Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 7): LitRPG-Serie - Dem Mikhailov - E-Book

Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 7): LitRPG-Serie E-Book

Dem Mikhailov

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Beschreibung

Die Zeit ist gekommen. Der große Navigator Rosgard bricht auf, um sich zusammen mit seiner Armada einen Weg zum fernen neuen Kontinent zu bahnen. Alle Spielerinnen und Spieler von Waldyra warten ungeduldig darauf, den Ruf „Alle an Bord!“ zu hören. Doch nun rufen ausgerechnet Rosgards elterliche Pflichten. Obwohl seine schelmische kleine Tochter nur eine digitale Kreation dieser virtuellen Welt ist, ist Vatersein mit den gleichen Herausforderungen verbunden wie in der Realität. Außerdem ist Rosgards Tochter kein Kind mehr, sondern ein aufgeweckter und ziemlich widerspenstiger Teenager. Sie geht für ihr Leben gern angeln und liebt Abenteuer. Darum hat sie auch nicht vor, noch länger in einem künstlichen Schlaf zu verharren, während ihr Vater seinen Spaß hat. Sie will dabei sein! Alles schön und gut, wenn Rosgards Tochter nicht eine angehende Göttin wäre. Ihre Ankunft in der Welt Waldyras wird von den alten Göttern, deren himmlische Throne langsam ins Wanken geraten, ganz und gar nicht begrüßt. Neue Götter wie sie bieten ihren potenziellen Anhängern großzügige Geschenke an und machen den alten Göttern damit die Schäfchen strittig. Ganz zu schweigen von der göttlichen Energie, die sie erhält. Verlieren sie zu viel Macht, so besteht die Gefahr, dass die alten Götter in die schreckliche göttliche Hölle Tantariall gestoßen werden. Niemand fährt gern zur Hölle. Götter sind da keine Ausnahme. Die böse Göttin Guorra begibt sich auf eine regelrechte Kopfjagd nach Rosgards Tochter, die plötzlich in Lebensgefahr schwebt. Rosgard hat also keine Wahl. Er ist gezwungen, seine Tochter mit auf die gefährliche Reise zu nehmen. Nun muss er dringend leveln und sich auf seine große Reise vorbereiten, die neue Rätsel und Geheimnisse bei seiner Entdeckung von Waldyra verspricht. Freu dich auf das nächste Buch der kultigen LitRPG-Serie Clan Dominance!

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Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Epilog

Über den Autor

Herrschaft der Clans - Die Rastlosen

Eine LitRPG-Serie von Dem Mikhailov

Buch #7

Magic Dome Books

in Zusammenarbeit mit

1C-Publishing

Herrschaft der Clans - Die Rastlosen. Buch #7

Originaltitel: Clan Dominance: The Sleepless Ones. Book #7

Copyright © Dem Mikhailov, 2021

Covergestaltung © Ivan Khivrenko, 2021

Designer: Vladimir Manyukhin

Deutsche Übersetzung © Katharina Baxter de Aizpurua, 2023

Lektor: Youndercover Autorenservice

Herausgegeben von Magic Dome Books in Zusammenarbeit mit 1C-Publishing 2023

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00

Praha 9 Czech Republic IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Buch ist nur für deine persönliche Unterhaltung lizensiert. Das Buch sollte nicht weiterverkauft oder an Dritte verschenkt werden. Wenn du dieses Buch mit anderen Personen teilen möchtest, erwirb bitte für jede Person ein zusätzliches Exemplar. Wenn du dieses Buch liest, ohne es gekauft zu haben, besuche bitte deinen Shop und kaufe dir dein eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass du die harte Arbeit des Autors respektierst.

Die Personen und Handlung dieses Buches sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung mit realen Personen oder Vorkommnissen wäre zufällig.

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Erstes Kapitel

Algora

DA WAREN WIR also wieder. Trautes Algora.

Das Royale de Canne war ein schickes und unverschämt teures Restaurant, das die gesamte vierte Etage und das Dach eines großen Gebäudes auf einem Hügel etwas abseits des Stadtzentrums von Algora einnahm. Dieser Hügel war hoch und uns bot sich ein hervorragender Blick auf das Stadtpanorama.

Das Dach war teilweise von einer durchsichtigen Glaskuppel bedeckt, die auf einer ausgefallenen schmiedeeisernen Stütze ruhte. Jedes Glassegment der Kuppel hatte einen dezent anderen Farbton, sodass die Illusion eines zarten Regenbogens erzeugt wurde, der sanft in der Luft schimmerte. Windspiele aus Kristall erfüllten die Luft mit zarten Tönen, und smaragdfarbene Vögel in goldenen Käfigen zwitscherten im Chor.

Die Atmosphäre war friedlich, beinahe verträumt. Der einzige Misston kam von einem spindeldürren, glatzköpfigen Elfen, der sich mit einer goldenen Dessertgabel in der Nase bohrte und abschätzige Kommentare über die Einheimischen von sich gab. Die schmutzigen Füße des Elfen hinterließen hässliche Flecken auf der feinen Seide der Stühle, die edle Tischdecke war bereits mit nicht näher identifizierbaren Krumen übersät und die Hälfte des Geschirrs lag in Scherben auf dem Boden.

Das riesige Mammut Callowan stand hinter Orbit und schmauste die Reste eines einst stattlichen, drei Meter hohen Ficus, dessen Blätter nun wie gedünstetes Kraut aussahen.

Wir wussten eben, was sich gehörte. Niemand, der etwas auf sich hielt, würde sich jemals ohne sein Hausmammut in einem Nobelrestaurant blicken lassen. Da wäre man doch das Gespött der ganzen Stadt...

Diese ironischen Gedankengänge kamen bei mir mittlerweile automatisch und aus reiner Gewohnheit. Die Anwesenheit des Mammuts und Orbits Verhalten war mir völlig egal. Ich hatte gerade alle meine freien Stat-Punkte verteilt und wählte meine erste Spezialisierung, um dem Großen Navigator ein Stück näherzukommen. Aber das war nur ein Schritt von vielen. Die Ziellinie war noch weit entfernt. Ich würde mindestens noch ein paar Dutzend solcher Schritte machen müssen.

In Gedanken war ich also damit beschäftigt, alle möglichen Optionen abzuwägen und zu überlegen, wie ich Dinge, die nicht zusammenpassen wollten, mit weiteren Dingen, die ihrerseits unmöglich erschienen, kombinieren könnte. Und während ich hier saß und all meine widerspenstigen Gedanken zu sammeln und zu etwas halbwegs Vernünftigem zu bündeln versuchte, war meine Freundin mit Extremangeln beschäftigt und ich konnte nichts tun, um ihr dabei zu helfen.

Sehr zu meinem Leidwesen. Da hatte ich nur kurz mein privates Zimmer aufsuchen wollen, doch dann war meine Tochter aufgewacht und wollte nicht mehr schlafen. Überhaupt nicht mehr.

Damit war’s das mit Ruhe und Entspannung. Die kleine Göttin interessierte sich für Teddybären, Essen und ganz besonders für den göttlichen Thron. Wer würde ihr das alles geben? Teddybären und Zuckerzeug könnte ich, wenn auch widerwillig, an die Schwarze Baronin auslagern. Aber um den letzten Punkt würde ich mich selbst kümmern müssen, wenn ich meine Tochter zu einer freundlichen, guten und wohlwollenden Göttin erziehen wollte. So viel war klar. Unter keinen Umständen wollte ich meine Tochter in ein bösartiges Monster wie Guorra verwandeln.

Apropos Tochter.

„Ähem“, machte ich, um die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen.

Dreimal musste ich mich immer theatralischer räuspern, bis die Baronin hochschreckte, so sehr war sie damit beschäftigt, das Kind zu betüdeln.

„Hm?“ Der übliche Adlerblick in ihren Augen war dieses Mal etwas trüb.

„Vielleicht solltest du dir selbst welche zulegen“, sagte ich hochnäsig. „Echte!“

„Au jaaa!“, feixte Orbit, dass sein beeindruckendes Gebiss nur so blitzte. „Daaa könnt ihr laaange waaarten!“

„Orbit! Warte nur, bis ich dir mit meiner Spitzhacke den Eierschädel bearbeite, dann vergeht dir das Lachen!“

Ich räusperte mich erneut und entschied mich vorsichtshalber, mich nicht weiter in das Privatleben anderer Leute einzumischen.

„Ist es möglich, eine Vereinbarung mit der Göttin Guorra zu treffen?“, fragte ich stattdessen höflich.

„Mit jemandem, der sich nicht auf die Seite der Schatten geschlagen hat? Nein! Niemals!“, sagte die Baronin entschlossen.

Ihr Bruder wackelte zustimmend mit den zerfetzten Ohren und fügte der Beschreibung seiner Schwester dann noch ein paar dekorative Details hinzu. „Sie ist eine blutrünstige Verrüüückte, eine Mööörderin und eine Sadiiistin. Ein echtes Weibsbiiild!“

„Okay, du solltest dich bei einem guten Psychiater auf die Couch legen, bevor du dich entschließt zu heiraten, Orbit“, sagte ich kopfschüttelnd.

„Haaab ich doch schon! Aus irgendeinem Grund sagten die aaalle immer ...“

„Orbit! Du kannst Ros später alles über deine glückliche Kindheit erzählen!“, fuhr die Baronin dazwischen, nahm dem Kellner eine Portion Eis ab und reichte sie dem Kind. „Deine Tochter ist also eine von Guorras Konkurrentinnen, nicht wahr?“

„Erraten“, sagte ich offen und strich mir mit den Händen über das Gesicht, als ob ich eine Maske entfernen wollte. Was für ein endlos langer Tag.

„Ist das dein Ring?“ Die Stimme der Schwarzen Baronin erklang aus einer unerwartet geringen Entfernung.

