gebiet. Unzählige Flüsse, Bäche und Sümpfe durchzogen das Land, weshalb die Siedlungen chaotisch verstreut lagen. Auch diese Gebiete wurden von Guten Herzen bewohnt, und obwohl sie irgendwie anders waren, waren die Unterschiede doch subtil. Ein besonders offensichtlicher Unterschied bestand beispielsweise darin, dass die Guten Herzen vom Rand beliebig lange in Midyard leben konnten, während die Einheimischen von Midyard lediglich das Recht hatten, sich nicht mehr als 24 Stunden in einer der Museumssiedlungen herumzutreiben. Danach würden sie höflich gebeten werden, sich zu verpissen. Außerdem wimmelte es in Midyard von Prismen aller Art, sowohl wilden als auch domestizierten. Den Vagabunden zufolge handelte es sich um den bevölkerungsreichsten und chaotischsten Teil der Welt. Jede noch so kleine Stadt hatte ihre eigenen Gesetze und Konzepte, ihre eigene Autorität.

 

Jenseits von Midyard lagen die Länder der Allianz, auch bekannt als die Verbotenen Landen. Nur auserwählte Helden wussten um dessen Geheimnisse, und bis auf wenige Ausnahmen kehrte niemand zurück. Und diejenigen, die zurückkehrten, um eine Quest zu erfüllen oder aus einem anderen Grund, gaben keine Informationen über diesen sagenumwobenen Ort preis. Sie hatten jedoch bestätigt, dass es ein wahres Paradies und der Inbegriff von Schönheit wäre. Sie sagte, dass dort alles so prächtig wäre, dass selbst ein ungewaschener Arsch nicht nach Scheiße, sondern nach Vanille duften würde.

 

Möchtest du mal schnuppern? Bitte sehr, gönn dir eine Prise — ich habe noch nicht abgewischt.

 

Die Goblins konnten ihr Glück jedenfalls kaum fassen und hatten zaghaft daran geschnüffelt. Ja, der Arsch eines Helden roch in der Tat nach Vanille. Wer hätte das gedacht?

 

Doch die Prosa stammte aus der Feder des Memback. Niemand, mit dem ich gesprochen hatte, wusste wirklich, was in den Verbotenen Landen zu finden wäre. Nur von einem waren sie alle überzeugt: dass sie von höheren und elitären Helden bevölkert wurden.

 

Derzeit reisten wir munter den Pfad der Reinheit entlang zur Endstation der Patrouillenkarawane Nummer 28. Dort würde sich die Patrouille satte zwölf Stunden lang erholen, bevor sie umkehren und den Pfad erneut beschreiten würde.

 

Und die Endstation? Zombieland!

 

Dorthin wurden alle aus diesem Waldabschnitt stammenden Zombies gebracht. Die Lieferungen waren erwartungsgemäß konstant, da Kriegsverlängerer und Zombies die beiden Hauptplagegeister der Region bildeten, in der sowohl der Museumsrand als auch Midyard lag. Selbst die Prismen verhielten sich gemäßigter.

 

Die mit der Fäulnis Infizierten wurden, wenn möglich, nicht getötet. Stattdessen wurden sie bewegungsunfähig gemacht, eingefroren und den Weg entlang transportiert. Das verblüffte mich so sehr, dass ich nicht anders konnte, als dem täuschend jungen Ton eine simple und logische Frage zu stellen.

 

„Warum, zum Teufel, schaltet ihr die Zombies nicht sofort aus? Und lass‘ keine Details aus. Ich liebe diesen Scheiß.“

 

„Wer nicht?“ Der Assistent des Barons schmunzelte. „Was die Details betrifft … Wozu sollte man sie auslassen?“

 

„Weil es Zombies sind.“

 

„Das sind sie“, sagte der junge Bursche und nickte. „Beißende Bastard-Zombies, die dich in Stücke reißen können. Oder dich infizieren und dadurch zu einem von ihnen machen, wenn sie kampferprobt und satt sind.“

 

„Deshalb müssen sie beseitigt werden.“

 

„Nur wozu?“

 

„Bist du wirklich so beschränkt?“

 

„Du bist es, der entweder beschränkt oder ungerecht ist. Ich wiederhole die Frage: Wozu sollten wir sie töten? Es handelt sich um kranke Menschen, keine Verbrecher. Sie töten nicht absichtlich. Ihre Gehirne sind mit der Fäulnis infiziert. Ja, sie sind gerissene, blutrünstige Bestien, aber das ist kein Verbrechen. Sie sind bloß krank.“

 

„Kannst du das wiederholen? Ich kapiere es nicht.“

 

„Zombifizierung ist eine Krankheit, kein Verbrechen.“

 

„Versteh‘ ich nicht. Hat das was mit Schuldgefühlen oder so zu tun? Gib‘ mir eine Axt und lass‘ mich in den Zombie-Stall eintreten.“

 

„Du kapierst es wirklich nicht, Elb. Wir fangen sie ein, injizieren ihnen Medizin und stecken sie in ein Kühllager. Dann warten wir. Nur sehr selten, äußerst selten sogar, doch selbst im fortgeschrittenen Stadium, kann eine Krankheit abklingen. Das Opfer wird aufgrund der zerstörten Psyche nie mehr zu seinem alten Ich zurückfinden, doch sein Gedächtnis wird gelöscht und sein Gesicht leicht modifiziert werden, bevor es in sicherer Entfernung von dem Ort, an dem es als Zombie sein Unwesen getrieben hat, in die Welt zurückkehren darf.“

 

„Was passiert mit dem Gesicht?“

 

„Das Gesicht wird korrigiert. Äußerlich.“

 

„Der Typ, dessen Frau von einem Zombie verspeist worden ist, erkennt diesen also nicht wieder.“

 

„Richtig. Wir nehmen an, dass der Impfstoff bei fünf von 100 Zombies wirkt. Manchmal mehr, manchmal weniger, das ist schwer zu sagen. Die Medizin wird allen eingefangenen Zombies über die gesamte Patrouille hinweg jeden Tag gespritzt. Mutter überwacht ihren Zustand, führt Protokoll und kontrolliert die Dosis. Wir führen ihre Befehle aus.“

