Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 9): LitRPG-Serie - Dem Mikhailov - E-Book

Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 9): LitRPG-Serie E-Book

Dem Mikhailov

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Beschreibung

Die Reise von Rosgard dem Großen Navigator und seinen Gefährten geht weiter! Als Teil der Armada der Rastlosen sind sie unterwegs zu den Ufern von Zar'Graad und können es kaum erwarten, den magischen Schleier zu lüften und als erste den neuen Kontinent zu betreten. Denn dort warten wahrlich fantastische Boni auf unsere Helden – und auch wenn noch niemand weiß, wie diese aussehen werden, will niemand das Pech haben, erst als Zweiter ins Ziel zu kommen. Zwei Inselgruppen – der Ring des Friedens und die Schwingen des Krieges – sind nur ein Zwischenstopp auf dem Weg des Clans zu seinem eigentlichen Ziel. Aber auch dort schafft es Rosgard, sich hervorzutun und mit seinen Taten das Leben und die Machtverhältnisse in der gesamten digitalen Welt von Waldyra zu beeinflussen. Die letzte Etappe des Rennens liegt noch vor ihm, und seine Rivalen sitzen ihm wie immer im Nacken. Sie würden alles tun, um die Rastlosen daran zu hindern, das mythische Zar'Graad zu erreichen. Rosgards Triumph scheint zum Greifen nahe – aber wird die Mission gelingen? Welche unerwarteten Wendungen stehen Rosgard noch bevor? Die Antworten auf diese und viele andere Fragen findest du in Buch 9. Lies das letzte Buch von Dem Mikhailovs legendärer LitRPG-Saga Herrschaft der Clans: Die Rastlosen, bevor du in den Spin-off der Serie, Die Helden der letzten Wildnis, eintauchst!

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Inhaltsverzeichnis

Erster Teil

Abenteuer und Abenteuerlichkeiten!

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Zweiter Teil

Die letzten paar Meter

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Nachwort

Über den Autor

Herrschaft der Clans - Die Rastlosen

Eine LitRPG-Serie von Dem Mikhailov

Buch #9

Magic Dome Books

in Zusammenarbeit mit

1C-Publishing

Herrschaft der Clans - Die Rastlosen. Buch #9

Originaltitel: Clan Dominance: The Sleepless Ones. Book #9

Copyright © Dem Mikhailov, 2021

Covergestaltung © Ivan Khivrenko, 2021

Designer: Vladimir Manyukhin

Deutsche Übersetzung © Katharina Baxter de Aizpurua, 2024

Lektor: Youndercover Autorenservice

Herausgegeben von Magic Dome Books in Zusammenarbeit mit 1C-Publishing 2024

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00

Praha 9 Czech Republic IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Buch ist nur für deine persönliche Unterhaltung lizensiert. Das Buch sollte nicht weiterverkauft oder an Dritte verschenkt werden. Wenn du dieses Buch mit anderen Personen teilen möchtest, erwirb bitte für jede Person ein zusätzliches Exemplar. Wenn du dieses Buch liest, ohne es gekauft zu haben, besuche bitte deinen Shop und kaufe dir dein eigenes Exemplar. Vielen Dank, dass du die harte Arbeit des Autors respektierst.

Die Personen und Handlung dieses Buches sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung mit realen Personen oder Vorkommnissen wäre zufällig.

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Erster Teil

Abenteuer und Abenteuerlichkeiten!

Erstes Kapitel

Festland. Alles im Namen des Clans? Persönliche Interessen und eine Menge Leidenschaft

„ICH WILL EINEN FULMINANTEN Auftritt! Wir gehen es langsam an. Aber dann zeigen wir ihnen mal, was Sache ist!“ Die Crew war angespannt und die gellende Stimme der Baronin tat ihr Übriges.

Ich hatte nichts gegen fulminante Auftritte. Das Flaggschiff war das erste, das sich dem verheißenen Paradies, das vor uns lag, näherte. Es hatte sich eine triumphale Ankunft mehr als verdient. Das mit Hunderten Segeln und Dutzenden Flaggen bestückte Felsenungetüm glitt langsam und unaufhaltsam vorwärts. Seine Fahrt wurde bis ins kleinste Detail von einer Heerschar Journalisten dokumentiert. Die Baronin gab ihnen die Gelegenheit, das Flaggschiff der Armada der Rastlosen in ihrer ganzen grausamen Pracht zu sehen.

Abgesehen von der schwerfälligen Schönheit des Flaggschiffs, das dank all der Schlachten, die es geschlagen hatte, ohnehin schon berühmt genug war, sah nun die ganze Welt, dass die Rastlosen es nicht eilig hatten, an Land zu gehen wie seekranke Ratten. Ganz im Gegenteil. In aller Seelenruhe näherten sie sich dem Ort. Ein kleines Päuschen, weiter nichts, auf diesem lächerlichen Flecken Festland. Die riesige Flotte war in Sicherheit, die Crew war gesund und munter, und sie hatten das Glück noch auf ihrer Seite, und Rückenwind. Allein der Gedanke an einen erzwungenen Stopp schien absurd. Das war die wichtigste Botschaft, die unser Anlegen an Freund und Feind gleichermaßen aussandte. Die Rastlosen könnten genauso gut weiterfahren, weiter ins Unbekannte. Sie waren stark und zuversichtlich wie eh und je. Ihre Schiffe waren bestens gewartet und unter Deck türmten sich die Vorräte.

Strategie und Taktik, Politik und List: die Schwarze Baronin war in ihrem Element. Ich stand an Deck und richtete meinen Blick auf das geheimnisvolle Land, das schon zum Greifen nahe war.

Mir fiel sofort das durchdachte Design auf und die Akribie, die selbst in den kleinsten Details steckte.

Dies war keine willkürliche Konstruktion aus Dreck und Zweigen, die Tausenden von müden Matrosen die dringend benötigte Erholung bieten sollte. Ganz offensichtlich war hier viel Zeit in die Planung und Umsetzung geflossen. Ich war einer der Ersten, die den neuen Standort auf den riesigen magischen Bildschirmen auf der Kommandobrücke der Schwarzen Baronin sahen. Der Ring des Friedens war beeindruckend.

Überall Fels. Guter alter Fels, hellgrau und mit zahlreichen bunten Flecken durchsetzt. Was für ein Anblick für müde Augen, die das endlose Blau des Meeres satthatten. Es gab kleine Felsen, nur wenige Meter hoch, und andere Erhebungen, über die ein breiter Strom klaren Wassers ins Meer floss. Das verzweigte Bett dieses Stroms durchzog das Grau mit einem komplizierten Muster aus blauen Verästelungen. Über die Insel verteilt wuchsen hohe Bäume, die viel Schatten spendeten. Bei ihrem Anblick bekam man sofort Lust, von Bord zu gehen und es sich unter dem Blätterdach eines dieser Urwaldriesen gemütlich zu machen und eine Weile zu rasten. Zumindest ging es mir so, und das Gefühl übermannte mich wie aus dem Nichts. Einfach auf dem Rücken liegen und beobachten, wie das Sonnenlicht Sprenkelmuster auf die Blätter zeichnete.

Weiter hinten erhoben sich sanfte Hügel mit Blumenwiesen. In dieser Landschaft fanden sich viele Fleckchen, die zum Verweilen einluden. Mir fielen breite Bänke aus Holz und Stein mit hohen Lehnen auf. Manchmal befanden sie sich an Stellen, an denen man sie überhaupt nicht erwarten würde. Da waren Felsbrocken und Baumstümpfe, die wie zusammengewürfelt in kleinen Gruppen platziert waren, und beinahe darum zu bitten schienen, eine Flasche Wein zu öffnen, es sich auf einem dieser natürlichen Sitzplätze bequem zu machen, und ein bisschen Lagerfeuerromantik zu erleben.

Kurzum, der Ring des Friedens ließ einen staunen. Er war genau wie in der Anzeige beschrieben: Eine gigantische runde Plattform aus Felsen mit einem breiten Ring von größerem Durchmesser, den Kanäle von der Plattform trennten. Die Schwarze Königin segelte gerade durch einen der Kanäle des äußeren Rings und brach mit ihrem schroffen Bug kühn die Brandung. Bunte tropische Vögel segelten über die Decks, ließen Blütenblätter auf unsere Köpfe regnen und drehten Pirouetten in der Luft.

Vom runden, zentralen Stück Land aus wurden wir mit fröhlichem Winken und extravagante Girlanden und Blumensträußen begrüßt. Die Menschen am Ufer waren klein, hatten dunkle Haut und wirkten friedlich und freundlich. Lächeln, wohin man blickte, und keine einzige Waffe in Sicht. Das waren also die Einheimischen, die uns während unseres Zwischenstopps hier Gesellschaft leisten würden, dachte ich bei mir. Die Clans würden mit ihnen Handel und Geschäfte treiben. Das Lächeln dieser Einheimischen könnte sich also bald in das fiese Grinsen von skrupellosen Kapitalisten verwandeln, oder in das eines Bauern, der gerade ein Arbeitsross gekauft hat und nicht vorhat, es seine Pferdetage mit Müßiggang zubringen zu lassen.

Dutzende weitere Schiffe folgten dem Flaggschiff in den Kanal und auch unter unserem Kiel lief eine große Flotte ein — das Wasser war klar genug, dass wir gigantische Dinosaurier sehen konnten, die anmutig durch die schillernden Seegraswälder glitten. Sie transportierten Achyloten sowie Waffen und unzählige Kisten. Die Unterwasserflotte näherte sich zügig dem Hafen. Nur die Tatsache, dass sie dem langsameren Flaggschiff untergeordnet war, hinderte sie daran, es zu überholen.