Ich öffnete meine Augen und zuckte unfreiwillig zusammen. Das Gesicht der jungen Frau war nur Zentimeter von meinem entfernt. Noch eine Handbreit näher und wir würden uns küssen. Falls Kyre das herausfinden sollte, würde ich derjenige sein, dessen Eierschädel mit einer Spitzhacke bearbeitet werden würde.

„Der Ring an deinem Finger, Ros. Der da, der aus Knochen. Woher hast du ihn?“

Die Baronin sprach ruhig, aber sie verriet sich durch ein Zucken eines Augenlids. Ihr Blick flackerte für den Bruchteil einer Sekunde hin zu meiner Tochter, die auf einem quadratischen karmesinroten Teppich saß und ihr Kirscheis verschlang. Vielleicht hatte ich mich auch getäuscht.

„Habe ich von jemandem geschenkt bekommen“, sagte ich achselzuckend. „Also, wegen Guorra ...“

„Wie heißt dieser Jemand? Ist es ein Er oder eine Sie?“

„Was ist denn mit dem Ring?“ Langsam platzte mir der Kragen. „Nervt er dich? Interessiert er dich? Interessiert er dich wirklich? Entweder du kommst gleich zur Sache, ohne um den heißen Brei herumzureden, oder du fragst gar nicht erst.“

„Es interessiert mich wirklich, wie du zu dem Knochenring an deinem Finger gekommen bist“, sagte die Baronin beschwichtigend.

„Er macht einen nicht unsichtbar“, sagte ich mit einem Grinsen. „Also steigere dich nicht unnötig rein in die Sache. Ringgeister sind auch keine hinter ihm her.“

„Da irrst du dich, liebster Rosgard“, sagte die Schwarze Baronin, und ein Hauch von einem Lächeln spielte auf ihren Lippen. „Dieser Ring wird von Leuten begehrt, gegen die Ringgeister wie Casper der freundliche Geist aussehen. Woher hast du ihn, Ros?“

„Ich wollte über Guorra reden, und du hast dich dazu bereiterklärt“, sagte ich stur.

Wie entzog man sich einem ungerechtfertigten Verhör? Indem man bei erster Gelegenheit das Gesprächsthema wechselte. Man musste dazu nur absolut unnachgiebig sein, ohne Rücksicht auf die mögliche Unzufriedenheit des Gegenübers.

„„Wie wäre es also, wenn wir beim Thema bleiben?“, fuhr ich fort. „Ich habe vor dem Abendessen noch ein Date mit ein paar menschenfressenden Ogern.“

„Willst du ihnen Nachtisch servieren?“

„Eher einen Knochen, der ihnen gründlich im Hals stecken bleibt. Vor ein paar Stunden hat schon mal jemand versucht, mich zu fressen, aber anscheinend war mein Nährwert nicht hoch genug.“

„Jemand, der so gefühllos und verbittert ist wie du, kann kein Leckerbissen sein“, schnaubte die Clanführerin der Rastlosen. Dann wurde sie todernst. „Ich werde dir alle Daten geben, die der Clan über die Göttinnen Guorra und Snessa hat. Alles, was wir haben, hin zum letzten Fetzen Pergament mit geheimen Kritzeleien. Wir gewähren dir vollen Zugriff auf alles. Du hast mein Wort. Im Gegenzug sagst du mir, wie du den Ring bekommen hast. Wo, von wem und wie. Deal?“

„Was macht eigentlich das Mammut hier?“, fragte ich und warf dem zotteligen Ttier einen trägen Blick zu.

Die Baronin seufzte, als ihr klar wurde, dass ich das unangenehme Thema Ring weiter umgehen würde. Dann holte sie zu einer Erklärung aus.

„Immer, wenn jemandes Haustier in Waldyra eine Art Boost bekommt, hat der auch irgendeinen Nachteil, damit es nicht zu einfach wird. Im Fall von Callowan ist es seine unerschütterliche, besser gesagt, seine sture Liebe zu meinem kleinen Bruder. Ich bin mir sicher, dass Orbit seinen süßen Begleiter davon hätte überzeugen können, am Eingang zu warten, aber er hatte einfach keine Lust dazu. Oder?“

„Laaangweilig!“, krähte der kahlköpfige Elf.

„Eben“, sagte die Baronin mit einem weiteren Seufzen. „Natürlich ist es langweilig. Aber keine Angst, wir werden bestimmt bald ein paar lustige Sachen sehen. Wie zum Beispiel, dass den Restaurantmanager der Schlag trifft. Orbit, wenn dein gottverdammtes Mammut nach diesem Gebüsch noch immer Hunger hat und versucht, sich etwas anderes reinzustopfen, verspreche ich dir, dass ich dir die goldene Gabel aus deiner Rotznase ziehe und damit etwas wirklich Beleidigendes auf deine Glatze kritzle!“

„Coool!“ Orbit sah überglücklich aus.

„Warum bestellen wir ihm nicht ein paar Bananenstauden?“, schlug die Schwarze Baronin vor. „Das wäre jedenfalls billiger.“

Jetzt wich also auch sie dem Thema aus. Oder besser gesagt, sie hütete sich, schlafende Hunde zu wecken.

„So viel zu meinen Plänen.“ Ich seufzte theatralisch und mimte so gut es ging die tragische männliche Hauptrolle. Dazu nahm ich mir das Gesicht meines Vaters zum Vorbild, das er gemacht hatte, als meine Mutter die unzähligen Banner und Modellschiffe von den Wänden entfernt hatte, die die Wohnung wie ein Marinemuseum hatten aussehen lassen.

Meiner Mutter hatte damals nicht darauf geachtet. Und auch die Baronin zeigte sich nur minder beeindruckt. Immerhin erhielt ich eine Antwort.

„Ros, was hast du denn erwartet?“ Die Anführerin des Clans der Rastlosen nahm den größten Apfel aus der Obstschale und gab ihn meiner Tochter. „Bis zu diesem Moment war alles quid pro quo, oder nicht? Nehmen wir etwa das Land auf der anderen Seite. Wir haben wie vereinbart für das Recht gezahlt, an der Expedition teilzunehmen. Morgen Abend begleichen wir die Rechnung in voller Höhe. Ich hoffe, ihr habt genügend leere Taschen für die Schätze, die euch erwarten. Damit ist die Frage geklärt, ob wir zu einer weiteren Expedition mitkommen, einer auf See diesmal. Bin ich oder sind die Rastlosen dir noch irgendetwas schuldig? Abgesehen von den Kosten für die oben genannten Dinge? Sag du es mir.“

„Na und ob!“ Ich gluckste bösartig. „Ich werde ständig von deinen Schleichern verfolgt! Meinst du nicht, dass das verdammt nervig ist?“

„Ach, das. Das gehört eben zum Spiel. Nimm’s nicht persönlich“, sagte die Baronin mit einer abweisenden Geste. „Wir machen ja nichts Perverses. Dein schmaler Arsch interessiert keinen Menschen.“

„Na vielen Dank auch.“ Ich schnaubte. „Es ist nur so, dass ...“

„Najaaa“, sagte Orbit gedankenverloren. „Flüüüsterer freut sich iiimmer, wenn er auf Rooos und seinen schmalen Aaarsch aufpassen muuuss ...“

„Was?“, sagte ich perplex.

„Was?“, ertönte eine entrüstete Stimme von irgendwo an der Decke wie ein Echo. Etwas Grünes, Buschähnliches plumpste herunter. Eine Sekunde später sprang der Rhododendron, der eben noch an der Decke gehangen hatte, auf und wiederholte das „Was“ noch ein paar Mal, wobei jedes neue Wort noch wütender klang als das vorherige.

Die Rüstung, die neben der Tür stand, quietschte, als sie sich bewegte, und eine traurige Stimme sagte hinter dem Visier: „Na ja, irgendwann musste er sich ja mal outen ...“

„Du! Wie kannst du es wagen!“

Der wütende Rhododendronbusch sprang auf Orbit zu, packte ihn am Genick und schüttelte ihn heftig. Callowan trompetete in höchster Empörung, packte den als Busch getarnten Flüsterer mit dem Rüssel und schüttelte ihn ebenfalls. Dadurch wurde der kahle Elf doppelt so stark geschüttelt. Der Geist des Krabberanführers erschien aus dem Nichts und versuchte, den Rüssel des Mammuts mit seiner Schere zu kappen. Callowan trompetete nun so laut, dass die Teller auf den Tischen zu klappern begannen. Wegen des besonderen Status des Ortes färbten sich keine Spitznamen rot. Das Restaurant gehörte dem Clan, also wurden die Zugangsrechte und das Verhaltensprotokoll vom Clanführer festgelegt. Niemand verlor auch nur einen einzigen Gesundheitspunkt. Aber die Show war mitreißend.

„Ich folge Ros gern, weil er immer was erlebt“, zischte der Rhododendron wütend. „Sonst liege ich höchstens im Schnee neben irgendeinem gottverlassenen Außenposten, um den sich keiner auch nur einen feuchten Furz schert, und verjage halb erfrorene Schakale, bevor sie mich markieren können. Von wegen schmale Ärsche! Mit Ros ist es einfach immer spannend! Kapiert? Ob du das kapiert hast, will ich wissen!“

„Waaa...“, machte der in der Luft baumelnde Orbit. Der Krabber brüllte wütend, während er immer noch versuchte, den Rüssel des Mammuts mit seiner Schere zu attackieren. Callowan schüttelte Flüsterer, der die Frechheit besessen hatte, seinen Freund und Meister, den kahlen Elfen, anzugreifen. Wir drei — die Baronin, meine Tochter und ich — knabberten an Äpfeln und beobachteten das Geschehen mit mildem Interesse.

Die Szene dauerte eine gute Minute. Dann ertönte ein lauter und deutlicher Befehl. Zehn Sekunden später kamen drei stämmige Ritter angetrabt und scheuchten die Streithammel in den angrenzenden Raum. Sofort kehrte wieder Ruhe ein.