 

„Verstehe. Und ihr trennt diejenigen, die sich zu erholen scheinen, von den anderen. Deshalb hab‘ ich gestern gesehen, wie sie eine alte Frau herausgezogen haben, die zwar wieder zur Vernunft gekommen ist, sich aber nach wie vor unberechenbar verhalten hat.“

 

Ton nickte. „Wenn wir es rechtzeitig schaffen. Da drin ist‘s kalt. Was für einen Zombie der Scheintod ist, ist für Normalsterbliche der sichere Tod. Meistens schaffen wir es rechtzeitig.“ Er machte eine kurze Pause. „Denken wir das Ganze weiter durch und nehmen an, dass sich fünf von 100 Zombies erholen. Die restlichen bleiben, was sie sind, nämlich Monster. Fünfundneunzig mit scharfen Reißzähnen knirschende Blutsauger in einem Aquarium, die auf die Gelegenheit warten, dir die Kehle rauszureißen. Was sollten wir mit ihnen anstellen?“

 

„Eine Axt und ein Flammenwerfer dürften das Problem lösen.“

 

„Sie töten?“

 

„Mhm.“

 

„Wozu?“

 

„Lahme Frage. Die meisten Morde werden ohne Grund begangen, einfach so. Und du sitzt hier und hältst eine Moralpredigt über Zombies.“

 

„Ich wiederhole: Sie sind unschuldig. Es handelt sich um kranke Menschen. Es ist nur so, dass ihre Krankheit mehr oder weniger unheilbar ist. Warum sollte Mutter den Befehl geben, ein krankes Gutes Herz zu eliminieren? Was, wenn es früher ein angesehenes Gutes Herz gewesen ist? Ein kämpferisches Gutes Herz? Ein Held? Und was ist, wenn es sich um ein Kind handelt? Die kommen gelegentlich vor.“

 

„Schon gut. Ich weiß, worauf du hinauswillst. Aber scheiß‘ mal auf die Ethik — wir reden hier von Zombies. Juckreiz kann behandelt werden. Wenn die Anti-Zombie-Spritze allerdings nicht anschlägt, müssen die Biester zerstückelt und verbrannt werden.“

 

„Das wäre eine grundlose Strafe, und Mutter tötet keine Unschuldigen. Es sind nur kranke Menschen, und die haben fast dieselben Rechte wie du und ich.“

 

„Herrje.”

 

„Mhm.”

 

„Na gut. Warum schockfrosten wir sie dann nicht einfach? Dreht die Temperatur auf -1.000 herunter und stapelt sie in einem Stahlkäfig, bis ihr einen besseren Impfstoff entwickelt habt.“

 

„Du kannst ein irres Gutes Herz nicht grundlos schockfrosten.“

 

„Grundlos? Sie töten andere!“

 

„Ja, sie töten. Aber sie können nicht dafür verantwortlich gemacht werden. Das ist der verfluchte Zwiespalt, das Zombie-Paradoxon, wie wir es nennen. Ein unschuldiger Mörder. Wenn ein tobender Geisteskranker jemanden umbringt, verurteilen wir ihn nicht. Wir schicken ihn in eine spezielle, sichere Anstalt mit Gleichgesinnten, bis er geheilt ist. Oder eben für immer. Kapiert, Goblin?“

 

„Warte, was? Willst du mir damit sagen, dass dein Zombieland ein...“

 

„Es ist kein Zombieland, sondern ein sicheres Territorium namens Buchenheil, das von einer Gruppe von ‚Wartenden‘ verwaltet wird, die auch als Sumpfvolk bekannt sind.“

 

„Oh, Scheiße“, sagte ich schaudernd. „Sumpfvolk?“

 

„Stimmt was nicht?“

 

„Nur eine miese Assoziation aus der Vergangenheit. Dort, wo wir herkommen, waren die Mitglieder des Sumpfvolks als Entführer, Vergewaltiger, Mörder, Kannibalen und Langschweinchen-Händler bekannt.“

 

„Waren? Was ist mit ihnen passiert?“

 

„Sie sind allesamt plötzlich verstorben.“

 

„Verstehe … Was soll ich sagen? Es geht mich eigentlich nichts an, aber nach allem, was ich gehört habe, ist das hiesige Sumpfvolk kein Stück besser. Trotzdem gestaltet sich eine Beurteilung schwer. Du verstehst was von der kilometertiefen Scheiße, in der sie stecken.“

 

„Hm. Buchenheil? Eine psychiatrische Klinik für Zombies? Sag‘ mir, dass du lediglich einen Scherz auf Kosten eines naiven Goblins machst, und ich überreiche dir meinen Schweinestecher.“

 

„Ich nehme dein Geschenk gerne an, aber ich mache keine Scherze. Es ist eine psychiatrische Klinik für Zombies. Nur ist es kein Gebäude, sondern etwas viel Größeres. Es ist Zombieland.“

 

„Ihr seid alle verdammt krank im Kopf. Ihr sammelt alle Zombies akribisch an einem einzigen Ort?“

 

„Ja. Mutter bringt sie über ihre eigenen, speziellen Untergrundkanäle ebenfalls hierher. Diese Biester werden nicht nur auf dem Pfad der Reinheit gefangen. Alle Zombies der Welt strömen nach Zombieland.“

 

„Und ich hab‘ den Nerv gehabt, mich über Scheißstadt zu beklagen. Wie idiotisch“, sagte ich seufzend zu mir selbst und streckte dem jungen Mann das Messer mit dem Griff voran entgegen. „Hier, für dich.“

 

„Wofür?“

 

„Es ist ein Geschenk. Für deine Erzählungen und Ratschläge. Damit kannst du gerne fortfahren.“

 

„Was genau möchtest du denn wissen?“

 

„Erzähl‘ mir vom verflixten Buchenheil, den bizarren Wartenden vom Sumpfvolk, überhaupt von dem ganzen Ort und warum man dort so einfach zum Helden ernannt werden kann.“

 

„Es ist nicht einfach, aber es geht schnell, wenn du überlebst.“

 

„Genau wie zu Hause.“

 

„Stell‘ dich nicht so an“, sagte Ton verschmitzt.

