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A.D. 1266 Als zweiter Sohn einer Landadelsfamilie wächst Raimund von Löher in alter Stadt, oberhalb des schönen Niddertal in der Wetterau auf. Sein ganz eigener Weg beginnt, als ihn seine Ausbildung zum Ritter von Zuhause fort führt. Er erlernt die Tugenden eines Ritters, dass höfische benehmen und die ritterlichen Formen des Kampfes. Fortan dient er als Knappe seinem Herrn Konrad von Solms. Um seine Geschicklichkeit im Kampf noch weiter zu verbessern, beschließt Konrad mit seinem Knappen Land auf zu reisen um an den verschiedensten Arten von Turnieren teilzunehmen. Eine erneute Wendung erfährt Raimunds Leben als er nach einem Turnier die hübsche Cecilia Isabella, die zweite Tochter des Grafen Heinrich von Drachenfels kennen und lieben lernt. Doch die Grenzen des unterschiedlichen Standes macht es ihnen nicht leicht. Erst durch Konrads Intervention steht einer zukünftigen Hochzeit nichts mehr im Wege und fortan begleitet sie gar die kleine Gruppe. Als sie in einer Herberge nahe Dillingen die Bekanntschaft des Burggrafen Walram von Nideggen machen, des Herrn von Jülich werden sie unverhofft in die dortige Fehde bezüglich einer Erbstreitigkeit hineingezogen. Zwischen den Männern entsteht bald eine innige, freundschaftliche Verbindung und Konrad wie auch Raimund selbst lassen sich von Walram als Vasallen in seine Dienste stellen. Währenddessen bekommt Raimund Nachricht aus alter Stadt, dass sein Vater sich in ernsthaften Schwierigkeiten befindet und sich wohl auch zuhause ein bewaffneter Konflikt abzeichnet. Hin- und hergerissen zwischen dem Aufbruch nachhause und seinem Pflichtgefühl Walram gegenüber, entschließt er sich jedoch zu bleiben. Diese Entscheidung führt ihn mitten hinein in die wohl größte Ritterschlacht auf deutschem Boden: In die Ritterschlacht bei Worringen.
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Seitenzahl: 442
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Geboren im Sauerland (NRW), verheiratet und Vater zweier Söhne, lebt er nun im Hessischen Altenstadt. Er ist neben seinem Beruf in einem Unfallkrankenhaus auch mittelalterlicher Darsteller, Reenactor, Schwertkämpfer und Schriftsteller. In über 30 Auftritten hat er schon zusammen mit seiner Familie Menschen mit der Darstellung eines Ritters, des mittelalterlichen Lebens und der Schwertkämpfe begeistert. Durch seine Mutter, eine geb. von Wiesenthal fliest tatsächlich alt böhmisches blaues Blut durch seine Adern und er darf diesen Titel offiziell tragen. Seit 31.08.2007 ist er zusätzlich urkundlich durch den Bürgermeister in Altenstadt zum: “Herrn von Altenstadt“ ausgezeichnet worden. Acht Jahre später erhielt er eine weitere Auszeichnung und ist nun auch Repräsentant der Gemeinde Altenstadt i.a.m.B.
Im Klecks Verlag hat er bereits erfolgreich sein Sachbuch: Ritterliche Tugenden veröffentlicht.
Byzanz, Akkon, Java, Jerusalem
Das Tjost auf Greifenstein
Ankunft in Dürren
Burgenbau in alter Stadt
5 Juni 1288 - Die Schlacht von Worringen -
Das Hochzeitsfest
Aufbruch Nachhause
Enthüllung
Auf zur Wartburg
Das letzte Turnier
Anhang / Verzeichnisse
>Nur ein Narr zieht keine Weisheit aus seinem Sein.
Wenn gleich ich auch weiß, dass die meisten
Menschen nur die eigene Erfahrungen nutzen.
Wie Schade! So lasst mich erzählen, welche Lehre ich
aus dem Meinem erwarb.<
Hört! Höret und leset!
Gebt den Worten in diesem Buch euren ganz eigenen Klang. Gebt den darin enthaltenen Charakteren ihre Stimmen.
Man sagt: “Die Feder ist die Zunge des Geistes. Und welcher Art Gedanken die im Geiste gezeugt, der gleichen Art werden die Schriften desjenigen sein, der ein weißes, jungfräuliches Stück Papier zum Leben zu erwecken vermag.“
Es sei euch zugetragen warum der Autor über sich selbst zu schreiben gedachte. Denkt Ihr vielleicht, dies sei ungewöhnlich? Nun ja, da pflichte ich euch bei. In der Tat, dies Buch ist ungewöhnlich! Doch schreiben auch andere Menschen Biografien und veröffentlichen Bücher über sich. Wobei diese nicht einmal selbst geschrieben haben, sondern nur Eckdaten und Ereignisse über sich, einem dritten weiter gaben und dieser dann für sie das Buch geschrieben hat.
Es gibt bei denen, die dem Mittelalter zugetan sind, derer dreier Grundlagen.
Zum einen gibt es die Gruppe, die versucht tatsächlich gelebte Personen dar - beziehungsweise nachzustellen.
Die zweiten fügen oder weben sich selbst in die tatsächliche Geschichte eines vergangenen Jahrhunderts mit ein. (So wie ich es zu halten pflege).
Während eine dritte Gruppe sich völligst frei und ohne festem
Hintergrund in der Szenerie bewegt.
So ist dieses Buch eine Biografie meiner selbst, wenn ihr es so wollt. Viele schreiben ihre Geschichte auf. Also warum nicht mal eine erfrischende neue Ansicht bringen?
So wie sich jeder (außer der vorhin erwähnten dritten Gruppe) seine Geschichte zu seiner Person ersonnen hat, so liegt die meine im Jahre 1290-1330/40 begründet.
Eingebettet in den tatsächlichen, historischen landschaftlichen Gegenden, den tatsächlichen Ortschaften jener Zeit, umgeben mit tatsächlichen Ereignissen die damals stattgefunden haben. So wie hier die wohl größte und blutigste Ritterschlacht auf deutschem Boden, der Schlacht von Worringen. All die erwähnten Burgen, Klöster, Brücken und Orte, all die Teilnehmer der großen Schlacht: Sie alle sind authentisch.
Es scheint, als läge hinter jedem dieser Namen, gar hinter jedem Buchstaben eine große Geschichte, große Taten, sowie deren Helden.
Mein Bruder Dietrich und ich hörten sie alle.
Ich bin Raimund, zweiter und jüngster Sohn meines Vaters Friedrich von Löher und seiner Frau Gertrud, die im Hause von Wiesenthal geboren wurde.
Ein besonderer Einschnitt in meinem Leben war meine Beteiligung an der Schlacht vor Worringen. Doch bevor ich von ihr berichten mag scheint es mir angebracht zu sein darüber zu berichten wie es überhaupt dazu kam, dass ich so weit hinauf in die Nähe Kölns gelangen konnte, wo ich doch aus dem schönen alter Stadt stamme. Am Rande der schönen Wetterau mit seinem Flüsschen Nidder.
Unsere Familie gehört schon seit langer Zeit dem Stand der Ritterschaft an. Unser Dorf alter Stadt ist natürlich nicht so bedeutend wie die gerade aufgezählten Namen im Osten, doch gab es hier schon zur Zeit der alten Römer ein Kastell, vor dessen Toren sich diese kleine Gemeinde gegründet hatte, und somit durchaus von geschichtlichem Interesse ist. Wir besitzen dort noch immer ein respektables Steinhaus etwas abseits des Dorfes auf einer Anhöhe in Richtung Stammheim. Ein mittelgroßes Rittergut auf dem damals neun Personen lebten und arbeiteten. Meine Eltern sagten immer, ich sei Gott gewollt, denn geplant war ich eigentlich nicht mehr. Ich habe erst später erfahren, dass meine Eltern noch einen weiteren Sohn vor meinem Bruder Dietrich und mir hatten. Doch fand dieser einen frühen Tod aufgrund einer Hungersnot die einst die Menschen hier plagte.