„Wir werden heute Abend viel Spaß haben!“, sagte die Baronin, und ihre Worte waren auf jedem Schiff der Armada zu hören, über und unter Wasser, in der Nähe und Meilen entfernt. „Alle werden die Gelegenheit haben, sich auszuruhen. Aber ich muss einige von euch bitten, zu bleiben. Schiffszimmerleute, Waffenschmiede, Biestzähmer, Alchemisten, Schmiede. Alle auf der orangen Liste. Ich hoffe, ihr versteht, dass ihr gebraucht werdet — auf den Schiffen gibt es eine Menge zu tun. Risse in den Rümpfen, einige Katapulte sind außer Betrieb, wir haben verletzte Tiere hier und wir brauchen mehr Alchemie und Pfeilspitzen und so weiter. Ihr habt zwei Stunden Zeit zum Ausruhen, auf die zwei Stunden Arbeit folgen werden. Die Rastlosen waren schon immer für ihre Ausdauer und ihren Fleiß bekannt, und diese Qualitäten werden wir wieder unter Beweis stellen müssen!“

Ein Seufzer der Enttäuschung und dennoch grimmigen Entschlossenheit ging durch die Schiffe und trübte die aufgeregte Stimmung etwas.

Die Baronin schwieg, lächelte ruhig, und erst, als Kreuzschnabel das Zeichen gab, dass die magische Übertragung beendet war, drehte sich die Clanführerin der Rastlosen scharf zu mir um.

„Ros!“

„J-ja?“, stammelte ich, überrascht von dieser plötzlichen Attacke.

„Wieso zum Teufel wendest du dein Gesicht ab?“

„Mein Gesicht? Was meinst du denn damit wieder? Ich bin doch nur dagestanden. Ich habe nichts gesagt und ganz bestimmt auch nichts abgewendet...“

„Du bist dagestanden, das stimmt von mir aus. Aber als ich gesagt habe, dass ich einige von euch zum Bleiben auffordere, hast du sofort dein Gesicht weggedreht!“

„Ja, und?“

„Andere Leute beobachten deine Gesten, deine Mimik! All das wird live ausgestrahlt! Und eine Menge Leute schauen zu dir auf!“

„So ein Quatsch. Zu mir? Wer denn?“

„Willst du jetzt eine Liste mit Namen? Natürlich schauen viele Leute zu dir auf, warum auch nicht? Du bist der Große Navigator; außerdem warst du schon berühmt für deine Abenteuer, bevor sich das mit dem Navigator herumgesprochen hat. Es wurden sogar zwei Lieder über dich geschrieben! Gut, eines ist ein Spottlied. Aber das andere ist eigentlich ganz okay! Heutzutage wird mehr über dich geredet als über den Blutroten Luchs und Malice, und die zwei sind echte Legenden! Wie auch immer, werter Herr Ich-mach-was-ich-will, tu mir bitte einen Gefallen: Wenn du im Fernsehen bist, hast du dazustehen und zu lächeln, egal, was ich sage! Ich bitte dich! Schneide keine Grimasse und wende verdammt noch mal dein Gesicht nicht ab, wenn ich etwas sage, wie ‚wir müssen‘, ‚unvermeidlich‘, ‚notwendigerweise‘, ‚gezwungenermaßen‘, und so weiter! Haben wir uns verstanden?“

„Klar, natürlich“, versicherte ich verdattert. „Sie reden also mehr über mich als über den Blutroten Luchs, was?“

„Lass es dir nicht zu Kopf steigen“, schnaubte die Baronin. „Luchs macht gerade eine schlechte Phase durch. Eine sehr lange schlechte Phase. In Ordnung“, sagte sie dann und winkte Kreuzschnabel. Die Live-Übertragung wurde fortgesetzt. „Ahoi! Ankern und bereit machen, von Bord zu gehen, ihr Seebären und Piratenbräute! Aber benehmt euch! Keine Schlägereien mit Mädels, kein Umarmen von Jungs ohne deren Zustimmung. Damit meine ich unsere Damen — unsere Herren sind wohlerzogen! Amüsiert euch und sorgt dafür, dass man euch hier so schnell nicht vergisst! Ab sofort sind wir auf Kurzurlaub!“

„Hurraaa!“ Das Begrüßungskomitee zuckte unter dem mächtigen Gebrüll hunderter müder Matrosenkehlen zusammen, hatte sich aber bald wieder gesammelt. Schon bald sahen wir wieder strahlendes Lächeln, wohin wir auch schauten, und immer mehr Blumengirlanden flogen durch die Lüfte Ein paar Einheimische schnappten sich Stöcke und begannen mit Begeisterung auf große Trommeln zu schlagen. Sie bewiesen dabei ein ausgeprägtes Rhythmusgefühl. Wir hatten an diesem Abend eine Menge Spaß...

Es war ein früher, sonniger Morgen und ich fühlte mich ruhig und glückselig.

„Wie schön...“, sagte ich mit einem Seufzen und streckte mich auf einer mit Kornblumen bedeckten Anhöhe aus.

„Yep“, stimmte Doc zu, der neben mir zwischen den Blumen lag und die Hände auf seinem eingefallenen Bauch gefaltet hatte.

„Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut gefühlt“, murmelte Kray, der es sich zu unseren gemütlich gemacht hatte.

„Laaangweilig“, stöhnte Orbit, der sich wie ein tollwütiges Erdhörnchen mit Glatze bis zu den Hüften in den Boden gebuddelt hatte. Er hatte sich ganz allein so eingegraben — und dabei nicht einmal seine Hände oder Callowans Rüssel zu Hilfe genommen.

„Was fällt euch ein, hier zu faulenzen?“ Ein breitschultriger Halbork kam wütend schnaubend in unsere Richtung gerannt. „Ich habe uns gerade vier Quests besorgt, die wir erledigen müssen! Jede davon ist möglicherweise sehr lukrativ! Ärsche hoch und folgt mir!“

„So viel zum Ausruhen“, stöhnte ich, während ich mich hochrappelte.

„Ach, komm, Boss“, sagte unser Doktor Boo-Little kichernd. „Lass uns ein wenig schwitzen, wie in den guten alten Zeiten.“

„Könnte mir Schöneres vorstellen“, maulte Kray. Tyrann, der neben ihm saß, stieß ein solidarisches Jaulen aus.

Krays schlechte Laune überraschte niemanden. Callen war auf dem zentralen Platz geblieben, wo alle wichtigen Veranstaltungen stattfanden — Turniere, Auktionen, Angelwettbewerbe und sportliche Wettkämpfe, denn sie arbeitete jetzt hauptberuflich als Journalistin für den Boten und hatte kaum noch Gelegenheit, als Privatperson an irgendwelchen wilden Abenteuern teilzunehmen.

Übrigens hatten mich auch meine Freundin und meine Tochter im Stich gelassen. Beide ließen mich unmissverständlich wissen, dass sie nicht vorhatten, auch nur ein einziges Angelereignis zu verpassen, und dass sie zudem planten, jedes einzelne zu gewinnen.

Damit blieben nur noch ich, Kray, Bom, Doc und unsere treuen Tiere übrig.

Von unseren Klassen her waren wir ja ein gutes Team. Wir hatten zwei starke Nahkämpfer, die tanken konnten, ein Heiler mit ein paar unorthodoxen Hobbys, ein unberechenbares, säbelschwingendes, wahnsinniges Genie, das Geister beschwören konnte, und meine Wenigkeit, ein Kampfmagier mit ein paar gut entwickelten Zaubern.

Allerdings vermissten wir einen Paladin-Tank, eine Kampfmagierin und eine potenzielle Göttin. Kray also war wütend. Er hatte sich wohl so daran gewöhnt, seine ganze Zeit mit Callen zu verbringen, dass er nicht wusste, was er jetzt mit sich anfangen sollte.

„Angesichts unserer lächerlichen Level gibt es nur zwei Orte, an denen wir uns frei bewegen und ordentlich was erledigen können, ohne jedes Mal eine halbe Stunde für einen einzigen Mob verschwenden zu müssen“, herrschte Bom uns an, als ob er uns der Sabotage verdächtigte. „Es gibt an diesen Orten je zwei Quests zu erledigen. Sie sind zeitlich begrenzt. Wenn wir auch nur eine halbe Minute zu spät kommen, war’s das und die Quest wird an eine andere Gruppe von Glückspilzen weitergegeben. Ich wäre fast in eine Schlägerei geraten, während ich in der Nähe der Ankündigungstafel und der beiden Einheimischen, die die Quests verteilen, herumhing. Macht euch keine zu großen Hoffnungen, aber ich habe das Gefühl, dass sich aus einer von ihnen eine Questkette entwickeln könnte.“

„Warum ruhen wir uns nicht einfach ein bisschen aus? Spielen eine Runde Karten...“ Dieser Vorschlag stamme von unserem bekümmerten Zwerg Kray, der offenbar jeden Selbsterhaltungstrieb verloren hatte.

Bom brüllte wütend und erinnerte dabei an seine wilden orkischen Verwandten, die gegen Barad Gadur in den Krieg zogen.