 

Wreck unterbrach das Gespräch, setzte sich neben uns und schaute mich von der Seite an, als wolle er mich stumm um Erlaubnis bitten. Ich nickte gleichgültig. Als ich seine schiefe Tasse bemerkte, hob ich eine fragende Augenbraue.

 

„Die Rothaarige lässt Gabby nicht in Ruhe“, berichtete der Ork und warf einen kurzen Blick über die Schulter auf das in einiger Entfernung aufgebaute Zelt. „Sie füttert ihn mit Keksen und zeigt ihm ihre Titten und ihren Hintern. Am Anfang ist er vor ihr zurückgeschreckt, aber jetzt steigt er darauf ein. Das ist so verdammt falsch.“

 

„Bist du eifersüchtig, dass sie ihre Titten nicht an dir reibt?“

 

„Sie ist eine coole Braut und sieht ganz süß aus“, gab Wreck zu. „Und sie riecht süß. Aber das ist nicht der Punkt. Normalerweise verhält man sich einem Kerl gegenüber nicht so.“

 

„Tut sie auch nicht“, entgegnete ich und schüttelte den Kopf. „Du hast es immer noch nicht geschnallt?“

 

„Hm?“

 

„Wreck, sie trainiert das Insekt. Erinnerst du dich an den zweiten Kopf des Insekts? Er ist erst zum Leben erwacht, als es wirklich brenzlig geworden ist. Und dann hat er die knochentrockene Sturheit eines Insekts zur Schau gestellt, dem nur drei Dinge wichtig sind: fressen, ficken und überleben. Nicht wahr?“

 

„Aber der zweite Kopf ist weg.“

 

„Wohin? Dieser Kopf hat über ein zweites, voll ausgebildetes Nervensystem verfügt, hat die totale Kontrolle über den Körper gehabt und war, was noch absurder ist, anscheinend der dominantere von beiden gewesen ist. Er hat Gabby abgeschaltet, nicht umgekehrt. Nur dann, wenn er Lust auf ein Nickerchen bekommen hat, hat er Gabby die Kontrolle zurückgegeben. Und du glaubst, dass er verrottet ist und sich aufgelöst hat? Nein, Ork, es ist alles irgendwo unter seiner Panzerung versteckt. Es sitzt dort still und leise, mampft Kekse und beäugt die charmante Jorann mit leuchtenden Augen. Und es gefällt ihm. Warum denn auch nicht? Die Rothaarige versorgt ihn mit Bergen von Süßigkeiten und verspricht massenhaft süßen Sex. Was bräuchte ein Insekt mehr? Vielleicht stellt der zweite Kopf kein getrenntes Organ mehr dar, doch irgendwo in Gabbys Nervensystem ist etwas davon übrig geblieben.“

 

Wreck schwieg und grübelte grunzend, während er auf die vorbeiziehenden grünen Wiesen starrte, deren Schneeflecken inzwischen seltener geworden waren. Er grunzte etwa eine Minute lang, während Ton und ich geduldig warteten. Dann stellte der Ork eine Frage.

 

„Wenn das stimmt, warum tut sie es dann, zum Teufel noch mal? Turnt sie die exotische Verpackung etwa an? Steht sie auf die hervorstehenden Stacheln, die klappernden Kiefer und die knackende Panzerung? Will sie eine Sex-Kakerlake an ihrer Seite haben?“

 

„Vielleicht auch das“, meinte ich achselzuckend. „Aber das ist nicht das Entscheidende.“

 

„Was dann?“

 

„Kontrolle, Wreck, Kontrolle. Indem sie glaubt, wir würden nichts merken, und indem sie sich selbst als ein verdorbenes, perverses Mädel mit speziellen Neigungen darstellt, konditioniert sie das Prisma geschickt und mit voller Absicht auf sich selbst. Und sie geht aus einem einfachen Grund so direkt vor, Wreck: Insekten erkennen keine andere Art der Annäherung. Man muss ihnen Kekse und Titten zeigen. Dann kapieren sie es und fühlen sich zu dir hingezogen.“

 

„Dann hab‘ ich noch zwei Fragen. Erstens: Warum zum Teufel? Und zweitens: Warum hast du ihr noch nicht den Kopf eingeschlagen und sie vom Dach in den Dreck geworfen? Wenn es stimmt, was du sagst, dann ist die Schlampe im Begriff, die Gruppe zu zerstören. Irgendjemand zerstört mal wieder die Gruppe. Zuerst ist es diese verfluchte Yorka gewesen, die Bask mit ihrer Sehnsucht nach einem ruhigen Leben eine Gehirnwäsche verpasst hat, und jetzt belästigt Jorann übereifrig die Heuschrecke. Was zum Teufel soll das alles?“

 

„Die Antwort ist simpel, Ork. Erstens bindet sie einen potenziell sehr mächtigen Kämpfer an sich. Nach Abschluss des Trainings könnte das Prisma ein wahrhaft tödlicher Drescher werden, ein loyaler, persönlicher Leibwächter in Gestalt einer Heuschrecke. Im Bett könnte er ihr ebenfalls von Nutzen sein. Tagsüber beschützt er sie, nachts fickt er sie. Ist das nicht fantastisch? Und um deine zweite Frage zu beantworten: Ich warte und beobachte.“

 

„Worauf wartest du? Sie schlägt offensichtlich einen anderen Weg ein als wir.“

 

„Das ist kein handfestes Argument.“ Ich schüttelte den Kopf. „Lass‘ sie in Ruhe, Wreck. Kümmere dich nicht um ihr sentimentales Gerede und ihre knusprigen Kekse. Beobachte sie einfach nur und schweige.“

 

„Warum?“

 