Ich erzähle das alles aus meiner Erinnerung heraus. Als ich diese Aufzeichnungen begann, kurierte ich meine Blessuren aus, die ich von der wohl größten Ritterschlacht auf deutschem Boden unweit der Stadt Worringen davon getragen habe. Wir haben jetzt das Jahr 1340. Dennoch weiß ich es noch als wäre es erst gestern gewesen, dass mir alle Knochen im Leibe schmerzten. Eigentlich wie heute, nur das es jetzt wohl altersbedingt ist. Gott Lob bin ich damals heil aus der Sache heraus gekommen.
Nun habe ich Zeit. Zeit in der man anfängt über sein Leben nachzugrübeln und über all das, was man bis hierher erlebt hat. Mein getreuer Knappe Arthur von dem ich euch im Laufe meines Berichtes mehr erzählen werde, dient mir hierbei als Schreiberling. Er ist in solchen Dingen einfach flinker und bewanderter als ich. Soll nicht heißen das ich nicht etwa selbst schreiben könnte, keinesfalls! Doch es ist besser seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und sich nicht auch noch auf das Schreiben konzentrieren zu müssen.
Fangen wir die Geschichte von vorne an. Von ganz vorne.
Ich kann mich noch gut an Sven und seine Frau Anna erinnern. Sven war schon an Jahren vorgerückt. Nur noch wenige graue Harre lugten unter seiner Bunthaube hervor, die immer ein wenig fettig war, da er sich des Öfteren damit seinen Schweiß von der Stirn zu wischen pflegte. Er war der Verwalter auf unserem Hof. Trotz seines Alters war er noch immer reich an Kraft und Ausdauer. Im Gegensatz zu ihm hatte seine Frau, Anna geheißen, noch alle ihre Zähne im Mund. Gewichtiger als er an Körperfülle knarrten sogar die Dielen im Haus wenn sie den Raum betrat. Was es uns Jungens immer etwas leichter machte gelegentlich an den Vorräten in der Küche zu naschen. Hörten wir, dass sie sich näherte, konnten wir stets rechtzeitig Reißaus nehmen, indem wir durch das Fenster das zum Kräutergarten hinter dem Haus gewandt war, flüchteten. Erwähnung sollten hier auch ihre zwei Kinder finden. Der Sohn der auf den Namen Heinrich hörte und seine kleine Schwester Inga. Obwohl, Inga war damals erst so um die zehn Sommer alt gewesen. Also nicht wirklich die Tochter der beiden. Sie war die Tochter von Svens jüngerem Bruder.
Er starb allerdings recht früh aufgrund eines Unfalls auf dem Hofe auf dem er arbeitete. Sven nahm sich der Kleinen an und zog sie auf wie seine eigene Tochter.
Der alte Sven verstand sich wirklich auf alles was an Arbeiten auf dem Gut meines Vaters zu verrichten war. Waren es nun Feld -, Schmiede -, Tischlerarbeiten oder alles andere. Er bekam es hin. Seine Frau Anna und Inga gingen derweilen meiner Mutter im Haus fleißig zur Hand. Sven zog währenddessen draußen mit dem eisernen Räderpflug die geradesten Furchen in ein Feld die ich je zu sehen bekommen habe. Ich erinnere mich daran, als ich wohl gerade elf Sommer alt war, als auch ich mit dem Räderpflug zu arbeiten begann. Ich hatte wohl wie jeder andere Junge auch zu jener Zeit andere Dinge im Kopf. Was mir dann genug Ablenkung verschaffte, um nicht mal annähernd eine vergleichbare Furche ins Land zu ziehen. Es versteht sich von selbst, dass ich so um das ein und andere Mal den Ärger meines Vaters auf mich zog.
Für all die Arbeiten hatte Sven selbstredend nicht nur seinen Sohn auf den er sich verlassen konnte. Das wären gerade in der Erntezeit zu wenige Hände gewesen als dass man alles hätte bewältigen können. Mein Vater, mein Bruder und ich selbst packten immer kräftig mit an und zu uns Fünfen gab es dann noch Andreas. Meines Vaters getreuer Ritter. Ein großgewachsener, breiter Kerl der jedoch recht schweigsam war. An Körperkraft kannte ich niemanden, der ihm gleich auf war. Er hätte wohl auch ohne zu zögern den eisernen Pflug selbst zu ziehen vermocht, wenn der Gaul mal nicht einzusetzen gewesen wäre. Er strahlte eine angenehme Ruhe aus. Man war gerne in seiner Gegenwart und fühlte sich wohl dabei. Sein Lächeln verbreitete Wärme, Höflichkeit und Hilfsbereitschaft sowie eine angenehme dunkle Stimme vollendeten das Bild seiner Person.
Als zweite oder dritte Sohn, dass weiß ich nicht mehr so genau, konnte er nicht auf ein eigenes Erbe hoffen. Solches bekommt,
wie allgemein bekannt, nur der Erstgeborene. Den anderen bleibt oft nur die geistige Laufbahn. Obgleich eine solche durchaus nicht die schlechteste Wahl wäre. Auch hier war es möglich groß und mächtig zu werden und viel Einfluss zu erlangen. Doch wenn man dies nicht mit sich in Übereinkunft bringen kann, so gibt es nur noch die Möglichkeit, als fahrender Ritter durch die Lande zu ziehen, nach Abenteuern zu suchen und darauf zu hoffen, aufzufallen oder jemanden zu finden, dem man dann seine Dienste als Ritter anbieten kann. Einen solchen fand er letztlich in der Person meines Vaters.
Andreas lebte mit uns im Haus. Eine bescheidene Persönlichkeit sein Eigen nennend, war er immer mit seinem geräumigen Zimmer, das weit mehr war als nur eine Kammer, gleichwohl zufrieden. Er war wahrlich ein treuer und ergebener Ritter unserer Familie. Eigentlich weiß ich gar nicht, wo er seine Heimat, seine Wurzeln hatte. Ich glaube es war irgendwo im Süden unseres Landes, doch bin ich mir nicht wirklich sicher damit.
Egal, wo war ich? Ach ja! Die Menschen auf dem Hof meines Vaters. Es waren somit ganze neun Personen. Dann gab es da noch Johann, der weiter unten im Dorf wohnte. Er kam oft mehrmals die Woche zu uns herauf, um sich gelegentlich bei uns zu verdingen. So waren wir eigentlich immer genügend Personen um die anfallenden Arbeiten zu erledigen. Wenn nicht über Gebühr gesäumt wurde. Doch bisher waren wir noch immer mit den Arbeiten fertig geworden, bevor sich die Erntemonate dem Ende zuneigten. Johann kam stets ein wenig einfältig und dümmlich daher. War aber im Grunde ein guter Kerl. Die Leute verspotteten ihn gelegentlich, da er zudem immer vornübergebeugt einherging. Was wohl daran gelegen haben mag das er einen leichten Buckel hatte. Wenn er nervös wurde, begann er zu stottern. Mit all dem war er den Leuten wohl irgendwie unheimlich und der Grund dafür, dass er nicht so recht Beschäftigung im Dorf fand.
Obwohl er seine aufgetragenen Tätigkeiten immer eigenständig verrichtete. Wenn auch manchmal etwas langsamer als es vielleicht ein anderer getan hätte. Natürlich konnten wir als Kinder nicht anders, und trieben mit ihm dann und wann unseren Schabernack. Wenn es jedoch darauf ankam, so hielten wir immer zu ihm. Das wusste er auch. Vielleicht nahm er uns unsere Streiche deswegen nie wirklich böse. Er stand uns immer bei, wenn wir es dann an anderer Stelle mal wieder übertrieben. Wie zum Beispiel die zuvor erwähnten, nicht gerade ordentlichen Furchen, die ich auf dem Feld meines Vaters hinterließ. Wir alle verstanden uns wirklich gut damals. Nie wäre es meinen Eltern oder uns Jungs auch nur in den Sinn gekommen, den buckligen Johann oder Sven und seiner Familie wie Unfreie, oder gar wie Leibeigene zu behandeln.