„Karten?“

„Ja, Karten. Von mir aus mit Wetten.“

„Wetten? Mit echtem Geld?“ Der Halbork bekam fast einen Anfall. „Du kriegst augenblicklich deinen Arsch hoch! Oder ich sage Callen, dass du einem üppigen Elfenmädchen auf die Brüste geglotzt hast!“

„Hä?“

„Nichts ‚hä‘! Aufstehen! Raus aus dem Urlaubsmodus! Ros, warum gibst du nicht die Befehle? Das kannst du doch gut.“

„Wie kommst du denn da drauf?“

„Wer hängt denn permanent mit der Baronin ab? Du musst schon eine Menge Motivationsansprachen gehört haben.“

„Wo du recht hast, hast du recht“, seufzte ich. „Kommt schon, Leute, steht auf. Überlegt doch mal! Nur wir Jungs hier und wir haben vielleicht die einzigartige Gelegenheit, wie die Pioniere zum ersten Mal Fuß in eine unentdeckte Wildnis zu setzen. Ein paar Monster zu jagen, die noch niemand gesehen hat, und Wein auf einem verschneiten Gipfel zu trinken, den noch nie jemand bezwungen hat. Das klingt doch verlockend, oder nicht? Und wir müssen uns nicht einmal wie Gentlemen benehmen, denn die Damen sind nicht da! Nur ein Haufen wilder Männer auf ihrem Weg zum Sieg, ungepflegt und frei! Was haltet ihr davon, hm?“

„Ich bin dabei!“ Doc reckte die Brust und wirkte auf einmal hellwach.

„Und vielleicht finden wir ein paar besondere Trophäen, die wir den Mädels mitbringen können“, fügte ich schnell hinzu. Da war plötzlich auch Kray wieder putzmunter.

„Mhhh...“, machte der dünne, glatzköpfige Elf unentschlossen. Offensichtlich hatte meine Rede über die Tugenden der männlichen Solidarität und Brüderlichkeit bei ihm keine Spuren hinterlassen.

„Und wie ich uns kenne, kommen bestimmt irgendwie in eine besonders brenzlige Lage, aus der wir uns nur auf die unglaublichste und zweifellos interessanteste Weise wieder befreien können! Eine Lage, die so unheimlich ist, dass wir nur mit vereinten Kräften und unter Anstrengung jeder einzelnen Gehirnzelle, die wir besitzen, mit dem Leben davonkommen. Wenn überhaupt!“

„Wiiirklich...“ Der Elf zuckte mit den zerfledderten Ohren, warf mir einen verzückten Blick zu und schraubte sich dann auf die komplizierteste Art und Weise, die man sich vorstellen kann, langsam aöus seinem Erdloch.

„Du bist auf jeden Fall besser darin geworden, in der Öffentlichkeit zu sprechen“, begann Bom und nickte energisch.

„Du selbst brauchst keine zusätzliche Motivation, nehme ich an“, sagte ich. „War immerhin deine Idee. Aber ich bin froh darüber. Ich habe schon ewig keinen Spaß mehr gehabt, ohne dass mir dabei irgendein Erwachsener kritisch über die Schulter geschaut hat.“

„Na, siehst du! Genau wie in den guten alten Zeiten. Dann nichts wie los!“

„Auf gehts!“ Ich streckte mich und machte den ersten Schritt. „Also! Das ist der Plan: Wir bestaunen die netten Sehenswürdigkeiten, vernichten die Monster und befreien uns aus den bizarrsten Situationen auf die interessaaanteste Weise! Wir sind Männer, knallharte Männer, hinter uns die Sintflut und der Funkenregen, klar? Also lassen wir es knallen! Auf, im gemächlichen Gang wahrhaft selbstbewusster Männer!“

„Jaaa!“

„Neiiin!“, schrie Doc hysterisch und klammerte sich an Callowans Schwanz, während seine dünnen Heilerbeine über einem steilen Abgrund baumelten. „‚Im gemächliche Gang eines wahrhaft selbstbewussten Mannes‘, hat es geheißen! Ich werde gleich in den Tod stürzen! Und wie war das noch mal mit den netten Sehenswürdigkeiten?“

„Du hast doch einen fantastischen Blick auf die Insel aus der Vogelperspektive!“ brüllte ich zurück. „Tyrann! Lebst du noch?“

„Rr-wau!”, bellte der schwarz-weiße Wolf von einem sehr schmalen Felsvorsprung aus. Er schmiegte sich an die Wand und wagte es nicht, auch nur ein Ohr zu bewegen.

„Ich hab gleich gewusst, dass es eine schlechte Idee ist, das Mammut mitzunehmen!“, brüllte der Halbork heiser. Er war gegen den Felsen gedrückt und unter einem von Callowans Beinen eingeklemmt, nachdem das Mammut fehlgetreten war.

„Meine Callen ist irgendwo da unten...“ Kray saß am Rande des schmalen Bergpfades und schien sich darauf vorzubereiten, den Fuß des Berges auf eine sehr radikale und schnelle Weise zu erreichen.

„Haltet den selbstmordgefährdeten Zwerg!“, brüllte ich nun aus vollem Halse.

„Spring, spring, spring“, raunte der glatzköpfige Elf auf dem Kopf des Mammuts.

„Wir sind selbst schuld, und zwar an allem!“, sagte ich wütend. Ein spöttisches Echo kam vom steilen Berghang auf der anderen Seite zurück und verebbte auf seinem Weg in das enge, auf beiden Seiten von hohen und spitzen Bergkämmen eingefasste Tal. „Bom, komm da raus! Wenn das Mammut einen Schritt zurückmacht, zerquetscht es Doc!“

„Doc bestätigt das!“, fiepte Doc aus Richtung Callowans Hintern. „Habt Erbarmen mit dem Heiler!“

„Das ist alles unsere eigene Schuld“, wiederholte ich und schüttelte niedergeschlagen den Kopf. „Wir sind zu faul geworden. Wir sind zu Schafen geworden!“

„Was genau meinst du damit, Boss?“, erkundigte sich der Ork, dem es endlich gelungen war, sich zu befreien. Gerade hatte er sich aufgerichtet,

da fegte ein kräftiger Windstoß über den Bergpfad, auf dem wir uns befanden und das Mule duckte sich sofort wieder.

„Na, wir haben verlernt, selbst nachzudenken“, sagte ich. „Zuerst hatten wir Kyre als Kommandantin. Sie ist ein Genie in Sachen taktischer Führung. Der Rest von uns waren immer nur Fußsoldaten, die eben gehorchten. Dann wurden wir ständig von irgendwelchen hochrangigen Rastlosen begleitet, die uns Ratschläge gaben und uns vor jeder ernsthaften Gefahr bewahrten. Es musste also kommen, wie es kam. Und das irritiert mich.“

„Ja“, murmelte Bom mit seiner Grummelstimme. „Du hast recht. Wir haben uns daran gewöhnt, dass uns jemand sagt, wo es langgeht.“

„Nun, dann werden wir uns eben wieder umgewöhnen müssen!“, sagte ich entschlossen. Das ist doch lächerlich! Ohne die Frauen sind wir zu nichts fähig? Ich meine das wirklich nicht sexistisch, aber...“

„Klingt schon ein bisschen danach, Boss.“

„Nein, im Gegenteil! Ich habe größten Respekt vor Frauen, aber das ist doch einfach absurd — einmal passt keine weise Frau auf uns auf und schon stecken wir bis zum Hals in Schwierigkeiten. Ich meine, schaut euch Kray an, der ist kurz davor, zu springen! Hey! Kray! Entweder bring es hinter dich und spring endlich, oder geh vom Abgrund weg! Du machst mich völlig nervös.“

„Oh, ich bin einfach fix und fertig...“

„Dann reiß dich zusammen! Orbit, du führst Callowan weiter. Doc, du hältst dich mit allem, was du hast, am Schwanz des Mammuts fest — als ob das Schicksal der Mammuts auf dieser Welt davon abhinge! Wir folgen euch. Es ist nicht mehr weit bis zum Gipfel.“

„Aber auf dem Gipfel ist vor dem nächsten Gipfel“, seufzte Bom, was mich noch wütender machte.

„Du warst derjenige, der uns die Quests besorgt hat! Also, Abmarsch! Und wir töten alles, was sich uns nähert! Da! Da kommt was geflogen! Gebt mir Deckung!“

Ich hob die Hände und führte meine Handflächen so zusammen, dass zwischen meinen Zeigefingern und Daumen so etwas wie ein dreieckiges Visier entstand, das ich auf die sich schnell nähernde Kreatur richtete. Diese Kreatur sah ziemlich seltsam aus, wie ein rundlich-ovaler Felsbrocken, der mit langen, dichten braunen Haaren bedeckt war. Sie hatte keine Flügel, obwohl sie flog, und war auch kein Vogel. Es war ein lebendes Projektil, das jemand von einem Katapult weit unten in dem engen Tal, das mit jungen smaragdfarbenen Farnen bewachsen war, auf uns geschleudert hatte. Diese verdammten Farne wuchsen überall. Einst musste sich hier ein Meer befunden haben, dessen Bodenschlamm eine besonders nährstoffreiche Schicht gebildet hatte.

„Bei drei nach links, Ros!“

„Verstanden“, antwortete ich, während ich den heranschwirrenden haarigen Felsbrocken mit Eissplittern bewarf. Ich verfügte zwar über einen ausgezeichneten Feuerball-Zauber, aber der hatte beim letzten Mal zu schlimmen Folgen geführt, und ich wollte denselben Fehler nicht noch einmal machen. Die Haare des Mobs erwiesen sich als besonders leicht entzündlich. Er verwandelte sich augenblicklich in einen lebenden Feuerball, der mitten unter uns landete, sich zu drehen begann und uns glühende Haarsträhnen ins Gesicht peitschte. Doc überlebte nur durch ein Wunder. Es war unsere sechste Begegnung mit einem dieser haarigen Felsen. Die Haare auf dem Monster waren übrigens in Wirklichkeit eine Art gefräßiges Moos, das sich um sein Opfer wickelte und es näher an das zahnbewehrte Maul des Felsens zog. Das fanden wir später heraus, als wir auch die Pilze und Blumen bemerkten, die auf dem Felsen wuchsen.