„Was glaubst du, woher sie weiß, wie man mit insektenartigen Prismen umgeht? Warum kommt sie so leicht mit dem Anblick von Blut und Fleisch zurecht? Hast du gesehen, wie geschickt und doch eigenartig sie mit Messern hantiert? Wie sie es hält, wie sich ihre Körperhaltung verändert, sobald sie ein Messer in die Hand nimmt? Ist dir das aufgefallen? Oder hast du nur auf ihre Titten geglotzt?“

 

„Sie ist Ärztin“, warf Ton unerwartet ein und beugte sich vor. „Eine Chirurgin oder so was in der Art. Das vermute ich jedenfalls.“

 

„Wie kommst du darauf?“

 

„Sie hat bei einem unserer Jäger einen Abszess bemerkt, als dieser von einer langen Erkundungsmission zurückgekehrt ist. Eine riesige, eiternde, lilafarbene Beule. Man hat das Ding aus meilenweiter Entfernung gesehen. Und während er zum Med-Block gestapft ist, hat sie ihn vom Dach des Wagens aus beobachtet. Ihre rechte Hand hat sich bewegt, als würde sie kunstvoll etwas sezieren, Schnitte setzen und so was. Ich kenne ihren ehemaligen Beruf als Gutes Herz nicht, aber davor muss sie Ärztin gewesen sein.“

 

„Beobachtungen wirken Wunder“, sagte ich achselzuckend. „Bist du fertig mit deinem Gejammer, Wreck? Wenn ja, dann hau entweder ab oder halt die Klappe und hör zu.“

 

„Ich werde ein Nickerchen machen.“

 

„Gute Idee.“

 

„Warum hab‘ ich das alles nicht bemerkt? Für mich ist sie bisher nichts weiter als eine überschwängliche Schlampe gewesen, die sich viel zu gerne an gepanzerten Rössern reibt. Mehr nicht. Warum hab‘ ich es nicht bemerkt?“

 

„Weil du ein Idiot bist? Es gibt immer eine Vorgeschichte, Wreck, immer. Eines weiß ich jetzt ganz sicher: Jorann versucht, sich als Gabbys Galionsfigur aufzuspielen. Sie will eine so starke Kontrolle über ihn ausüben, dass er ihr und nur ihr gehorcht, damit uns die Heuschrecke ohne mit der Wimper zu zucken angreift, wenn der Rotschopf auf Elb den Goblin und Wreck den Ork zeigt und sagt: ‚Schnapp dir die Schweinehunde!‘“

 

„Oh-oh. Oh-oh, verfluchter Mist. Ich lege ein Nickerchen ein.“

 

„Dann ab mit dir.“

 

Doch der Ork kam nicht zu seinem Nickerchen. Stattdessen wurde er auf sehr effektive Art und Weise von einem grauen Vagabunden abgefangen: Man hielt ihm eine Flasche und ein paar Holzbecher vor die Nase. Der Ork schien wie festgenagelt zu sein. Nachdem er die Flasche mit seinen Augen einer ausgiebigen Liebkosung unterzogen hatte, schaute er mich an. Ich winkte mit der Hand und signalisierte ihm, dass ein kleines Schlückchen in Ordnung wäre.

 

„Setz dich schon hin, Zyklop“, bölkte der grauhaarige Mann. „Wenn du immer nur auf die Geschäftsleitung hörst, wirst du als nüchterne Jungfrau sterben.“

 

„Das sag‘ ich auch immer“, erwiderte Wreck und rieb seine Handflächen aneinander.

 

Der Veteran, der großzügig die Becher füllte, warf Ton, der sich ebenfalls umgedreht hatte, einen mürrischen Blick zu und brummte: „Hast du es ihnen schon gesagt?“

 

„Ich warte auf den richtigen Moment.“

 

„Du suchst nach den Klöten eines Wallachs. Die befinden sich nicht zwischen den Augen, sondern zwischen den Ohren“, rief der alte Mann. „Wir werden bald da sein. Was ist, wenn zwei von ihnen welche sind?“

 

„Zwei wovon?“, fragte der Ork, ohne seinen Blick von dem vollen Becher abzuwenden. Kaum hatte man ihm das Ambrosia gereicht, hatte er daran geschnuppert und es für einen Toast angehoben: „Auf Rösser ohne Eier! Und auf keinen Fall andersherum, um der Elben willen.“

 

„Ohne Eier!“ Der Veteran nickte, rückte näher heran und fragte: „Du hast behauptet, das Sumpfvolk hätte mit abgeschnittenen Frauenbrüsten gehandelt.“

 

„Mhm. Waschechte Möpse. Ich hab‘ sie mit eigenen Augen gesehen, auf einem Tablett liegend, mit zuckenden Nippeln.“

 

„Verstehe. Und sicher hast du sie Mutter übergeben.“

 

„Was hätten wir sonst mit ihnen machen sollen?“

 

„Guter Punkt. Und sobald ihr das Zeug gesehen habt, seid ihr zum Sumpfvolk aufgebrochen. Ihr müsst der Rinne gefolgt sein. Musstet ihr schwimmen?“

 

Der Ork leerte sein Getränk, grunzte, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab, drehte knackend seinen Nacken, hielt den leeren Becher zum Nachschenken hin und sprach mit erfrischter Stimme: „Es hat sich etwa so zugetragen...“

 

An diesem Punkt hörte ich auf zuzuhören. Warum sollte ich mir die Mühe machen, wenn ich persönlich dabei gewesen war? Stattdessen schaute ich neugierig zu Ton, der mit seinem linken kleinen Finger nachdenklich in der Nase bohrte. Ich unterbrach ihn nicht.