Auch wenn sie es ja vom Stande her waren. Mein Vater stand immer zu seiner Meinung, alle Menschen gleich und mit Respekt zu behandeln. Nur so könne man in Frieden zusammen leben meinte er. Der Stellung eines Mannes und auch der einer Frau sollte stets Beachtung geschenkt werden. Denn jeder stand dort wo Gott ihn haben wollte und jeder einzelne von ihnen verrichtet seine Tätigkeit, ohne die der andere nicht auskommen konnte oder Gelingen haben könnte. Allerdings erinnere ich mich auch gut daran, dass mein Vater auch oft allein mit seiner Meinung stand.
Doch ich bemerke das abschweifend bin von dem, was ich zu erzählen gedenke. Wollte ich doch damit fortfahren, wie nach einer guten und reichlichen Ernte, Vater Reinhard und seine Familie zu einer kleinen privaten Feier in unserem Heim geladen hatte. Zusätzlich zum Erntedankfest. Reinhard war der Herr von Wonnecken und der beste Freund meines Vaters. Wonnecken hat mir schon damals gut gefallen. Daran hat sich bis auf den heutigen Tag nichts geändert. Unter Reinhard wurde dieser Ort immer wohlhabender. Es gab Straßen unterhalb der Burg in denen nur Geschäfte standen. Kleine Läden in denen die Waren der umliegenden Bauern verkauft wurden.
Die kamen aus dem ganzen Umkreis dort zusammen und boten dort ihre Waren feil.
Dann stellten sie übereinander gestapelte Kisten auf und wir Kinder machten uns einen Spaß daraus, die ein oder andere so ausgestellte Frucht an uns zu nehmen.
Unter der Deckung der vielen Leute die dort ihre Einkäufe tätigten und der Kisten, Fässer und Handkarren, waren wir immer wieder schnell verschwunden. Obwohl ich mich auch an rote und heiße Ohren erinnern kann wenn sie uns dann doch mal zu fassen kriegten. Oder an schmerzende Wangen wenn deren Hände uns einen kräftigen Streich versetzten. In einer anderen Straße waren überwiegend Bäcker ansässig die dort ihr Tagewerk mit geradezu vorzüglichem Ergebnissen nachgingen. In diesen Gassen lagen besonders in den Morgenstunden und zur Mittagszeit wundersame Gerüche in der Luft, die Hunger hervorriefen.
Unten am Fluss hingegen roch es wieder weniger gut. Denn dort hatten sich die Gerber und Färber niedergelassen. Die einen brauchten den Fluss um ihre Felle zu gerben, die anderen, um ihre Farben für die bunten Stoffe herzustellen.
Die Straßen Wonneckens sind mir von jeher sauber in Erinnerung. Bis auf den heutigen Tag achtet der dortige Bürgermeister darauf, dass es auch weiterhin so bleibt. Und so gut wie sich der angenehme Duft von frisch gebackenem Kuchen und Brot eben dort in der Bäckerstraße verbreitete, so zog er dann nicht minder an solchen Tagen durch unser Haus. Wie wohl überall wenn sich Besuch einstellt, war das schon am Tag zuvor an den Vorbereitungen im Hause deutlich zu erkennen. Unsere Anna befreite die Böden vom Schmutz der sich eben ins Haus einschlich und streute frisches Heu in den Räumen des Herrenhauses.
Der frische Geruch des Heus der sich mit den Düften der gebackenen Leckereien vermischte, weckte stets die Vorfreude auf den angekündigten Besuch des nächsten Tages. Und selbstredend auf das schmackhafte Essen. Das ganze glich einem Feiertag und stand einem solchem auch in nichts nach. Sven hatte die Anweisungen meiner Mutter umgesetzt und ein kleines Kalb, sowie einige Hühner und Hasen bereits am Vortag geschlachtet. Immerhin waren wir ja vierzehn, manchmal gar fünfzehn Personen, wenn Vater noch Dorfpfarrer Hubertus einlud.
Allen sollte es an diesem Tag an nichts fehlen. Vater pflegte stets zu sagen: „Dies ist keiner der Tage an dem der Hunger Gewalt über uns hat.“
Reinhards Familie zählte ebenso vier Personen wie die unsere. Zudem hatte er selbstverständlich einen seiner Ritter dabei.
In diesem Falle, Ritter Leopold. Der bereitete mir damals immer ein unbehagliches Gefühl in der Magengrube. Sein Gesicht war von tiefen Falten geprägt, und dass obwohl er damals noch gar nicht so alt war. Je nachdem wie des Abends das Feuer im Kamin das Licht der Flammen sein Gesicht erhellten, wurden seine Falten in tiefe, dunkle Schatten geworfen. Natürlich weiß ich heute, dass er dafür nichts konnte, doch das hättet ihr sehen sollen! Nicht anders als ich hättet ihr empfunden! Noch dazu war da eine Narbe, die kurz über seinem linken Auge begann, sich fast bis zu seinem Kinn hinunter zog und das gesamt furchteinflößende Äußere vervollständigte. Leopolds blaue Augen strahlten keinerlei Wärme aus. Seine nur spärlichen Gesten wirkten plump und grob.
Doch muss man ihm zugutehalten, dass er im Ruf stand ein hervorragender Kämpfer zu sein. Darüber hinaus steht er Treu zu seinem Herrn. Reinhard hatte ihm sein ganzes Vertrauen geschenkt und dieser hätte ihn nie darüber hinaus enttäuscht. Genauso wie Andreas, der Ritter meines Vaters, immer mit am Tische saß, so eben auch Leopold. Met, Wein und auch Bier standen dann schon bereit. Anna und Inga begannen immer zuerst das Essen herein zu tragen. Das war eine Abfolge die sich nie veränderte. Man versammelte sich um den Tisch herum und jeder nahm den Platz ein, den er wohl schon inne hatte bevor ich geboren wurde. Dann ging es los.
Ein jeder ließ sich das schmackhafte Essen genüsslich munden.
Wenn ich daran zurückdenke, kann ich manchmal noch die Schwere meines Magens spüren. Bei solchen Gelegenheiten habe ich immer viel zu viel gegessen. Mit strengen Blicken tadelte mich Pater Hubertus dann stets, denen ich auch nicht allzu lange widerstehen konnte. Er nannte das Völlerei. Hab ich nie wirklich verstanden. Denn sein beachtlicher Bauchumfang war keinesfalls der eines Hungerleiders. So ein Essen wie im Hause meiner Eltern dauerte nicht selten einen Großteil des Nachmittags.
Hernach erhob sich mein Vater aus seinem Stuhl, was dann der Auftakt des nächsten Rituals war. Der Ortswechsel hinüber zum Kamin. Vater stemmte sich in die Höhe und streckte sich erst einmal in alle Richtungen genüsslich aus. Worauf er seinen wuchtigen Kopf in den Nacken drehte. Etwas schwerfällig waren dann seine ersten Schritte, denn die Knie wollten nicht mehr so schnell reagieren wie es ihnen der Kopf befahl. Doch wenn er erst einmal stand, war er so agil wie jeder andere auch.
Reinhard war wohl im gleichen Alter wie mein Vater aber im Gegensatz zu ihm noch recht drahtig. Ihm schien es nichts auszumachen schnell den Ort zu wechseln. Doch wartete er stets respektvoll die Zeit meines Vaters ab. Erst dann erhob er sich. Auch Pater Hubertus war trotz seiner Leibesfülle recht schnell auf seinen verhältnismäßig kurzen Beinen. Manchmal dachte ich dass er eigentlich gleich zu rollen anfangen müsse, aber es gelang ihm immer erstaunlicherweise das Gleichgewicht zu halten. Während die drei nun dort am Kamin wieder Platz nahmen und redeten,
war es die Aufgabe meines Bruders und die meine dafür Sorge zu tragen, dass die Böden der Krüge nicht allzu lange trocken blieben. Ihre Gespräche waren mit wenigen Ausnahmen immer einer Richtung folgend. Zunächst diskutierte man über die jeweilige Regierung. War man mit ihren Entscheidungen zufrieden oder unzufrieden. Mann redete über die heilige Mutter Kirche und den Papst in Rom. Wobei man darüber fast schneller aneinander geriet, als es bei der Politik schon der Fall war. Doch so sicher wie es eben
das Amen in der Kirche ist, so sicher folgte dann das Thema worauf mein Bruder Dietrich und ich immer ungeduldig warteten. Manchmal erschien es mir, als ob der Wein den Dreien half, wie aus der Position eines Beobachters heraus, meines Opas Erlebnisse, Gott hab ihn selig, noch einmal zu betrachten und zu analysieren. Auf das alles ein Sinn ergebe. Das war dann meistens der Moment in dem der Pater aufbrach und sich verabschiedete.
