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Irrsinn in der Geschichte Diese mehrbändige Buchreihe hat den menschlichen Irrsinn zum Thema und versteht sich als Beitrag zur Geschichte der Psychiatrie und Psychologie. Band 1: Neolithikum und Antike Dieser Band beinhaltet Ausführungen zur frühesten Geschichte des Irrsinnes. Wir beginnen ab dem Neolithikum, erklären den Sinn der Trepanationen des menschlichen Schädels, streifen Kräuter, Heiler und Heilpflanzen, erleuchten die Antike, beginnend mit dem alten Ägypten, fahren mit Ausführungen über das alte China fort und gelangen schliesslich nach Griechenland, wo wir Asklepios, Hippokrates und Galen begegnen. Über Rom und Byzanz spannen wir dann einen Bogen bis zum Islam.
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Seitenzahl: 184
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Band 1: Irrsinn in der Geschichte
Vorbemerkungen
Motivation und Intention
Einführung
Vom Neolithikum zur Antike
Trepanationen
Schamanismus
Kräuter, Heiler und Heilpflanzen
Ägypten, China, Griechenland: Asklepios, Hippokrates, Galen
Rom, Byzanz und Islam
Ausblick auf Band 2
Literatur und Quellen
Von wem oder von was ist in dieser Buchreihe die Rede?
Von den Sonderlingen?
Und den aus der Gesellschaft Vertriebenen!
Von den Halluzinierenden?
Von den durch ihre eigenen Sinnen Getäuschten!
Von den Wahnsinnigen?
Von dem am Geist, an der Psyche und an der Seele Erkrankten!
Von den Süchtigen?
Von den Drogen-, und Alkohol-, Spiel, und Sex-Abhängigen!
Von den Gottesvergifteten?
Von den vom eigenen Glauben oder von der Esoterik verblendeten!
Von den Anfallssüchtigen?
Von den Erkrankten an Hirn und Nerven!
Von den Ärzten, Juristen, Politikern, Heilern und Schamanen?
Von denen, die behaupten, Verrückte verstehen und behandeln und heilen zu können!
Von den Politsystemen, die Staatsgesetzen?
Von denen, die Deutungsmacht haben und Menschen für internierungs-, isolations-, sterilisations-, und euthanasiebedürftig erklären!
Wir gehen Fragen nach:
Wer oder was galt in der Geschichte als verrückt? Wie gingen wir früher mit unseren Wahnsinnigen um? Welche Verbrechen beging die Menschheit an seelisch kranken Menschen?
Was bewirken die skurrilen und brutalen Bemühungen um Heilung? Wie hatte Heilung zu sein? Wie hatte Verwahrung zu sein: in die Gesellschaft inkludierend oder exkludierend? Dienten abgelegene und isolierte Verwahranstalten dem Heilungserfolg? Oder waren sie allesamt Orte der Abschottung und Ausgrenzung?
Von der grauen Urzeit über die Antike, vom Mittelalter bis in die heutige Gegenwart wird in dieser Buchreihe der Geschichte der Verrückten und des Irrsinns nachgegangen. Wahnsinn und Irrsinn stellte sich dabei als ein komplexes Thema heraus. Eine Einengung auf die Sichtweise des rein Psychiatrischen und Geistig-Seelischen ist schwierig, jedoch war es ein Versuch wert.
Psychiatrie ist ein Teilgebiet der Medizin. In bestimmten Zeiten war dem nicht so. Die Psychiatrie ging teils völlig eigene (Irr-)Wege. Jede Psychiatrie, die nicht den Weg der Medizin geht, ist eine unkluge Wissenschaft. Immerhin lässt sich versuchen, die Psychiatriegeschichte aus der allgemeinen Medizingeschichte zu extrahieren oder einzubetten. Dies wird hier in Ansätzen versucht.
Diese Buchreihe kommt bewusst populärwissenschaftlich daher ohne den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit zu erheben. Die Bände sind bebildert in der Hoffnung, das schwerverdauliche Thema ‚Psychiatrie‘ möge dadurch aufgelockerter erscheinen. Diese populärwissenschaftliche Strategie dient einer besseren Vermarktung. Sie sucht eine breitere Leserschaft.