 

Nach einigem Herumwühlen zog er etwas heraus, untersuchte es und murmelte verärgert: „Mir scheint die Galle hochzukommen.“

 

„Und? Wirst du es mir sagen? Wer sind ‚zwei von ihnen‘?“

 

„Okay, na schön.“ Ton fügte sich und klatschte mit der Hand auf das Metall. „Ich werde es dir verraten. Es ist eine kurze Geschichte, blutig, düster, ekelhaft und ungerecht.“

 

„Das klingt so, als würdest du mir von deiner Ehe erzählen wollen.“

 

„Wie wär‘s, wenn du dir deine lahmarschigen Sticheleien sparst?“

 

„Humor ist ein Schmiermittel“, sagte ich schulterzuckend. „Manchmal muss man in so dreckige Löcher kriechen, dass es ohne Humor nicht geht.“

 

„Psychologische Selbstverteidigung? Ein weiterer guter Punkt. Wir töten Zombies und lachen. Wir köpfen Kriegsverlängerer und lachen. Wir wischen uns das Blut aus dem Gesicht und lachen. Manchmal lachen wir hysterisch, während wir das Fleisch im Tank zertrampeln. Hör‘ zu, wir haben nur noch sehr wenig Zeit, also stelle ich meine Fragen schnell, du beantwortest sie schnell, und ich erzähle dir die ganze Geschichte unterwegs.“

 

„Einverstanden.“

 

„Was weißt du über die Weltweite Seuche, Rohtarier Elb?“

 

„Ich hab‘ noch nie davon gehört.“

 

„Was, glaubst du, passiert mit der Welt? Mit allem, was uns umgibt?“

 

„Die Welt verrottet. Sie liegt im Sterben.“

 

„Richtig. Viele bemerken das. Man muss sich vermutlich sogar ziemlich anstrengen, um es nicht zu bemerken. Wir Vagabunden sprechen nicht gerne darüber, aber wir hören uns oft die Argumente und Ideen von anderen an. Im Grunde liegst du richtig, die Welt verfällt, stirbt allmählich. Auch ich hab‘s bemerkt. Jedes vorüberziehende Jahr bringt mehr kranke Bäume und Tiere zum Vorschein, wir stoßen auf unseren Reisen auf immer mehr totes Fleisch, und es werden immer mehr neue Prismen geboren, während diejenigen, die die Karawane auf dem Pfad hunderte von Jahren vor uns anführten, manchmal monatelang kein einziges Prisma gesehen haben. Auch Zombies und Kriegsverlängerer werden von Jahr zu Jahr zahlreicher. Die Welt ist krank. Aber wir nennen es nicht ‚Verwesung‘. Seit etwa 40 Jahren bezeichnen wir es als ‚Weltweite Seuche‘.“

 

„Wie auch immer ihr es nennen wollt …”

 

„Schon klar, aber der Name ist wichtig. Oder besser gesagt, es ist wichtig, woher ein so seltsamer und unheilvoller Name wie ‚Weltweite Seuche‘ stammt.“

 

„Woher stammt er?“

 

„Jetzt wird‘s spannend. Diese Geschichte ist jedem bekannt, der regelmäßig auf eigene Gefahr den Pfad der Reinheit beschreitet und seine Abende mit Gesprächen an gasbetriebenen Lagerfeuern verbringt. Diese Geschichte wird in den Gebieten von Midyard erzählt, die von vielen als die ‚Mediane‘ bezeichnet werden. Es ist eine Geschichte über eine äußerst begnadete und rotzfreche Bande von echten Strolchen, angeführt von einem noch größeren Strolch namens Odnar. Klingelt‘s da bei dir?“

 

„Spielst du etwa auf mich an?“

 

„Mhm. Auf dich.“

 

„Hast du den Verstand verloren? Ich bin jetzt quasi ein neuer Mensch.“

 

„Das bestätigt meinen Verdacht umso mehr. Hör zu, und du wirst verstehen. Hier die Kurzfassung: Vor 44 oder 45 Jahren ist ein Trupp in Zombieland aufgetaucht. Die Leute streiten sich bis heute über die Anzahl der Kämpfer. Manche sprechen von etwa zehn Personen, andere sind überzeugt, dass es nicht mehr als fünf gewesen sind. Wieder andere halten vehement an der Zahl 100 fest. Die Wahrheit erfahren wir vermutlich nie. Und wozu auch? Tatsache ist, dass sie nach Zombieland gekommen sind und der Gruppenführer mit dröhnender Stimme verkündet hat, sie seien Wartende, auch bekannt als Sumpfvolk oder als Surver, wiederum bekannt als Hamster.“

 

„Mhm“, sagte ich grinsend.

 

„Das kannst du laut sagen“, erwiderte Ton und hob eine Augenbraue. „Der Anführer dieser geheimnisvollen Truppe hat behauptet, dass unsere Welt mit der Seuche infiziert sei, einer schrecklichen und grausamen Krankheit, die uns bald einholen und das Ende von allem herbeiführen würde. Fürchtet euch, ihr Dumpfbacken! Einige der einheimischen Dumpfbacken haben sich empört gezeigt, was ihnen ein paar gebrochene Knochen eingebracht hat, damit sie endlich den Mund halten. Der Anführer Odnar hat seine Rede derweil unbekümmert fortgesetzt. Sie ist inzwischen als ‚Gallenpredigt‘ bekannt und wird leider in skandalöser Weise falsch zitiert. Doch ihre Essenz besteht fort, und seinen Worten zufolge soll ganz Zombieland ein verficktes Geschwür sein, das alles um sich herum gefräßig verschlingt. Nicht Zombieland selbst — das eigentlich nur aus heilsamen Buchen besteht —, sondern die verdammten Surver sind es gewesen, die mit List und Tücke die leichtgläubige Mutter dazu verleitet haben, ihnen sowohl unverdiente Rechte als auch einen unverdienten Status zu verleihen. Odnar hat sie ‚Seuchenvögel‘ genannt und ihnen vorgeworfen, eine dunkle Seuche in eine bis dahin helle Welt eingeschleppt zu haben. Als Mutter den Betrug erzürnt durchschaut hat, hat sie mit List und Niedertracht reagiert. Als Resultat sind die Moorleichen für immer mit unsichtbaren Fesseln an Zombieland gefesselt worden. Frag‘ nicht, wie Mutter das geschafft hat, denn ich kann es dir nicht beantworten. Nur die Wartenden wissen es.“

 

„Ich hab‘ die Schnauze voll von diesen ganzen Spitznamen. Wie nennt sich dieses Sumpfvolk normalerweise?“