Der Vater meines Vaters hatte einst unser Gut als Lehen höchst selbst vom damaligen Kaiser Heinrich VI, zum Dank seiner Teilnahme am dritten Kreuzzug ins Heilige Land erhalten. Es müssen unermesslich viele Geschichten gewesen sein, die mein Opa meinem Vater darob erzählte. Auch der Vater Reinhards war damals mit meinem Opa geritten und auch diese waren Freunde, so wie es nun ihre Söhne heute miteinander sind. Ich glaube, dass Reinhard und mein Vater sich die alten Geschichten ihrer Väter so oft erzählten und wiederholten, dass sich diese dann schließlich mit ihren eigenen Erfahrungen vermischten. Jedes Mal mahnten sie uns dann, ebenfalls einmal tapfere Ritter zu werden.
„Ach Friedrich, wie oft habe ich dich schon darum gebeten, dass du zumindest die ganz blutigen Stellen in deinen Geschichten nicht im Beisein der Kinder erzählen sollst.“
Das waren die Worte meiner Mutter wenn sie den Raum betrat um mal nach dem Rechten zu schauen, wie sie es immer nannte. Sie konnte immer wunderbar mit ihren großen, dunklen Augen rollen und ihren Unmut über das Momentane zum Ausdruck bringen, ohne dabei ein Wort zu sagen. Trotz ihrer geringen Körpergröße hatte sie damit beachtliche Erfolge erreichen können. Vater gab dann immer ruhig zurück:
“Aber Schatz! Irgendjemand muss ihnen doch mal erzählen wie sich Ritter wirklich zu verhalten haben. Es gibt genug Tunichtgute da draußen und so sollen sie ja schließlich nicht einmal werden. Soll ich mich denn ihrer Schämen müssen?“,
dann erzählten Vater und Reinhard ihre Geschichten weiter und der hohe Geist des Rittertums war der rote Faden in ihren Erzählungen.
Bei meiner Treu, so war es damals.
Ich war noch ein kleiner Bursche und mein Bruder war gerade mal vier Jahre älter als ich. Wir beeilten uns so schnell wir konnten wenn es dann galt, die Becher wieder mit Wein oder Met zu füllen, damit wir auch ja keine Geschichte versäumten. Mit offenen Mündern, wenn wir nicht gerade was zum Kauen hineingeschoben hatten, und großen Augen lauschten wir gespannt den Berichten. Was für ein ehrfürchtiger Gedanke das doch für uns war. Unser Großvater zog mit dem großen Kaiser Barbarossa, wie ihn die Menschen in den Ländern jenseits der Alpen nannten, nach Jerusalem. Rotbart, was übrigens dasselbe bedeutet, nannten ihn die Menschen hier zu Lande.
Mein Opa und seine Gefährten nannten ihn manchmal den Alten, jedoch nicht geringschätzig oder gar verächtlich wie man meinen könnte. Dazu hatten sie zu großen Respekt vor Ihm, vor unserem alten Kaiser. Aber es war eben nun mal eine Tatsache das der Kaiser bereits an die 60 Jahre alt war als er mit dem größten Kontingent, das je zu einem Kreuzzug ins Heilige Land marschierte aufbrach, um es erneut zu befreien. So zogen sich die Tage an denen uns Reinhard und seine Familie besuchte oft bis in den späten Abend hinein. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, das Reinhard und seine Familie uns noch am selben Tage wieder verlassen hätten. Es war so üblich bei unseren Familien, den jeweils anderen erst nach einem gemeinsamen Frühmahl wieder auf den Heimweg zu lassen. Oftmals blieb der Gast auch gar einige Tage im Hause des Gastgebers. So haben wir es bis auf den heutigen Tag gehalten. Und warum auch nicht? Die Erntezeit lag ja bereits hinter uns und so hatten wir alle genügend Zeit zur Verfügung. Vater hatte uns Jungs sogar einige Tage danach nicht gleich wieder beschäftigen wollen.
Dietrich und ich nutzten dann diese Zeit um genau das nach zu spielen was wir die Tage zuvor gehört hatten.
Die Herbstzeit war für mich immer mit die schönste Zeit an die ich mich gern erinnere. Sie verging meist viel zu schnell. Was fürwahr wohl alle ´schönen Zeiten´ im Leben eines jeden irgendwie geltend ist. Der drauf folgende Winter kündigte sich merklich mit immer kühler werdenden Tagen an. Doch in den Kopf meines Bruders und den meinen ließen uns diese Geschichten nicht mehr los. Edle Ritter und Krieger wollten wir sein. Je größer wir mit der Zeit wurden, umso mehr trainierte nun Vater mit uns die Geschicklichkeit mit Schwert und Bogen.
So in etwa zogen meine ersten Jahre ins Land. Vater strebte für uns Jungens selbstredend eine Ausbildung zum Ritter an. Er selbst wurde von seinem Vater dazu erzogen Ritterliche Tugenden und höfisches Benimm zu erlernen und es ist so Brauch, dass man dies seinen Söhnen ebenfalls angedeihen lässt. Mittlerweile gehören ja selbst das Lesen, Schreiben und Rechnen dazu. Hier sorgte er schon früh dafür das uns Pater Hubertus in diesen Bereichen unterwies. Zuzüglich ist es üblich den Sohn an einen anderen Hof, oder gar einer Burg eines bekannten Ritters zu senden. Diese konnte durchaus auch weiter entfernt sein, so dass es nicht unüblich war, dass der Sohn seinen Eltern erst in späteren Jahren wieder gegenüber stand. Einmal erlebten wir genau das auf einem Erntedankfest in Lintheim. Einem Nachbarort von alter Stadt.
Damals war Konrad, der Sohn des alten Rupert von Büches/Lintheim überraschend auf dem Erntedankfest seines Vaters aufgetaucht. Der Herr von Büches/Lintheim wohnte damals noch in einem gut erhaltenen Wohnhaus der einstigen Burg in Lintheim. Ich glaube, die wurde gegen 1241 in einer Fehde, deren Grund ich heute wirklich nicht mehr weiß, zerstört. Eben auch dieser Konrad wurde mit ungefähr sieben Jahren von der Burg seiner Eltern entlassen, damit er, in seinem Fall auf Burg Münzenberg auf der Philipp von Falkenstein regierte, das Leben eines verantwortungsvollen und würdigen Ritters erlernen konnte. Zunächst sieht eine solche Ausbildung vor, dass man als Page in den Diensten der Herrin aufgenommen wird. Das war in seinem Fall die Edeldame Mechthild, Philipps Gemahlin.
Sie war die Schwester des verstorbenen Ulrich II der vorher Burg Münzenberg regierte. Jedoch ohne einen männlichen Nachkommen gezeugt zu haben, verstarb er dann leider 1255. Die Burg wurde darob unter seinen sechs Schwestern zu gleichen Teilen vererbt. Die besagte Mechthild war es, die dann eben mit Philipp verheiratet wurde. Dieser gewann durch geschickte politische Züge im Laufe der Zeit immer mehr Einfluss gegen seine Mitstreiter, so dass er es schließlich erreichte, die ganze Burg unter seine Kontrolle oder seinen Einfluss zu bringen. Dort lernte Konrad dann alles, was ein Ritter im Laufe seiner Ausbildung ebenso erlernen musste. Reiten, Kämpfen, Schwimmen und auch eben Lesen und Schreiben. Zudem werden einem Botengänge und der Dienst am Tische aufgetragen. Ja sogar Tanzen und Singen ist dabei. Sieben Jahre lang in etwa hat man dann diese Art des Unterrichts. Danach folgt die Ausbildung als Knappe.