„Zwei... drei!“

Ich warf mich nach links. Der Mob landete mit einem höllischen Krachen und Brüllen genau da, wo der ich eben noch gestanden hatte. Bom und Kray deckten mich mit ihren Schilden. Ein dunkler Schatten zuckte über uns. Der falsche Felsen wurde von einem sehr echten Felsen getroffen. Callowan verprügelte die Kreatur mit einem länglichen Felsbrocken, den er wie eine riesige Keule in seinem Rüssel hielt. Der Schlag war so heftig, dass der Mob strauchelte. Kray und Bom kamen sofort angestürmt, Waffen im Anschlag. Der Felsen drehte sich, und Kray sprang fluchend zurück und wischte sich hastig das rauchende Gesicht ab. Doc eilte ihm zu Hilfe. Bom machte ebenfalls einen Schritt zurück, als das hässliche Ding sich nach ihm ausstreckte, und ich versperrte dem Mob den Weg mit einer Dornenhecke, die einen großen Teil des Pfades blockierte. Das Mammut versetzte unserem Feind einen weiteren schweren Schlag mit der Felsenkeule, während ich Eissplitter auf ihn regnen ließ. Dann hackte ich mit dem Schnurzauber einen großen Teil meiner magischen Vegetation wieder ab, damit wir etwas sehen konnten.

Der schwarz-weiße Wolf jaulte laut und wütend hinter uns. Das Gejaule war eine Warnung.

Wir gruppierten uns neu, machten uns auf den nächsten Angriff bereit, und überließen die Überreste des zotteligen Felsbrockens — Schlammwomper genannt — Callowan dem Mammut. Alles lief genau wie beim letzten Mal ab — eine spindeldürre, über zwei Meter große Kreatur sprang hinter einer Biegung hervor. Entfernt ähnelte es einem Strichmännchen aus Gelee. Kurz, ein äußerst unappetitliches Wesen. Tyrann, der uns den Rücken freihielt, stürmte vor und schnappte mit seinen Zähnen nach einem der Beine. Die Reißzähne des Wolfs durchdrangen das fast flüssige Fleisch, ohne viel Schaden anzurichten. Das hässliche Ding brüllte triumphierend, doch keine Sekunde später brach das Gebrüll ab. Die Kreatur schlug sich mit den langen Tentakeln auf die Bisswunde, wo, genau über der tiefen Wunde, die Tyrann verursacht hatte, zwei stecknadelkopfgroße Löcher zu sehen waren. Docs Schlange, die die ganze Zeit auf Tyranns Kopf gesessen hatte, hatte im selben Moment zugebissen wie mein Wolf. Doppelt gebissen, doppelt verwundet. Die eine Wunde war tief, das Fleisch zerfetzt, die andere nur oberflächlich, jedoch voller Gift.

„Also dann“, sagte ich mit ruhiger Stimme und attackierte den Mob mit fünf Feuerbällen gleichzeitig. Er kreischte vor Schmerz und begann sich zu drehen, während eine Rauchfahne in den Himmel stieg. Sobald das Monster es geschafft hatte, die Flamme zu löschen, pflanzte ich ein weiteres Dornendickicht. Nun hieß es warten. Mit Schadenfreude sahen wir zu, wie sich die Kreatur mit den weichen Gliedmaßen langsam durch die magischen Dornen kämpfte, die sie vergifteten und ihr Fleisch zerfetzten.

Endlich hatten wir eine Strategie gefunden, die auch aufging. Hatte auch lang genug gedauert. Dies war nicht unser erster Kampf. Die anderen hatten uns alle fast das Leben gekostet. Das Chaos, in dem wir uns wiedergefunden hatten, war geradezu entsetzlich und beschämend. Irgendwie hatten wir es geschafft, uns durchzuschlagen, und anschließend unsere Kampftechnik analysiert, oder, besser gesagt: Jeder hatte die anderen Gruppenmitglieder mit brutaler Ehrlichkeit auf sämtliche Fehler hingewiesen. Dann gab es einen weiteren Kampf mit einem dieser Strichmännchen mit einem Körper wie Gelee, die uns auf unserem Pfad auflauerten. Das Geleeding wurde, aus welchem Grund auch immer, Octoplasmus genannt.

„Wir gehen weiter“, befahl ich, und die Jungs nahmen eilig die zuvor vereinbarte Formation ein. Wir setzten also unseren Weg über den schmalen Bergpfad zum Gipfel fort. Danach stiegen wir den Bergrücken wieder hinab, nur um den nächsten Gipfel zu erklimmen — da wollten wir hin. Und warum die ganze Bergsteigerei? Unsere Quest stand ganz im Zeichen von Liebe und Harmonie. Wir mussten rings um ein altes Bauwerk aus Stein alles niedermetzeln, was einen Puls hatte. Anschließend sollten wir im Steinbauwerk ein magisches Artefakt installieren, das es einem lendenschurztragenden einheimischen Ingenieur ermöglichen würde, sich dorthin zu teleportieren. Dessen Aufgabe wiederum war es, irgendetwas zu reparieren und wieder zu verschwinden. Wir konnten ihn dann entweder begleiten und uns mittels Magie zurückbeamen lassen oder ganz klassisch zu Fuß zurückgehen.

„Macht einer dieser anderen Clans hier eigentlich irgendetwas anderes, als rumzulaufen und hübsch auszusehen?“ fragte Bom verärgert, während er die gesamte Loot von zwei Mobs in seinen Sack stopfte. „Können sie nicht den Typen finden, der hier riesige Felsen kilometerhoch in die Luft wirft? Der muss doch ein Riese sein! Dass sie die Kreatur noch nie gesehen haben, kann mir keiner einreden!“

„Ich habe keine Ahnung“, seufzte ich. „Doc! Was treibst du da hinten, du gibst uns doch hoffentlich Rückendeckung?“

„Klar!“

„Sehr gut. Tyrann, wir verlassen uns jetzt alle auf deine Nase! Halte Ausschau nach diesen Mistkerlen in ihren Felsbehausungen!“

„Wuff!“

Lebende Fallen waren das, was ich am meisten fürchtete. Der Wolf konnte sie immerhin riechen. Da zeigte er auch schon sofort auf einen Teil des Weges, der für uns völlig harmlos aussah. Bom schlug auf die Stelle, die Tyrann markiert hatte, und der Felsen vor ihm brach mit einem Knacken entzwei und enthüllte ein tiefes Loch mit einem kleinen Felsenwurm, der offenbar beschlossen hatte, ein Fleischfresser zu werden.

Bom verfluchte immer wieder die eindeutig blinden Spieler, die das Tal unter uns durchkämmten. Die mysteriöse Kreatur, die riesige Felsbrocken auf uns schleuderte, war irgendwo dort unten und niemand hatte es bislang geschafft, ihr den Garaus zu machen. Bom behauptete steif und fest, dass die Kämpfer des Architekten-Clans die Quest, den Werfer zu finden und zu vernichten, vor seinen Augen angenommen hatten. Dabei waren sie den Rastlosen nur um ein paar Sekunden zuvorgekommen. Und jetzt irrten sie offenkundig seit zwei Stunden durch das Farndickicht, ohne etwas zu finden. Ich hoffte, dass es ihnen bald gelingen würde, das Ding unschädlich zu machen, sonst würden wir früher oder später von einem dieser haarigen Felsbrocken zerquetscht werden.

Überall waren mysteriöse Monster unterwegs, aber die Einheimischen hatten keine Ahnung, woher sie kamen. Außerdem war es ohnehin sinnlos, sie zu fragen — laut der offiziellen Legende, die wir gestern gehört hatten, waren die Einheimischen erst vor zwei Tagen aus einem scheinbar ewigen Schlaf erwacht.

Es handelte sich um einen kryogenen Schlaf — die Magie der Alten. Diese Inseln hatten immer schon existiert, aber dann war es zu einer Katastrophe gekommen — die Bewohner schliefen einfach ein, erstarrten an Ort und Stelle und verwandelten sich dann in Steinstatuen. Die letzten, die eingeschlafen waren, erinnerten sich vage daran, wie die Inseln zu beben begannen und mit lautem Getöse untergingen, während das Wasser rauschend die üppigen Täler und die Berggipfel verschluckte. Die Inseln waren erst vor zwei Tagen wieder vom Meeresgrund aufgetaucht. Das war auch der Grund für die herzliche Begrüßung — die zahlreichen herannahenden Schiffe wurden als Retter angesehen, die dafür gesorgt hatten, dass die Inseln wieder an die Oberfläche kamen und die Inselbewohner endlich aus ihrem Schlaf erwachten.

Kurioserweise hatte sich der Ring des Friedens nicht verändert, obwohl er sich so lange unter Wasser befunden hatte, als hätte eine unbekannte Macht jeden Baum und jede Blume beschützt. Die Schwingen des Krieges waren schmutzig und trostlos wieder aufgetaucht, eingenommen von Lebensformen, die es dort zuvor nicht gegeben hatte. Als wir gestern ankamen, gelang es den geflügelten Kundschaftern, sich gut umzusehen und sogar Karten von beiden „Flügeln“ zu erstellen, die genau, wenn auch nicht besonders detailliert waren. Sie übermittelten uns auch einen visuellen Feed.

Und da sahen wir sie in ihrer ganzen Pracht vor uns — zwei gigantische Inseln in Form von Vogelflügeln. Vogelflügel — nicht die eines fliegenden Reptils, wie eines Drachens etwa. Die Form dieser Schlamm- und Wassermassen ähnelte Federn, von denen jede einen langen und relativ niedrigen Hügel darstellte, der sich über die gesamte Insel erstreckte und parallel zu kleineren Hügeln verlief. Von der Seite betrachtet, sah jeder Flügel wie ein altmodisches Waschbrett aus, mit langen und schmalen Tälern zwischen den Federn. Gestern hatten die Täler noch wie mit Meerwasser gefüllte Seen ausgesehen, doch das Wasser verdunstete oder versickerte schnell. Dann begann es zu regnen — die Regenwolken hingen aber nur über den Schwingen des Krieges. Das Regenwasser spülte den Schlamm und das Meersalz weg, das sich auf den Felsen festgesetzt hatte. Das Meerwasser um die Inseln nahm eine braune Farbe an, dann wurden Schlamm und Treibgut von der Strömung mitgerissen und weit in den Ozean hinausgetragen.