 

„Surver.“

 

„Gut zu wissen. Was hat die Gallenpredigt bewirkt?“

 

„Odnar hat alle dazu aufgerufen, sich gegen die Surver zu erheben, ihre Zitadellen in rascher Folge zu überfallen und jede einzelne von ihnen restlos zu vernichten, damit sie keinerlei Überlebenschance haben. Hirn zu Brei, Brei als Zombie-Dinner. Das Geschwür würde sich nicht weiterausbreiten, wenn die Surver tot wären. Anschließend müssten sie so schnell wie möglich alle Zombies vernichten, die in Buchenheil ihr Unwesen treiben. Andernfalls würde alles so bleiben, wie es gewesen ist, und eine große Katastrophe über die Welt hereinbrechen. So groß, dass das Abschlachten der Surver und Zombies zur Rettung der Welt allein nicht mehr ausreichen würde.“

 

„Und? Hat jemand auf Odnar gehört?“

 

„Ja, er hat es irgendwie geschafft, die Menge wachzurütteln. Natürlich sind dabei eine ganze Menge Drogen, Schnaps und Pilze im Spiel gewesen. Weniger als zehn Stunden später ist also eine ganze Armee in Zombieland einmarschiert, etwas, das bis dahin noch nie passiert war. Dutzende Zomboide sind zu Fall gebracht worden, ihre Schädel wurden aufgespalten und ihre Gehirne zertrampelt. Wobei das dort eigentlich sowieso die Norm ist.“

 

„Was, das Abschlachten von Zombies?“

 

„Ja. Dort haben die Surver das Sagen, nicht Mutter. Mutter ist mehr oder weniger nur eine passive Beobachterin. Jeder weiß das.“

 

„Gut. Erzähl weiter.“

 

„Niemand weiß, wie, aber sie haben es geschafft, bis zu einer der Zitadellen vorzudringen und dort einzubrechen. Dann haben sie den Meister herausgezerrt und ihn zerfetzt. Sie haben ihm das Gehirn aus dem Schädel gequetscht und es in ein loderndes Feuer geworfen. Und noch bevor der Gehirn-Burger gar gewesen ist, sind sie bereits auf dem Weg zur nächsten Festung gewesen. Von da an haben die Surver herumgeheult — und wie! Sie haben auf ihre Rechte gepocht und plötzlich Schutz von Mutter gefordert … und auch noch bekommen.“

 

„Das System hat sich auf ihre Seite gestellt?“

 

„So könnte man es ausdrücken. Es hat nach einem Ende verlangt, und wer würde sich schon Mutter widersetzen? Nur Psychos, wovon anscheinend nicht so viele existiert haben, denn die Armee hat sich danach um das Zehnfache reduziert. Außerdem haben die Surver eine hohe Belohnung für die Köpfe der Bastarde ausgesetzt, die es gewagt haben, sich mit ihnen anzulegen. Somit hat sich das Blatt gewendet, und fortan wurde Jagd auf Odnar und seine Kämpfer gemacht. Doch diese furchtlosen Bastarde haben sich nicht aus dem Staub gemacht, sondern haben ihren Vormarsch auf die zweite Zitadelle fortgesetzt und sind eingebrochen. Angeblich ist eine Menge Blut geflossen. Der Trupp hat schwer verwundet am Boden gelegen, medizinische Vorräte und Munition sind aufgebraucht gewesen. Die zukünftigen Helden haben sich schließlich den Survern angeschlossen. Einige der Neuankömmlinge wurden vernichtet, während vier weitere zusammengetrieben und zu den Besitzern geschleppt wurden. Die Surver hätten Odnars Kämpfer zum Gespött gemacht, wenn Mutter es nicht verhindert hätte. Sie hat befohlen, die überlebenden Aggressoren nach Litecule zu bringen. Und zwar alle, auch Odnar.“

 

„Litecule? Was ist das?“

 

„Eine kleine und an Zombieland angrenzende Stadt. Unser Endziel. Dort befindet sich ein riesiges Gasthaus für Vagabunden, und dort steigt ihr aus und wir verabschieden uns. Es sei denn, ihr habt Lust auf eine zweite Spritztour mit uns.“

 

„Nein, wir steigen in Litecule aus“, antwortete ich grinsend. „Also, was ist in dieser kleinen Stadt passiert?“

 

„Ein Gerichtsurteil, kurz und knackig. Mutter hat das Urteil in Sekundenschnelle gefällt und sie vor die Wahl gestellt: Verwandlung in Prismen mit gelöschten Erinnerungen oder absolute Degradierung des Status, ebenfalls mit Gedächtnisauslöschung.“

 

„Ein Prisma zu werden ist bereits eine Degradierung, oder nicht?“

 

„Ja, irgendwas zwischen einem Guten Herzen und einem Waldaffen“, bestätigte Ton nickend.

 

„Wozu dann das Ganze?“ Ich kannte die Antwort, wollte sie jedoch aus Tons Mund hören.

 

Der Vagabund enttäuschte mich nicht. Er schaute mir in die Augen und erzählte in aller Ruhe:

 

„Bis gestern habe ich darüber sinniert, aber nach all deinen Geschichten über die dunkle Welt, in der eimerweise grauer Schleim gesammelt wird, Pluxe Gehirne saugen und Personen ihre Arme und Beine wegen ausbleibenden Zahlungen abgenommen werden, woraufhin sie ihr Dasein in Pfützen von Pisse fristen... Langsam begreife ich die Bedeutung absoluter Status-Degradierung. Allerdings würde ich genau diesen Weg wählen, wenn ich könnte.“

 

„Sie haben also die absolute Degradierung und Auslöschung ihres Gedächtnisses bevorzugt?“

 

„Genau. Mutter hat Odnar und drei seiner Kämpfer halb tot und völlig zerfleischt mitgenommen. Man hat sie nie wieder gesehen. Das ist die Geschichte, Goblin Elb. Dieser Odnar ist ein unverschämter, arroganter, spöttischer Psychopath gewesen. Erinnert dich das an jemanden?“

 

„Mit solchen Leuten gebe ich mich nicht ab“, behauptete ich, schüttelte den Kopf und kratzte mich nachdenklich am Kinn. „Aber ich hab‘ den Wink mit dem Zaunpfahl bemerkt, selbst wenn ich es für unwahrscheinlich halte.“

 

„Dein Name ist Elb.“

 

„Ich hab‘ den Namen wegen der Nummer auf meiner Brust gewählt, nicht wegen persönlicher Assoziationen. Und ja, ich bin eine gewollte Nullform.“

 

„Gewollte Nullform“, wiederholte Ton.