„Also, Ros, du willst mich zu Guorra befragen, aber du fragst nicht mit dem angebrachten Respekt“, sagte die Baronin und kam damit wieder zur Sache. „Willst du reden? Oder willst du mir lieber eine Szene machen, dir auf die Brust trommeln und behaupten, dass der Große Navigator doch alles umsonst bekommen müsste und wir froh sein sollten, dass wir dich haben? Willst du dich lieber weigern zu verhandeln, schmollen und zur Konkurrenz überlaufen?“

„Nein“, sagte ich kopfschüttelnd. „Aber wenn wir schon mal dabei sind, würde ich dir raten, auch beim Thema zu bleiben, Frau Ninja vom Todesdünenclan. Du lässt also meinen schmalen Arsch observieren? Ja, tust du, und, wie zuvor erwähnt: Das nervt. Habe ich dir nicht schon mal gesagt, dass mir das keinen Spaß macht und ich lieber in Ruhe gelassen werden möchte? Ich glaube schon. Also lass rüberwachsen, Clanführerin. Ich verlange nicht viel von dir.“

„Und dein Preis wäre...?“

„Ein Schneider“, antwortete ich sofort. „Ein Juwelier. Ein Schuster. Ein Waffenschmied. Ein Friseur. Ich will die Besten, und zwar sofort.“

„Du hast dich also endlich entschlossen...“ Die Frau unterbrach sich, schaute zu dem Mädchen, das gerade seinen dritten Apfel aß, und nickte. „Ich verstehe. Dann machen wir es jetzt gleich. Bringen wir sie nach...“

„Wir bringen sie nirgendwo hin. Wir erledigen alles direkt hinter diesem gemusterten Blickschutz dort. Eine mordlustige Göttin macht Jagd auf meine Tochter! Ich werde sie nicht aus den Augen lassen.“

„Aber was wirst du tun, wenn sie zuschlägt?“, fragte die Baronin und sah mir direkt in die Augen.

„Ich habe keine Ahnung!“ Ich lachte sorglos. „Schnell sterben? Also, was meinst du, kriegst du das hin? Es muss ein richtig süßes Outfit sein, aber auch alle Register ziehen. Nicht nur ein hübsches Blümchenkleid, sondern eine richtige Ausrüstung. Ein Strampler aus Titan. Verstanden?“

„Selbstverständlich. Ich habe jetzt schon alle informiert. Die Schneidereikavallerie reitet gerade zur Rettung aus.“

„Oh, und noch etwas, Bessie“, sagte ich mit zuckersüßer Stimme. „Wenn ich herausfinde, dass ein Amulett, ein Artefakt oder etwas Ähnliches in die Kleidung meiner Tochter eingenäht wurde, und sei es auch nur ein einziger verzauberter Faden, werde ich nicht nur nie wieder mit dir Geschäfte machen, ich werde dich nie wieder eines Blickes würdigen.“

„Schon klar.“ Die Baronin schnaubte. „Na bitte, du hast offensichtlich das Zeug zur Vaterschaft. Du brüllst jetzt schon wie ein Tiger. Wie einer, der für seine Familie über Leichen gehen würde. Wir werden uns hüten, deiner Tochter Wanzen oder andere Tracker unterzujubeln. Wenn ich dich brauche, finde ich dich schon. Und wenn deine Tochter erwachsen ist, wird ihre göttliche Aura ausreichen, um alle Auswirkungen der Ausrüstung zu neutralisieren, egal, ob sie nützlich oder schädlich ist.“

„Soll sie doch“, antwortete ich. „Na gut. Wenn du mit dem Outfit, den Schuhen und dem Rest fertig bist — und, noch einmal, ich will nur das Allerbeste –, dann ist die Rechnung beglichen und ich verzeihe dir auch, dass du Spione an meinen schmalen Arsch geheftet hast. Abgemacht?“

„Abgemacht“, stimmte die Baronin leichthin zu.

„Und wenn ich noch einen einzigen Schleicher aus deinem Clan im Nacken spüre...“

„Übrigens, Ros, ist dir bewusst, dass Flüsterer nicht nur dein viel gepriesenes Hinterteil bewundert, sondern dabei bereits auch andere Schleicher erledigt? Einmal musste er sogar respawnen, als ihn jemand — Wasserklasse, sehr hohes Level — wie eine Laus zerquetscht hat, während er einen morschen Baumstamm in einem der vielen Bäche der Seenplatte spielte? Du warst mit deinem Wolf spazieren, wenn ich mich recht erinnere.“

Ich warf einen kurzen Blick auf den riesigen Wolf, der zu meinen Füßen lag, und sah die Schwarze Baronin dann überrascht an.

„Ist das dein Ernst?“

„Mein voller Ernst“, sagte die Clanführerin der Rastlosen. „Wir verfolgen weniger dich als die Leute, die dich verfolgen. Hast du eine Ahnung, wer das sein könnte, mein liebster Ros? Könnte jemand anderes wissen, dass du der Große Navigator bist?“

„Verdammt noch mal!“, japste ich. „Leck mich am... Aber hat Flüsterer die Besitztümer derer durchsucht, die er ausschalten konnte? Und vielleicht etwas gefunden, um sie zu identifizieren?“

„Ja. Die ersten beiden waren vom Purpurkreuz-Clan. Das war leicht herauszufinden.“

„Cedry!“, rief ich wütend aus.

Sein Name war der erste, der mir in den Sinn kam. Augenblicklich. Ich wusste nicht warum, aber es war naheliegend. Der verrückte Sammler hatte ihn gebeten, ihm einen Gefallen zu tun. Vielleicht hatten sie versucht, herauszufinden, wo ich meine Sachen versteckt hatte. Andererseits, warum sollten sie? Artefakte wie meine wurden in der Regel irgendwo aufbewahrt. In einer Bank oder in den eigenen vier Wänden. Obwohl, als ich neulich einen Handschuh aus einem legendären Ausrüstungsset gefunden hatte, hätten sie mich auf der Stelle getötet und die ganze wertvolle Beute eingesackt, wären mir die Purpurkreuz-Schleicher zu dem Zeitpunkt gefolgt. Ganz toll.

Aber bisher war alles nur eine Vermutung.

„Und was ist mit dem dritten Schleicher?“

„Er hat Flüsterer getötet“, sagte die Baronin und zuckte mit den in hautenges schwarzes Leder gehüllten Schultern. „Aber es war ein Achylote. Wir sind uns zu 90 % sicher.“

„Es ist nicht leicht, Flüsterer zu töten“, sagte ich grübelnd.

„Und trotzdem hat es den Mörder genau fünf Sekunden gekostet“, fügte die Clanführerin der Rastlosen hinzu. „Also denk darüber nach, Ros. Vielleicht solltest du unsere Eskorte als Bodyguards und nicht als Spione betrachten. Und — vielleicht — dich selbst als eine Person, die wichtig genug ist, um Bodyguards zu brauchen. Wenn es hier jemanden gibt, der zu bemitleiden ist, dann bin ich es.“

„Weil deine Schleicher ununterbrochen ins Gras beißen und deine Geduld am Ende ist?“

„Das auch! Aber auch, weil du meinen Bruder überall mit dir herumschleppst. Und der sitzt wiederum quietschfidel auf der Riesenrübe dieses Mammuts und schert sich einen feuchten Dreck um mich. Da frage ich ihn freundlich, wo er sich gerade so rumtreibt — und du — und was antwortet der Rotzlöffel? ‚Weeeit weeeg.‘ Echt, manchmal habe ich Lust, aus meinem Kokon zu kriechen, in sein Zimmer zu laufen, alle seine Puzzles in einen großen Sack zu werfen und ihn kräftig zu schütteln! Aber das geht ja auch nicht. Da hätte er höchstens noch mehr Spaß, weil er sie wieder zusammensetzen kann. Ich habe es echt nicht leicht, Ros. Versteh‘ mich doch. Jemand, der mir sehr wichtig ist, hängt mit jemandem rum, der jederzeit Ziel eines Angriffs werden kann. Natürlich muss ich da die besten Spione meines Clans losschicken, um auf euch aufzupassen.“

„Schon klar“, sagte ich. Dann dachte ich ein wenig nach und fällte meinen Entschluss. „Hör mal, wäre Flüsterer nicht einverstanden, mich offen zu begleiten? Nicht Nase an Hintern, eher Schulter an Schulter. Ich habe ein paar, sagen wir, schwierige Geschäfte vor mir und ich muss auch meine Tochter mitnehmen.“

„Darüber muss ich erst nachdenken“, sagte die Baronin und hüstelte. „Du weißt ja, dass Schleicher viel zu tun haben. Wenn ich dir einen zur Verfügung stelle, ziehe ich ihn anderswo von einem wichtigen Projekt ab. Ich müsste also...“

„Ich bin dabei!“, brüllte Flüsterer aus dem Nebenzimmer. „Und zwar so was von!“

„So viel zum Thema Disziplin! Lang hat sie ja nicht gehalten!“, rief die Baronin wütend.

„Bessie. Hab Erbarmen!“, heulte Flüsterer ungehalten und schnaufte dabei aus irgendeinem Grund laut. „Ich bin in den vergangenen Wochen viermal getötet worden, und zwar auf die grausamste Art und Weise, die man sich vorstellen kann! Die! Aller! Grausamste! Erst das göttliche Feuer! Dann haben sie mich in einem Fluss ertränkt und mir die Kehle aufgeschlitzt! Und dann schossen sie mich von weiß Gott wo aus mit einem Pfeil ab, mit dem man ein Mammut aufspießen könnte! Ich halte es nicht mehr aus! Ros zu folgen, wird immer gefährlicher. Und beängstigender! Ich bin schon ganz paranoid! Darf ich bitte aufhören, im Dunkeln herumzuschleichen, und eine Weile raus? Ins Sonnenlicht, Bessie? Bitte? Orbit! Pfeif‘ deinen verdammten Elefanten zurück, oder ich verknote ihm den Rüssel!“

„Also? Darf er?“, fragte ich, als der Tumult sich etwas gelegt hatte.