Heute, an diesem hellen und sonnigen Morgen, begannen in den nun etwas trockeneren Tälern die ersten grünen Zweige zu sprießen. Farne und Bambus wuchsen so schnell, dass man meinen könnte, sie seien mit Pflanzenaufputschmitteln gedüngt worden — man konnte ihnen buchstäblich dabei zusehen, wie sie sich in den Himmel schraubten. Verschiedene Tiere begannen im frischen Grün herumzuwuseln. Das war ungefähr zu dem Zeitpunkt, als wir unseren ersten Berghang erklommen, wobei wir Callowans mächtiges Hinterteil mit vereinten Kräften vor uns her schoben, da seine gigantischen Beine auf dem noch feuchten Schlamm immer wieder abrutschten.

Wir hatten nur drei Haustiere dabei — Callowan, Tyrann und Docs Schlange, deren Namen ich entweder nicht kannte oder vergessen hatte. Ich wusste nur noch, dass die Schlange einmal von der Göttin Snessa berührt worden war. Alle drei Helfer waren also auf die eine oder andere Weise ungewöhnlich — eines der Tiere war als Legende geboren und die beiden anderen hatten eine Art göttlichen Segen erhalten. Die anderen halfen Callen und Kyre auf dem Ring des Friedens als Träger, Kuriere und so weiter — die Frauen erhielten vorübergehend das Recht, den Tieren Befehle zu erteilen. Die Schlange, der Wolf und das Mammut blieben bei uns. Die ersten Stunden, als der Boden noch nass war, waren eine echte Qual — Tyrann und Callowan hatten große Probleme, sich durch den Schlamm zu bewegen. Der kleinen Schlange hingegen ging es blendend, sie kam mühelos voran. Mit der Zeit wurde es besser, aber bis dahin sah unser Team bereits aus wie ein Haufen schlammtriefender Sumpfmonster. Ich musste sofort an den Schwarzrabensumpf denken, wo ich durch Schlamm und Morast waten musste, um eine Insel mit einer alten Holzhütte zu erreichen. Bei diesen Erinnerungen wurde ich ganz nostalgisch.

Und als ich so am Berghang stand, in einer Panade aus Schlamm, das zottelige Hinterteil des Mammuts mit Brust und Stirn anschob, um das Tier den Berg hinaufzubringen, und mich dabei bemühte, den nassen Schwanz zu ignorieren, der mir gelegentlich ins Gesicht peitschte, wurde mir klar, dass ich absolut glücklich und zufrieden war. Ja, zufrieden. Noch einen Tag zuvor hatte ich ein wahnsinnig teures Seidenhemd getragen, edlen Wein getrunken und das Geschehen unter mir von hoch oben auf der Kommandobrücke aus beobachtet. Und jetzt war ich von oben bis unten voller Schlamm und mein Wolf sah aus wie ein klatschnasser Ballen Wolle, dem auf wundersame Weise Reißzähne und eine zuversichtlich seitlich aus dem Maul hängende rosa Zunge gewachsen waren. Wir hatten einen langen und beschwerlichen Weg vor uns — und doch war ich glücklich.

Als wir schließlich den Gipfel erreichten, stießen wir einen kollektiven lauten Seufzer aus — oder eher ein Stöhnen — und verfluchten, ebenfalls wie aus einem Munde, Bom, unser Mule, der uns diese Quest eingebrockt hatte. Wir meinten es ganz und gar nicht böse, vielmehr drückten wir so unser Wohlwollen aus. Sogar Krays Stimmung hatte sich gehoben und er schaute nun nicht mehr nur verdrossen auf den Boden unter seinen Füßen.

Bom hörte uns gar nicht zu. Der Halbork war beschäftigt. Auf allen Vieren kroch er umher und saugte wie ein lebender Staubsauger alles ein, was ihm in die Finger kam, wobei er mit Callowan rangeln musste, der missbilligend prustete und versuchte, sich ein frühes Mittagessen zu genehmigen. Bom schob den Rüssel des gefräßigen Tieres mit einer Hand von den grünen Büschen weg und pflückte mit der anderen alle möglichen Gräser, um sie in Windeseile in seinem scheinbar bodenlosen Rucksack verschwinden zu lassen. Auf die Gräser folgten Muscheln und ungewöhnlich aussehenden Korallenstücken, die daran erinnerten, dass die Inseln einst auf dem Grund des Meeres gelegen hatten. Auch ich beugte mich ein paar Mal vor — die Gier des Halborks war ansteckend. Die Zeit drängte, denn wir hatten nur ein paar Minuten Pause, bevor wir in das nächste enge Tal hinabsteigen würden, das von dieser Höhe aus wie ein winziger grüner Teppich aussah. Ich war gespannt, was uns dort erwartete.

„Hey, das ist Bernstein“, sagte Doc und schaute überrascht auf den Gegenstand, den ich in der Hand hielt.

„Tatsächlich“, murmelte ich und hielt meinen Fund ins Sonnenlicht, um ihn eingehender zu betrachten. „Bernstein...“

„Was hast du da?“, erkundigte sich Bom sogleich.

„Da ist ein mikroskopisch kleines Tier drin“, sagte ich achselzuckend. „Sieht aus wie ein echt hässliches Insekt. Die meisten Leute wären wahrscheinlich ziemlich angewidert oder gleich hysterisch. Ich habe keine Ahnung, was das ist. Eine Stechmücke aus der Kreidezeit? Hat es in Waldyra rein historisch überhaupt eine Kreidezeit gegeben?“

„Ich werde weder historisch noch hysterisch werden. Ist das Ding wertvoll?“

„Woher soll ich das wissen?“

„Wirf es in den Rucksack. Wir sortieren den ganzen Kram später durch.“

„Gib heeer!“ Eine lange Hand mit schlanken Fingern tauchte vor mir auf und verlangte, dass ich den Fund aushändige. Der glatzköpfige Elf machte ein aufgeregtes Gesicht und grinste halb verschmitzt, halb erwartungsvoll. Ein Tropfen versteinertes Harz aus der Urzeit löste offenbar ganz große Gefühlen in ihm aus.

„Bitte sehr“, sagte ich und überreichte ihm das Bernsteinstück. Dann gab ich den Marschbefehl.

„Auf geht's! Callowan geht zuerst!“

Wir waren schon einmal fast von einem riesigen lebenden Rammbock aus dem Weg geräumt worden und ich hatte meine Lektion gelernt.

Und so machte sich unsere tapfere Gruppe im Gänsemarsch auf den Weg bergab. Von oben mussten wir wie eine riesige, schlammige Kaulquappe ausgesehen haben, die sich ihren von einem felsigen Abhang hinab ins üppige Grün im Tal bahnte. Von oben sahen wir wohl aus wie eine riesige, schlammbedeckte Kaulquappe, die von einem felsigen Abhang herunterkam und auf die grüne Üppigkeit des Tals zusteuerte. Ein großer Lichtblick war die Tatsache, dass hier nichts auf eine E.A.E.G.-Zone hindeutete. Das erleichterte die Sache ungemein. Aber es gab immer noch Wächter der örtlichen Gebiete — einen auf jedem Flügel. Wir befanden uns jetzt auf der linken Insel, und der Wächter hier war bereits von anderen Spielern gefunden worden. Er hatte sich als friedliebendes Wesen entpuppt, das kein Interesse daran hatte, jemanden anzugreifen. Er befand sich fünf Bergrücken und sechs Täler von uns entfernt.

„Wir sind nicht allein“, sagte Kray und deutete zur Seite.

Mehrere Abenteurer schritten den Hang unter uns entlang, ihre grellen Umhänge hoben sich von dem dunklen, schlammigen Hintergrund ab. Sie waren zu fünft und wurden von nur zwei Haustieren begleitet. Keine Rastlosen, aber dennoch ein verbündeter Clan. Das war schön zu sehen — auf dem Ring des Friedens waren mehrere Flotten versammelt, und es waren nicht nur unsere Freunde hier, sondern auch unsere Konkurrenten, und damit definitionsgemäß Feinde. Trotzdem spazierte der Große Navigator lässig einen Berghang hinab und entfernte sich dabei immer weiter von seinen mächtigen Verbündeten. Niemand konnte mich hier angreifen. Man konnte zwar Mobs töten, aber keine Spieler. Also war ich so entspannt wie eine schlammige Kröte in der Sonne.

Wir winkten unseren Mitreisenden zu und gingen weiter, schnell den Hang hinunter, und dann setzten wir unseren Weg durch das grüne Tal fort. Die Vegetation hier glich eher einem Dschungel als einem Wald in einer gemäßigteren Klimazone. Die Bäume waren bereits gut drei Meter hoch und das Tal begrüßte uns mit einem Regenschauer, der den Schlamm auf unserer Haut schnell wegspülte. Dutzende kleiner Käfer und winzige Schlangen fielen ebenfalls aus dem Blätterdach über unseren Köpfen, und wir bewegten uns in einem konfusen Tanz, um ihnen auszuweichen. Callowan war der unangefochtene Gewinner unseres improvisierten Tanzwettbewerbs. Er schaffte es, eine riesige Anzahl der giftigen Kreaturen zu zerquetschen. Und die Tierchen waren tatsächlich giftig — das fanden wir bald heraus, als sich Krays Gesicht wie eine riesige Tomate aufblähte, nachdem er von einer rosa Schlange mit orangefarbenen Ringen gebissen worden war. Der Zwerg überlebte, aber er konnte eine ganze Minute lang kein Wort sagen.