 

„Ja, mein Gedächtnis ist ausgelöscht worden. Und ja, ich kann morden, und ich tue es nur allzu gerne. Aber denk doch mal nach, Ton. Was wird in 50 Jahren sein? Werde ich dann nicht immer noch in der Nähe dieses Zombielandes sein? Vielleicht nicht direkt dort, aber einigermaßen nah.“

 

„Wie haben deine Chancen gestanden, von da unten zu verschwinden? Aus dieser Scheißstadt, die über der Stehenden Kloake und in den Dämpfen des Gestanks hängt? Gleich null? Und trotzdem hast du es herausgeschafft.“

 

„Und dennoch wäre es ein zu großer Zufall. Das System würde es niemals genehmigen.“

 

„Mutter würde einen solchen Zufall nicht genehmigen“, stimmte der Vagabund zu. „Aber was, wenn es kein Zufall gewesen ist? Wer steuert Mutters Willen?“

 

„Hm. Okay, es ist sinnlos, irgendetwas beweisen zu wollen. Gibt es eine Beschreibung von diesem Odnar? Was ist mit seinen Kämpfern?“

 

„Woher denn? Jeder erzählt was anderes über sie. Odnar ist ein gewöhnlicher Mensch gewesen, während sein Trupp aus Tierwesen und Prismen bestanden hat. Die einzigen Überlebenden sind Menschen gewesen. Zwei Kerle, zwei Weiber. Lumpen aus zermahlenem, blutigem Fleisch, die am Galgen gehängt werden sollten.“

 

„Okay“, wiederholte ich, „vergiss die Legenden. Ich werde die Seuche, den Verrat der Surver, Mutters Zorn und Odnars Standpauke nicht vergessen.“

 

„Ich hab‘ dich gewarnt.“

 

„Wovor? Zombielands Gesetze gehen mir am Arsch vorbei, Ton. Ich will ein verdammter Held werden! Und dazu muss ich die Treppe hinaufsteigen, die mich in die Länder der Allianz führen wird. Es ist ein einfacher Plan. Die Survers jucken mich nicht die Bohne.“

 

„Ich hab‘ dich gewarnt“, wiederholte Ton sturköpfig.

 

Ich schwenkte meine Hand kapitulierend und wechselte das Thema: „Wir sind fast da. Könntest du mir noch ein paar Einzelheiten über … Luchte … Lyucht-?“

 

„Kohle, nenn‘s Kohle, wie wir es alle nennen.“

 

„Das hättest du auch gleich sagen können“, brummte ich. „Herrje, diese ganzen verdammten Scheißnamen... Machen wir einfach weiter.“

 

„Du willst mehr über Kohle, Zombieland und die Surver erfahren?“

 

„Genau das.“

 

„Na gut, Goblin Elb. Ich beginne mit den Survern.“

 

„Die schon wieder.“

 

„Es geht nicht anders. Ganz Zombieland besteht aus Survern — Könige und Inhaftierte in einem.“

 

Er legte beide Hände um sein Gesicht, rieb sich die Haut, massierte seine Augenlider und klatschte sich auf die Wangen. Erst danach begann er zu sprechen, und zwar gleich mit einer Warnung.

 

„Schieb dir deine niveaulosen Witze und Sprüche, die unter die Gürtellinie gehen, in den Arsch und lass sie dort. Ich werde dir eine todernste Geschichte erzählen, eine finstere Geschichte. Du wirst nicht unterscheiden können, welche der Beteiligten im Recht oder Unrecht sind. Witze über Titten und Ärsche sind nicht willkommen.“

 

Ich seufzte wehmütig und legte mir eine Nusstablette unter die Zunge. „Das ist nur die Nullform in mir, die so gerne Sprüche klopft.“

 

„Odnar ist ein waschechter Junkie gewesen“, sagte der Vagabund wie beiläufig. „Der Legende nach haben ihm die Drogen geholfen, seine Vergangenheit zu ergründen und ihm dadurch prophetische Visionen beschert.“

 

„Prophetische Visionen über die Vergangenheit? Was für ein absoluter Schwachsinn. Und was könnte das mit mir zu tun haben?“

 

„Nun ja, wir sprechen von unserer Welt. Du, Rohtarier, verstehst sicherlich, dass diese Welt von jemandem erschaffen worden ist?“

 

Ich hätte daraufhin am liebsten etwas gesagt wie: „Nie im Leben. Ich hab‘ schon immer daran geglaubt, dass die beschissenen Stahlwände dieser Welt von Mutter Natur höchstpersönlich errichtet worden sind.“ Aber ich hielt mich zurück und nickte lediglich.