Das Kämpfen wird nun mit richtigen und allen zur Verfügung stehenden Arten von Waffen trainiert und verfeinert. Bogenschießen inbegriffen. Nun gehört es auch zu seinen Aufgaben seinen Herren gar in mögliche Schlachten zu begleiten und ihn dabei ganz herzig und mit Eifer und Mut zu unterstützen. Mann hat sich um seines Herren Rüstung und Pferd zu kümmern und kämpft sogar mit ihm Seite an Seite, egal wohin es seinen Herren dabei treiben mag. Immer nach vorn und notfalls in den Tot. Das ist die Devise. Wobei nicht zu vergessen ist, dass der Herr seinerseits allerdings auch auf seinen Schützling achten sollte. Und wieder oder sagen wir immer noch, wird weiter getanzt und gesungen und gelernt. Ach ja, fast hätte ich es vergessen! Zu den Tischmanieren gehört es auch, nicht mit den Fingern zu essen. Angebissenes ist nicht mehr zurück in die gemeinsame Schüssel auf den Tisch zu legen. Auch wenn dies durchaus gut gemeint sein sollte. Da könnte ja eigentlich noch ein anderer etwas mehr Hunger haben der es sich dann nehmen könnte. Aber nein! Der Truchsess des Hauses beobachtet mit Argusaugen stets die Einhaltung der Tischsitten. Denn Etikette und Benimm wird am Tisch des Adels groß geschrieben. Ist man dann letzten Endes durch die ganze Schule des Ritters hindurch, so zählt man nicht selten bereits einundzwanzig Sommer.
Dann erfolgt in unterschiedlichen Abständen der Ritterschlag. Das große Ziel von uns allen.
Häufig geschieht das kurz vor einer größeren Schlacht, da man so den Knappen zusätzlich zu motivieren glaubt. Auch nimmt man an, dass seine Überlebenschancen dann höher sind. Was daran liegt, dass man erwartet, eher in Gefangenschaft zu geraten als dass man getötet wird. So ist man in der Lage Lösegeld zu fordern.
Oder man wird zum Ritter geschlagen an einem der vielen Feiertagen. Auch das ist durchaus möglich. Jedenfalls dient der Ritter nun dem Schutz der Menschen die unter seinem Einfluss leben. Er ist stets bemüht Gutes zu tun. Wo er Übles erkennt und die Macht hat es zu ändern, wird er es versuchen zu beseitigen. Der Ritter definiert sich fortan durch sein Denken und Handeln und nicht über die Höhe seines Standes oder Stellung. Mag er angehender Baron, Graf oder sonst einen Titel in Zukunft führen. Denn auch er steht letzten Endes immer noch unter dem König oder gar des Kaisers. Und in letzter Konsequenz - ist da immer noch unser aller Herrgott dem er zum Schluss Rechenschaft für sein Handeln schuldig ist. So ausgebildet, hat er jetzt die Möglichkeit entweder am Hof seines Oheims, seines Ausbilders und Erziehers zu bleiben, oder an den Hof seiner Eltern zurückzukehren, die einen hoffentlich voll Freude wieder aufnehmen. Denn ist man nicht das einzige Kind und müssen zuhause mehrere Mäuler gestopft werden, kommt es nicht selten vor das der jetzige Ritter ein fahrender Ritter wird, da der Vater nicht mehr alle ernähren kann. Auch das ist möglich. Er zieht fortan durch die Lande. Immer auf der Suche nach einem Haus dem er dienen kann. Auch dieser Weg kann durchaus zum Erfolg führen. Kann - muss aber nicht. Die berühmteste Geschichte über solch einen fahrenden Ritter ist ja wohl die des Parzival. Der war schließlich auch auf diesem Wege erfolgreich und berühmt geworden.
Na jedenfalls stand Konrad nun unverhofft und zur großen freudigen Überraschung seines Vaters wieder vor ihm. Dass ich seiner Zeit zu ihm aufsah, lag nicht allein daran, dass er auf einem Pferd daher kam und ich selbst ja noch recht klein war. Es war seine ganze Erscheinung die nicht nur mich,
sondern auch jeden anderen der diesem Anlass zu gegen war beeindruckte. Er wirkte irgendwie groß, stark und edel. Sein gefestigter Gesichtsausdruck und die dennoch freundlich wirkenden Augen. Er verbreitete Respekt vor seiner Person, ohne den Anschein zu erwecken, dass man vor ihm Angst haben müsste. Die Rüstung die er trug war sauber und gepflegt. Die Platten an seinen Beinen, der Kettenpanzer unter seinem Wappenrock, seine Kettenfäustlinge, alles war gut gepflegt und glänzte in der hoch stehenden Mittagssonne. Es war genau das Bild, das mein Bruder und ich im Kopf hatten wenn wir von einem edlen Ritter sprachen. Unser ganzes Bestreben richtete sich danach aus, ebenfalls einmal solch ein Ritter zu werden.
Es hieß, dass er, Konrad, bereits in einigen mehr oder weniger großen Gefechten für seinen Oheim, Herrn Philipp von Falkenstein erfolgreich gestritten habe.
Obwohl er all die Jahre unter dem Wappen der Münzenberger und dessen Burgherren kämpfte, trug er jedoch jetzt ein weißes Schild auf dem ein gekreuzter schwarzer Feuerbock prangte. Es war das Wappen der Herren von Büches/Lintheim, dass Wappen seines Vaters. Damit machte er seinen Vater sichtlich stolz. Konrad kam zudem an diesem Tage nicht allein. Er war in Begleitung dreier Ritter die nicht weniger prächtig gekleidet waren als er selbst. Diese geleiteten ihn in seine heimatlichen Gefilde zurück. Sein Vater, der alte Rupert von Lintheim, ließ gleich nach dem Erntedankfest für die Heimkehr seines Sohnes einen festlichen Empfang vorbereiten. Auch unsere Familie war damals geladen worden. Werde wohl nie vergessen, als mein Bruder und ich in das Sichtfeld Konrads und seiner drei Begleiter zu gelangen suchten, während alle anderen Erwachsenen sich der Geselligkeit hingaben. Wir legten unsere ernstesten Gesichter auf und gingen mit unseren Holzschwertern, die uns unser Vater einmal gemacht hatte, mit lautem Gebrüll aufeinander los. Schließlich wollten wir ja sicher gehen dass Konrad uns auch bemerkte. Tatsächlich winkte er uns beide etwas später an seinen Tisch heran und beglückwünschte uns zu unserer Kühnheit und Tapferkeit.
Mann waren wir stolz an diesem Tag.
Nachdem Konrad zurückgekehrt war, verging noch ein ganzes Jahr. Dann war auch mein Bruder alt genug, um an einen fremden Hof zu gehen um den Weg des Ritters zu erlernen. Seine Aufregung, seine Unruhe legte sich spürbar auf die ganze Familie hernieder. Er konnte es nicht erwarten, endlich so wie einst unser Vater, dessen Vater, ja so wie auch Konrad von Lintheim, Ritter zu werden. Ich glaube, es war das Frühjahr 1273. Mein Vater hatte damals mit Sven und Andreas soweit alles für den Ablauf der nächsten Tage besprochen. Denn sein Wunsch war es, dass wir alle Dietrich begleiten sollten. Vater war mit Philipp von Falkenstein darüber übereingekommen auch unseren Dietrich in die Lehre auf Burg Münzenberg zu nehmen. Meine Mutter freute sich hingegen schon sehr Frau Mechthild nach langer Zeit endlich einmal wieder zu sehen. Vater hingegen erhoffte sich den einen oder anderen Vorteil für sich und seine Familie dabei heraus zu holen. Er wollte schon lang eine Genehmigung zum eigenen Burgenbau bekommen.
Was mich betraf, war ich gespannt auf Burg Münzenberg selbst. Noch nie war ich dort gewesen. Vater sagte, dass die Münzenburg zwei mächtige Türme hatte die man schon von weit her zu sehen bekam. Und dass sie fast uneinnehmbare Mauern hatte. Er sagte immer ´fast´, da für ihn nichts unmöglich schien.
Außer Gevatter Tot zu entkommen, dass ist wirklich unmöglich!, meinte er dann. Auf Münzenberg sollte es drei Tore geben, die es zu durchqueren galt bevor man endlich oben im Burghof stand. Ich konnte es kaum erwarten sie endlich selbst einmal zu Gesicht zu bekommen. Am nächsten Morgen sollte es dann soweit sein. Dietrich war als erster auf den Beinen, polterte hinüber zu meinem Bett und weckte mich ungeduldig auf.