Ich dachte sofort an all die unbekannten Krankheiten, die der Clan der Goldenen Tempelritter verbreitet hatte — diese waren in jedem Fall viel Furcht einflößender als das Ungeziefer, das uns hier auf die Köpfe fiel, doch auch dessen Auswirkungen waren erschreckend. Ein Kampfmagier, der nicht sprechen und infolgedessen keine Zauber wirken konnte, war im Kampf vollkommen nutzlos.

Der feuchte, junge Dschungel roch immer noch nach dem Meer. An vielen Stellen konnte man noch die weiße Kruste aus Meersalz sehen, die jedoch vom Wasser, das von oben herabströmte, schnell weggespült wurde. Muscheln und die Knochen mysteriöser Fische knirschten unter unseren Füßen. Als wir eine weitere Wand aus Farnen durchstießen, fanden wir das Skelett eines Fisches mit riesigen Zähnen, der so groß war, dass wir durch sein offenes Maul gehen mussten, anstatt zu versuchen, uns einen Weg um ihn herum zu bahnen. Bom sammelte ein gutes Dutzend der extrem scharfen dreieckigen Zähne ein. Als wir das letzte Mal versucht hatten, ein solches Tal zu durchqueren, hatte ich einen taktischen Fehler gemacht. Ich hatte versucht, uns mit Feuerbällen einen Weg zu bahnen, in der Hoffnung, dass die nasse Vegetation nicht zu schnell oder zu heftig brennen und ich keinen Waldbrand auslösen würde. Die Realität übertraf allerdings meine Erwartungen — die Farne fingen überhaupt nicht Feuer. Sie zischten nur und füllten die Luft mit dicken, beißenden Rauchschwaden. Beinahe hätten wir uns verlaufen. Docs Stimme ertönte traurig von irgendwo in der Ferne: „Like a ship at sea, I’m just lost in a fog, my mind is hazy, my thoughts are blue…“ Es dauerte eine ganze Weile, bis wir unseren Heiler wieder gefunden hatten, und ich nahm mir vor, denselben Fehler nicht noch einmal zu machen. Die gute alte Machete musste her, das A und O eines jeden Abenteurers.

Und an Macheten mangelte es uns nicht. Bom und Kray hackten sich fröhlich durchs dichte Grün und bahnten sich einen Weg durch den Dschungel, gefolgt von Callowan, der den Pfad gleich verbreiterte. Orbit saß auf dem immerfort wackelnden Kopf des Mammuts, Doc lief neben dem Tier her, und Tyrann bildete das Schlusslicht unserer kleinen Kolonne. Ich rannte immer wieder zwischen dem vorderen und dem hinteren Ende des Grüppchens hin und her und benutzte ab und den Magische-Schnur-Zauber, um mehrere Bäume auf einmal zu fällen. Das war ein gutes Training für mich, und ich versuchte, meine neuen Zaubersprüche so oft wie möglich einzusetzen. Zum Glück war Malice großzügig mit seiner Belohnung für meine Hilfe beim Zaubern der Aura der Großen gewesen, als wir die Große Ozeanische Barriere überquerten.

Noch gab es keine großen Mobs im Dschungel — mit Betonung auf „noch“. Wir hatten schon das eine oder andere Geräusch gehört, das nichts Gutes verhieß, und zwar aus allen Richtungen. Heulen, Kläffen, irritiertes lautes Brüllen und Zischen. Besser gesagt also begegneten wir keinem der gefährlicheren Exemplare der hier heimischen Fauna von Angesicht zu Angesicht, aber sie waren definitiv vorhanden und ihre Zahl wuchs von Minute zu Minute.

Nachdem wir uns erfolgreich durch die Vegetation gehackt hatten und von dem Wasser, das aus den Farnen auf uns herabrieselte, gründlich gewaschen worden waren — was, nebenbei bemerkt, die Ausdauer erhöhte und die Weisheit verringerte — gelangten wir an einen weiteren Berghang. Wir begannen mit dem Aufstieg und wieder wurde es mit jedem Schritt schlammiger. Wir änderten erneut die Formation, dieses Mal ganz automatisch — jeder handelte unabhängig und traf die richtigen Entscheidungen, was mich als vorübergehender Anführer der Gruppe mit Freude erfüllte.

Endlich näherten wir uns unserem Ziel. Oben auf dem Gipfel bot sich uns der Anblick eines mit Strängen von totem Seegras bedeckten, völlig zerfallenen Gebäudes. Es war viereckig, mit schmalen Schießscharten, stabilen Steinmauern und den Überresten einer rostigen Tür. Offenbar war es einst ein Wachturm gewesen. Die Trümmer oben auf dem Steinsockel ließen vermuten, dass der Bau einst einen hohen Aufbau getragen hatte. Vielleicht ein alter Außenposten, an dem friedliche Reisende oder Jäger Zuflucht vor schlechtem Wetter suchen und sich am Feuer wärmen konnten. Vielleicht hatten die Wachen vor blutrünstigen Räubern oder hungrigen Wolfsrudeln gewarnt. Eben wie die Außenposten damals auf dem alten Kontinent.

„Also gut, da wären wir“, brummte der Halbork und starrte auf den Quest-Bildschirm, den nur er sehen konnte. Es war schließlich seine Quest, und wir hatten Bom nur geholfen, um einen Teil des Gewinns zu bekommen.

„Jetzt müssen wir uns vergewissern, dass nichts Gefährliches in der Nähe ist und den magischen Stab in den Boden rammen“, fuhr Bom fort. „Stab? Vorhanden. Ist irgendetwas Gefährliches in der Nähe?“

„Nichts zu sehen“, sagte Doc und hob die schmalen Schultern, während er sich umdrehte und versuchte, wie ein harter Kerl auszusehen. „He da! Ist da jemand? Kommt nur raus! Ich verpasse euch eine ordentliche Tracht... um Himmels Willen!“

Die Turmruine hatte sich vor unseren Augen auf sechs mehrgliedrige, gepanzerte Beine erhoben. Das Bauwerk drehte sich um, und wir starrten entsetzt auf sein Gesicht, wenn man es so nennen konnte.

Dieses Gesicht sah aus wie eine riesige Lücke in einer Steinmauer, mit einer geschwollenen, purpurroten Fratze darin, die den gesamten Rahmen ausfüllte. Potthässlich, mit acht Augen in zwei vertikalen Reihen und einem breiten, lippenlosen, sabbernden Schlund und unzähligen kleinen schwarzen Zähnen. Die Kreatur trug ein Büschel trockener Algen anstelle von Haaren, einen Nasenstummel mit zwei winzigen Nasenlöchern und zwei obere Gliedmaßen. Links befand sich ein Arm mit zwei Fingern, die von einem Chitinpanzer bedeckt waren, der die wulstigen Muskeln kaum verbarg, während die rechte Extremität dünner, aber länger war und einen sehr scharfen Dreizack am Ende hatte.

„... eine ordentliche Tracht Kuchen!“, fiepte Doc hinter unserem Rücken.

Das Maul des Monsters öffnete sich weit und es stieß ein langes, sonores Brüllen aus. Das Echo erfüllte alles um uns herum. Klebriger Speichel bespritzte uns. Der Dreizack schlug auf dem Boden auf und das Ungeheuer stürzte auf uns zu. Ein Text erschien über den Überresten des gerade zum Leben erwachten Turms.

Der Abscheuliche Luhger.

Der Schrecken aus der Tiefe der Meeresrücken von Dazuhll.

Level: 300.

Diese Kreatur ist stark und gefräßig, und so alt, dass ihre Spezies bereits in Vergessenheit geraten ist. Doch die Luhger waren einst weithin bekannt — das in den Sümpfen lebende Volk der Tucker betete sie an und brachte ihnen häufig und reichlich Opfer dar. Doch die Göttin Snessa vernichtete alle Luhger und befreite die armen unterjochten Tucker ein für alle Mal. Habt keine Angst, die Luhger sind längst ausgestorben.

(Weitere Informationen über die fünf schrecklichen Luhger findest du im Roten Biesterkompendium.

„Na, zum Glück! Die Luhger sind längst ausgestorben“, wimmerte Doc. „Alles nur eine sehr realistische Halluzination... Hat einer von euch zufällig auch einen dieser schwarz-gelben Pilze probiert, die da hinten unter den Farnen wachsen?“

„Zu den Waffen!“, brüllte ich und hob meine mit Kampfzaubern geladenen Arme. „Tyrann, zurück!“

Ein kurzes, raues Brüllen, und der Abscheuliche Luhger stürzte nach vorn. Der halb zerstörte obere Teil des Turms krachte ruckartig zu Boden. Klumpen von Seegras, Schlamm und schwere Ziegelsteine fielen in einem dichten, tödlichen Hagel von oben herab auf unsere Köpfe.

Ich wurde von einem Schlammklumpen getroffen, während Bom einen Ziegelstein an den Helm bekam. Das daraus resultierende Echo übertönte fast das Gefluche des Halborks. Docs leise Stimme konnte ich jedoch klar und deutlich hören. Er sagte etwas unglaublich Besonnenes in all dem Chaos.