„Na schön“, sagte die leidgeprüfte Anführerin des mächtigen Kriegerclans mit größtem Widerwillen. „Aber denk daran, auch wenn Flüsterer stark ist, Guorra ist Guorra! Es wäre ein Kinderspiel für sie, dir 200 Orks an den Hals zu teleportieren, dann die Teleportation zu deaktivieren und sich das Massaker bei einer Tüte Popcorn live anzusehen. Sie ist eine Kriegsgöttin, Ros, und das Orakel hat ihren Namen auf der Liste der Verdammten erwähnt! Da sie bereits herausgefunden hat, wer der Vater der zukünftigen Göttin ist und wo sich das Kind jetzt befindet, wird sie nicht nachgeben! Die wütende Göttin hat dich nur deshalb noch nicht besucht, weil sie nicht schnell genug an Informationen kommen kann. Im Grunde ist sie nichts anderes als eine göttliche Schamanin mit Größenwahn. Und genauso verhält es sich auch mit ihrer Magie. Sehr mächtig, aber auch sehr langsam. Die Orks müssen erst tanzen, dann das Ritual ausführen und dann herausfinden, wo du und deine Tochter sind. Das dauert. Aber sie ist sehr stark! Es gibt andere Götter, die für Algora zuständig sind, und sie hat es gewagt, sich ihrem Willen zu widersetzen! Irgendetwas ist an der ganzen Sache faul. Es ist wirklich seltsam...“

„Was ist seltsam?“

„Dass sie das Mädchen so leicht entdeckt hat. Wie wär’s mit einer Orange, Mäuschen? Willst du eine?“

„Au ja!“, antwortete meine kleine angehende Göttin fröhlich. Nachdem sie sich die Orange geschnappt hatte, ließ sie sich auf den Rücken des schlafenden Wolfes fallen. Tyrann schien das nicht sonderlich zu stören. Eine seiner Pfoten zuckte und er schnüffelte im Schlaf.

„Was meinst du mit ‚so leicht‘?“

„Ich meine genau das, was ich gesagt habe. Woher wusste sie, dass sie dich mit ihrer Aura genauso beschützt wie sich selbst? Das kann nur passieren, wenn... Warte mal kurz. Hast du deiner Tochter schon einen Namen gegeben? Hast du?“

„Hab‘ ich?“, stammelte ich perplex.

„Einen Namen! Hast du ihr schon einen Namen gegeben? Ich will wissen, ob du ihr schon einen Namen gegeben hast, Ros! Ein Kind fängt erst an zu wachsen, wenn es einen Namen hat. Ich habe von anderen Kindern gehört, die sehr schnell gewachsen sind. Ihre Väter und Mütter haben auch dafür gesorgt, dass die Kinder wachsen. Je älter ein Kind ist, desto stärker ist es. Je mehr ein Kind über die Welt erfährt, desto stärker ist es. Je mehr es mit den Einheimischen kommuniziert, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese zu Anhängern werden, die zu den neuen Göttern und Göttinnen beten und ihnen die nötige Macht geben. Aber nichts davon ist möglich, solange das Kind noch keinen Namen hat. Götter können gesichtslos sein, aber nicht namenlos. Deshalb frage ich dich noch einmal, Ros, wie heißt deine Tochter?“

„Sch… Scheibenkleister!“ In letzter Sekunde war mir eingefallen, dass man vor kleinen Kindern nicht fluchen sollte wie ein Bierkutscher.

„Hast du deine Tochter wirklich so genannt, du unmöglicher, perverser Irrer?“

„So ein Quatsch, natürlich nicht! Ich geb’s ja schon zu, ich habe ihr noch keinen Namen gegeben! Wenn ich gewusst hätte, dass das so wichtig ist. Verdammt!“

„Mann, Ros“, sagte die Baronin kopfschüttelnd. „Aus dir soll mal einer schlau werden...“

In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Flur, und ich erfuhr nicht genauer, was sie von mir hielt. Ein glücklicher Umstand, wie ich meinte.

„Die Chefschneiderin und ihre Lehrlinge“, informierte uns der in Seide und Samt gekleidete Haushofmeister mit leiser Stimme.

„Schickt sie rein“, befahl die Baronin. „Wir müssen das Kind einkleiden und eine Kampfausrüstung und ein paar Accessoires bestellen.“

„Vielleicht etwas Schmutzabweisendes...“, begann ich zaghaft.

„Das überlässt du mal schön den Frauen“, mahnte die Baronin. „An deiner Stelle würde ich mir zuerst einmal einen Namen überlegen. Beeil dich, Ros! Das Mädchen muss in etwa fünf Minuten einen Namen haben! Ich kann dir bei der Auswahl helfen, wenn du möchtest.“

„Bloß nicht!“, rief ich. „Auf keinen Fall! Wenn Kyre herausfindet, dass du für die Namensgebung meiner Tochter verantwortlich warst...“

„Du tust ja gerade so, als würdet ihr zusammenleben und Frikadellen aus derselben Pfanne essen“, schnaubte die Schwarze Baronin und warf mir einen Seitenblick zu.

„Bewahre!“ Ich griff mir an die Brust und warf theatralisch den Kopf zurück. „Und wenn du das in dem Ton sagst, klingt das ja beinahe so, als würdest du mich tot sehen wollen. Übrigens...“

„Was übrigens?“

„Ich frage mich, aus welchem Land du wohl kommst.“ Ich blinzelte und schürzte die Lippen — mein Fieser-Spion-Look. „Du bist auf jeden Fall nicht von da, wo ich herkomme. Die Art, wie du sprichst, verrät dich. Ich erinnere mich, dass du Orbit gegenüber die Heilige Mutter Maria erwähnt hast, als wir uns ins Land auf der anderen Seite teleportiert haben. Das würden wir nie im Ernst sagen. Und Frikadellen in der Pfanne? Also wir stehen mehr auf Spiegeleier und Kartoffeln. Frikadellen kommen bei uns nur zu besonderen Anlässen auf den Tisch.“

„Was du nicht sagst. Aber wenn, dann wohl in einer Pfanne? Netter Versuch, Ros. Sherlock Poirot, ein Detektiv ohne Furcht und Tadel in Waldyra, hat gerade die Identität von Frau Moriarti aufgedeckt! Also schön, wenn du nicht über Kindernamen reden willst, auch okay!“

„Schick nur bitte nicht Flüsterer los, um mich im wirklichen Leben auszuspionieren“, bat ich sie mit einem klagenden Gesichtsausdruck. „Wenn ich eines schönen Tages die Speisekammer öffne, um meine Skier und meinen Emmentaler zu holen, und einen Kerl in Ninja-Kluft dabei ertappe, wie er sich durch meinen Schokoladevorrat frisst, trifft mich der Schlag. Also bitte, hab Erbarmen, ich flehe dich an.“

„Der Schlag soll dich treffen? Warum? Ist dir dein Schokoladevorrat so wichtig?“

„Nein. Aber ich habe den starken Verdacht, dass Flüsterer keine Tischmanieren hat und mir am Ende die Skier voll kleckert, die ich immer auf Hochglanz poliere. Wie übrigens auch meine Uhren. Die Skier haben einen enormen sentimentalen Wert für mich, weißt du, sie sind ein Geschenk von meinem guten Freund Alpöhi vom Nachbargipfel.“

„Also so viel Mist auf einmal habe ich schon lange nicht mehr gehört. Den Schweizer, falls du den gerade zu geben versuchst, kaufe ich dir nicht ab. Russischer als du geht ja fast gar nicht.“

„Habe ich jemals das Gegenteil behauptet?“, fragte ich mit einem Achselzucken.

Was gab es da zu leugnen? Jemanden in einem Land von der Größe Russlands zu finden, wäre wie die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Doch jedes Land konnte sehr klein werden, wenn dein potenzieller Feind deine Adresse herausgefunden hatte. Meine war niemandem außer meinen Eltern, meinem engsten Freundeskreis und unserem Wachpersonal bekannt. Angesichts des Vertrauens, das mein Vater in diese Wachen setzte, konnte ich nur zu dem Schluss kommen, dass wir von menschlichen Höllenhunden bewacht wurden, die stark genug waren, aus Panzergeschützrohren Brezeln zu drehen. Die sie dann in Motoröl getunkt zum Frühstück verspeisten. Deshalb blieb ich ruhig, lächelte und bohrte vorsichtig weiter.

„Deine rastlosen Leute suchen also schon nach mir?“

„Na, was denkst du?“ Die Baronin blinzelte. „Natürlich tun sie das. Ist ja klar. Jedenfalls danke, dass du so offen zu mir bist, Ros. Je tiefer der Dschungel, desto kräftiger muss man für gewöhnlich die Machete schwingen.“

„War das gerade eine Drohung?“

„Nein, das war eine Erklärung einfacher Tatsachen. Der Dschungel steht metaphorisch für all den Mist, der deinen Verstand vernebelt, dich verwirrt und dazu führt, dass du ständig deine Zeit verplemperst. Wir sollten endlich aufhören, uns mit Grünzeug und Lianen herumzuschlagen, auf ein schönes offenes Feld hinausgehen und alles besprechen. Ohne Drumherum.“

„Äh, ja. Genau“, sagte ich mechanisch. „Grünzeug und Lianen. Aber ich verstehe dich schon. Ich habe den Eiertanz auch langsam satt.“

„Wunderbar. Lass uns also wie geplant vorgehen, Ros, und die Gelegenheit nutzen, unsere Angelegenheiten zu besprechen. Hier kommt auch schon die Armee der Scherenschwinger. Deine Kleine kann sich in der Zwischenzeit einkleiden lassen. Die nette Dame im grauen Kleid dort hilft dir, mein Schatz. Lauf einfach zu ihr rüber. Ich kann sie auch selbst hinbringen, Ros, wenn du mich nur lässt.“

„Hör zu, Liebes“, sagte ich und beugte mich zu meiner Tochter hinüber. „Lauf mal zu dieser Frau dort drüben. Sie hat viele schöne Kleider für dich.”