„Steh endlich auf! Las uns Anna in der Küche helfen das wir alsbald essen können."
Noch bevor ich richtig wach war, war er auch schon durch die Türe verschwunden und rannte die Treppe hinunter. Auch die anderen waren von ihm schnell geweckt und kurz darauf waren alle am Tisch versammelt. Selbst Rüdiger, ein Getreuer unseres Vaters war auch schon in der Küche. Er begrüßte Dietrich mit einem breiten, freundlichem Lächeln und gratulierte ihm zu seinem großen Tag. Er war ein freier Ritter der in der Nähe von Höchsten wohnte. Mit seinem Sohn lebte er dort in einem kleinen, steinernen Haus, und mit ihnen zwei/drei Bedienstete. Wenn einer unserer Familie eine größere Reise antrat, geleitete er uns öfter des Weges. So auch dieses Mal. Als wir dann endlich alle um den Tisch herum saßen und Hanna das Frühmal aufgetragen hatte, sprach Vater das Tischgebet. Er war eben zu Ende gekommen, als draußen plötzlich das Wiehern und Schnauben von mehreren Pferden zu hören war. Vater ging sogleich hinaus.
Auch Sven, der gerade noch im Stall seiner Arbeit nachgegangen war, trat aus dem selbigen hervor, weil er die Reiter ebenfalls bemerkt hatte. Das Wappen auf der Brust der drei in den Hof reitenden Männer erkannten die beiden sofort. Es waren Wonnecker.
„Pax vobiscum Herr Friedrich von alter Stadt!
Herr Reinhard schickt uns um Sie auf der Strecke nach Münzenberg zu geleiten. Auch sollen wir Euch und eurer Familie recht herzliche Grüße ausrichten. Er lässt sagen, dass er gerne selbst gekommen wäre, doch halten ihn leider wichtige Geschäfte davon ab. Daher sandte er uns zu Eurer Sicherheit“, sagte der erste Reiter der bereits abgestiegen war zu meinem Vater. Er verbeugte sich respektvoll und lächelte ihm freundlich zu. Vater hieß sie willkommen und lud die drei sogleich ins Haus mit ein. Sven ging ihnen nach, um diesen Rittern ein Tisch zu bereiten. Das war etwas worauf er und seine Frau Anna achteten, Gastfreundschaft. Es war immer genügend Bier und einige Kleinigkeiten zu essen im Haus für unerwartete Besucher. Und diese drei ließen es sich schmecken.
Gegen Ende des Frühmahls hatte Sven bereits die Packpferde fertig verschnürt und wir gingen daran unsere Pferde zu sattelten. Das machten wir eigentlich immer so. Vater sagte, dass das schnelle Satteln eines Pferdes immer geübt werden müsste, man wüsste nie, wann es einem mal zu Gute kommt. Es war ein recht frischer Morgen an diesem Herbsttag. Leichter Nebel entstieg dem Boden und tauchte alles in ein waberndes Irgendwas, wie ich allerdings finde, etwas Wunderschönes.
Allein nur in der Größe unserer Familie aufzubrechen, wäre für die Wälder zu gefährlich gewesen. Daher hatte sich Vater schon von vornherein die Zusicherung des Herrn Rupert geholt, dass er uns einige seiner Ritter zum Geleit zur Verfügung stellen möge. Wozu dieser auch gerne bereit war. Ergo war unsere Reisegruppe unverhofft auf elf Personen angewachsen. Das sollte genügen und gab uns die nötige Sicherheit. Denn einer so großen Reisegruppe wart es fast nicht möglich, sich einfach mal so entgegen zu stellen. So kam es, dass kurz nach dem Eintreffen der Wonnecker auch drei der Lintheimer herüber kamen. Die Gruppe unter meines Vaters Führung machte sich auf den Weg. Zunächst ging es hinüber nach Stammheim und dann weiter hinauf nach Beienheim. Dort hatte Vater unsere erste Rast eingeplant. Burg Beienheim gehörte schon bereits unter dem Einflussbereich der Falkensteiner, also zu Philipp.
Vater kannte den Vogt der Burg aus vergangenen Tagen.
Durch die langen Reisewege jedoch ist es einem nicht immer vergönnt seinen Nachbarn so oft zu besuchen wie man es eigentlich gerne tun möchte. Doch aufgrund einer solchen Reise wie sie nun unternommen wurde, nahm man dann schon eher mal einen kleinen Umweg in Kauf um solch eine Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Da wir gänzlich unangemeldet kamen, außer in Kenntnis gesetzt durch einen Boten, der die Hälfte einer Stunden vorausgesandt wurde, brachte man alles in Bewegung um den Reisenden zu empfangen. Sofort wurde der Küche Bescheid gegeben das Gäste eintreffen werden die es nun galt zu verwöhnen. Was immer Küche und Keller zu bieten hatten wird dann herbeigeschafft. Den Gedanken, dass man vielleicht nach einem schnellen Trunk wieder aufbrechen könnte um sein Reiseziel möglichst schnell zu erreichen, galt es gleich wieder zu verwerfen. Einjeder erzählte dem anderen was er in der letzte Zeit so alles getan, gehört und erlebt hatte. Und da gute Geschichten es schon immer wehrt waren ausgeschmückt zu werden, dauerten solche Berichte doch manchmal recht lang. Etwas was sich wohl nie ändern wird. Warum auch?
Auch unseren Begleitern erging es da keineswegs anders. Sogleich luden sich auch die Burgmannen untereinander ein.
Auch diese wollten alles erfahren was sich weiter unten, in alter Stadt, Lintheim, ja sogar drüben in Wonneecken so zuträgt. Ein großes Thema war natürlich immer der neue König.
Rudolf von Habsburg war gerade erst als solcher gewählt worden. Nun war man gespannt wie sich die Barone und Grafen in Zukunft wohl ihm gegenüber verhalten würden. Da es somit also sicher war, dass mit einem schnellen Aufbruch an diesem Tag nicht mehr zu rechnen war, erkundeten mein Bruder und ich unter der Führung eines dort lebenden Pagen die Burganlage. Am nächsten Morgen nach der Frühmesse ging es dann aber doch noch weiter gen Münzenburg. Allerdings wurde der Weg nun beschwerlicher. Es ging über große Feuchtwiesen, schon fast moorartige Flächen. Vereinzelt führten uns ortskundige Bauern auf unübersichtlichen Pfaden dort hindurch. Es gab wohl einige wenige Freie die hier draußen wohnten und sich daher gut auskannten.
Sicher, wir hätten auch den einfacheren Weg über Steinfurt wählen können, doch hätte der uns einiges an zusätzlicher Zeit gekostet und für einen wohl weiteren Aufenthalt in einer Herberge oder gar unter freiem Himmel gesorgt. Was uns letztendlich noch mehr Zeit gekostet hätte. Zeit die wir schon durch den Aufenthalt in Beienheim ausgeschöpft hatten, auch wenn das jedem hier wirklich Freude bereitet hatte. Also zogen wir eben auf direktem Wege weiter. Alsbald hatten wir das unwegsame Gelände hinter uns gelassen und hielten auf einer Anhöhe auf den Butzbacher Forst zu. Der Weg wurde wieder sicherer. Nicht nur wir, auch die Pferde schienen froh darüber zu sein, wieder festen Tritt unter ihre Hufen zu bekommen. Mein Vater sprach sich für eine kleine Verschnaufpause für Mensch und Tier aus und nach einer kurzen Rast zogen wir alsbald in den Wald hinein. Als wir den nicht allzu großen Forst durchquert hatten und auf der anderen Seite wieder heraus ritten, sahen wir die gewaltige Festung vor uns auf dem Münzenberg liegen. Einen Moment lang musste ich halt machen, so beeindruckend wirkte sie auf mich. Es ging damals auf das Ende des dreizehnten Jahrhunderts zu. Der Westturm war zwar noch nicht fertig gestellt, doch war er selbst schon in seiner Hälfte für jedermann weithin sichtbar. Die Arbeiten daran waren im vollen Gange.