 

Als der Vagabund mich jedoch weiterhin voller Erwartung anstarrte, antwortete ich: „Vor langer Zeit ist etwas sehr Schlimmes und Weltumfassendes passiert. Etwas, das die ganze Welt auf einmal erschüttert hat, die frühere Welt, aus der wir alle stammen. Um keine unnötigen Spekulationen anstellen zu müssen, hab‘ ich für mich beschlossen, dass jene Welt untergegangen ist und wir stattdessen hierhergezogen sind. Die Gründe für die Apokalypse sind nicht besonders wichtig, zumal sie schon vor sehr langer Zeit stattgefunden haben muss. Ich würde sagen, vor Jahrhunderten.“

 

„Korrekt. Wir denken dasselbe. Was noch?“

 

„Zunächst einmal muss hier soziale Ungleichheit bestanden haben. Ein Kastensystem. Und diese Kasten müssen mit unserem Status fest verdrahtet gewesen sein — so fest, dass eine Änderung praktisch unmöglich gewesen ist. Manche Kasten sind bei der Geburt zugeteilt worden, andere hat man irgendwie erklimmen können, aber meistens ist man entweder für immer in seinem Trott geblieben oder noch tiefer abgestürzt.“

 

„Ja.“ Ton nickte und kramte in einem kleinen Bündel, das er aus seinem Rucksack geholt hatte. „Der Status von Odnar war ursprünglich der eines Guten Herzens. Er hat eine Gruppe zusammengestellt, die es bis zum Heldenstatus gebracht hat, aber aus irgendeinem Grund haben sie sich nicht weiterentwickelt und die Länder der Allianz ins Visier genommen. Tatsächlich sind sie sogar zum Pfad der Reinheit zurückgekehrt und haben Zombieland angegriffen. Am Ende sind die Überlebenden zu gewollten Nullformen degradiert worden. Gedächtnisauslöschung, Kälteschlaf, höchstwahrscheinlich modifiziertes Aussehen.“

 

„Und Verlust aller Gliedmaßen“, ergänzte ich seine Geschichte.

 

„Ich hab‘ deine Narben gesehen. Euer Zyklop weist dieselben auf. Außerdem hab‘ ich deine Erzählungen gehört. Gewollte Nullformen werden bei der Geburt ihrer eigenen Gliedmaßen beraubt und können unter Umständen alle zurückbekommen, jedoch nicht ihre eigenen.“

 

„Meistens sind es zufällige, gebrauchte Reste.“ Ich hob meine Hände, ballte und löste meine Finger. „In dieser Hinsicht ist das System wenigstens gerecht. Mithilfe von Chemikalien lässt sich selbst der minderwertigste Schnickschnack wieder in eine vernünftige Ordnung bringen. Lass‘ uns wieder über den Status reden. Ich habe diesen von unten nach oben wie folgt eingeteilt: zwangsmodifiziert, gewollte Nullformen, Gute Herzen, ethnische Gruppen, Helden, Elben. So in etwa?“

 

„Fast. Es gibt noch eine andere Stufe zwischen Helden und Elben. Ich weiß nicht viel darüber, aber einer Sache bin ich mir sicher: Die Surver befinden sich irgendwo zwischen Helden und Elben. Offensichtlich näher an Helden, aber nur innerhalb der Grenzen von Zombieland. Außerhalb davon sind sie Niemande.“

 

„Verstehe.“

 

„Hier, nimm das.“

 

Ein langer Gegenstand wurde mir in die Hand gedrückt.

 

„Wow! Dein Mem...“ Ich unterdrückte mein Staunen und schaute ein paar Sekunden lang nachdenklich weg, bevor ich zugab: „Vielleicht stimmt es, was du über meine Zunge sagst. Aber es ist einfach der beste Schutz vor all dem Dreck, der uns umgibt.“

 

„Das stimmt, manchmal braucht man etwas Entspannung. Unsere Männer machen es oft genauso wie du: Sex, Schnaps, Partydrogen, Essen, Fluchen. Alles, was nötig ist, um sich von der Scheiße um sie herum abzulenken. Willst du eine rauchen?“

 

„Na klar“, antwortete ich, nickte und lächelte breit. „Herrje.“

 

Ton, der Vagabund, hatte mir eine Zigarre geschenkt. Eine echte Zigarre, mit Tabakblättern gerollt. Sie hatte einen verführerischen Geruch und verlangte förmlich: Zünde mich an, Mistkerl! Tu es!

 

Dann zischte ein großes, silbernes Feuerzeug. Beim Betrachten der Zigarre hob ich neugierig eine Augenbraue. Sie war eindeutig handgerollt und gehörte nicht zu den Dingen, die man in einem Handelsposten finden würde.

 

„Manchmal bringt das Meer Überraschungen ans Tageslicht“, sagte der Vagabund und zog genüsslich an seiner Zigarre. „Wenn du weit genug zurückgehst, jenseits der Länder, die unter der Herrschaft von Plus stehen, jenseits der felsigen Regionen der Guten Herzen, dann stößt du auf die warmen Länder. Sie sind die Heimat einer kleinen und gastfreundlichen ethnischen Gruppe. Ihre Tänze sind mitreißend, ihr Lächeln blendend. Sie stellen fantastischen Rum her und drehen unglaubliche Zigarren. Wenn ich die Wahl hätte, Goblin Elb, würde ich den Rest meiner Tage dort verbringen. Ich würde jeden Tag zur Mittagszeit aufstehen, die schwarzgelockte Dame neben mir im Bett küssen, ein ausgiebiges Frühstück mit Meeresfrüchten und anderen Früchten zu mir nehmen und mich danach in einen Sessel setzen und faul eine Zigarre rauchen. Erst wenn das erledigt ist, würde ich mich an die Arbeit machen. Abends noch eine Zigarre und ein Quäntchen starken, dunklen Rums. Mhmm.“

 

„Mhmm.“

 

„Aber es soll nicht sein. Ich werde entweder auf dem Pfad an Altersschwäche sterben oder hier, durch die Hand eines erfahrenen Zombies. Oder vielleicht reißt mir irgendwann ein Prisma den Kopf ab.“

 

„Ich danke dir für die Zigarre. Und für die Geschichte. Nun bin ich ein wenig verstimmt. Du bist ein melancholischer Gesprächspartner, Vagabund.“

 

„Das ist nur meine Art, mich von der Scheiße um mich herum zu erholen.“ Ton schmunzelte inmitten einer Tabakwolke. „Dein Ork entspannt sich mithilfe von Alkohol und Sex. Du setzt dem Ganzen einen derben, verächtlichen Zynismus auf. Alles, was ich gelegentlich tue, ist, eine Zigarre zu rauchen. Meine Leute wissen, dass es am besten ist, mich in solchen Momenten nicht zu stören, denn in meinen Gedanken bin ich nicht hier.

---ENDE DER LESEPROBE---