Die Nullform (Buch 7): RealRPG-Serie - Dem Mikhailov - E-Book

Die Nullform (Buch 7): RealRPG-Serie E-Book

Dem Mikhailov

0,0
7,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dieser Ort, der schon viele verschlungen hat und nur zermahlene Knochen übriglässt, zieht Elb und sein Team immer tiefer in seine verrottenden Eingeweide. Im Kampf gegen die ewig hungrigen Bestien, die einst Menschen waren, gewinnt Elb schnell an Ansehen und Respekt bei den anderen Zombiejägern. Doch Zombieland kann selbst die skrupellosesten Jäger aufhalten und töten. Diesmal spuckt das System die unmöglich zu lösende Blaulicht-Quest aus, deren Koordinaten wie folgt lauten: Raum Nr. 191-28 Schmerz. Niemand hat diesen Raum je erreicht, und alle, die diese Quest gestellt bekommen haben, sind im entsetzlichen Zombieland spurlos verschwunden. Die Blaulicht-Quest des Systems kann nicht abgelehnt werden und ist für jeden eine Todesfalle, doch der hartnäckige Elb nimmt sie unbeirrt an, denn er weiß, dass es ein weiterer Schritt nach vorne und nach oben ist – und damit ein weiterer Schritt zu den Antworten auf viele Geheimnisse. Lies den nächsten Teil der finsteren und diabolischen Nullform-Saga auf Deutsch, vom Autor der gefeierten LitRPG-Serie „Herrschaft der Clans – Die Rastlosen“.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Über den Autor

Die Nullform

Eine LitRPG-Serie von Dem Mikhailov

Buch #7

Herausgegeben von Magic Dome Books in Zusammenarbeit mit 1C-Publishing

Die Nullform, Buch #7

Originaltitel: Nullform, Book #7

Copyright © Dem Mikhailov, 2023

Covergestaltung © Sergei Kolesnikov, 2023

Designer: Vladimir Manyukhin

Deutsche Übersetzung © Valeria Treise, Ruben Zumstrull, 2023

Lektor: Youndercover Autorenservice

Herausgegeben von Magic Dome Books in Zusammenarbeit mit 1C-Publishing 2023

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00

Praha 9 Czech Republic IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Buch ist nur für deine persönliche Unterhaltung lizensiert. Das Buch sollte nicht weiterverkauft oder an Dritte verschenkt werden. Wenn du dieses Buch mit anderen Personen teilen möchtest, erwirb bitte für jede Person ein zusätzliches Exemplar. Wenn du dieses Buch liest, ohne es gekauft zu haben, besuche bitte deinen Shop und kaufe dir dein eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass du die harte Arbeit des Autors respektierst.

Die Personen und Handlung dieses Buches sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung mit realen Personen oder Vorkommnissen wäre zufällig.

Laden Sie unseren KOSTENLOSEN Verlagskatalog herunter:

Geschichten voller Wunder und Abenteuer: Das Beste aus LitRPG, Fantasy und Science-Fiction (Verlagskatalog)

Neue Bestellungen!

Aufgetaut (Unfrozen) LitRPG-Serie

von Anton Tekshin

Die Triumphale Elektrizität Steampunk Roman

von Pavel Kornev

Phantom-Server LitRPG-Serie

von Andrei Livadny

Der Neuro LitRPG-Serie

von Andrei Livadny

Einzelgänger LitRPG-Serie

von Alex Kosh

Deutsche LitRPG Books News auf FB liken:

facebook.com/groups/DeutscheLitRPG

Prolog

„Papa, Papa, wohin führst du mich?“

„Papa? Nein, mein Junge, ich bin nicht mehr dein Papa. Ich bin ein Zombie. Und du bist meine Ration.“

„Ration? Ist Ration was Gutes, Papa, oder was Schlechtes?“

„Natürlich etwas Gutes, mein Junge. Eine Ration hat ein klar definiertes Schicksal. Du wirst dein Lebensziel auf jeden Fall erreichen, und das ist immer etwas Gutes.“

„Das freut mich, aber wann? Wann werde ich dieses Ziel erreichen?“

„Siehst du die Ruinen da vorne?“

„Ja.“

„Dort wird sich alles abspielen.“

„Dann lass‘ uns schneller gehen, Papa!“

„WAS KANNST DU SEHEN, Junge?“

„Eine Leiche, die von Krabben aufgefressen wird.“

„Und was ragt da aus dem Loch über ihrem Bauchnabel?“

„Es sieht aus wie eine Zange. Die Krabbe ist in dem aufgerissenen Bauch stecken geblieben und wurde zerquetscht. Wie lustig, vom eigenen Essen zerquetscht! Wir haben nie genug zu essen.“

„Also hat die Leiche ein lebendes Wesen gefressen?“

„Kommt es vor, dass die Toten die Lebenden fressen?“

„Offenbar schon.“

„Aber es ist falsch.“

„Sag‘ das dem vollgefutterten Leichnam, Junge. Siehst du, wie er dich anlächelt?“

„Man hat ihm die Lippen abgekaut. Und die Zunge.“

„Und dennoch grinst er satt und zufrieden. Was glaubst du, wer gewonnen hat? Die Toten oder die Lebenden?“

„Ich glaube, er hat etwas Glänzendes in der Tasche, das ihm abgenommen werden muss.“

„Deshalb wirst du es weit bringen, Junge. Du siehst das Wichtigste und lässt dich nicht vom dummen Lächeln der Satten ablenken, wenn du selbst hungrig bist. Sehr gut. Ich ziehe ihn mit der Hakenstange rüber und fixiere ihn. Du kontrollierst seine Taschen.“

„Aber dieses Mal teilen wir die Beute in zwei gleiche Teile auf, nicht nach Alter oder Fairness.“

„Du wirst es definitiv weit bringen. Abgemacht. 60:40 und ein kluger Ratschlag gratis dazu.“

„Na gut. Was für ein Ratschlag?“

„Lass dich niemals von kostenlosen Ratschlägen täuschen, Junge. Es endet immer teuer. Ich halte ihn fest. Mach schnell, bevor dieser Fleischpuddingklumpen auf dem Felsen noch komplett auseinandergerissen wird.“

* * *

Ich zeigte es ihm bei einem Lauf um den Himmlischen Park Nr. 7.

Es ist nicht schwer, einen günstigen Zeitpunkt zu finden, wenn man weiß, dass sein Opfer nicht allzu beschäftigt ist und seinen Zeitplan strikt einhält.

Herr Ed Irving alias Edward Thomas Irving war ein cleverer und gerissener freiberuflicher Journalist, der sich hinter der verifizierten, aber anonymen digitalen Signatur am Ende jedes seiner Artikel auf „Reise in den Abgrund“ versteckte — dem meistbesuchten Nachrichtenportal der Welt. Das Portal unterschied sich von anderen dadurch, dass es nur bestätigte Informationen veröffentlichte. Wenn ihm ein Fehler unterlief, entschuldigte es sich sofort und widerrief seine Aussagen. Es bemühte sich in jeder Hinsicht, ein solides Netzwerkmedium zu sein und seinem 100 Jahre alten Schöpfer Peter Falk, der nicht vorhatte, den Fuß vom Gas zu nehmen, ein monatliches Einkommen in Millionenhöhe zu erwirtschaften. Falk schützte seine Journalisten zuverlässig, bezahlte sie großzügig und wahrte ihre Anonymität. So kam es, dass der erst 27-jährige, aber bereits weithin bekannte Journalist Ed Irving immer erfolgreicher wurde, während er seinen richtigen Namen hinter dem Kürzel Saurer Hai 17 und einem Avatar eines grünzahnigen Haikopfes mit roter Brille verbarg.

„Oh Gott!“, rief Saurer Hai 17, als er den weichen Hang nicht länger hinunterpurzelte und mit gespreizten Beinen auf dem smaragdgrünen Rasen zum Stillstand kam. „Alles in Ordnung?“

Wollte die Maus von der Katze wissen.

Nur ein Narr würde unseren Zusammenstoß für einen Zufall halten. Kaum zu glauben, wie höflich! Er hatte nicht nach dieser Schlampe Mutter gerufen, sondern nach dem Herrn. Außerdem hatte er mich nicht einen verdammten Bastard genannt, sondern nach meinem Befinden gefragt. Das war es, was eine korrekte Erziehung ausmachte. Meine nächste Handlung würde direkt, korrekt und unbequem werden.

Durch meinen Tritt wurde seine markante knochige Nase dezimiert und seine linke Wange aufgerissen. Außerdem wurde eine seiner Augenbrauen gespalten, und er verlor ein paar seiner perfekten Zähne, während sich ein blutiger Sirup aus seinen Lippen und Nasenlöchern ergoss.

„Umpf!“

Der Bursche brach zusammen und warf die Ellbogen schützend vor sein Gesicht, bevor er in einem flüchtigen Schmerzensanfall zu zittern begann. Der Tritt ins Gesicht war wie ein Rumcocktail von Pablo, dem glatzköpfigen Barkeeper, der in einer meiner Lieblingskneipen arbeitete. Ein Schluck genügt, damit du spürst, wie deine Augäpfel mit einem Knacken aus ihren Höhlen kriechen, während deine Eier versuchen, sich eigenständig vom Ort der drohenden Explosion zu befreien. Dann macht es „Bumm“, und Tränen gesellen sich zum Gefühl warmer Dankbarkeit gegenüber dieser verrückten Welt, bis du eine Minute später für den nächsten Schluck bereit bist. Es zieht dich in seinen Sog.

Hai schien es zu gefallen, denn er löste seine blutroten und rotzverschmierten Hände von seinem Gesicht und blinzelte mich mit zusammengekniffenen Augen an — in Erwartung einer süßen, blendenden Zugabe.

Treffer.

„Мmmmm! МММММ!“

Ich ging in die Hocke, holte eine kleine Spritze aus meinem Mantel und injizierte nach zehn Sekunden Wartezeit ein Schmerz- und ein Beruhigungsmittel. Die Zeit drängte, denn dieser Ort lag abseits der ausgetretenen Pfade. Hier gab es viele Läufer, die von einem gesunden Leben besessen waren.