Ich möchte die Psychiatrie als Wissenschaft durch die Populärwissenschaftlichkeit dieser Buchreihe keineswegs diskreditieren. Psychiatrie tut das in der Regel selber. Jede in dieser Buchreihe beschriebene Behandlungsweise widerspiegelt den Kenntnisstand von Forschung und Aufklärung der jeweiligen Zeitepochen. (Kultur, Moral, Gesellschaft, Rechtsprechung, Religion etc.) Sie widerspiegelt die jeweils herrschende politische, soziale, moralische, medizinische und religiöse Gesinnung, innerhalb der die Psychiater praktizierten und therapierten.
Schliesslich sind alle Therapien eingebettet in die kulturelle Matrix, in der sie quasi ‚hineinsozialisiert‘ wurden. Und die gegenwärtigen Kulturen schienen den Lebenden immer ordentlich und unangefochten vernünftig, auch wenn sie vor nicht so langer Zeit den zornigen Wettergöttern noch arglos Menschenopfer an- und darboten, um sie gnädig zu stimmen.
Leider hatten manche Forscherpersönlichkeiten der Psychiatrie und Medizin ein mieses oder zumindest etwas eigenartiges Menschenbild. Tiefe Verachtung, Wegwendung vom Menschlichen und kalte Empathie schlug den Seelenkranken immer wieder und über Jahrhunderte mitten ins Gesicht. Dabei waren und sind unsere seelenkranken Mitmenschen eindeutig humane Wesen und haben ein Herz und eine Seele, wie ihre Therapeuten es auch waren oder hätten sein sollen.
Auch lag mir fern psychiatrische Kliniken oder Regionen und Länder zu diskreditieren, auch wenn das manchmal so erscheinen mag. Sie diskreditierten und diskreditieren sich selbst. Wenn sie negativ im Munde waren und in Zeitungen Artikel über ihre Missetaten berichteten, dann sind sie mindestens mitschuldig an der eigenen Misere. Auch lag mir fern, Psychiaterpersönlichkeiten der ersten, zweiten oder neuesten Generation zu diffamieren. Auch sie taten oder tun dies selbst, wenn die Öffentlichkeit sich mit ihnen beschäftigt, weil sie Fehler begangen hatten. Denn jedes Vergangene vermag sich nicht dem Urteil des Heute zu entziehen, auch nicht in der Zukunft. Wir alle schauen hin!
Psychiatrische Kliniken sollten immer in einem engen Verbund zur Medizin stehen und keinen separaten Dornröschenschlaf träumen. Meiner Meinung nach gehören alle psychiatrischen Institutionen in den Verbund eines grösseren Spitalcampus, auch wenn ihre Klientel körperlich gesund erscheint. Im Campusverbund sind nicht nur psychiatrische Hilfestellungen für die entgleiste Seele ohne Zeitverzug möglich, sondern auch medizinisch-chirurgische Notfallmassnahmen. Psychiatrische Kliniken abseits von Medizinalzentren, Universitätskliniken und Regionalspitälern in die Landschaft hineingestellt, sind nicht zu fördern, ausser sie gehen auch dort einen engen Verbund mit der Somatomedizin ein. Es soll des Menschen Seele nie von seinem Körper getrennt behandelt werden, denn Seele und Körper bilden eine untrennbare Einheit. Jede Therapiemassnahme wirkt dual.
Kritik an der Pharmakologie wie auch an den praktizierten Therapieformen verstehe ich nicht aus sektiererischer oder nörglerischer Perspektive. Sie ist unumgänglich, jedoch nur in einem gesunden und fairen Mass. Ich bin überzeugt, dass alle Pharmaunternehmen nicht nur das Wohl ihrer Finanzen, sondern auch das Wohl ihrer Klienten im Auge haben. Denn die grösste Forderung an zukünftige Psychopharmaka ist und bleibt die Ursachen- und nicht die Symptombekämpfung.
Religion und Esoterik dürfen innerhalb der Psychiatrie niemals dominant werden. Das Beste ist, sie bleiben draussen vor den Eingängen der Kliniken.