„Den erledigen wir nie.“

Da musste ich dem Heiler recht geben. Es war nicht einmal eine Frage des Levels. Die Beschreibung sagte es klipp und klar — eine ganze Rasse hatte dieses Monster einst verehrt, und nicht irgendjemand hatte die Luhger endlich zu Fall gebracht, sondern eine von Waldyras übermächtigen Gottheiten. Das Schlimmste aber war, dass die Luhger alle vernichtet wurden, wie geschrieben stand. Zumindest einer von ihnen hatte es jedoch geschafft, zu überleben und sich tausend Seemeilen vom alten Kontinent entfernt zu verstecken. An einem Ort, an dem Snessa unbedeutend war, weit weg von der Reichweite ihres göttlichen Einflusses, tief auf dem Grund des Ozeans, zwischen den Meeresrücken von Dazuhll, die jetzt eine Bergkette waren. Und der Luhger hatte es in dieser Zeit geschafft, ein „Schrecken der Tiefe“ zu werden, was bedeutete, dass er nicht untätig herumsaß und täglich eine anständige Menge Blut vergoss.

„Rein mit dem Stab, Bom!“, schrie ich und drückte meine Schulterblätter gegen den breiten Rücken des Halborks. Er hielt seinen Schild vor sich und versuchte verzweifelt, sich zu schützen.

Es gab einen weiteren Schlag. Kray, der bislang geschwiegen hatte, wurde durch die Luft geschleudert. Er rammte Doc mit dem Kopf in den Bauch und bald wälzten sich beide im Schlamm.

„Stecke den Stab in den Boden!“

„Die Bedingung ist, dass keine Gefahr in der Nähe ist!“, brüllte Bom zurück. Er stand gekrümmt da, als befände er sich mitten in einem Wirbelsturm. Es gab tatsächlich einen Sturm aus Schlamm und Felsen.

„Wir werden die Quest nicht schaffen, Boss! Was wird dann passieren?“

„Wir haben keine Wahl! Tu es!“

Das Mammut wich zurück und trompetete verärgert — seine enorme Masse machte ihn weniger wendig, sodass die meisten Geschosse das Tier trafen. Der Elf, der bäuchlings auf dem breiten Zottelkopf des Mammuts lag, betrachtete den hässlichen Gegner nachdenklich und streichelte sein Lieblingsmesser. Doc kam auf die Beine und heilte Kray eilig. Die beiden kämpften sich zu uns zurück und wollten ihre Positionen wieder einnehmen.

„Ich brauche ihn“, sagte der dünne Elf resolut, nachdem er offensichtlich zu einem Schluss gekommen war.

„Wen?”, schrien Bom und ich wie aus einem Munde.

„Ihn!“ Orbits langer Finger zeigte direkt auf den Abominable Luhger. „Lebendig.“

„Du meinst, wir sollten das Ding lebendig fangen?“

Der Luhger stieß erneut ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus. Ein weiterer Spritzer klebrigen Speichels verriet uns unmissverständlich, dass Seine Abscheulichkeit König Luhger es nicht besonders schätzt, als Ding bezeichnet zu werden.

„Wir brauchen ihn nicht zu fangeeen. Er muss nur geschwächt weeerden... Maaacht schon!“

„Orbit, bist du verrückt?“, krähte ich wütend „Du spinnst doch! Dieses Ding ist viel stärker als wir, und zwar um Längen! Sammelt euch alle um das Mammut! Bom, warte mit dem Stab! Bringt mich zu Callowan und nehmt noch nicht eure Tränke — ich werde euch heilen. Tyrann! Da drüben!“ Ich zeigte auf das Mammut, und mein Haustier begann gehorsam zu laufen.

Jetzt musste ich eine Doppelrolle als magischer Heiler erfüllen. Doc war damit beschäftigt, Kray zu heilen und das Mammut, das in einiger Entfernung von ihm stand, mit seiner Heilpeitsche zu bearbeiten. Als Anführer der Gruppe konnte ich deutlich sehen, wie Docs Manavorrat rasant immer weniger wurde — er unterstützte uns mit drei Auren mit Massenwirkung gleichzeitig.

„Fang!“ Ich warf dem ausgelaugten Heiler einen kleinen Beutel an einem langen Gürtel zu. Darin befanden sich zehn Taschen, in denen jeweils ein dickes Fläschchen mit Großem Mana-Trank steckte. „Schnall ihn dir um und nimm so viel, wie du brauchst!“

„Danke!“, keuchte Doc und entkorkte eilig eines der Fläschchen. „Ich habe ja selbst auch ein paar, aber bei diesem Tempo... aua!“

Sowohl Kray als auch Doc setzten sich wieder in Bewegung Die Gesundheit des Zwerges sank drastisch. Er war von einem Eichenklotz getroffen worden, der hart wie Stahl war.

„Steht auf! Steht auf!“ Ich spornte meine schmutzigen, kämpfenden Freunde zur Eile an und ignorierte die irrsinnigen Forderungen des Elfen. Orbit bestand immer noch darauf, den abscheulichen Luhger, der unablässig schwere Geschosse auf uns niederhageln ließ, lebend zu fangen.

Meine schwer angeschlagenen Freunde schafften es gerade noch, sich aufzurappeln und zu Callowan zu schleppen, wobei sie wie durch ein Wunder von einem daherfliegenden dicken schwarzen Baumstamm verfehlt wurden. Sobald ich bei ihnen war, nahm ich meine mit Heilmagie aufgeladenen Hände vom Rücken des Halborks, nahm zwei mit Silber- und Kupferdraht umwickelte Holzpflöcke und trieb sie im Abstand von etwa fünf Schritten in den Boden.

„Gewähre uns deinen Schutz, oh schimmerndes Echo!“ Meine Stimme produzierte kein Echo, geschweige denn ein schimmerndes. Stattdessen erschien ein vibrierender türkisfarbener Ball zwischen den Pflöcken und parierte sogleich zwei große Steine, die die Bestie nach uns geworfen hatte.

Für eine Weile waren wir sicher. Die Pflöcke boten uns allen Schutz, auch dem leidgeprüften Mammut. Wir gewannen ein paar Minuten Zeit. Es war keine Schutzkuppel, sondern nur eine künstliche magische Wand, die in Schlachten oft verwendet wurde, um Magier und Katapulte zu schützen. Der Luhger war mobil, aber sein Spielraum war begrenzt. Ich hatte bereits erkannt, wie viel Mühe es das Ding gekostet hatte, den schweren Panzer in Form des halb zerstörten alten Wachturms auf seinem Rücken zu schleppen.

Entschlossen trank ich schnell zwei Manatränke hintereinander, um meine Verluste auszugleichen. Doc schlürfte die blaue Flüssigkeit mit Genuss, als wäre sie ein göttlicher Nektar. Seine blassen Wangen nahmen langsam wieder einen rosigeren Ton an. Der Heiler hatte beinahe Kray draufgehen lassen. Er konnte seinen Tod gerade noch verhindern. Noch ein weiterer Angriff und der Zwerg wäre zu einem Respawn-Punkt transportiert worden, der weit, weit von hier entfernt lag. Zumindest vermutete ich das. Vielleicht existierte ein weiterer Respawn-Punkt in der Nähe, aber die Karte verriet nichts dergleichen. Außerdem war sie alles andere als präzise. Die Kartografen mussten wohl noch etwas daran feilen.

Unser magischer „Vorhang“ bebte unter dem Hagel aus Steinen und Schlamm. Der Luhger war fuchsteufelswild. Er brüllte und tobte und war offensichtlich höchst unzufrieden mit unseren Methoden der Kriegsführung. Trotz aller Rage kam er aber nicht recht vom Fleck. Er bewegte sich nur ein paar Meter in die Richtung, in der es noch einen Vorrat an Steinen gab.

„Also gut.“ Ich blies die Backen auf und wischte mir den schwarzen Schlamm aus dem Gesicht. „Orbit, wieso zur Hölle... Hey! Bom! Was zum Teufel tust du da!“

„Siehst du das nicht selbst?“, brüllte Bob, der eben im Begriff war, dem Mammut einen riesigen Baumstumpf umzuschnallen — eben jenes Exemplar, das Kray fast getötet hatte. „Das ist abgelagerte Eiche! Hast du eine Ahnung, was das Zeug wert ist? Bares Geld liegt hier rum! Ein ganzer Haufen bares Geld in Baumform! Kannst du mir helfen, das andere Ende zu halten, während ich es hier festzurre?“

„Nein, kann ich nicht! Verdammt! Tyrann! Trink das!“ Ich riss geräuschvoll ein Stück Pergament, auf dem eine Schale aufgezeichnet war, entzwei. Eine große Schüssel, die bis zum Rand mit rötlich schimmerndem Wasser gefüllt war, erschien auf dem Boden. Es war das tierische Äquivalent zu einem unserer Großen Gesundheitstränke. Tyrann stürzte sich auf die Schüssel, aber ein starker Rüssel fegte ihn zur Seite. Callowan leerte die Schüssel in einem Zug, indem er ihren Inhalt mit einem schlürfenden Geräusch einfach aufsaugte. Verdammt!

„Da habt ihr noch mehr, ihr zwei.“ Ich zerriss zwei weitere Schriftrollen, damit die Tiere ihre Kräfte wiederherstellen konnten. Ganz schön frech, diese Mammuts heutzutage. Callowan scherte sich kein Bisschen um den legendären Status seines Freunds Tyrann.

„Orbit!“, begann ich ein zweites Mal, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass mich niemand unterbrechen oder etwas von mir verlangen würde. „Wieso zur Hölle brauchst du dieses Monster? Du hast doch nicht vor, es zu schlachten und es zu einem deiner Geister zu machen, oder? Denn mich beschleicht das Gefühl, dass du dem Ding nicht ganz gewachsen bist.“

„Geist? Nööö. Wer braucht schon einen toten Luuuhger?“, sagte der Elf überrascht.