„Kleider!“

Das Kind war sichtlich begeistert von der Aussicht und lief sofort in die von mir gezeigte Richtung, die Schwarze Baronin im Schlepptau. Ich schenkte mir etwas Wein nach und fluchte. Ein digitaler Alkoholiker, das wurde gerade aus mir. Ein Glas Wein pro Stunde. Während ich mir selbst leidtat und den ewigen Stress verfluchte, machte ich es mir in einem exquisiten Armsessel bequem und legte die Füße auf den mit hübschen Schnitzereien verzierten Tisch aus Redwood vor mir. Damit legte ich immer noch besseres Benehmen zutage als gewisse kahle Elfen und zottelige Mammuts unter uns.

Ich brauchte nicht lange zu warten. Die Anführerin der Rastlosen gab ein paar Anweisungen und ein Team von etwa zehn Schneiderinnen machte sich unter dem wachsamen Auge der „netten Dame im grauen Kleid“ rings um meine Tochter zu schaffen. Sie gab ihre Anweisungen mit sanfter Stimme, und dennoch wurden diese sofort und gewissenhaft befolgt. Sie erinnerte mich eindeutig an jemanden, den ich vor Kurzem kennengelernt hatte.

Die seidenen Chinoiserie-Zwischenwände schlossen sich, nun bündig aneinandergereiht wie strammstehende Soldaten bei einer Parade. Leinen und kostbare Seidenstoffe in den schillerndsten Farben flatterten dahinter durch die Luft. Der Schuster mit dem grauen Bart breitete mit Gusto sein Werkzeug auf dem nächsten Tisch aus, nachdem er indigniert eine wahnsinnig teure blaue Kristallvase zur Seite geräumt hatte.

Die Baronin setzte sich mir gegenüber in einen Sessel, schlug die Beine übereinander, nahm einen Schluck Rosé und seufzte. „Ich trinke zu viel.“

„Wem sagst du das!“ Ich gab mir einen Ruck und setzte mich aufrecht hin. „Genau darüber habe ich eben nachgedacht. Ich habe in letzter Zeit literweise Wein getrunken, und zwar schon am frühen Morgen.“

„Nun, in den Worten Sir Noël Cowards, als man ihn fragte, warum er Champagner zum Frühstück trinkt: ‚Tut das nicht jeder?‘. Wie auch immer, es ist ja nicht mehr früher Morgen. Ros. Wie wäre es, wenn wir von Angesicht zu Angesicht miteinander reden? Tacheles. Was sagst du dazu? Kyrea die Beschützerin hat am Naikalsee alles im Griff. Dich hat kürzlich ein Hecht hochgewürgt. Bitte sag mir, dass du nun ein Stündchen Zeit für mich hast. Ich selbst war heute auch nicht untätig, obwohl ich es mir, ehrlich gesagt, tatsächlich leisten könnte, bis zum Beginn der Expedition auf dem Sofa zu liegen, Bücher zu lesen und Wein zu trinken. Nachdem wir jetzt dieses Gebäude besitzen, könnte ich faulenzen, ohne dass es jemand wagen würde, auch nur ein einziges Wort des Tadels darüber zu verlieren. Meine Aufgaben als Clanchefin habe ich diesen Monat mit Bravour gemeistert, das muss man mir lassen. Du warst mir dabei übrigens eine große Hilfe.“

„Sehr schön“, sagte ich, beugte mich vor und hob mein Glas. „Auf uns beide und unseren Erfolg.“

„Meine Rede.“

Die Gläser klirrten, wir nahmen einen Schluck Wein und taxierten einander eine Weile schweigend. Ich ließ mir Zeit und machte keine Anstalten, etwas zu sagen. Die Baronin interpretierte meine Zurückhaltung richtig und begann.

„Also. Du und deine Freunde bekommen das Geld und den Rest der Beute aus dem Land auf der anderen Seite morgen Abend hier in diesem Saal. Da können wir auch gleich feiern. Wenn schon, denn schon. Wir haben für morgen ein spezielles 500-Kilometer-Feuerwerk organisiert, wenn du verstehst, was ich meine.“

Ich verstand und nickte ihr so ernsthaft und respektvoll zu, wie ich nur konnte. Das bedeutete, dass sie die Sache ernst nahm. Was sie plante, kostete nämlich eine Stange Geld. Es handelte sich um ein richtig obszön aufwendiges Feuerwerk, das so gewaltig war, dass man es auch noch aus 500 Kilometern Entfernung bewundern konnte, ohne auf optische Hilfsmittel oder spezielle Fähigkeiten zurückgreifen zu müssen. Die Rastlosen hatten vor, eine richtig fette Party zu schmeißen, oder vielleicht sogar den Begriff der fetten Party selbst neu zu definieren. Das würde viel neidisches Getuschel über den Clan geben, und begehrliche Blicke all jener auf sie ziehen, die sich das teuerste und vornehmste Restaurant in Algora nicht leisten konnten.

„Die Schuld dafür, dass wir dich gegen deinen Willen verfolgt haben, wird gerade beglichen“, sagte die Baronin mit einem kaum merklichen Nicken in Richtung der Traube an Schneidern und Schustern, die sich um meine Tochter kümmerten. „Obwohl es, offen gesagt, nichts anderes als eine normale Spielsituation war. Ich hätte mit dir streiten oder auf stur schalten können, aber warum kleinlich sein? Außerdem ist sie absolut bezaubernd.“

„Natürlich ist sie das!“ Ich lächelte so stolz, dass ich in der echten Welt locker als ihr biologischer Vater durchgegangen wäre. „Also gut. Die Schuld für die ganze Heimlichtuerei ist beglichen, und wir werden morgen für die Reise ins Jenseits bezahlt.“

„Okay. Fahren wir also fort. Eine ehrliche Antwort für eine andere. Ehrlichkeit ist hier das A und O. Keine Flunkereien, kein Ausweichen, kein Abwiegeln, kein Herumdrucksen.“

„Ich kann es ja mal versuchen“, sagte ich achselzuckend.

„Beabsichtigst du, dich der Flotte der Rastlosen anzuschließen, Rosgard?“

„Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 95 %“, sagte ich ohne Umschweife.

„Ah, das ist doch ein guter Anfang!“, rief die Baronin und schaute mich mit unverhohlener Überraschung an. „Ich hatte nicht erwartet, dass du so schnell und so unmissverständlich antworten würdest. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass du um den heißen Brei herumreden und dich zieren würdest, wie immer eben.“

„Ich fürchte, meine Taktiken der Konfrontationsvermeidung sind endgültig aufgebraucht“, gestand ich. „Die Frist rückt näher. Ich habe noch keine Entscheidungen getroffen und auch nichts über andere Clans herausgefunden. Alles, was ich über die Flotte weiß, habe ich von dir. Um es ganz offen zu sagen: Ich habe keine Ahnung, wohin ich gehen oder was ich tun soll, und ich bin immer noch so ausgelastet, dass ich es mir nicht leisten kann, mich hinzusetzen und eine vergleichende Clan-Flottenforschung anzustellen. Ergo ist die für mich vorteilhafteste Möglichkeit, dir einen exorbitant hohen Lohn im Voraus aus der Tasche zu leiern und darauf zu bestehen, weiterhin verwöhnt zu werden. Dann können wir von mir aus feilschen, streiten und eine Einigung erzielen. Eine, mit der ich zufrieden sein werde, versteht sich.“

„In Ordnung. Aber wenn das so ist, warum bist du dann zu 95 % dabei und nicht zu 100 %?

„Damit du es dir nicht zu bequem machst“, sagte ich und grinste breit. „Ich bin ein sehr unberechenbares Wesen, weißt du, also wäre es gut, wenn du mich weiterhin hätschelst und tätschelst.“

„Gehätschelt und getätschelt willst du werden? Das wäre geradezu so, als wollte man ein Stachelschwein mit giftigen Borsten umarmen. Aber ich tue mein Möglichstes. Vielen Dank für die Antwort. Jetzt bist du dran.“

„Äh...“ Ich saß eine Weile in Gedanken versunken da. Ich hatte nicht vor, der Baronin irgendwelche Fragen zu stellen. Mein Kopf war plötzlich völlig leer. „Sogar ein Stachelschwein wie ich versteht, dass du versucht hast, mich in der realen Welt zu finden und dabei keine Mittel gescheut hast. Dass du noch keine Schritte in diese Richtung unternommen hast, glaube ich dir nicht. Ich frage mich, wie weit du schon gekommen bist.“

„Äh. Nicht so weit.“

„Aha“, sagte ich und wagte einen erleichterten Seufzer. „Nicht so weit klingt gut...“

„Hier, ich zeige dir, was wir bis jetzt herausgefunden haben.“ Die Baronin holte ein schwarzes Notizbuch aus einer kleinen Wildledertasche an ihrem Gürtel, blätterte ein paar Seiten durch und legte das Notizbuch auf den Tisch. „Sieh selbst.“

Ein Lichtstrahl schoss aus dem aufgeschlagenen Notizbuch in die Luft und formte eine gelbliche Wolke, die langsam und schimmernd zu einer Art Filmleinwand wurde. Dann begann das Video. Nach kaum einer Minute saß ich bereits wie gebannt da.

Die Szene spielte sich in irgendeinem Park in Waldyra ab. Definitiv nicht Algora. Ich konnte den ersten Sprecher nicht sehen. Er hatte das Video „mit den Augen“ aufgenommen. Die Person, mit der er sprach, konnte ich jedoch sehr gut erkennen.