Die sieben Kronblätter der Gesundheit - das war die allgemeine Bezeichnung für die sieben Parks, die sich auf den Dächern der Wohntürme befanden und durch schwebende Alleen miteinander verbunden waren. Die Parks waren dicht mit vermeintlich lebendem Grün bepflanzt, das die Luft gewissenhaft reinigte und Sauerstoff produzierte. Der Zugang zu den Parks kostete natürlich Geld, allerdings konnte Hai es sich leisten — genauso wie er sich seine fürstlichen Wohnungen über der Wolkengrenze leisten konnte, die ihm automatisch die wahnsinnig teure Gelegenheit boten, sich tagtäglich an der echten Sonne zu erfreuen, die nur selten bis zur Oberfläche der sterbenden Erde vordrang. Obendrein konnte man auf der sonnigen Fensterbank problemlos den Kern einer beschissenen Avocado keimen lassen und ganz aufgeblasen und vor Hochmut nur so strotzend herumlaufen.

„Oh, Gott...“

„Ed, Ed“, sagte ich seufzend. „Saurer Hai 17, du Trottel hattest heute echt Glück. Nach allem, was du getan hast, schneide ich dir trotzdem nicht die Eier ab, um dich dazu zu zwingen, sie auf kleiner Flamme zu grillen und zu verspeisen. Und glaub mir, das hab‘ ich schon zweimal getan.“

„Oh Gott, ich weiß nicht, was du von mir willst. Ich kenn‘ dich doch gar nicht.“

„Aber ich kenne dich. Du bist Journalist.“

„Du verwechselst...“, begann der Bursche, brach jedoch ab, als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte.

„Gestern hast du einen heimtückischen Artikel geschrieben. Deinen ersten Artikel dieser Art. Schließlich ist dir dein Ruf immer wichtig gewesen, nicht wahr, Hai? Dieses Mal wurde dir jedoch so viel für den Artikel geboten, dass du einfach nicht ablehnen konntest. Kann das sein?“

„Ich... Oh Gott... Oh Allmächtiger... Es war... Sie sagten mir, es wäre wahr... Meine Quelle...“

„Du hast keine Quellen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Du kannst keine Quellen haben, weil du dir alles selbst ausgedacht hast. In deinem langen, umsichtigen Artikel hast du kleiner Scheißer dich über den Konzern ‚Atoll des Lebens‘ lustig gemacht. Dein Artikel ist nur einer von vielen, die gestern dazu erschienen sind. Insgesamt haben all diese Artikel zu einem kleinen Sturzflug in den Geschäften des Atoll-Konzerns geführt sowie zu einer Menge nicht zustande gekommener kleiner, aber relevanter Geschäfte und Verhandlungen mit einigen wichtigen Leuten. Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass nach so einer Aktion niemand hinter dir her sein würde, um dir das Herz durch das Arschloch herauszureißen, oder?“

„Oh Gott...“

„Weißt du, warum du noch lebst? Weißt du, woher ich deinen richtigen Namen kenne? Nein? Oh, wie lustig. Ich musste nicht einmal nach dir suchen, du verdammte, niederträchtige, aufgeblasene Kakerlake. Herr Falk selbst hat uns über dich informiert. Herr Falk, dein Chef, dein Beschützer. Und ich muss sagen, dass er wirklich wütend war, als er den Artikel heute Morgen gesehen hat. Er musste sich sehr lange beim Vorstand von Atoll des Lebens entschuldigen, nachdem er uns deinen Namen verraten hat.“

„Das ist unmöglich.“

„Oh, es ist möglich. Denn es gibt etwas, was du nicht weißt, du kleiner Scheißer: Peter Falk hat einen Vertrag über die bevorstehende Umsiedlung des Atolls in ein Sondergebiet unterzeichnet und obendrein noch eine unanständig hohe Summe Geld gespendet. Dank deines Chefs konnte der Konzern einige bedrohte Biester aufkaufen und umsiedeln. Und dann kam dein Artikel...“

„Oh Gott.”

„Er hat mir gesagt, dass ich dir einen bestimmten Satz zitieren soll, den nur ihr beide kennt. Er hat einen Satz für jeden seiner vertrauten Journalisten. Er ist ganz einfach: ‚Integrität, Kürze und Sorgfalt bleiben niemals unbezahlt.‘“

„Oh Gott.“

„Dein Meister Falk ist sehr wütend auf dich“, erzählte ich. „Aber er hat darum gebeten, dass du nicht getötet wirst. Er hat darum gebeten, dass man dir Hurensohn noch eine einzige Chance zum Leben gibt, die du mithilfe deiner Läufer-Arschbacken ergreifen wirst. Du wirst dich winden und verrenken und die Zähne zusammenbeißen, um sie unter keinen Umständen zu verlieren.“

„Töte mich nicht. Töte mich nicht.“

„Du musst dir deine Chance auf Leben verdienen. Als Erstes musst du deine Lohnherren nennen, die du ja sicherlich kennst. Jemand wie du würde niemals über etliche Handlanger hinweg mit Unbekannten zusammenarbeiten. Offensichtlich wurde der Auftrag von einem der Drahtzieher an dich weitergegeben, also musst du irgendetwas darüber wissen. Und zweitens wirst du einen widerrufenden Artikel schreiben müssen, gleich nachdem du deinem Chef mit Tränen der Dankbarkeit einen geblasen hast. Hast du mich verstanden?“

„Ja.“

„Dein Lohnherr?“

„Ich weiß es nicht genau. Ich weiß es wirklich nicht genau, aber soweit ich aus verschiedenen Hinweisen und Details schließen kann, stammt der Auftrag von der Gesellschaft Gerettete Welt.“

„Wie lautet der Name deines Kontakts? Wie sieht er aus?“

„Schwarz, riesengroß, immer ein Lächeln im Gesicht. Er hat mich nicht gesehen, aber ich hab‘ ihn gesehen. Das waren die Bedingungen. Er hat sich als Teddy Frucht vorgestellt. Der Nachname ist definitiv erfunden, aber der Vorname ist echt. Ich hab‘s überprüft. Teddy Taschenlampe tut alles für Geld und hat eine Menge kräftiger und wenig zimperlicher Kämpfer unter seinem Kommando. Sie haben ihren Sitz in Neu-Singapur und eskortieren in letzter Zeit Ladungen von Gerettete Welt in ihrem Gebiet, wobei sie fast nur mit ihnen zusammenarbeiten.“

„Gerettete Welt?“, fragte ich, sichtlich überrascht. „Die Surver haben sich gegen das Atoll erhoben? Ich dachte, wir hätten eine unzertrennliche Freundschaft, und süße Verhandlungen wären in vollem Gange. Bist du sicher, dass du nichts verwechselst, du Stück Scheiße? Wenn du lügst...“

„Nein, ich schwöre! Ich schwöre es bei Gott!“

„Okay.“ Ich nickte und stand auf. „Vergiss nicht, du Narr, dass du jetzt der Sklave von Herrn Falk bist, also blas ihm genauso eifrig einen, wie du früher deinem Papa einen geblasen hast.“

„Ich hab‘ nie...“

„Außerdem kannst du was Persönliches für mich tun, damit ich dich irgendwann vergesse. Schreib, sagen wir, drei lange, ehrliche Artikel, die die Aktivitäten des Atolls an allen Fronten positiv beschreiben: die Rettung bedrohter Arten, Bemühungen zur Korrektur des Charakters und des Gedächtnisses von Gewohnheitsverbrechern, die arbeitsbasierte Korrektur derer, die vom Weg abgekommen sind, kostenlose Essensausgabe für die Hungrigen, die Organisation von Schutzgebieten und so weiter. Tust du das für mich?“

„Ja, ja! Fünf... Ich werde fünf Artikel schreiben. Vollkommene Positivität.“

„Nein“, entgegnete ich kopfschüttelnd. „Niemand kauft dir deine Worte ab, wenn du es so übertreibst. Machen wir es so: 90 % Positivität, 5 % Neutralität und 5 % Negativität. Und häng eine Menge Fotos von fröhlichen, vollbusigen Weibern an, die in den Swimmingpools ihrer neuen Häuser planschen.“

„Ich werde alles tun.“

„Viel Glück.“ Ich nickte und machte mich an den Aufstieg zum Pfad.

„Dieser Teddy und seine Bande... Es gibt so viele Fotos von Blut und Gedärmen im Zwielicht-Netzwerk. Sie sind allesamt Psychos. Halten Sie sich lieber von denen fern!“

Ich winkte mit der Hand, trat auf den Pfad hinaus und rannte über den Abgrund in Richtung des Himmlischen Sechsten, wo mein Flieger geparkt war und ich herausfinden würde, ob ich noch genug Treibstoff für einen Flug nach Neu-Singapur hatte.

Kapitel 1

„HI!“ DAS BREITE LÄCHELN des Fremden, der über mir hing, war so strahlend hell, dass ich das blendende Weiß am liebsten sofort zerschlagen hätte. „Ich sag‘s dir gleich zu Beginn: Entspann dich. Ich brauche nichts von dir.“

Kopfschüttelnd hob ich mein Kinn leicht an, blickte erschöpft auf das Arschloch, das meinen Genesungsprozess behinderte, und sagte: „Ein ‚Hi‘ aus dem Maul eines grinsenden Fremden macht mich misstrauisch und verdirbt mir den Appetit. Wenn er dann noch ‚Ich brauche nichts von dir‘ sagt, weiß ich, dass er ein Lügner ist, und fange an, seinen Körper nach einer geeigneten Einstichstelle für mein Messer abzusuchen.“

„Hm?“ Das Lächeln verblasste. „Eine Einstichstelle für dein Messer?“

„Ja. Du hast doch sicherlich den nötigen Weitblick und mir bereits die Stelle markiert, in die mein Messer eindringen wird, oder, Schwanzlutscher? Bestimmt hast du einen magischen Marker ausgepackt und eine Stelle über deinem Herzen markiert.“

„Warte! Was ich meinte, ist, dass du einen großen Einfluss auf mich hattest.“

„Wie bitte? Du bist zutiefst von mir beeinflusst worden?“, fragte ich und musterte die Gestalt des fremden Mannes eingehend. „Hab‘ ich dich im Schlaf gefickt, oder was? Wie war‘s denn?“

„Was?“

„Soll ich den Deppen beseitigen, Kommandant?“ Die alkoholisierte Stimme des vom Knöchel bis zur Stirn bandagierten Orks ertönte in der Menge, die sich um das gasbetriebene Lagerfeuer versammelt hatte.