Abschliessend noch einige besondere Worte zur Zeit des Nationalsozialismus. Bereits Friedrich Nietzsche sagte: ‚Der Irrsinn ist bei Einzelnen etwas Seltenes – aber bei Gruppe, Parteien, Völkern, Zeiten die Regel.‘ Bei meinen Ausführungen zur Euthanasie des Nationalsozialismus, in einem späteren Band, ging es mir um eine möglichst korrekte Darstellung. Ich versuchte, die politische, gesellschaftliche und kulturelle Gesinnung der damaligen Zeit des Nazi-Reiches so nüchtern wie möglich darzustellen. Diese sehr schlimme Zeit forderte Millionen von Toten, auch psychisch-Kranke und geistig Behinderte waren ihre Opfer.
Meine Motivation zur Verfassung dieses mehrbändigen Buchwerkes über unsere geistig kranken Mitmenschen schöpfe ich aus einer rund 40 Jahre dauernden und oft arbeits- und beziehungsintensiven und direkten Begegnung mit ihnen. Es war insbesondere ein polnischer Arzt und Mitarbeiter in derselben Klinik, mit dem ich eine Zeit lang zusammen gearbeitet hatte und der sich ebenfalls für die Geschichte der psychiatrischen Therapie interessierte. Wir tauschten uns immer wieder zu den verschiedenen Aspekten aus. Dabei hatte das Thema mich irgendwann selbst ergriffen.
Meine ersten Kontakte zu psychisch „Kranken“ knüpfte ich berufsbedingt rund 40 Jahre zuvor in einer Spezialklinik für Epilepsie in Zürich. Es folgten Anstellungen und Erfahrungen als psychiatrischer Krankenpfleger, Abteilungsleiter und Oberpfleger. Für einige Zeit war ich auch Mitglied des Lehrkörpers einer Schule für psychiatrische Krankenpflege und erteilte dort Theorie und praktischen Unterricht und begleitete Schüler in ihrem Ergotherapiepraktikum. Zudem entwickelte ich ein Aufnahme- resp. Prüfungsverfahren für Ausbildungswillige in dieser Psychiatrie.
Später absolvierte ich eine Ausbildung zum Eidg. Diplomierten Heimleiter BIGA beim Heimverband Schweiz (HVS). Ich leitete später auch Alters- und Pflegeheime. Dann führte ich, zusammen mit meiner Frau, lange Jahre eine private Wohngruppe für seelenpflegebedürftige Menschen, nachdem ich zuvor eine eigene Pflegewohngruppe für geriatrische Patienten geleitet hatte.
Meine Erfahrungen mit seelenkranken Menschen und mit den sie behandelnden Institutionen, Ärzten, Therapeuten wirkten beim Schreiben als innerer Antrieb in mir. Eine gewisse, moderate antipsychiatrische Haltung trug ich immer im Herzen, auch während meiner Arbeit in psychiatrischen Institutionen und das war bestimmt richtig so. Allerdings war ich nie ein militanter Gegner der Psychiatrie. Antipsychiatrisches Denken empfand ich stärker innerhalb militärisch organisierter und eng geführter Psychiatrien, weniger oder kaum noch in privatwirtschaftlich geführten, einem gewissen Humanismus verpflichteten Kliniken. Meine interessantesten und ‚schönsten‘ Erfahrungen machte ich in einer modernen Klinik im Schweizerischen Kanton Thurgau, unweit von Wil. Sie wurde in meiner Vorstellung zur Idealklinik.
Der gesellschaftlichen Ausgrenzung von Menschen mit einer seelischen Devianz sollte vehement entgegengewirkt werden. Anstaltspsychiatrien als Ausgrenzungsghettos sind passé. Psychisch kranke Menschen sind in unsere gesellschaftliche Mitte zu nehmen.
Ich gestehe, dass mein Buchtitel ‚Die Verrückten‘ frech und plakativ ist. Ich entschuldige mich dafür. Er ist unserer täglichen Umgangssprache entnommen. Mit ‚verrückt‘ meine ich ver-rückt im Sinne von abweichend, aus dem Rahmen rückend, auffällig, originell, extravagant, sowie auch unkonventionell und manchmal erfrischend ungewöhnlich oder auch genial.
Das Verrückte ist Raum des Leides und zugleich Heimat des menschlichen Genies.