Es war eine Frau. Ein Mensch. Sehr aufreizend gekleidet. Eine bombastische Kombination aus Übermaß und Provokation. Das Dekolleté üppig, die Taille fast grotesk schmal. Der untere Teil ihres Körpers war durch den Tisch verdeckt, an den sie sich gelehnt hatte, und sie schaute mich, oder besser gesagt die Person, die das Video aufgenommen hatte, aus riesigen violettfarbenen Augen an. Sie hatte eine seltsame Frisur. Lange Strähnen, an anderen Stellen fast rasiert, und in einige Stränge war alles Mögliche eingewoben, von kleinen Goldelementen angefangen hin zu Fäden und Perlen. Sie trug auffälliges Make-up, riesige goldene Ohrringe, opulente Ringe mit Edelsteinen an jedem Finger. Dieser Schmuck schien ihre Stats zwar ein wenig zu verbessern, war aber insgesamt bestimmt nicht sonderlich nützlich. Der Spitzname über ihrem Kopf lautete Lenolia Legro, und die karmesinroten Buchstaben brandmarkten sie als PK. Level 103. Wahrscheinlich war sie eine Magierin, mit Sicherheit konnte ich es nicht sagen. Aber ihr Aussehen, ihre Klasse und ihr Name waren mir bald völlig egal. Es waren die Worte, die aus ihrem mit knallig kobaltblauem Lippenstift geschminkten Mund kamen.

„Du weißt schon“, sagte ihr Gesprächspartner leise, „dass uns dein Wort allein nicht reicht. Wir würden gern einen ausführlicheren Bericht hören, wenn es dir nichts ausmacht.“

„Meine Güte, wie anstrengend du bist!“ Lenolia Legro seufzte theatralisch. „Wenn ich es dir doch sage. Er ist es. Dieser Typ. Er ist es wirklich.“

„Könnten wir bitte seinen Namen erfahren?“

„Es ist Rostislaw. Rostislaw Grokhotov. Hier in Waldyra nennt er sich zwar Rosgard, aber das ist sein richtiger Name. Und die dunkelhaarige Tussi, Kyrea die Beschützerin in Waldyra, heißt Kyre. Sie hat sich mir so vorgestellt. Persönlich.“

„Rostislaw Grokhotov und Kyre. Weißt du zufällig ihren Nachnamen?“

„Keine Ahnung.“

„Und wo habt ihr euch getroffen?“

„In unserem Stadtpark.“

„Und wie heißt die Stadt?“

„Hör mal, Mann, lass es gut sein, okay? Rosgard ist Rostislaw Grokhotov, und ja, ich bin mir sicher. Du willst mehr wissen? Öffne die Tasche und lege die Teile der Smaragdschwalbe vor mir auf den Tisch, wie du es versprochen hast. Ich bringe sie in mein privates Zimmer und wir reden weiter. Ein bisschen Gold und ein paar Diamanten könnten auch nicht schaden, kapiert? A girl’s best friend, weißt du doch.”

„Es wird bereits alles vorbereitet“, sagte ihr Gesprächspartner beruhigend. „Aber du verstehst bestimmt, dass wir sicher sein müssen. Rostislaw in der realen Welt ist eine Person. Rosgard hier könnte eine ganz andere sein. Wie kommst du darauf, dass es sich um dieselbe Person handelt?“

„Denkst du, ich würde ihn nicht erkennen? Fünf Videos von ihm waren mehr als genug für mich! Spätestens beim dritten Video war mir klar, dass der virtuelle Rosgard der echte Rostislaw ist! Wie er geht! Wie er nickt! Wie er seine Arme hält! Wie er sich ständig am Hinterkopf kratzt, wie es nur Idioten tun, mit allen Fingern außer dem einen, den er so hält, als würde er ständig allen den Mittelfinger zeigen. Und wie er mit den Leuten spricht. Wie er lacht. Ich weiß alles über seine Eigenheiten und seine Körpersprache. Ich hätte ihn als grünen Halbork wiedererkannt! Die Tussi ist mir erst später eingefallen, als sie zusammen in dem Video aufgetaucht sind. Rostislaw und Kyre hier und Rosgard und Kyrea dort. Ein und dieselben Personen. Kreativität bei den Spitznamen ist nicht jedermanns Sache, Jedenfalls habe ich recht. Also, wo ist meine Smaragdschwalbe?“

Ich saß während der gesamten Dauer des Videos zur Salzsäule erstarrt da. Es hatte keinen Sinn, mich weiter zu verstellen. Bei „Rostislaw Grokhotov“ war ich zusammengefahren, als hätte ich einen Strom führenden Draht berührt. Damit hatte ich nicht gerechnet und mich mit einer einzigen unvorsichtigen Bewegung verraten.

„Sehr spannend, dass du mir dieses Video zeigst“, sagte ich ruhig, als der „Horrorfilm“ zu Ende war und das flackernde Licht erlosch. „Sollte man solche wertvollen Daten nicht wie ein Ass im Ärmel verstecken?“

„Lenolia Legro würde die eigene Großmutter verhökern, und sie ist unglaublich gierig, zumindest hier in Waldyra“, sagte die Baronin. „Sie verkauft die Informationen an jeden Clan und jede Einzelperson, die daran interessiert ist, solange sie einen Wert haben. Momentan kosten sie das komplette Smaragdschwalbenset. Am Ende wird sie froh sein, wenn sie eine Handvoll Kupferlinge dafür bekommt. Aber auch damit wird sie zufrieden sein. Sobald die Informationen öffentlich werden, wird jeder wissen, dass der legendäre Rosgard in Wirklichkeit Rostislaw heißt, in welcher Stadt er wohnt, seine Straße kennen und sein Wohnhaus und seine Wohnungsnummer. Ich weiß all das bereits. Aber noch weiß niemand, dass dieser Rosgard, der in Wirklichkeit Rostislaw heißt, der Große Navigator ist. Übrigens lebt die Kerngruppe der Albatrosse auch in deiner Stadt. Ob ihr wohl Nachbarn seid? Hm?“

„Verdammtverdammtverdammt!“ Meine innere Stimme kreischte seit Minuten nichts anderes.

„Übrigens. Deine Ex, das ist vielleicht eine spannende Person. Eine richtige Lenolia Legro, ha! Na, Ros, du siehst aus, als würdest du dich gleich ausloggen, ihr die Tür eintreten und ihr unmissverständlich darlegen, was du von ihr hältst.“

„Kannst du hellsehen?“, fragte ich zähneknirschend und musste mich richtig beherrschen, keine tiefen Rillen in den Armlehnen des hölzernen Stuhls zu hinterlassen, in denen ich mich verkrallt hatte. Die Möbel hier waren teuer.

„So gut wie. Nun, Rostislaw, freut mich, dich wieder mal kennenzulernen! Ich bin die Schwarze Baronin!“

„Du verrätst mir deinen richtigen Namen nicht, oder?“

„Ausgeschlossen“, erwiderte die Clanführerin der Rastlosen. „Niemals. Und du hast nicht die geringste Chance, in Waldyra auf einen meiner Ex-Freunde zu treffen, der etwas über mich verraten könnte.“

„Was ist, wenn ich auf deinen kleinen Bruder treffe? Dein eigen Fleisch und Blut, sozusagen?“, fragte ich. „Bist du dir sicher, dass er mir nichts verraten wird, wenn ich ihn im Gegenzug zu einem waghalsigen und möglicherweise äußerst interessaaanten Abenteuer einlade?“

„Was möchtest du denn wissen?“ Ein vernarbter Glatzkopf war aus dem angrenzenden Saal geschlendert gekommen und hatte jedes Wort ohne den für ihn typischen Tonfall ganz klar und deutlich ausgesprochen. „Die physikalischen Parameter? Ihre drei traurigen Maße? Also erstens hat sie in der echten Welt fünf Körbchengrößen weniger. Miiindestens!“

Zack!

Die zierliche Baronin hatte buchstäblich mit links einen Tisch hochgehoben und elegant in Orbits Richtung geschleudert. Der Tisch prallte gegen die Tür. Orbits Kopf wurde eingeklemmt und er begann wie verrückt zu zucken, um sich aus der Falle zu befreien und so weit wie möglich wegzukommen, bevor die Baronin ihn erwischte. Die Götter waren ihm offenbar wohlgesinnt, denn es gelang ihm tatsächlich, sich aus dem Staub zu machen.

„Ich bin Rostislaw“, sagte ich seufzend und betrachtete den mir zugewandten bebenden Rücken der wütenden Baronin. „So viel ist richtig. Bitte belästige niemanden unter meiner alten Adresse. Ich bin umgezogen. Und noch etwas: Versuche gar nicht erst, etwas über Kyre herauszufinden. Sie hat nichts mit alledem zu tun. Das meine ich todernst. Mich hast du jetzt. Aber wenn du versuchst, Informationen über Kyrea, oder von mir aus Kyre, meine Verwandten und die, die mir nahestehen, zu sammeln, werde ich wirklich sehr wütend.“

„Ich werde nicht fragen, was passiert, wenn du sehr wütend wirst“, sagte die Baronin und ging zurück an ihren Platz. „Sieh einfach zu, dass du mit mir in Kontakt bleibst, Ros. Sorge dafür, dass du alle meine Nachrichten beantwortest, damit ich den Großen Navigator nicht über die Leute ausfindig machen muss, die ihm nahestehen. Ich bin nicht bösartig, aber ich muss mich gelegentlich so verhalten, besonders in letzter Zeit. Muss ich dir Ratschläge jeglicher Art geben, wie du dich verhalten sollst, wenn du bald nicht mehr inkognito bist und ganz Waldyra deinen richtigen Namen und einen Haufen anderer Dinge über dich erfährt?“

„Nein, danke”, sagte ich und schüttelte den Kopf. „Das bekomme ich schon hin.“

„Sehr gut. Ich bewundere fähige, unabhängige Männer, die wissen, wie man schwierige Situationen meistert. Sehr. Warum heiraten wir nicht, Ros?“

„Haaa...?!”