Ich schüttelte den Kopf, um ihn zu beruhigen, nahm meine Flasche mit der komplexen Mischung aus isotonischen Stoffen und Limonade, drehte den Deckel ab und fügte eine winzige blaue RECOV-15-Tablette hinzu, die ich von einer alten Frau erhalten hatte, die von unserer Unternehmung ebenfalls „zutiefst ergriffen“ gewesen war, sich allerdings einfach und prägnant mit den Worten „Ihr habt Eier!“ ausgedrückt hatte.

„Manchmal bin ich etwas schüchtern“, das Lächeln des Fremden kehrte zurück, „aber ich bin trotzdem gefährlich.“

„Was hast du gerade gesagt?“

„Ich bin gefährlich.“

„Du bist gefährlich.“ Ich wiederholte seine Worte, nahm einen gewaltigen Schluck und betrachtete den gefährlichen Mann über den Rand meiner gekippten Flasche hinweg.

Er war etwas über 30 Jahre alt, mittelgroß und dünn, aber breitschultrig. Er stand aufrecht, schien jedoch nicht unbeweglich zu sein, denn sein von der schlabberigen Kleidung verdeckter Körper bewegte sich ständig und blieb doch wie angewurzelt auf einer Stelle stehen. Seine subtil zuckenden Muskeln verlangten nach Bewegung. Ich hatte solche Bewegungsabläufe schon oft gesehen — sowohl bei Sportlern auf dem Höhepunkt ihrer Fitness als auch bei Nahkämpfern auf dem Höhepunkt ihrer Kräfte. Welche Rolle spielte es? Die Riemen seines Rucksacks pressten sich in seine Schultern, und an seinem linken Arm hing eine Nadelpistole, die etwas größer war als meine. Anstatt schwerer Stiefel trug er leichte, lederne Mokassins, die reich bestickt und mit einem Meer von winzigen bunten Perlen besetzt waren. Außerdem hatte er etwas dunklere Haut, einige alte kleine Narben auf den Wangenknochen, ein glatt rasiertes Kinn und einen ebenso glatt rasierten Kopf.

Gesamtbild: gepflegt, körperlich gut entwickelt, konnte nicht nur kämpfen, sondern auch schießen. Ein einsamer Wolf.

Der Ausdruck seiner Augen war etwas komplizierter zu deuten. Sein Blick war ruhig, doch zugleich schien sich einiges hinter dieser lächelnden Ruhe zu verbergen. Nachdem ich ein paar der wichtigsten Gefühle erkannt hatte, die hinter seiner mentalen Rüstung pulsierten, nickte ich verständnisvoll, leerte meine Flasche in mehreren Schlucken, warf sie auf seine Zuhälter-Mokassins und schloss die Augen wieder.

„Mein guter Mann“, sagte er mit geduldiger Stimme, „ich spreche höflich mit dir. Warum verhältst du dich so gegenüber jemandem, der dir Respekt zollt?“

„Zunächst einmal respektierst du mich nicht.“ Ich schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht aufgrund stechender Nackenschmerzen. „Gerüchte über eine Gruppe von Noobs, die bei ihrem ersten Streifzug durch Zombieland gleich zu Helden geworden sind, haben dich hierhergelockt. Aus irgendeinem Grund wurde der ungewöhnlich starke Schmerz in deinem Hintern von mir verursacht und nicht von meinen Kämpfern. Zweitens wirst du von Neid und Eifersucht geplagt, die mit ihren stumpfen Schnäbeln auf deinem theatralisch rasierten Schädel herumhacken. Und du willst definitiv etwas von mir, weil du nämlich wie angewurzelt hier stehst und keine Angst davor hast, dass ich die Fassung verliere und dir in die Eier schieße. Und da du etwas von mir willst, bist du ein Lügner. Was hast du vorhin gesagt, du mokassintragender Schwanzlutscher?“

„Wie bedrohlich du krächzt. Harter Tobak, in der Tat.“

„Mhm.“ Ich lächelte teilnahmslos. „Knallhart. Sagen wir‘s mal so, du hässliches Arschloch mit deinem aufgeblasenen Weiberhintern: Wenn du etwas von mir wissen willst, musst du zahlen. Eine Flasche Schnaps, zwei RECOV-15-Tabletten, eine Dose mit gottverdammten Pfirsichen und zwei Flaschen Wasser.“

„Bist du verrückt geworden?“ Die Stimme des gefährlichen Fremden verriet zum ersten Mal seine Emotionen: Ärger, Irritation und Überraschung.

Er zuckte charakteristisch mit dem rechten Bein und bewegte sein Becken leicht zur Seite. Ich beobachtete neugierig, wie er sich darauf vorbereitete, mir mit einem seiner bezaubernden Mokassins ins Gesicht zu treten. Ich beobachtete und schwieg, während er seine Beinmuskeln weiterhin nutzlos aufwärmte. Zu allem Überfluss machte er auch noch den Anschein, als würde er wirklich glauben, dass ein einziger Tritt nicht nur meine unverschämte Goblinfresse, sondern auch die Betonmauer hinter mir zertrümmern könnte. Seine Theatralik hielt fünf Sekunden an, bevor sie abrupt endete. Sein Gesicht wurde scharlachrot, und er schlug sich heftig auf die Wange, bevor er sich entschuldigte.

„Verzeih mir mein dummes Getue, Held Elb. Manchmal kommt es einfach über mich, und dann signalisiert mein Körper unbeabsichtigt, dass ich dich so hart verprügeln werde, dass dein Hirn über die ganze Wand verteilt wird und...“

„Halt‘s Maul!“, brüllte ich und spürte, wie sich meine Kopfschmerzen verschlimmerten. „Jetzt schuldest du mir zusätzlich noch ein Schmerzmittel gegen meine Kopfschmerzen.“

„Aber es ist nichts...“

„Ich werde meinen großzügigen Vorschlag nicht wiederholen“, unterbrach ich ihn. „Bring mir, was ich will, und ich bin ganz Ohr. Wenn du dich beeilst, kann ich dich vielleicht in meinem Terminkalender unterbringen. Aber ich warne dich direkt: Kauf besser nichts von Sam der Kröte.“

„Ähm... hm?“

„Für einen echten Helden ist es unehrenhaft und unverzeihlich, etwas von Sam der Kröte zu kaufen. Jetzt hau ab, Fettarsch.“

„Du... du...“

Ich schloss die Augen, driftete ab und ignorierte seine Worte, die immer noch nicht mit Geld gedeckt waren.

„Okay!“ Dieses ausgespuckte Wort strotzte nicht nur vor gewöhnlichen Emotionen, sondern vor etwas Furchtbarem und sehr Bedrohlichem. „Ich bringe gleich alles mit!“

Er war ein unterhaltsamer Schwanzlutscher, der mir nicht nur vielleicht, sondern tatsächlich die Krankenhaus-Langeweile vertreiben konnte. Und im Krankenhaus sah ich mich noch für die nächsten zehn Stunden, in denen ich mit einer alten zerfledderten Decke zugedeckt im Staub hinter Kaserne Nr. 1 vegetieren würde. Die medizinischen Verfahren und Hilfsmittel des Systems waren sehr praktisch und gaben meinen Händen die Arbeits- und Kampfkraft auf dynamische Weise zurück. Allerdings konnten selbst starke Chemikalien die Regenerationsfähigkeit des Körpers nicht ewig beschleunigen, also musste ich vorübergehend pausieren. Gleichzeitig befürchtete ich, dass mir ein untätiges Ausruhen nicht vergönnt sein würde, und deshalb war es wichtig, dass ich viel aß, auch Pfirsiche, mich so wenig wie möglich bewegte, aufmerksam zuhörte und irgendwie die hartnäckige Erektion verbarg, die schon seit zwei Stunden gegen meine Hose drückte. Ich wusste nicht, was das System mir in den unteren Rücken gespritzt hatte — womöglich ein Extrakt aus den pelzigen Klöten eines Gorillas? Die Hälfte meiner Gedanken drehte sich jedenfalls darum, wie gut mir ein kleiner Gelegenheitsfick täte.

Kurz gesagt: Der Goblin war kurzzeitig krankgeschrieben, genauso wie seine Crew. Zwielicht am Himmel, Zwielicht im Geschäft, Zwielicht auf den Stahlstraßen und Pfaden.

Mist. Wieder einmal schlich sich allerlei Unsinn in meinen Kopf, ebenso wie meine Finger heimlich in meine Hosentasche mit dem drastisch reduzierten Vorrat an Tabletten in einem Tütchen schlichen. Keine Drogen am heutigen Tag. Ich erinnerte mich nicht daran, was ich geträumt — oder in meinem kränklichen Schlummer gesehen — hatte, doch ich wusste, dass es eine Reihe von Rauschzuständen gegeben hatte. Zusammenhanglose Bilder überschlugen sich in meinem Kopf, akustische und visuelle Schnipsel, widerhallende Stimmen, Gekeuche und Gelächter. Außerdem bildete ich mir ununterbrochen ein, dass es meinem Gedächtnis dieses Mal gelungen war, viel mehr dieser wackeligen Erinnerungen einzufangen und festzuhalten. Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht. Doch ich würde auch meinem Gehirn eine kurze Verschnaufpause gönnen müssen.

Ah, Mist. Das vertraute überirdische Vergnügen auf meiner Zunge kündigte andere Pläne an: Ein neuer Flashback stand bevor. Es würde also keine Verschnaufpause geben.

Was zum Teufel ist heute nur mit mir los?