Auch an einer zweiten, vorgelagerten Ringmauer wurde gearbeitet um die Burg noch sicherer zu machen. Die beiden Türme waren so riesig, dass mir ihr Eindruck, als ich sie zum ersten Mal sah, wohl auf ewig im Gedächtnis bleiben wird. Es ist hier weit und breit die größte Stauferburg. Nur die Anlage drüben in Friedberg war größer. Diese Macht oder Präsens ist auf diesem Flecken der Erde allgegenwärtig.
Je näher wir heran kamen, umso dichter wurde das Gedränge auf der Straße. Schwer beladene Ochsenfuhrwerke zogen gemächlichen Schrittes über ihr hinauf zur Burg.
Während andere wieder versuchten aus ihr hinaus zu gelangen und das nur, um schließlich voll beladen wieder zurück zu kehren. Arbeiter der verschiedensten Zünfte und ihre Hilfskräfte bahnten sich ihren Weg in kleinen Gruppen durch diese vielen Menschen. Auch Frauen die Speis und Getränk verkauften, drängten sich über die Straßen ihrem Ziel entgegen um es zu einem guten Preise an den Mann oder auch an die Frau zu bringen. Ein ständiges hin und her, ein kommen und gehen herrschte an jenem Tag. Wie die Brandung des Meeres die unaufhörlich herran rollte. Da eine Burg, in der so große bauliche Tätigkeiten an der Tagesordnung waren, nur schwer zu überwachen war, war die Zahl der Wachen an den wichtigsten Punkten erhöht worden. Kontrollen wurden mal mehr, mal weniger streng durchgeführt.
Einige der Wachen waren dabei wohl schon recht lange auf ihrem Posten, denn sie waren dem Volk gegenüber ziemlich missmutig und gereizt. Ihre Kleidung war teilweise schon schmutzig und der Gürtel um ihre Bäuche war viel zu locker geworden als das sie noch ihren Zweck erfüllen konnten. Ihre Schwerter hingen ihnen schon fast an den Knien. Doch als unsere Gruppe die Straße entlang zog machte man unweigerlich Platz. Keiner wollte sich einer Reisegruppe von Adligen und Rittern entgegen stellen um ihnen dabei ungebührlich Zeit stehlen. Auch weiß man ja, dass deren Pferde einfach jeden beiseite stoßen würden. Pferde, Schlachtrösser die zum Kampf ausgebildet waren und die von ihren Reitern immer vorangetrieben wurden lässt man besser an sich vorüber ziehen. Mein Pferd war allerdings noch kein solches. Es lief zum Glück den anderen einfach nur hinterher.
Denn ich selbst war durch all das Treiben auf der Straße und auf der Burg ziemlich abgelenkt. Meine Blicke wanderten immer wieder hinauf zu der Ringmauer, dann zum Turm und auch gleich wieder zurück. Die Wachen dort oben hatten bestimmt alles unter Kontrolle. Nichts entging ihren wachsamen Augen. Da oben wollte ich nachher unbedingt auch mal stehen.
Wir durchschritten das erste Tor, und ich zählte im Geiste mit: Eins!
Der Weg wurde steiler und machte eine starke Biegung nach links. Gleich danach durchschritten wir das nächste Tor und Zwei!
In Sichtweite und nur kurz dahinter sah man schon das dritte Tor. Und ich zählte es zu den anderen beiden hinzu. „Drei!“ Aber kein Hof war dahinter wie man es mir erzählte. In einem seichten rechten Bogen ritten wir weiter hinauf. Es zeigte sich in seiner vollen Größe der Pallas. Geschwungene Säulen als Fensterzier befanden sich in den oberen Etagen. Darunter lag der mit Zinnen bewehrte neue Mauerring auf dem wieder Wachposten standen und das Geschehen unter ihnen beobachteten. Direkt darunter gähnte ein schwarzes Loch in der Wand. Ein weiteres Tor, das von dem Weg auf dem wir ritten, nicht einzusehen war. Der Torbogen war direkt unter dem riesigen Pallas hindurch gebaut worden. Erst als wir unmittelbar davor waren konnte man ersehen, dass dieser Durchgang mehr war als nur ein weiteres Tor. Wir ritten ein.
„Vier!“, zählte ich. In den Wänden dieses Durchgangs, waren links und rechts kleine Gänge geschlagen worden, die zu dahinter liegenden Wachstuben führten. Und auch hier standen Wachen, die uns ganz genau zu beobachten schienen. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Als wir auf der anderen Seite wieder hinaus ritten, erreichten wir den genannten Innenhof. „Von wegen drei Tore“, dachte ich bei mir. Das waren sogar vier davon. Mit eingerechnet das Alter Stadttor durch das wir zuerst kamen. Dies lag zwar noch recht weit vom eigentlichen Haupttor entfernt, aber befand sich dennoch innerhalb der Anlage. Das war schon beeindruckend, selbst heute noch. Im Hof angekommen schwenkten wir dann links hinüber. Dort lagen die Pferdeställe und die Remisen.
Gleich mehrere Bedienstete kamen uns entgegen, uns zu empfangen und uns ihre Hilfe anzubieten. Sie kümmerten sich umgehend um unsere Pferde und um unser Gepäck, halfen meiner Mutter abzusteigen, indem sie ihr eigens dafür eine kleine Stufe zur Seite ihres Pferdes stellten.
Während einige der Knappen uns in den Palas hinein geleiteten, begannen die übrigen damit, die Pferde abzusatteln und sie in die Ställe zu führen. Dort erhielten sie frisches Futter und Wasser. Mutter, Vater, mein Bruder und ich, sowie Andreas und Rüdiger wurden hinauf in den Rittersaal geführt. Was unsere sechs Begleiter betrifft, führte man sie zunächst einmal in die Küche. So wie es in jeder Küche Usus ist, brannte auch hier ein wärmendes Feuer und selbstredend gab es natürlich auch hier etwas zur Stärkung gereicht. Doch keiner aß Übergebühr viel. Denn es war selbstverständlich, dass es zur gegebenen Zeit noch eine Willkommenszeremonie geben würde.
Als wir die Stufen hinauf geführt wurden und den Saal betraten verneigten sich die beiden Knappen die uns führten noch einmal. Sie ergriffen die Türe zu beiden Seiten und öffneten sie, so dass wir eintreten konnten. Kaum hatten wir die Schwelle überschritten, kamen Philipp von Falkenstein und seine Gemahlin Frau Mechthild uns auch schon entgegen. Die Freude bei meiner Mutter und auch die bei Frau Mechthild war keines Wegs mehr vornehm/verhalten, wie es das Protokoll eigentlich vorgesehen hätte. Sie begrüßten sich wie sich eben zwei Freundinnen begrüßen die sich schon lange nicht mehr gegenüberstanden. Auch mein Vater und Philipp umarmten sich, als sie voreinander standen. Andreas der seitlich hinter meinem Vater stand, neigte kurz seinen Kopf mit einem wohl freundlichen Lächeln im Gesicht. Philipp sah ihn an, begrüßte ihn mit Namen und tat es ihm gleich indem auch er den Kopf zur Begrüßung neigte. Rüdiger der neben meiner Mutter stand, erfuhr dieselbe Begrüßung. Der Respekt der auf Gegenseitigkeit beruhte, war deutlich zu spüren. Ich selbst mochte und mag dieses Verhalten bis auf den heutigen Tag sehr. Es gibt einem so etwas von Achtung, Respekt und zugleich Freundschaft. Danach machte Philipp einige Schritte auf meinen Bruder Dietrich zu, um auch ihn zu begrüßen.
Dabei wurde mit jedem Schritt sein Gesichtsausdruck ernster.
„Und du bist dann wohl der junge Dietrich von alter Stadt! Komm näher Junge, dass ich dich ansehen kann.“
Dietrich sah zu Vater hinüber, der mit einem leichtem Kopfnicken andeutete, dass er dieser Aufforderung nachkommen sollte. Dietrich ging auf Philipp zu. Der legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte mit leichtem aber freundschaftlichem Druck auf die selbige ein.