Dieser erstaunte Seufzer war nicht mir entwischt. Die Tür, die gerade noch den Tisch abbekommen hatte, öffnete sich langsam und gab den Blick auf Orbit und Flüsterer frei, die uns offensichtlich die ganze Zeit über belauscht hatten und gerade zusammensanken wie zwei Schulbuben, die man bei einem Streich erwischt hatte. Das war ein weiteres Zeichen dafür, wie bedingungslos die Baronin diesen beiden Clowns vertraute. Ihnen folgte Callowans zotteliger Rüssel, der wie ein Sehrohr um die Tür gefahren kam. Unweit der Tür krachte eine Rüstung in sich zusammen. Der nächste Lauschangriff. Offenbar waren eine ganze Reihe von Leuten in der Nähe, die dafür sorgten, dass unserem Gespräch unter vier Augen möglichst wenige weitere Augenpaare beiwohnten.

„Ich glaube, ich habe dich nicht richtig verstanden“, sagte ich.

„Ich würde sehr gern deine Frau werden“, wiederholte die Schwarze Baronin und klimperte mit den Wimpern. „Ich kaufe die Ringe.“

„Okay, diesmal habe ich dich richtig verstanden, aber kapieren tu’ ich trotzdem nichts“, murmelte ich und schürzte verwirrt die Lippen. „Komm mir jetzt bloß nicht mit irgendeinem romantischen Gefasel. Und bitte keine Liebeslieder.“

„Oh, aber warum denn nicht, warum denn kein kleines Liedchen?“, rief Orbit mit übertriebenem Pathos aus seiner horizontalen Position auf dem Boden.

„Love me... tender...“, hauchte Flüsterer neben dem kahlen Elfen.

„Klappe!“, bellte die Baronin, und die beiden Witzbolde krochen außer Sichtweite. Callowan schloss die Tür mit dem Rüssel. „Versteh mich nicht falsch, Ros. Du bist ein Bild von einem Mann und so weiter und so fort. Aber ich bin nicht auf den Platz der Frau des Großen Navigator aus. Noch mehr Rampenlicht kann ich nicht brauchen. Aber die Mutter einer zukünftigen Göttin zu sein, würde mich schon sehr interessieren.“

„Nun ja“, sagte ich nachdenklich und betrachtete meine Tochter umgeben von drei Näherinnen, die mit dem Können von Profis und der Leidenschaft von Künstlerinnen flink ihrer Arbeit nachgingen. „Du bist ein sehr offener Mensch, wie ich sehe."

„Habe ich dir nicht gesagt, dass es an der Zeit ist, nicht mehr um den heißen Brei herumzureden?“

„Was genau bedeutet das?“

„Ich wäre eine ausgezeichnete Mutter“, versicherte die Baronin mir. „Und ich würde keine Mühen scheuen, damit meine Tochter ihren Platz auf dem Äquivalent des Olymp hier in Waldyra einnehmen kann. Um es in leicht verständliche Worte zu fassen: Jedem, der sich mit meiner Tochter anlegt, reiße ich den Arsch auf. Mit Guorra wische ich den Bode, bis sie um Gnade wimmert. Klar, was ich meine?“

„Natürlich“, sagte ich sofort. „Aber ich würde es vorziehen, für eine Weile ein alleinerziehender Vater zu bleiben.“

„Wenn das so ist, was ist dann mit dir und Kyrea? Sobald das Kind einen Namen hat, wird es anfangen, sich für die Menschen um dich herum zu interessieren und Fragen zu stellen. Zum Beispiel: ‚Wer ist denn die Frau da? Und wer die? Und die da?‘ Was wirst du ihr antworten, wenn sie dich nach Kyrea fragt?“

„Äh...“

„Also denk darüber nach, Ros. Lehne mein Angebot nicht rundheraus ab. Und wie ich schon sagte, ich werde die Ringe besorgen. Überleg’s dir. Noch hast du Zeit, aber die verstreicht unaufhaltsam. Und vergiss nicht, Ros, ich kann viel mehr für eine kleine Göttin tun als ein Paladin aus dem Albatros-Clan. Ach, übrigens. Ich bin sicher, du kennst ein paar von ihren Oberhäuptern. Würdest du ihnen bitte eine Nachricht von mir übermitteln?“

„Die da wäre?“

„Sag ihnen, dass nur ein absoluter Vollidiot eine Kämpferin wie deine Kyrea dazu bringen konnte, ihren Charakter zu löschen und von vorn anzufangen! Das war es nicht wert. Und wenn man bedenkt, dass sie in letzter Zeit die meiste Zeit mit dir und nicht mit ihrem eigenen Clan verbracht hat? Dann war es das eindeutig nicht wert.“

Die Rastlosen müssen auch diese Infos zusammengetragen haben, dachte ich bei mir. Andererseits wäre es unmöglich, das Verschwinden einer hochrangigen Paladinkämpferin aus den Reihen der Albatrosse und das plötzliche Auftauchen einer anderen — im Newbie-Format, aber derselben Klasse — nicht zu bemerken. Ein weiterer Zufall, ein weiteres Puzzlestück, ein weiterer roter Faden, und es wurde immer einfacher, Fakten zu verbinden und bestimmte Schlussfolgerungen zu ziehen.

„Ich habe einen einzigartigen Zauber gelernt und alle Pläne der Albatrosse über den Haufen geworfen“, erklärte ich.

„Das spielt keine Rolle“, sagte die Baronin mit einer abweisenden Geste. „Du hast keine Ahnung, wie oft andere Clans ihr angeboten haben, sich ihnen anzuschließen, und welche Versprechungen sie ihr gemacht haben. Sie hat stets abgelehnt. Sie ist ein echter Samurai. Ihr Wesen und der Ehrenkodex, dem sie folgt, zeugen davon.”

„Ich werde mich um sie kümmern“, versprach ich.

„Es liegt an dir. Denk auf jeden Fall über eine Ehe mit mir nach. Und jetzt bist du dran. Ich habe meine Frage gestellt. Obwohl sie eher ein Angebot war. Ein geschäftliches. Zumindest so gut wie. Also, schieß los.“

„Meine Frage ist dafür eher eine Bitte. Es wäre wirklich hilfreich, wenn ich mich einmal mit eurem besten Magier unterhalten könnte. Einem Magier, der alles darüber weiß, wie man so schnell wie möglich so viele Manapunkte wie möglich bekommt.“

„Genug für einen bestimmten... einzigartigen Zauberspruch?“

„Unter anderem“, sagte ich. „Und wenn der betreffende Magier etwas über Ausrüstungen weiß, die Mana verstärken, wäre das noch hilfreicher.“

„Verstanden“, sagte die Baronin. „In Ordnung. Ich habe schon eine Nachricht verschickt. Malice wird bald hier sein. Er ist für die mächtigsten und manaintensivsten Zaubersprüche zuständig. Du sagst ihm deine Stats, und er wird dir eine detaillierte Anleitung geben. Du solltest auch mit unserem Lagerverwalter und unserem Ausrüstungsspezialisten sprechen. Sie finden für dich die besten Optionen für dein jetziges Level und für deinen weiteren Aufstieg. Du kannst du alles, was du benötigst, ohne Aufpreis kaufen. Gib mir eine Sekunde. Ich gebe die entsprechenden Anweisungen.“

„Danke!“, sagte ich aufrichtig.

Die Baronin wechselte einige Worte mit der gepanzerten Wache, die bereits nach oben gekommen war. In der Zwischenzeit öffnete ich meine Nachrichten und begann ein paar Zeilen an eine Spielerin mit dem Spitznamen Lenolia Legro. Als ehemaliges Mitglied meines inneren Kreises war auch sie verwundbar. Sosehr ich sie auch hasste, wollte ich doch nicht, dass sie in ernsthafte Schwierigkeiten geriet.

„Liebste Frau Judas,

hier ist Rosgard, auch bekannt als Rostislaw Grokhotov, dein dummer und langweiliger Ex-Mann. Wie ist das werte Befinden? Ich hoffe, dein hochgeschätzter Vater ist bei guter Gesundheit. Es regnet hier, Frau Judas, dass es ein Grausen ist. Überall Pfützen! Der Regen lässt immer ganz bestimmte, beinahe stille Saiten der menschlichen Seele erklingen, findest du nicht auch? Ach, was ich sagen wollte... Bist du jetzt völlig übergeschnappt, du dumme Nuss? Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“

Meine Beherrschung eines blumigeren Stils ließ wie immer zu wünschen übrig. Ich war eben ein Kulturbanause. Aber ich gab mein Bestes. Als der Text hingerotzt war, überlegte ich es mir anders.

Warum tat ich mir das an?

Ich würde ihr schreiben. Sie mir antworten. Dann würden wir uns einen sarkasmusgetränkten Briefkrieg liefern und einander auf die Palme bringen. Das würde eine Menge Zeit und Energie kosten. Und meine Zeit war im Moment knapp bemessen. Mein Schiff wurde buchstäblich von einer Plage nach der anderen heimgesucht. Ich konnte mir keine weiteren ungebetenen Passagiere leisten. Dann würden wir alle untergehen.

Trotzdem hatte ich das Gefühl, meine Ex warnen zu müssen. Sie hatte mich in eine Zwickmühle gebracht und mir eine Seite gezeigt, von der ich nicht einmal geahnt hatte, dass es sie gab. Ich war immer noch perplex. Aber ich konnte sie nicht einfach so ins offene Messer laufen lassen. Deshalb stand ich auf, ging auf die drei vornehm aussehenden Angestellten an der hinteren Wand des Saals zu und bat um ein paar Utensilien, die mir sofort zur Verfügung gestellt wurden.