* * *

„Warte! Ich flehe dich an! Nimm auch das hier mit!“

In den Händen der Frau, die vom giftigen Tropenschauer nass geworden waren, zitterte etwas in einem Bündel, das aus einer schwarzen Mülltüte gefertigt war. Durch einen Spalt war das apathische und aufgequollene Gesicht eines ein- oder zweijährigen Kleinkinds zu sehen. Eine Altersbestimmung war kaum möglich, weil die Bewohner dieser sterbenden Welt alles aßen, was der verseuchte Ozean an den ölverschmierten Strand auskotzte.

Die Stahltür des gepanzerten Passagier- und Frachtflugzeugs, dessen Motoren unerlaubterweise durch neue, doppelt so starke ersetzt worden waren, begann sich zu schließen. Die Tür war mit dem Bild eines Korallenatolls verziert, der Urquelle des Konzerns Atoll des Lebens. Eines Konzerns, für den ich unerwartet und völlig unbezahlt zu arbeiten angefangen hatte — aus dem einzigen bizarren Grund, dass ich ihren Glauben angenommen hatte.

Das Kind quiekte unmelodisch und heiser, als etwas aus seinem Unterleib sickerte, das, der tiefbraunen und fast schwarzen Farbe nach zu urteilen, unmöglich der Urin eines Zweijährigen sein konnte. Und was war mit seinen Augen los? Sie wirkten fast wie weiß gebleicht. Das raschelnde Bündel zuckte erneut, diesmal viel hektischer und aggressiver, was für ein so winziges Wesen erstaunlich war.

Epilepsie? Und obendrein Dehydrierung, denn nicht einmal ein Selbstmörder würde den Regen trinken, der von diesem Himmel fiel. Genauso wenig wie sich jemand ohne zuverlässigen Schutz darunter stellen würde. Dieses Wasser war Gift.

Die Frau bewegte sich nach vorne, griff nach der Tür und steckte ihren fast kahlen Kopf durch den Türschlitz. Der automatische Mechanismus registrierte ein fremdes Objekt und stoppte die Bewegung der Tür.

„Hau ab, Eingeborene!“ Die sterbende Idiotin wurde durch einen Schlag von Elvis‘ Stiefel nach hinten geschleudert, landete in einer brodelnden Pfütze und erstarrte dort mit allen vieren von sich gestreckt.

Ich schaute nach unten. Neben meinem Stiefel lag das Polyethylenbündel mit dem krächzenden Säugling.

„Scheiße!“, rief Elvis.

Der fleckige, bleiche Dreißigjährige, der eigentlich eher wie ein Fünfzehnjähriger aussah, hatte gestern eine Hure umgebracht, die zuvor auf seinem Schwanz getanzt hatte. Sie war wegen einer Überdosis Exadral durchgedreht und hatte ihm die Kehle durchnagen wollen. Nachdem er sie niedergeschlagen hatte, hatte sie sich auf sein Glied gestürzt.

Ich hatte den Scheiß beobachtet, weil ich mir Zugang zum Überwachungssystem in seinem liebsten mobilen Rückzugsort namens Altessupergepanzertesklassischesmobil verschafft hatte, weltweit bekannt unter dem Slogan: Wann und wo auch immer! Ich hatte mitangesehen, wie die Schlampe sich ihm abermals genähert, roten Schaum und ein ängstliches Heulen abgesondert und sich auf die Kehle ihres neuen Partners gestürzt hatte. Er hatte allerdings blitzschnell reagiert. Die Geschwindigkeit, mit der er seinen erigierten Penis vor dem zischenden Schlund verteidigt hatte, verdiente höchsten Respekt und Anerkennung.

Nachdem er später vor mir und seinem Beichtvater geschworen hatte, dass er zum Ausdruck seines tiefsten Dankes an die gesamte Existenz seinen Lümmel nur einmal am Tag würgen und einen Monat lang keinen wirklichen Sex haben würde, litt er nun unter der Voreiligkeit dieses kühnen Versprechens. Er hatte die gesamte Zeit über so mühsam gejammert, dass ich seinen Fluch schließlich aufgehoben hatte. Allerdings hatte ich ihm zusätzlich versprochen, dass seine Diamanten demnächst in seine Gesäßtaschen passen würden, wenn er sein Glied noch einmal erwähnen würde. Elvis hatte sofort verstanden und sich sogar ein bisschen gefreut.

Seine Freude war jedoch getrübt worden, als ihm klar geworden war, dass es nichts daran ändern würde, dass er verarscht worden war — und zwar von einer scheißenden Bettlerin: Die verdammte, vom ganzen Stamm gefickte Eingeborene hatte ganz bewusst ihre Finger gelöst und ihre kleine Scheißladung auf den Boden des Fliegers gepresst. Und er, als der Schläger, musste sich nun bücken, das Babybündel aufheben und es gegen den eingesunkenen Bauch seiner Mutter schleudern.

Komm schon, Elvis.

Die Tür ruckte kurz, blieb jedoch stehen, als sie gegen meinen Stiefel stieß.

Komm schon, Elvis.

„Scheiße, er wird da drin sterben. Und als aufrichtig Gläubiger... Hey, Kastar, du bist doch Atheist, oder?“

„Ich bin Christ einer bestimmten biblischen Sekte. Unser Prophet, Paul Christens, lebt jetzt auf den grünen Gipfeln Grönlands und...“

„Halt‘s Maul! Schmeiß es einfach weg, und deine nächste Flasche alten Jacks geht auf mich“, knurrte Moot.

„Nein.“

„Irgendjemand! Leute!“

Er erhielt keine Antwort, nur Spott, der Reue und Hohn zugleich ausdrückte.

Es war zwecklos. Kein Mann aus meiner zehnköpfigen Crew, außer mir natürlich, würde es riskieren, ein Baby in den Tod zu schicken. Schließlich waren alle irrsinnig abergläubisch und hielten Amulette, Talismane und die Macht der duftenden Locken über dem Busen des Lieblingsflittchens für real und nützlich. Genauso wie Gott, natürlich. Schwächlinge wie er warfen keine Babys in den sauren Regen. Aber Elvis würde auch nicht riskieren, mich darum zu bitten.

Komm schon, Elvis.

„Ach, Scheißdreck.“ Elvis beugte sich über den Kleinen und sagte mit Gefühl: „Kriech zu deiner Mama oder stirb. Ich flehe dich an.“

Mit einem Ruck stieß das Baby eine weitere Ladung stinkender Gülle aus, zuckte seltsam mit dem Mund und richtete seine zu einem weißen Schleier verzogenen Augen auf Elvis‘ Hals. Ich blinzelte: Auf dem Stahlboden lag ein normales sterbendes Kind. Und die Zeit rannte.

„Elvis, triff eine Entscheidung.“ Meine Worte klangen ernst.

„Oh, Scheiße.“

Nach kurzem Zögern legte sich ein breites Lächeln über Elvis‘ Gesicht — es passte perfekt zu jemandem, der glaubte, einen Ausweg aus einer ausweglosen Situation gefunden zu haben.

„Lass es mich mitnehmen. Ich gebe es den Leuten von der Wohlfahrt.“

„Milchbubi“, grunzte jemand scherzhaft von oben aus dem Saloon. „Butzibu.“

„Schnauze! Schnauze, Moot, kein Wort mehr!“

„Sonst was? Fängst du vor Stress an, Milch zu geben?“

„Ich bin nicht du. Mir hat man nicht die Gebärmutter herausgeschnitten und ein Glied angenäht. Ich bin normal!“

„Und wenn ich an der Stange tanze und meine verschwitzten Euter gegen ein paar gut betuchte Fratzen reibe, bin ich dann nicht normal? Ist es so?“ Die muskelbepackte Gestalt von Sorg hob sich geräuschlos über die angeschweißte Bank. Er war als Mädchen geboren worden, hatte jedoch den dornigen Weg von der Edelstripperin zum brutalen Mann beschritten, mit einem langen, fleischigen Schwanz zwischen den Schenkeln und der Figur eines jugendlichen Zuchtbullen.

„Runter“, sagte ich knapp, und Sorg ließ sich schnell wieder auf die Bank plumpsen.

Die Stahltür schloss sich scheppernd und trennte uns von der einheimischen Frau, die aufgehört hatte zu zappeln. In einem Tag — höchstens anderthalb — würde diese kleine Insel vollständig vom vorrückenden Meer verschlungen worden sein. Die sterbende Schlampe hatte ihr Kind tatsächlich vor dem sicheren Tod bewahrt und ihm stattdessen die gesamte geisteskranke Hölle kostenloser Sozialwaisenhäuser gegönnt. Der schlimmste Albtraum seines Lebens hatte gerade erst begonnen.

„Ich bin keine Tussi!“ Unfähig, sich zurückzuhalten, umklammerte Elvis das nasse, stinkende Bündel an seiner gepanzerten Brust. „Ich bin abergläubisch. Lass das Kind fallen, und eine Kugel wird dir in den Kopf gejagt. Es ist wahr, jeder weiß es. Sag, dass es wahr ist, Kommandant.“

„Du hast mich heute überrascht, Elvis“, erwiderte ich träge und blickte auf den Bildschirm, der aufleuchtete und eine sich schnell entfernende kleine Insel mit spärlichen verdorrten Palmen und einer von giftigem Schlamm geschwärzten Küstenlinie zeigte.

„Aha. Und wie hab‘ ich das angestellt? Auf eine angenehme Art und Weise, wie die Berührung einer madagassischen Hure, die von schwarzen Skorpionen gestochen wurde, oder wie...“

„Du hast mich überrascht“, wiederholte ich und warf einen letzten Blick auf das Bündel, bevor ich die Augen schloss. „Es ist krank.“

„Ich werde den Ärzten ein paar Münzen für die Behandlung zustecken“, versprach Elvis.