„Du gedenkst nun also hier am Hofe zu einem stattlichen Ritter heran zu reifen ja? Nun wenn du hier deiner Ausbildung nachkommen willst, musst du dich gut einfügen. Ich nehme an du weißt bereits, dass du zu meiner Gemahlin, einer echten Edeldame, als Page deinen Dienst aufnehmen wirst.“
Nun sah Dietrich zu ihr hinüber und sie lächelte ihn freundlich an.
„Lerne gut, sei aufmerksam und tue was sie dir aufträgt. Vergiss nicht stets bereit zu sein und sei nicht saumselig. Sie wird mir Bericht geben wenn sie mit dir nicht zufrieden ist.“
Nach einem festen Blick in Dietrichs Augen winkte Philipp einen Diener heran, der etwas unmerklich weiter hinten im Saal stand und der mir bis dahin gar nicht aufgefallen war.
„Lass dir nun von Anselm hier deine Kammer und dein Lager zeigen. Solange deine Familie noch unsere Gäste sein werden, solange wird der Beginn deiner Lehre als Page noch aufgeschoben. Wir sehen uns also heute Abend auf dem Fest wieder, junger Herr Dietrich.“
Bei seinen letzten Worten lag in des Falkensteiner Gesicht wieder ein Lächeln das jeder erkennen konnte. Dietrich nickte scheu aber zufrieden, wendete sich flugs mit einer kleinen, respektvollen Verbeugung ab und folgte wie ihm geheißen dem Diener, um sich seine neue Unterkunft für die nächsten Jahre zeigen zu lassen. Jeder, der mit Philipp zu tun hatte wusste, dass dieser eine freundliche Gesinnung hatte. Aber auch, dass seine Geduld nicht ewig währte. Er wusste wie man sich in diesen schwierigen Zeiten durchzusetzen vermochte.
Was man allein schon daran bemerkte, dass er die Hanauer, die ebenfalls Besitzansprüche an der Münzenburg besaßen, nach und nach verdrängte.
Am Abend gab es wie erwartet eine kleine Festlichkeit die Philipp für meinen Vater, meine Mutter, sowie für all die anderen die uns begleitet hatten ausrichtete. Selbstverständlich waren dort auch die Hanauer zugegen. Einen handfesten Streit zwischen den Parteien gab es trotz allem eigentlich nicht. Man konnte noch immer gemeinsam um einen Tisch herum sitzen und miteinander reden und essen. Auch einige Ritter aus der Gefolgschaft Philipps waren damals zugegen. Tische wurden herein getragen und der Saal füllte sich allmählich mit vornehm gewandeten Persönlichkeiten. Zur Unterhaltung spielten Musikanten auf. Allerlei Lustiges sowie auch Lobgesänge auf das Haus derer von Falkenstein. So etwas hört ein jeder Gastgeber immer wieder gern und sicherte den Spielleuten ihren mehr oder weniger verdienten Lohn oder auch einen längeren Aufenthalt am derzeitigen Hofe. Sie sangen oder erzählten über Helden und deren Mut in den großen Schlachten und Abenteuern die diese erlebten. Solch Liedgut gilt allen, groß und klein als edles Vorbild. So wie diese tapferen Ritter in den Liedern und Geschichten besungen und erzählt wurden, so wollen selbstredend alle jungen Männer sein. Natürlich war auch Minnesang dabei, was mich zu jener Zeit allerdings weniger bis gar nicht interessierte.
Doch noch bevor die Feierlichkeiten begannen, erkundete ich lieber erst einmal diese überwältigende Burg. Zum Beispiel zeigte mir Vater den Palas der Burg, in dem wir für die Dauer unseres Besuches untergebracht waren. Zwei schlanke, hohe Säulen, wie sie mein Vater nannte, stützen den Raum ab. Rundbögen liefen von ihnen aus in jeder der vier Ecken. Selbst in den Fenstern standen nicht nur links und rechts davon kleinere Nachbauten der großen im Raum stehenden Säulen. Sie vereinten sich ebenfalls durch seitlich kommende Rundbögen die sich auf einer dritten kleinen Säule in der Mitte des Fensters hernieder ließen. Blattwerkmuster zierten die Stürze und Fensterbänke. Alles war liebevoll gearbeitet. Es war ein angenehmer Raum der sogar einen eigenen Kamin besaß.
Obwohl mir der Raum gefiel, war ich aber auch mächtig neugierig alsbald die Wehrgänge der Burg zu erkunden. Dort oben, wo ich die Wachen gesehen hatte, als wir uns den steilen Weg durch die Menge gebahnt hatten. Kurze Zeit später war ich dann auch schon auf den Weg dorthin. Allerdings ohne meinen Vater. Der hatte noch anderes zu tun und schickte mich mit der Warnung `nichts Dummes anzustellen´ alleine los. Als ich die Wehrgänge abgelaufen hatte, bestand mein nächstes Ziel darin, die Türme zu erklimmen. Wobei mir dieser Junge auffiel. Ich hatte das Gefühl als würde er mir folgen, oder mich beobachten. Aber das war mir egal. Da der Turm im Westen noch nicht vollendet war und dort sowieso nur die Arbeiter hinauf durften, nahm ich mir eben den Ostturm vor. Zunächst ging es dabei die kleine schmale Treppe empor. Mein Vater nannte sie `Hühnerleiter´, da sie so schmal und eng war, wie sie die Hühner zuhause in ihrem Gehege benutzten. Über ihr gelangte man zunächst in das untere Drittel des Turmes. Sie führte an eine kleine Tür oder besser Pforte, denn mehr machte es nicht her. Das war der eigentliche Eingang. Keineswegs ungewöhnlich, denn diese lag auch bei anderen Türmen auf anderen Burgen immer einige Meter über den Boden des Hofes. Was auch Sinn machte.
Würde vielleicht doch einmal das Unmögliche eintreten und angreifende Belagerer tatsächlich bis in den Burghof vordringen können, so konnte man sich als letzte Zuflucht in den Turm retten. Dann zog man hinter sich die Leiter nach oben und machte es allen anderen damit nahezu unmöglich den Eingang zu erreichen.
Dank der geringen Größe dieser Pforte konnte diese dann sogar von einem einzelnen Mann verteidigt werden. Durch jede höher gelegene Etage konnte man den Eingang zusätzlich gut verteidigen. Nur zu logisch, dass sich der Aggressor eigentlich gar keine große Mühe mehr machte hinein zu gelangen, sondern seine Taktik einfach dahingehend verlagerte, die nun Eingeschlossenen auszuhungern. Im Gegenzug hatte man für solche Fälle große Vorratsräume im inneren des Turmes angelegt. Angefüllt mit Lebensmitteln und Wasser, konnte man so ein größeren Zeitraum der Belagerung überstehen und auf Hilfe von außen hoffen. Natürlich nur, wenn man es nicht versäumte vorher einen Boten aus der Burg zu schaffen. Hier im Ostturm waren diese Räume wirklich groß.
Ja der ganze Turm hatte riesige Ausmaße. Als ich dann endlich alle Leitern im Inneren erklommen hatte und oben angekommen war, eröffnete sich mir eine grandiose Aussicht. Einfach großartig, wie weit man in das umliegende Land hinaus sehen konnte. Von dort oben sah man wieder das Tor das wir passierten hatten als wir morgens angekommen waren. Ich entschloss mich sogleich dazu, auch diesen Turm noch einmal einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Das alter Stadt-Tor. Es wurde so genannt, da es eben in Richtung alter Stadt zeigte. Es machte mich ein wenig stolz, dass hier auf Burg Münzenberg unser `alter Stadt´ so bekannt war, dass gleich ein ganzer Turm nach unserem Ort genannt wart. Im Gegensatz zu den rund gebauten Ost und Westtürmen oben in der Burg, war dieser hier viereckig gebaut worden und wies an seiner Spitze ein richtiges Dach auf. Dort wollte ich hinauf. Doch dazu kam es dann leider nicht mehr. Als ich vom Ostturm wieder herab stieg, lief mir unten im Hof bereits mein Vater mit ernster Miene entgegen.
„Mann, wo steckst du denn? Ich suche dich bereits überall."