Diesmal blieb ich kurz und sachlich. Auch auf den bissigen Ton verzichtete ich.

„Hey. Du hast keine Ahnung, was du dir eingebrockt hast, indem du Rosgards Identität aufgedeckt hast. Und zwar nicht von mir. Das Ganze ist wirklich ernst. Ich will dir keine Angst machen, ich möchte dich nur warnen. Halte die Augen offen. Ich melde mich demnächst. Rosgard.“

Da der Brief leicht abgefangen werden konnte, beschloss ich, nicht gleich offen zuzugeben, dass Rosgard und Rostislaw ein und dieselbe Person waren. Mein Ton war neutral. Keine Beschimpfungen, keine Bestätigungen. Ich übergab den Brief einem der Angestellten und bat höflich darum, ihn so schnell wie möglich abzuschicken. Man versicherte mir, dass er höchste Priorität haben würde. Ein Mitglied der Rastlosen würde den Brief abfangen und lesen, dessen war ich mir sicher, aber es war mir jetzt egal. Ich hatte mich mittlerweile an diesen Mantel- und Degenunsinn gewöhnt. Ich würde mich in der wirklichen Welt um Fräulein Legro kümmern müssen. Sie hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt auftauchen können. Verdammt! Als würde man versuchen, ein Feuer mit Benzin zu löschen.

Damit noch nicht genug. Die Gemälde, die in jedem Gasthaus und jeder Taverne Waldyras hingen und auf denen das schwarze Quadrat immer kleiner wurde, würden bald meine Identität preisgeben. Dann würde endgültig jeder wissen, dass der Spieler Rosgard den Zauberspruch gelernt hatte und sein richtiger Name bereits ein offenes Geheimnis war. Ich fluchte wieder. Bald würde es so richtig rundgehen.

Im Zweifelsfall musste man sich von den Klassikern inspirieren lassen. „Niemand erwartet die Spanische Inquisition!“

Was mir blühte, war kaum die Art von Ruhm, die mich interessierte. Dass mein Leben zu einer Reality-Show für Millionen von Zuschauern wurde, war das Letzte, wovon ich jemals geträumt hätte. Ich brauchte eine Pause, um mich erst einmal zu beruhigen, bevor ich meiner Ex im wirklichen Leben gegenübertreten konnte. Ich war so wütend auf sie, dass ich Angst hatte, eine Dummheit zu begehen. Das Leben von jemandem, der einmal ihr Ehemann gewesen war, war so viel wert wie diese Smaragdschwalbe, was auch immer sie war.

Am liebsten hätte ich mir theatralisch die Hand auf die Stirn gelegt, ein Tränchen verdrückt und „Oh, ich armer Tropf“ gehaucht. „Oh, ich armer Tropf. Ich bin verloren.“

Da fiel mir ein, dass ich wohl auch schnellstens unseren Sicherheitsdienst warnen sollte. Diese neuen Informationen änderten alles. Bisher konnte zwar noch niemand beweisen, dass die von der guten Helen freundlich zur Verfügung gestellten Informationen wahr waren. Aber das würde nicht lange dauern. Jeder, der bisher Interesse an mir bekundet hatte, würde besonders aufgeregt sein, wenn herauskam, dass ich der Große Navigator war. Das Letzte, was ich wollte, war, dass jemand gegen die Wohnungstür klopfte, gefolgt von einer unheimlichen Stimme, die nach mir rief. „Oh, Rosgaaard! Bist du da drin? Komm doch spielen!“ Oh Mann!

„Mann, HELEN!“, jaulte ich so laut, dass es durch den Saal hallte.

„Mirren!“, kam es prompt aus dem Nebenzimmer.

„Irren!“, sagte eine weitere Stimme wie ein konfuses Echo aus der anderen Richtung.

„Klirren!“ Eine letzte Stimme zog einen Schlussstrich unter diesen idiotischen Austausch. Sie kam von oben, irgendwo in den hängenden Gärten des Gebäudes.

„Habt ihr wirklich nur Unsinn im Kopf, ihr Arschgeigen!“, rief ich genervt, doch dann musste ich unwillkürlich lachen. „Immer noch besser als Selbstmitleid. Verdammt! Ihr alle bringt mich noch ins Grab!“

„Na, na, nicht gleich katastrophisieren“, sagte der Spieler, der gerade die Halle betreten hatte, anstelle einer Begrüßung. „Rosgard!“

„Hallo.“ Ich nickte ihm zu. „Tut mir leid, wenn ich dich störe.“

„Ach, keine Ursache, das hier ist weitaus interessanter als alles andere, was ich zu tun habe“, sagte der hochkarätige Kampfmagier, der eine Art bombastischen Regenmantel mit einer riesigen Kapuze trug. „Ich habe die Nase gestrichen voll davon, bei strömendem Regen durch Salzminen zu kriechen und diese verfluchten Salzgolems zu finden, die einfach nicht schmelzen wollen! Du hast ja keine Ahnung, was deine Leute angerichtet haben. Ein absoluter Albtraum. Ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll. Wo ist dieses verdammte Mammut, dem ein Gott in den Rüssel gefurzt hat oder was auch immer? Her mit ihm! Und seinem glatzköpfigen Reiter! Auf einem Servierteller, mit je einem Apfel im Maul, damit ich sie braten kann!”

„Fass Caaaallowaaan an und ich werde dich verfluuuchen!“, heulte ein bleicher Geist, der sich kurzerhand durchs Schlüsselloch gequetscht hatte.

„So schlimm?“, sagte ich mitfühlend zu Malice und meinte es auch so.

„Aber beinahe immer gewinnbringend für den Clan“, sagte die Baronin, die sich uns lautlos genähert hatte. „Orbit ist wie eine unberechenbare, wiederverwendbare Granate. Er geht irgendwo hoch und hüpft fröhlich weiter. Und dann kommen wir vorbei und fragen, ob wir irgendwie helfen können. In den meisten Fällen bedanken sie sich überschwänglich und unterbreiten uns einen lukrativen Vertrag für irgendeine gefährliche Arbeit. Orbits jüngste Eskapade ist ein perfektes Beispiel dafür, wie es meistens abläuft. Aus einem kleinen Salzgolemaufstand wurde ein großer Krieg. Nach der Blockade mehrerer Orte verwandelten diese sich in Schlachtfelder. Orbit war natürlich nicht allein. Alle deine Freunde haben einen wertvollen Beitrag geleistet. Aber sie werden dir bestimmt selbst alles erzählen. In der Zwischenzeit wird der gute Herr Malice alles in seiner Macht Stehende tun, um dir zu helfen, nicht wahr, Malice?“

„Und wie genau kann ich dir dienen?“, fragte der Magier, während er seinen Regenmantel ordentlich zusammenfaltete und über die Lehne eines Stuhls legte.

„Mana. Eine Menge. Eine verdammt große Menge Mana“, erklärte ich.

„Mana ist immer gut“, stimmte Malice zu. „Könntest du etwas genauer sein? Zum Beispiel, wie viel Mana dir vorschwebt?“

„10.000 Punkte!“, platzte ich heraus.

Andächtige Stille.

„10.000 Manapunkte.“ Malice bearbeitete mit zwei Fingern seine Unterlippe und starrte auf den exquisiten Parkettboden. „Na, man soll ja große Träume haben, heißt es. Ich brauche bitte vollen Zugriff auf alle Daten über deine Stats, Fähigkeiten, Errungenschaften und so weiter. Eine Sache noch: Tu mir einen Gefallen und sag mir bitte, dass du einen Top-Account hast. Du bist doch nicht etwa ein Pinocchio, oder? Ich habe nichts gegen Leute, die hart und ehrlich arbeiten, um sich ein paar Groschen zu verdienen, aber in unserem Fall...“

„Diamantenkonto“, sagte ich, und der Magier atmete auf.

„Das wird mir die Sache erleichtern. Also, bekomme ich Zugang?“

„Sekunde.“ Ich nickte eifrig, während ich das Menü aufrief und eilig auf die nötigen Symbole klickte. „Okay, bereit.“

„Mal sehen, mal sehen...“, murmelte der Magier.

Vor ihm war ein Fenster mit vielen Zeilen und Zahlen aufgetaucht. Alles, was es über mich zu wissen gab. Meine gesamte Akte in Waldyra. Malice war nicht der Einzige, der sich dafür interessierte. Die Schwarze Baronin blickte ihm gespannt über die Schulter. Ich verbarg nichts. Es hätte wenig Sinn ergeben, sie zuerst um Hilfe beim Aufleveln zu bitten und die Informationen über die notwendigen Daten später zu verschweigen. Genauso wenig wäre es klug gewesen, Malice einzuweihen, aber die Baronin nicht, denn er würde ihr ohnehin alles bei ihrem abendlichen Bierchen erzählen. Sie würden gemeinsam über meine Fehler und dummen Ambitionen lachen. Ich wusste ja, wie diese Leute drauf waren.

„Alles kopiert“, informierte mein Ausbilder in spe mich. „Alles streng vertraulich, versteht sich. Ich werde ein oder zwei Tage brauchen, okay? Ich muss ein Modell entwickeln, alle Optionen für deine späteren Fähigkeiten, Errungenschaften, die Verteilung der Stat-Punkte und so weiter abschätzen, dann Ausrüstungssätze vergleichen, Elixiere an Menschen testen. Du bekommst die volle VIP-Behandlung. Meine einzige, aber wichtige Bitte ist folgende: Wenn du in diesen zwei Tagen levelst, lass deine Punkte, wo sie sind. Wenn du in dieser Zeit irgendeine Errungenschaft erlangst, benachrichtige mich sofort privat. Abgemacht?“

„Klar, absolut“, sagte ich mit ungeheuchelter Dankbarkeit. „Danke!“