„Gib es nicht ins Waisenhaus“, warf Sorg ein. „Lass es lieber behandeln, päppel‘s auf und verkauf‘s an das höchstbietende Bordell. Verkauf‘s als eine exotische Rasse mit einer erstaunlichen genetischen Karte. Als ein... was ist es eigentlich, ein Junge oder ein Mädchen?“

„Es scheint ein Junge zu sein.“

„Warum wirfst du nicht einfach einen Blick darauf?“

„Weil es mir egal ist, denn es ist nicht meins. Ein Bordell, sagst du? Es verkaufen? Du hast es doch selbst kaum dort herausgeschafft.“

„Verkauf‘s für so viel Knete, wie du kriegen kannst“, wiederholte Sorg. „Dann werden sie sich um ihn reißen.“

„Mhm. Und dann?“

„Dann steck‘s eben ins Waisenhaus. Dort ist alles gratis, aber viel härter.“

„Wieso glaubst du...?“

„Am besten, wir geben es einfach einer Kirche und belassen es dabei“, unterbrach Moot ihn, während er eine riesige Pistole in der Hand hielt. „Diese Bestien scheinen sich schon wieder zu rühren, Kommandant. Sollen wir ihnen noch eine Dosis verpassen?“

„Eine halbe Dosis“, antwortete ich. „Spritz ihnen auch gleich ein paar Vitamine. Wir müssen sie lebend übergeben.“

„Vielleicht sollte der Junge auch eine bekommen?“, schlug Elvis zaghaft vor.

„Verschwende ein Medkit an ihn“, entgegnete ich. „Und dann halt endlich die Klappe.“

„Jawohl, Kommandant.“

Im Inneren des Fliegers herrschte Stille. Allerdings nicht lange, denn sie wurde abermals vom stümperhaften Elvis gestört, der sich verwundert äußerte: „Die Diagnosefunktion des Medkits kann die Krankheit nicht identifizieren. Es hat ein paar zusätzliche Proben genommen. Was soll der Scheiß? Ich dachte, es hätte die beste Datenbank der Welt, oder etwa nicht?“

„In diesen Zeiten tauchen ständig neue Viren auf“, behauptete Moot. „Mit der wilden Mutter Natur kann man nicht mithalten. Du gehst an einem Laden vorbei, und alle sind lebendig, stehen in der Schlange, lehnen sich über den Berg von Toilettenpapier in ihren Einkaufswagen und glotzen der Blondine vor sich auf den Hintern. Abends verlässt du die Bar mit einer Flasche Whiskey und einer Packung gepfefferter Erdnüsse zum Frühstück und findest den Parkplatz mit Erbrochenem bespritzt, mit Säcken voller Leichen überhäuft und von nachtfinsteren Typen in Schutzanzügen bewacht. Was für eine beschissene Zeit. Was für eine beschissene Welt. Was für eine beschissene Zukunft.“

„Wenn wir ankommen, haben alle drei Tage Landgang“, erwähnte ich und grinste breit. Wir hatten einen langen Flugweg vor uns und somit genug Zeit für ein ausgiebiges Schläfchen.

* * *

„Scheiße!“ Ich atmete aus und spuckte auf den Boden. „Was zur Hölle...“

„Kommandant?“ Das Insekt nahm in seinen gekürzten Shorts und Hosenträgern neben mir Platz und klapperte mit dem Kiefer. „Brauchst du irgendwas?“

„Nein.“

„Okay. Dann werde...“

„Wenn du als Frau geboren wurdest, dann zum Mann und am Ende eine gewollte Nullform geworden bist, die alle Rechte und die Erinnerung an die Vergangenheit verloren hat...“

„Herrje.“

„... würde das System dich als Mann zurücklassen? Oder würde es dir deine Titten zurückgeben und die Beule im Schritt abhacken?“

„Herrje, ich hab‘ keine Ahnung. Aber nicht alle Frauen haben etwas, das sie zurückbekommen können, und nicht alle Männer haben etwas, das man ihnen abschneiden kann. Warum interessiert dich das auf einmal? Wozu die Frage?“

„Ich muss wohl geträumt haben.“ Ich zuckte mit den Schultern und gähnte. „Vergnüge dich ein bisschen, denn in eineinhalb Stunden möchte ich, dass die ganze Crew neben mir an dieser Wand liegt und friedlich schläft.“

„Ist das ein Befehl?“

„Das ist ein Befehl.“

„Verstanden. Er wird befolgt werden.“

„Weiß ich“, antwortete ich nickend, woraufhin Gabby verschwand.

Ich blickte auf den zurückkehrenden, zuckenden Fremden und sah ein Paket in seinen Händen. Mit langen Schritten watschelte Sam die Kröte hinter ihm her. Sein Gesichtsausdruck wirkte so humorlos, als hätte ihm jemand in seinen morgendlichen Brei geschissen.

Würde ich, ein Provinz-Goblin, der nie jemandem zu nahe getreten war, heute noch Ruhe bekommen? Alles schmerzte. Alles zog. Meine überlasteten Schultermuskeln fühlten sich an, als würden blinde Mäuse in gezackten Schlittschuhen darüber laufen und dabei Schweife aus glühendem Rasiermesserdraht hinter sich herziehen — und das war nach den Schmerzmitteln.

Lasst mich in Ruhe, wollte ich schreien.

Stattdessen seufzte ich nur vor mich hin und betrachtete die sich nähernden Scheißefresser in freudiger Erwartung eines Wunders.

„Hey, Hinterwäldler!“ Die wütende Ansage von Sam der Kröte wurde nicht geschrien, sondern mäßig laut, aber sehr aggressiv ausgesprochen und von einem Schlag mit der Hand auf seinen lackierten Stahlbauch begleitet. „Hast du den Verstand verloren?“

„Wie hast du mich genannt?“ Dann sah ich mit vor Erstaunen offenstehendem Mund den Ficker in den Mokassins an. „Hey, kahlköpfiger Pantoffelheld, hast du alles dabei?“

„Mein Kopf ist rasiert! Hör zu, ich hab‘ dir keinen Grund gegeben, mir gegenüber so zu sein. Ich reiße mich wirklich zusammen, um dich nicht zu verprügeln.“ Das düstere Gesicht errötete erneut, und die Hände mit dem Paket begannen zu zittern.

Eine Sekunde später verpasste sich der Fremde einen Schlag auf die rechte Wange. Es folgte die linke, dann erneut die rechte. Sam die Kröte hatte die Unterhaltung fortsetzen wollen, erstarrte jedoch erstaunt, als er sah, wie der Junge sich selbst zurichtete.

Mit knirschenden Gelenken und Chitin setzte sich Gabby wieder neben mich hin und klapperte in freudiger Erwartung mit den Unterkiefern. Die betrunkene Rothaarige legte sich hinter ihn. Dann beobachtete sie das Geschehen, gähnte, wandte sich ab, rollte sich in eine Decke ein und murmelte: „Was für einen Kommandanten hab‘ ich mir da bloß ausgesucht. Helden, die in einer staubigen Seitengasse schlafen...“

„Ich hab‘ gesehen, wie du dich mit Cassandra unterhalten hast“, bemerkte ich. „Welche neuen Fähigkeiten bietet das System?“

„Redest du von Magie und Zauberei?“

„Bring mich nicht dazu, Vanille und flauschige Feen zu kotzen.“

„Ja, wir haben geplaudert. Morgen früh wird sie mir bei meinem ersten Zauberspruch helfen.“ Eine fest geballte Faust stieß in die Luft und die Rothaarige hickste betrunken. „Oh, Scheiße, der Himmel dreht sich in der Dunkelheit.“

„Ich bitte nochmals um Verzeihung“, sagte der dunkelhäutige Mann, beendete seine Gesichtsmassage und ließ das Paket sanft auf den Boden sinken. „Als Entschuldigung hab‘ ich hier eine Flasche Schnaps und eine Dose mit Früchten. Ich möchte euch außerdem bitten, mich nicht für einen Verrückten zu halten, meine Herren. Ich bin hemmungslos, angeberisch, schmerzhaft stolz, ehrgeizig und egozentrisch. Mein Gedächtnis wurde zwar gelöscht, doch dank chemieinduzierter Rückblenden weiß ich, dass ich ohne Vater aufgewachsen bin und meine übermäßig liebevolle Mutter alles getan hat, um mich von der Masse der anderen Kinder abzusondern und...“

„Du bist ein verdammtes Muttersöhnchen, und deine dümmliche Mama hat behauptet, dass du der Allerbeste auf der Welt wärst, verdammt noch mal besser aussehend, stärker und klüger als alle anderen“, schloss Jorann, bevor sie sich in schallendem Gelächter verlor. „Aber du erzählst allen, dass sie das Leben ihres Sohnes verpfuscht und ihn in einen dummen, glatzköpfigen Wichser in Mädchenschuhen verwandelt hat.“

„Das sind Mokassins! Ich möchte darum bitten, dass sich niemand in mein Gespräch mit dem Heldenführer Elb einmischt.“

„Heldenführer Elb...“ Ich schmunzelte, zog das Paket zu mir heran, nahm die Dose heraus und griff nach meinem Messer. „Gabby, willst du die samtweichen Pfirsiche des Muttersöhnchens zum Abendessen? Hm, mit der Wortwahl hab‘ ich wohl etwas danebengegriffen.“

„Scheiß‘ drauf. Ja, ich will.“

„Dann sag‘s ihm.“ Ich deutete in die Richtung des gefährlichen Fremden.

„Hey!“ Die Kröte wurde endlich munter, allerdings klang ihre Stimme jetzt viel ruhiger, und sie sah mehr zu dem dunkelhäutigen Muttersöhnchen als zu mir. „Was ist los, Hinterwäldler?“

„Wie hast du mich genannt?“

„Einen eingebildeten Hinterwäldler. Weißt du etwa nicht, was ein Hinterwäldler ist?“

„Noch nie von denen gehört.“ Ich schüttelte den Kopf, bog den Deckel der Dose zurück und spießte eine sirupgetränkte Pfirsichhälfte mit meinem Messer auf, bevor ich sie in meinen Mund schob. Dann bewegte ich die Dose in Gabbys Richtung, der zu brabbeln und zu quieken begann.

„Du kannst mich mal. Worauf willst du hinaus? Du zerstörst mein Geschäft.“

„Ich?“ Ich starrte den Geschäftsmann mit großen Augen an.