„Na ja, du vielleicht! Bei dir weiß man ja nie!“

„Neee...“

„Warum sollen wir das Monster dann schwächen?“

„Weil wir müssen!“

Langsam riss mir der Geduldsfaden. „Hör zu, entweder du erklärst mir das jetzt klipp und klar in unter einer Minute, oder wir gehen. Ich will hier nicht grundlos draufgehen. Wenn ich schon sterben muss, will ich wenigstens wissen, warum.“

„Na, du bist ja ein hoch motivierter kleiner Kamikaze“, ätzte Bom hinter mir, der so dick mit Schlamm bedeckt war, dass er wie ein schwarzer, auf die Hinterbeine aufgerichteter Bär aussah.

„Es ist für Roskie“, sagte der dürre Elf zu mir, während er mit den Händen über seinen kahlen Schädel fuhr, als wollte er sich die imaginären Haare glättete.

„Was soll sie denn mit diesem Biest?“

„Der Luhger haaasst Snessa. Uuund er könnte alte Freunde haaaben. Vier von iiihnen, um genau zu sein“, erklärte Orbit.

„Hast du den Verstand verloren? Wir haben eine Abmachung mit Snessa! Ich will sie keinesfalls provozieren. Es hat mich viel gekostet, sie davon zu überzeugen, Roskie in Ruhe zu lassen!“

„Na uuund?“

„Wir haben eine Abmachung, habe ich doch gerade gesagt!“

„Und? Iiihr habt eine Abmachung. Und siiie? Sie ist eine Göööttin, Ros. Sie hält Wooort. Oooder nicht. Sie ist keine Paaaladin. Sie macht sich schmuuutzig, sie wäscht sich. Sie kümmert sich immer um die Nummer eiiins. Und Roskie ist eine Bedrohung. Ein ständige Bedrooohung...“

„Sie braucht Roskie nicht zu töten. Sie wird die andere Anwärterin auf ihren Thron jagen.“

„Was ist, wenn sie versagt?“, wandte Bom plötzlich ein und warf einen Blick auf den türkisfarbenen Schleier, der unter den Angriffen des Feindes wütend schimmerte. „Was ist, wenn Snessa versagt? Um das andere Mädchen kümmert sich auch jemand, Ros. Du bist nicht der einzige fürsorgliche Vater hier. Und es kann sein, dass in Waldyra ein paar Leute rumlaufen, die stärker und klüger sind als du. Nichts für ungut. Wenn Snessa es nicht geschafft hat, den Luhger zu besiegen, muss er ziemlich stark sein.“

„Er ist auch ein guter Sänger“, fügte Orbit hinzu.

„Inwiefern ist das denn relevant, verdammt nochmal?“

„Es ist interessaaant!“

„Oh Mann. Okay, okay, du hast gewonnen. Aber selbst wenn wir es schaffen, ihm ein paar Trefferpunkte abzujagen, was ich stark bezweifle... Selbst eine Göttin konnte ihn nicht töten! Ich habe ein paar mächtige Schriftrollen, aber die reichen sicher nicht aus!“

„Den Turm“, unterbrach mich der Elf. „Zerstööört ihn. Dann überneeehme ich.“

„Seinen Panzer?“ Ich drehte mich um und betrachtete das riesige Ungetüm und seine mächtige Steinrüstung durch den magischen Schutzschleier. „Äh, na gut. Das ist vielleicht machbar. Töten werden wir ihn wahrscheinlich nicht, aber vielleicht seinen hässlichen Mantel ausziehen. Kannst du uns mit deinen Geistern unterstützen?“

„Klaaar...“

„Dann von mir aus! Aber vorher... Bom, du gräbst dich ein.“

„Wie bitte?“

„Grab dich in den Boden ein“, wiederholte ich und holte ein paar Schriftrollen und Utensilien aus meinem Rucksack. „Direkt in den Schlamm. Versteck dich hinter Callowan und grab. Du hast etwa 25 Sekunden Zeit. Dann ziehen wir uns zurück, damit der Luhger uns folgt. Warte, bis wir vielleicht 30 Meter den Hang hinunter sind, dann komm aus dem Schlamm heraus und steck den verdammten Stab in den Boden. Hol dir den einheimischen Ingenieur, hilf ihm, wenn er Hilfe braucht, und erfüllt die Quest. Wenn wir noch am Leben sind, wenn du fertig bist, komm zu uns rüber und hilf uns.“

„Aber...“

„Kein Aber“, sagte ich abweisend. „Grabe dich in den Boden ein. Wenn der Luhger dich entdeckt, werden wir dich warnen. Keine Bewegung, bis wir unten sind. Ich glaube nicht, dass es der Luhger so schnell wieder hinaufschafft. Mit dem Turm auf dem Rücken bewegt er sich im Schneckentempo.“

„Verstanden, Boss. Ich mache mich gleich an die Arbeit.“ Der Halbork verschwand mit einem gewaltigen Sprung hinter Callowan und bald flogen die Schlammklumpen durch die Luft.

„Kray, wir setzen alle Hoffnungen auf dein Können“, fuhr ich fort. „Du bist mein Schutzschild. Ich werde bleibe hinter deinem Rücken. Aber wir verlassen uns mehr auf unsere Fähigkeit, schnell zu springen, als auf deine Zähigkeit. Wir anderen werden einfach versuchen, nicht in die Schusslinie zu geraten.“

„Okay.“

„Doc, setz dich auf Callowans Rücken. Du heilst Orbit. Und das Mammut. Orbit, du manövrierst das Mammut so, dass Kray und ich zwischen euch und dem Mob bleiben. Keiner von euch ist ein guter Springer.“

„Wir können nicht fliiiegen“, stimmte der Elf traurig zu. „Bom ist fertig eingegraaaben. Soooll ich noch was von Callowans Scheiiiße oooben aufhäääufen?“

„Sehr witzig! Also gut, legen wir los! Kray und ich folgen dir!“

Das Mammut schüttelte seinen schweren Kopf und begann, rückwärts zu gehen. Ein erbostes, blubberndes Grunzen ertönte. Ich fluchte verhalten und fragte mich halblaut, ob Orbit überhaupt irgendetwas ernst nahm. Das Mammut hätte den Halbork beinahe zertrampelt.

Ein leises Glockenspiel ertönte, und der magische Schleier verschwand. Eine große versteinerte Wurzel flog wie ein Speer an meinem Ohr vorbei. Der Spaß konnte losgehen...

„Ich gebe euch Rückendeckung!“, rief Kray mutig.

„Angriiiff!“, kam es von Orbit, der das Mammut wie verrückt anspornte. Gemeinsam mit Doc galoppierten sie durch den Dreck, wobei Callowan fröhlich trompetete.

Was wir planten, hatte ich noch nie gemacht. Mobs zu töten, war eine Sache. Sie gewissermaßen zu häuten, eine ganz andere. Auf meinem Level und mit meiner Erfahrung als Magier hätte ich vielleicht versuchen können, ein galoppierendes Schaf zu scheren. Aber das Gleiche mit einem uralten Ungetüm zu tun, das vor Wut schäumte?

Ich verbrauchte nur neun Schriftrollen und wählte dabei solche aus, die zusätzlich zu den magischen eine physische Wirkung hatten. Ich benutzte auch eigene Zauber. Meine Magische Schnur, um die Basis der Struktur anzugreifen, und Eis für gezielte Salven. Die Flecken mit trockenem Seegras steckte ich in Brand, sobald ich auch nur ein winziges Stückchen davon entdeckte.

Es glich einem seltsamen Film mit hervorragenden Spezialeffekten, atemberaubender Kulisse, lebensechten Monstern und unglaublich schlechten Schauspielern. Zum knallharten Action-Streifen hatte es nicht das Zeug, da wir ständig stolperten, in den Schlamm fielen und uns wie gestrandete Fische darin wälzten. Wenn wir uns aufgerappelt hatten, dann nur, um sofort wieder hinzufallen. Ich spielte die Rolle eines Zirkusclowns mit wenig Talent, aber großem Bemühen. Ich war der Tausendsassa, sprach Kampf- und Heilzauber, schluckte Tränke oder reichte sie an Kray weiter, der seinen eigenen Vorrat, wie von mir befohlen, bisher nicht angerührt hatte. Wann immer ich das Gefühl hatte, dass mir die Puste ausging, befahl ich dem lebenden und fluchenden Schild in Form eines Zwergs, anzuhalten und beschwor den Schleier des Schimmernden Echos auf.

Dem Luhger kamen diese Pausen gerade recht. Er packte die schwersten Felsbrocken, die er finden konnte, und sie mit voller Wucht auf uns zu schleudern, in der Hoffnung, das magische Feld zu durchbrechen und die lästigen Eindringlinge zu vernichten, die es gewagt hatten, ihn zu stören. Es war egal, dass wir nicht angriffen. Er war mittlerweile wütend genug, dass er uns von sich aus attackierte. Bei der Betrachtung der Turmreste auf dem Rücken des Ungetüms musste ich sofort an Baba Jagas Hütte auf Hühnerbeinen denken. Während Kray seine Gesundheit wiederherstellte, rannte ich immer wieder von einer Seite unseres Schutzschilds zur anderen, schoss mit Eis und benutzte die magische Schnur. Beides konnte den massiven Beinen des Monsters keinen Schaden zufügen, schlug aber sehr effektiv die Panzerung aus Felsen und Muscheln ab. Kleine Fragmente davon fielen in den Schlamm und versanken dort. Etwa eine Minute bevor der Schild verschwand, setzte ich eine Massenwirkungsschriftrolle ein, die entweder einen Steinhagel über dem brüllenden und grunzenden Ungeheuer auslöste oder seine riesige Masse in einen heulenden Tornado saugte. Letzteres war besonders effektiv, da der Tornado gierig ganze Segmente der Turmhülle des Luhgers abschälte und verschlang. Am besten war das Ende, denn sobald der Tornado Ziegelsteine und Schlamm nicht mehr in die Luft wirbelte, stürzten diese auf den Kopf des behäbigen Monsters und beschädigten weitere Teile seiner Rüstung.