„Was ist an den Gerüchten in der Stadt dran, dass es für echte Helden unehrenhaft und unverzeihlich sei, bei Sam der Kröte einzukaufen? Was hat es mit dem Tabu auf sich, das du allen auferlegt hast? Was hat es mit den Gerüchten auf sich, dass ich Sex auf meinen Waren hätte, mich nackt auf ihnen wälzen und meinen Hintern an Säcken mit Reis und Mehl reiben würde? Was ist an diesen beschissenen, stinkenden Gerüchten dran? Wenn du was zu sagen hast, dann sag‘s mir ins Gesicht.“

„Davon höre ich zum ersten Mal“, antwortete ich schulterzuckend.

„Verarsch mich nicht. Ich muss mir keine Mühe mit meiner Wortwahl geben, weißt du.“ Sam atmete tief durch seinen kurzen Hals ein und trat krächzend vor. Er sah einer Kröte mit aufgeblähten Backen ähnlicher als je zuvor. „In dieser Stadt habe ich eine Menge zu sagen.“

„Dann leg los.“ Ich nickte ihm ermutigend zu. „Überrasch mich, Kröte.“

„Niemand nennt mich Kröte.“

„Kröte.“ Das Prisma hob sein Gesicht, und aus seinen Unterkiefern tropfte Sirup.

„Kröte“, murmelte Jorann schläfrig.

„Kröte“, verkündete auch Klappa der Schwertkämpfer deutlich und tauchte hinter Sams Rücken auf.

„Hey, wie geht‘s denn so, Kröte?“, rief Wreck von der Feuerstelle aus, wo er seine Arme um zwei Mädels gelegt hatte.

„Und wie geht‘s dir, Heyfuck?“, ergänzte ich, als ich den geschäftstüchtigen und nicht allzu dünnhäutigen Bekannten von gestern erblickte, der sich dem Ork näherte.

„Ich heiße Karl, verflucht noch mal, Karl! Ich flehe dich an, nenn mich Karl!“

„Du siehst wirklich aus wie eine Kröte.“ Der glatzköpfige Mann in Mokassins sah den Kioskbesitzer an, zuckte mit den Schultern und blickte anschließend zu mir. „Mein Name ist übrigens Arthur. Und ich bin ein Held.“

„Du bist ein Scheißkerl, der seiner Mutter die Schuld dafür gibt, dass er ein Scheißkerl ist, mit einem beschissenen Charakter, einer beschissenen Glatze und einer Vorliebe für Mokassins voller bunter Perlen.“ Ich grinste. „Du hättest nie geboren werden sollen.“

„Das reicht jetzt! Genug! Oder ich werde nicht... Genug!“ Nach diesem Ausruf drehte sich der glatzköpfige Arthur um und schritt eilig in Richtung der dunklen Außenbezirke der Stadt. Aus dem Zwielicht hallte es wütend und beleidigt: „Ich komme zurück, wenn ich mich beruhigt habe. So ein Mist!“

„Stopp!“

Meine Stimme schnitt mit metallischem Zorn durch die Luft. Sie klang so erzürnt, dass beide erstarrten — sowohl der kahlköpfige Mann weiter hinten als auch die Kröte Sam, die noch immer etwas zu sagen zu haben schien.

Ich musterte die beiden und sagte: „Ihr beide ähnelt euch in eurer übertriebenen Vorstellung eurer eigenen Wichtigkeit. Der eine hält sich für modisch, gutaussehend und gefährlich, der andere für den einzigen Goblin der Stadt, der es mit jedem aufnehmen kann. Ihr schwelgt beide in euren Fantasien, und nicht mal der warme Körper einer Braut ist dazu notwendig, solang ihr eure Wichtigkeit regelmäßig bestätigt bekommt. Mir persönlich gehen all eure Ambitionen am Arsch vorbei. Eure dunkle, heldenhafte Vergangenheit ist mir genauso scheißegal wie eure strahlende Zukunft. Ich brauche nichts von euch, und das ist der springende Punkt: Ich brauche verdammt noch mal von keinem von euch beiden was, während ihr eindeutig etwas von mir braucht. Kröte will, dass ich all die negativen Gerüchte dementiere, die über ihn und seinen kleinen Kiosk die Runde machen. Der glatzköpfige Mokassinophile braucht auch irgendwas. Ihr beide seid zum Verhandeln hierhergekommen. Allerdings seid ihr so sehr daran gewöhnt, eure zickigen Egos zu verhätscheln, dass ihr keinerlei Selbstkontrolle aufbringen könnt, um euren eigenen Charakter in Zaum zu halten. Ihr steht da und reckt eure stinkenden Hintern in mein Schlafzimmer, während ich kühle, saubere Luft zur Erholung brauche. Hört zu, ihr seriösen Goblins aus eurem winzigen Dörflein: Bewegt euch verdammt noch mal zehn Schritte rückwärts. Und dort, mit etwas Abstand, könnt ihr euch überlegen, was ihr zu mir sagen wollt. Aber vergesst dabei nicht das Wichtigste: Es spielt keine Rolle, was ihr mir anbietet oder von mir verlangt, solang dabei genug für mich herausspringt. Ein Gewinn. Wenn ihr nicht auf mich hört oder das Maul weiter aufreißt, schieße ich. Und falls ihr euch Gedanken darum macht, ob das System mich bestrafen würde oder nicht, so kann ich euch beruhigen, denn ich bin gerade erst von meiner Narkose erwacht und liege hier hilflos vor zwei Perversen, die mir ihre feuchten Zungen entgegenstrecken. Die Strafen des Systems gehen mir am Arsch vorbei. Wenn ich sterbe, sterbe ich. Also atmet tief durch, geht ein paar Schritte zurück und nehmt euch ein paar Minuten Zeit zum Nachdenken. Vergesst nicht: Es muss etwas für mich dabei herausspringen.“

Nach dem Gespräch zog ich meine Decke höher und rollte mich auf die Seite meines Körpers, die durch den Sturz am wenigsten beschädigt war, bevor ich meine Augen schloss und eine kränkliche Schläfrigkeit über mich hereinbrach. Mein Körper verlangte nach einer einfachen und gesunden Lösung: Ich sollte meinen Kopf gegen die Wand schlagen und mich für etwa zehn Stunden in eine Art Katalepsie versetzen. Wenn diese Idioten nicht bald einen Vorschlag machen, werde ich genau das tun.

Der raschelnde Schotter verriet mir, dass den beiden Goblins wenigstens ein Fünkchen gesunder Menschenverstand geblieben war. Während ich allmählich in einen seligen, düsteren Schlummer versank, dachte ich darüber nach, wer von den beiden zuerst auf mich zukommen würde. Ich tippte auf Sam die Kröte, weil er älter und erfahrener war. Es wäre höchst unschmeichelhaft für ihn, untätig an der Seite zu stehen, während ein Jüngerer seine Geschäfte vorantrieb. Außerdem würde jeder hier mitbekommen, dass Sam die Kröte am Ende der Schlange wartete, was für eine absurd stolze Person wie ihn einem Schlag in die Eier gleichen müsste.

Ich hörte das Knirschen schwerer Schritte. Bingo! Kröte Sam war der Erste und hatte sichtlich Mühe, die schwarze Boshaftigkeit zu unterdrücken, die aus ihm heraussprudelte. Und genau das sollte ich denken! Aufgeblasen und seriös, ein Veteran und Händler, wurde er jetzt dazu gezwungen, sich einem dreckigen, umherziehenden Goblin gegenüber höflich zu verhalten, der zu allem Überfluss auch noch beschissene Gerüchte über ihn verbreitet hatte.

„Held Elb“, hüstelte die Kröte.

Ich unterdrückte ein Seufzen, drehte mich langsam um und musterte den massigen Fettklops von oben bis unten.

„Diese Sache muss geklärt werden.“

„Ist das eine Frage?“

„Damit meine ich die Gerüchte über meinen Kiosk und mein Verhalten.“

„Wenn du damit meinst, dass du dich nackt an Säcken reibst...“

„Das auch.“

„Ich hab‘ nichts dergleichen gesagt.“ Ich schüttelte den Kopf und setzte ein breites Grinsen auf. „Ist dir schon mal aufgefallen, dass dich nicht jeder in der Stadt mag?“

„Wie kannst du es nicht gewesen sein? Wer sollte es sonst sein?“

„Vergiss nicht, Kröte, ich lüge nur diejenigen an, die ich fürchte, mag oder respektiere. Ich lüge, um diese Menschen nicht zu beleidigen, zu enttäuschen oder zu verärgern. Aber du... Dir würde ich am liebsten auf den Kopf scheißen, deshalb kannst du dir sicher sein, dass ich dir immer die Wahrheit sagen werde.“

„Okay. Und die Gerüchte, dass ein Einkauf bei mir für Helden unehrenhaft sei?“

„Das war ich“, antwortete ich und grinste erneut. „Willst du wissen, warum ich das gesagt habe?“

„Nein. Aber wer hätte ahnen können, dass du nicht einfach nur ein weiterer hinterwäldlerischer Bastard mit einer zu flachen Lippe und einer Nadelpistole über der Schulter bist? Obwohl ich zugeben muss, dass ich etwas davon in dir gesehen habe. Ich habe was geahnt... Widerrufe dein Tabu, Held Elb, und zwar proaktiv. Komm morgen früh in meinen Kiosk und kauf ein paar Produkte. Einige davon kannst du direkt vor der Ladentür essen, vor den Augen aller. Du brauchst kein Geld, du bekommst einen Rucksack voll umsonst und mit allen Lebensmitteln, die du magst. Als Zeichen der Wertschätzung des Kiosks für einen wahren Helden und so.“

„Okay.“ Nachdem ich kurz innegehalten hatte, nickte ich schließlich. „Einverstanden.“

„Was, einfach so?“

„Fast.“

„Fast.“ Die imposanten Wangen des Kioskbesitzers spannten sich erneut an. „Schieß los.“

„Du bist ein Geschäftsmann und weißt, dass alles seinen Preis hat. Ich werde morgen sowohl mit einem leeren Rucksack als auch leeren Ohren in deinen Kiosk stiefeln. Du kannst beides füllen, den Rucksack mit Essen und meine Ohren mit der Geschichte deines heldenhaften Streifzugs durch Zombieland und wie du dort zufällig auf den Schatz gestoßen bist. Danach sind wir quitt.“

„So ein Quatsch. Was willst du mit einer Geschichte, die so alt ist wie die Berge?“

„Ich hab‘ kürzlich das Biest Steve kennengelernt, der ebenfalls durch Zombieland gezogen ist.“

„Steve der Hund.“ Die Kröte erschauderte vor Verblüffung. „Er ist also am Leben?“

„Würdest du mir Genaueres erzählen? Wahrheit gegen Wahrheit, keine Lügen?“

„Abgemacht. Aber...“

„Aber?“

„Du nennst mich nie wieder eine Kröte.“

„Niemals vor Zeugen“, sagte ich.

„Leck mich, Held Elb. Morgen, sehr früh morgens? Es werden viele Leute in der Nähe sein, und im Kiosk wird wenig los sein.“

„Morgen, ganz früh, Kioskbesitzer Sam.“

Er verabschiedete sich nicht. Er drehte sich lediglich um und schritt so schwerfällig davon, wie er gekommen war, vorbei an dem Glatzkopf in den Mokassins, der mir jetzt entgegeneilte. Was der wohl für mich auf Lager hatte?

„Kämpfe mit mir, Held!“

„Hm?“ Ich glotzte ihn verblüfft an.

Gabby verschluckte sich beinahe an seinen Pfirsichen, während die Rothaarige unbeeindruckt blieb.

„Ich bin Arthur.“

„Und?“

„Hast du diesen alten Namen noch nie gehört?“

„Und wenn‘s so wäre?“

„Viele Jahre lang hat dieser Name die Welt mit dem strahlenden Licht der Gerechtigkeit und einem reinen Herzen erfüllt.“

„Und?“

„Kämpfe mit mir.“

„Hast du nicht gehört, was ich vorhin gesagt habe, Glatzkopf? Ich sagte, es muss etwas für mich dabei herausspringen. Es kümmert mich nicht, was du bekommst. Der strahlend helle Arthur träumt davon, dem Neuankömmling Goblin Elb das Gesicht zu zertrümmern, um sein Ansehen noch weiter zu steigern. Ein billiges Bestreben, das nach Lufterfrischer vom Grabbeltisch stinkt. Aber wen juckt‘s? Falsche Hoffnungen, Glatzkopf, falsche Hoffnungen. Wo ist mein Gewinn?“

„Wie kannst du es wagen, in diesem Ton mit mir zu sprechen? Ich bin Arthur, und die ganze Stadt kennt...“

„Wo ist mein Gewinn?“, unterbrach ich ihn, als er gerade warm wurde.

„Nun ja...“

„Mit dir kämpfen? Du meinst richtig kämpfen? Auge um Auge? Mein Fuß in deiner Fresse? Das willst du?“

„Ein edler Faustkampf“, behauptete der mutterhassende Wichser. „Der gleiche Ort, an dem du heute bereits gekämpft und gewonnen hast. Heyfuck wird alles organisieren. Der Kampf ist morgen um 12 Uhr. Dein materieller Gewinn wird aus 100 Kronen von Heyfuck bestehen. Und wenn du dich anstrengst, bekommst du noch mehr. Was sagst du dazu?“

„Nee.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht interessiert. Geh mir aus den Augen.“

„Was? Was soll das heißen? Du sagst Nein?“

„Geh mir aus den Augen.“

„Hey, so geht das nicht!“ Der Scheißkerl trat vor und erstarrte, als sein Bauch gegen meine Nadelpistole stieß. Gabby richtete sich ein wenig auf und stützte sich auf eine vor Pfirsichsirup triefende Klinge.

„Du bist in einer beschissenen Lage“, brüllte ich. „Du kannst mich nicht zum Kämpfen zwingen, und ich hab‘ eine bessere Idee. Du lutschst meinen Schwanz bis zum Anschlag, und morgen schlage ich dir die Fresse ein.“

„Ich bin Arthur! Wie kannst du es wagen?“

„Wo ist mein Gewinn?“, unterbrach ich ihn erneut. „100 Kronen? Die kannst du dir in den Arsch schieben und Leine ziehen, Vollidiot Arthur.“

„Wie viel dann?“ Der Vollidiot knirschte mit den Zähnen.

„Wie viel hast du?“

„Ich? Was hat das mit mir zu tun? Ich bin genauso ein Kämpfer wie du!“

„Du bemühst dich irgendwie zu sehr um diesen Kampf“, erklärte ich und nickte zufrieden, als ich sah, wie Arthurs Gesicht zuckte. „Bingo. Du hast jemandem versprochen, dass der Kampf stattfinden würde? Wem? Einem süßen Mädchen? Nein. Einem unrasierten Wichtigtuer? Ich hab‘s: Du hast versprochen, mir morgen Mittag in aller Öffentlichkeit die Fresse zu polieren, und zwar vor jemandem, vor dem du nicht wie ein Feigling dastehen willst. Ist das richtig?“

„Ich werde mit Heyfuck reden. Er wird dir 150 Kronen zahlen, auch wenn du verlierst, und mindestens 250, wenn du gewinnst.“

„1.000“, entgegnete ich schlicht.

„Wie viel?“

„1.000 Kronen. In klimperndem Bargeld, Gold oder Silber.“

„Das ist unmöglich.“

„Dann verpiss dich doch.“

„Hör zu, Held Elb, unser Blut kocht vor Verlangen nach einem Kampf. Lass nicht zu, dass Geld zwischen dich und den wahren Lohn eines Helden kommt.“

„Er ist ein Vollidiot“, murmelte Jorann. „Ein ausgewachsener, gottverdammter Vollidiot.“

„1.000“, wiederholte ich. „Und das ist ein Entgegenkommen meinerseits, denn ich bin mit Wunden übersät. Für 1.000 klimpernde Münzen bin ich bereit, mein T-Shirt anzulassen, damit das Publikum nicht sieht, dass du einen Beinahe-Invaliden zu einem Kampf geschleppt hast.“

„Ist es wirklich so schlimm?“ Der Junge war aufrichtig überrascht. In diesem Moment stieg mein Respekt vor ihm um einen Hauch aus dem Abgrund, in dem er sich zuvor befunden hatte.

„Ich werde es überleben.“

„So viel Geld hab‘ ich nicht. Und Karl — ich meine Heyfuck — ist nicht in der Lage, dir 1.000 Kronen für den Sieg zu zahlen.“

„Es geht nicht ums Gewinnen, sondern darum, den Kampf aufzunehmen, unabhängig vom Ergebnis. Und der Preis... Nun ja, so sei es. Ich bin mit 300 Kronen zufrieden. Du kannst sie am Geldautomaten überweisen.“

„Du kannst nicht gewinnen. Hör zu, schraub deine Erwartungen runter, und ich verspreche, dich nicht noch mehr zu verkrüppeln.“

„1.000.“

„So viel Geld kann ich nicht auftreiben!“

„Na gut“, sagte ich und zuckte mit den Schultern. „Dann verwette deine Waffe.“

„Meine Excalizer?“ Der Bursche griff nach seiner Nadelpistole und wich einen Schritt zurück. „Niemals!“

„Dann geh mir aus den Augen.“

„Sie ist ein Teil meines Körpers, ein Teil meiner Seele.“

„Du hast also Angst, zu verlieren?“, stellte ich fest.

„Du kannst nicht gewinnen, Held Elb. Nichts für ungut, aber ich bin ich und du bist du. Du kannst nicht triumphieren.“

„Du hast dich selbst in eine Falle getrieben, Vollidiot“, murmelte Jorann.

„Verstanden“, bestätigte ich. „Setze deine Waffe. Schließlich hast du nichts zu verlieren.“

„So ein Mist“, fluchte Arthur und zog eine Schlussfolgerung aus unseren Verhandlungen. Dann drehte er sich um und ging weg.

Ich wartete geduldig, doch er ließ nicht lange auf sich warten. Nach fünf Schritten machte er eine Kehrtwendung und schrie: „Gut. Ich setze meine Waffe oder 1.000 Kronen. Plus den Preis, wenn du gewinnst. Passt das?“

„Das passt.“

„Dann ist es abgemacht. Heyfuck, hast du das gehört?“

„Ich heiße Karl, verdammt noch mal, Karl! Hört endlich damit auf, Leute. Mein Name ist Karl.“

„Also“, sagte ich und machte es mir bequemer, „morgen früh ist schon einiges los.“

„Und nachmittags?“, fragte Gabby und zog eine klebrige Klinge durch seine Unterkiefer.

„Was meinst du? Wir müssen uns um die feuchten Träume des alten Survers John Dawes kümmern, es sei denn, es taucht etwas Interessanteres auf.“

„Der alte Mann braucht eine helfende Hand“, sagte das Prisma. Dann ergänzte es: „Er hat Zugang zu jeglichen gottverdammten Süßigkeiten dieser Welt.“

„Du bist besessen von diesen Obstkonserven“, sagte ich.

„Ja, denn sie geben mir einen Kick. Mein Gehirn schaltet auf Hochtouren, meine massiven Knochen erwachen zum Leben, und meine Lenden fangen fast an zu kreischen und zu zucken.“

„Deine Lenden fangen fast an zu kreischen und zu zucken?“, wiederholte ich. „Hier ist ein direkter Befehl, Kämpfer: Lass dir niemals wieder von jemandem in den Schritt treten. Wenn das passiert, werden deine Lenden nie wieder kreischen und zucken.“

„Das meinte ich nicht.“ Gabby erschauderte und schaute sich aus irgendeinem Grund nach der schlafenden rothaarigen Göre um. „Das meine ich ganz und gar nicht.“

„Nun, ja.“ Ich nickte und zog die Decke über mein Gesicht. „Und hier noch ein weiterer Befehl für dich, du Schlawiner mit dem knochigen Hintern: Du hast die nächsten drei Stunden Wache. Danach ist Klappa an der Reihe, ebenfalls für drei Stunden. Als Letzter ist Wreck dran. Pass auf, dass sich niemand dem Lager unserer Helden nähert oder unsere prall gefüllten Rucksäcke und unsere widerstandslosen, schläfrigen Körper anfasst. Verstanden?“

„Jawohl.“

„Und behalte die Umgebung im Auge“, wiederholte ich. „Denk daran, dass es da draußen eine Menge Wichser mit Schusswaffen gibt. Dies ist unsere letzte Nacht außerhalb der Mauern, zumindest in dieser Stadt. Morgen suchen wir uns in der Nähe einen sicheren Unterschlupf für die Nacht.“

„Und wo sollen wir einen finden?“

„Wir werden einen finden.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Die Details klären wir morgen, Kämpfer. Und noch etwas, Ex-Laus: Ich bin nicht glücklich mit dir.“

„Warum nicht?“

„Es ist alles und nichts zugleich. Du musst mehr trainieren, Gabby. Du musst verstehen, dass du einzigartig bist und es niemanden gibt, der dir wirklich anständige Bewegungen zeigen kann. Niemand kennt die Grenzen deines modifizierten Körpers. Du musst dich buchstäblich selbst kennenlernen. Treibe dich an deine Grenzen und wachse über sie hinaus. Experimentiere.“

„Ich verstehe, Kommandant. Ich versuche es ja. Jeden Tag mache ich Liegestütze, Kniebeugen, Dehnübungen und Sprünge.“

„Ich hab‘ dich beobachtet“, erzählte ich. „Es gibt nur ein Problem, Gabby: Du trainierst und verhältst dich wie ein Mensch. Aber du bist kein Mensch. Du bist eine knochige Laus. Das ist ein Kompliment, keine Beleidigung. Du bist eine obszöne kleine Schachtel voller unbekannter Möglichkeiten, aber du versuchst nicht einmal, den Deckel zu öffnen und hineinzuschauen. Willst du etwa nicht?“

„Ich will!“ Eine seiner Klingen schlug hart auf den Boden auf und sank einige Zentimeter ein. „Ich will, aber ich WEISS NICHT WIE!“

„Mach was Ungewöhnliches“, schlug ich vor.

„Was meinst du?“

„Siehst du die Kasernenwand?“, fragte ich und deutete mit einer Bewegung meines Kinns auf den Beton über uns.

„Was ist damit?“

„Hier ist eine Aufgabe für deine Wache: Klettere 40 Minuten lang an der Wand entlang, ohne den Boden zu berühren. Dann machst du 20 Minuten Pause, bevor du weitere 20 Minuten an der Wand herumkletterst. Nach einer weiteren Pause verbringst du die gesamte letzte Stunde an der Wand. Klettere nach Herzenslust herum, aber berühre nicht den Boden, setze dich nicht auf das Dach und hänge nicht einfach nur regungslos da. Du musst dich die ganze Zeit bewegen.“

„Herrje.“

„Lehnst du ab, Kämpfer?“

„Ganz im Gegenteil. Ich brenne darauf, es zu tun.“ Mit klappernden Geräuschen richtete sich das Prisma auf und rollte seine Schultern.

„Ein Tipp: Übe deine Sprünge, bis du es mit einem einzigen Sprung auf das Kasernendach schaffst.“

„Hä?“

„Du hast mich schon verstanden. Du hast Grashüpfer, Gottesanbeterinnen und alle möglichen anderen Insekten gesehen. Sie sind alle viel stärker, schneller und widerstandsfähiger als Menschen. Wenn du trainierst, denke nicht an hantelhebende Bodybuilder, sondern an Ameisen. Und stelle dir Heuschrecken vor, deren Hintern in Flammen stehen. Wenn du jemanden schlägst, schneidest oder erwürgst, stelle dir eine Gottesanbeterin vor.“

„Verstanden.“

„Spring hoch“, sagte ich und gähnte. „Aber vergiss nicht, Wache zu halten. Und falle mit deinen Krallen ja nicht auf deinen lieblich schlafenden Kommandanten oder seine Kämpfer, sonst schiebe ich dir deine Klingen in...“

„Ich hab‘s kapiert. Ich werde nicht herunterfallen.“

„Was immer du verstanden hast, multipliziere das mit zwei.“ Nachdem ich meine Befehle ausgesprochen hatte, machte ich es mir unter meiner Decke bequem und lauschte dem Glucksen meines Magens sowie dem seltsamen Gefühl in meinem Rücken. Die Rehabilitation ging zügig voran.

Schlaf, ein langer, erholsamer Schlaf — das war es, was dieser zähe und doch leichtlebige Goblin brauchte, der in den stählernen Außenbezirken geboren worden war.

Ein kurzes Nickerchen,und ich werde wieder fit wie ein Turnschuh sein.

Ein Betonsplitter traf auf den Boden. Das schnaufende Prisma, das sich die Knie und die Klingen an der Wand aufgeschürft hatte, rutschte laut keuchend fast bis zum Boden hinunter. Gabby starrte bösartig auf einen Riss in der Wand, der ihn nicht gehalten hatte.

Versuche es, Gabby, versuche es. Und vielleicht schaffst du etwas, wozu die meisten Menschen nicht fähig sind: bis an ihre Grenzen zu gehen und sie zu überschreiten.

Aber um diese lange Reise überhaupt erst beginnen zu können, musste Gabby etwas sehr Wichtiges begreifen: Es bedurfte absoluter Erbarmungslosigkeit. Erbarmungslosigkeit gegenüber dem Wesen, das man in dieser Welt am meisten liebte: sich selbst.

Kapitel 2

EIN RIESIGER BETONKASTEN war durch niedrige Trennwände in gleich große Zellen unterteilt worden. Jede Zelle wies einen unbequemen Stuhl sowie einen Bildschirm auf, und manchmal fand man auch eine altmodische Tastatur vor. Außerdem waren überall die unvermeidlichen dummen, vermeintlich motivierenden und lustigen bunten Aufkleber zu finden. In der letzten Zelle stand ebenfalls einer der unbequemen Stühle herum, nur war dieser für Besucher gedacht. Ein schönes Zuhause für eine Arbeiterschabe.

Ein weiteres Häuschen aus Glas — ein Aquarium, wenn man so wollte –, befand sich ganz oben an der Wand und hatte einen eigenen Eingang. Es war für die selbstgefällige, aufgeblasene Kakerlake bestimmt, die als „kleiner Chef“ bekannt war. Selbstverständlich konnte man von dort aus einen Blick auf die gesamte Werkhalle werfen, in der es von kleineren Kakerlaken nur so wimmelte. In diesem gläsernen Häuschen saß ich gemütlich im Besucherstuhl, schlürfte einen grässlichen Kaffee aus dem Glas des Bewohners und beobachtete neugierig die Arbeitsabläufe einer winzigen Niederlassung eines Weltkonzerns, der seine Finger überall im Spiel hatte, einschließlich des kommunalen Wohnungsbaus, der Räumung von verseuchtem Land und der Luft- und Seefracht.

Als mir das Beobachten der Arbeitsabläufe zu trivial wurde, wandte ich mich kurz ab und drückte sanft auf ein bestimmtes Messer, um ein weiteres Stück des rechten Daumens des gelähmten Büroinhabers gegenüber von mir abzuschneiden. Die anderen Finger hatte ich bereits abgetrennt. Sie lagen fein säuberlich — und identisch geschnitten — neben der verkrüppelten Handfläche. Das dickflüssige Blut verteilte sich nur langsam auf der Tischplatte, denn ich hatte oberhalb des Ellenbogens einen Druckverband angelegt — so, dass er den Blutfluss nicht komplett aufhielt, wodurch ich dem Opfer die Möglichkeit gab, mitzuerleben, wie das Leben langsam aus ihm herausfloss. Er spürte weder Schmerz noch konnte er sich bewegen, daher blieb ihm nichts anderes übrig, als im gefühllosen Körper einer Fleischpuppe gefangen zu bleiben und zuzusehen, wie ich ihn methodisch in Stücke schnitt. Die linke Hand war bereits verschwunden. Die zerschnittene Masse lag in Form einer Hand neben seiner rechten Hand.

Das Messer durchdrang erneut sowohl Fleisch als auch Knochen mühelos und entfernte einen weiteren Teil des Daumens, während das spritzende Blut den Bildschirm verschmierte. Der Bildschirmschoner bestand aus einem fröhlich herumhüpfenden Smiley, begleitet von dem beschwingten Untertitel: „Glaube an dich selbst!“ Jetzt sah der Smiley uns durch Blutschlieren hindurch an.

Ich schnitt ein weiteres Stück Fleisch ab und sah den Besitzer des verschwindenden Körpers an. Er blinzelte. Einmal. Er hätte zweimal blinzeln sollen. Achselzuckend machte ich eine Markierung und schnitt ein massives Stück seiner rechten Hand ab. Danach blickte ich zurück in den Geschäftsraum und entdeckte die Gestalt einer Besucherin, die seltsam zappelnd in einer der Zellen stand. Ich machte die Nummer der Zelle ausfindig, wischte den positiven Smiley vom blutverschmierten Bildschirm und tippte mit dem Finger auf das entsprechende Nummernfeld.

Der Bildschirm erwachte zum Leben und zeigte die Zelle mit seinem Schreibtischhengst und seiner Besucherin. Durch die Lautsprecher konnte ich das Gespräch verfolgen, das eher einem Monolog glich. Die zappelige Frau sprach schnell und fuchtelte nervös mit dem Taschentuch auf ihrem Schoß herum.

„Sie müssen verstehen, dass ich von Natur aus ordentlich bin, sehr pingelig. Ich kann fremde Gerüche und Unordnung nicht ausstehen. So bin ich erzogen worden und dafür bin ich dankbar. Ich erinnere mich noch daran, wie mein Vater mir einmal in den Rücken trat, nachdem ich vergessen hatte, die Toilette zu spülen. Dann packte er mich an den Haaren und tauchte meinen Kopf hinein. Das war eine gute Lektion fürs Leben. Mein Vater hat sein Bestes getan, um mich zu einem besseren Menschen zu machen.“

„Kommen Sie bitte zur Sache. Sie sind mit einem Antragsformular hier.“