Verrückt: (nach Duden)
Beifügung, Zuschreibung von Ursachen (Eigenschaften)
Das Adjektiv verrückt sollte im öffentlichen Sprachgebrauch nicht mehr auf Menschen bezogen werden, die geistig oder psychisch krank sind. Hier müssen die entsprechenden neutralen oder fachsprachlichen Bezeichnungen Verwendung finden, so etwa psychisch behindert, psychisch krank oder psychotisch.
© Duden - Das Synonymwörterbuch, 4. Aufl. Mannheim 2007 [CD-ROM]
Inzwischen längst pensioniert und auch (ein ganz kleines bisschen) alt geworden, wäre ich im wohlverdienten Ruhestand und hätte viel Freizeit für ‚Gescheiteres‘ zur meiner Verfügung, wenn das Schreiben mich nicht gepackt hätte.
Nun denn, ein Boot, ein Motorrad und ein E-Bike sowie eine langjährige Lebenspartnerin stehen mir für meine Freizeit stets zur Verfügung und bringen meiner Lebenszeit Sinn.
Diese Buchreihe ist mein Lohn für die Aufwendung unzähliger, freudvoller und freiwillig gewählter (meist morgendlicher) Arbeitsstunden…
…am Nachmittag fische ich vom Boot aus im See. Alternativ trete ich gesundheitsfördernd ins Velo oder lasse mich von meinem Motorrad durch den heimatschönen Thurgau chauffieren.
Mein inneres Interesse und meine ‚Liebe‘ zum psychisch kranken Menschen schlechthin treiben mich weiter an zum Schreiben. Die Buchreihe ist noch längst nicht unter Dach und Fach. Demnächst jedoch werden weitere Bände erscheinen.
Jakob Landolt
Diese mehrbändige Buchreihe hat den menschlichen Irrsinn zum Thema und versteht sich als Beitrag zur Geschichte der Psychiatrie und Psychologie.
Einführung Band 1.
Dieser Band beinhaltet Ausführungen zur frühesten Geschichte des Irrsinnes. Wir beginnen ab dem Neolithikum, erklären den Sinn der Trepanationen des menschlichen Schädels, streifen Kräuter, Heiler und Heilpflanzen, erleuchten die Antike, beginnend mit dem alten Ägypten, fahren mit Ausführungen über das alte China fort und gelangen schliesslich nach Griechenland, wo wir Asklepios, Hippokrates und Galen begegnen. Über Rom und Byzanz spannen wir dann einen Bogen bis zum Islam.
Trepanationen, Schamanismus, Kräuter, Heiler und Heilpflanzen
Trepanationen: Wahnsinn bereits im Mesolithikum…?
Bereits in der Steinzeit wurden die ersten „psychochirurgischen“ Eingriffe am menschlichen Schädel (Cranium) vollzogen. In Marokko und Peru wurden bereits im Mesolithikum (12‘000 bis 10‘000 v. Chr.) Trepanationen durchgeführt. Etwa für die gleiche Zeit wurden auch in Europa solche chirurgischen Schädelbohrungen wissenschaftlich nachgewiesen. Dies in Russland, in der Ukraine, in Ungarn, in Spanien, England, Schweden und Frankreich. Im Vorderen Orient ab etwa 8‘000 v. Chr. (Jericho, Anatolien). Als weltweites Phänomen wurden auch in China (Ostasien) Trepanationen durchgeführt und nachgewiesen. Ebenso in Ägypten, Afrika (Kenia), Südamerika (Inkareich, Peru), Mexiko, Nordamerika, Ozeanien und in Japan. Damit ist die Trepanation von Schädeln ein weltweites Phänomen.
Die Volksgruppe der Kisii (Kenia) kannte bis in die 1990er Jahre und noch heute trepanierende Medizinmänner, die Kopfoperationen von Hand und mit primitiven Werkzeugen, wie in der Steinzeit, durchführen. Das moderne Kenia verbietet zwar solche Eingriffe unter drastischen Strafen, was jedoch die Medizinmänner der Kisii, vorab in der ländlichen Bevölkerung, nicht wirklich davon abhält. Bei den Eingriffen sind viele Einwohner öffentlich zugegen und verfolgen die Trepanation unter persönlichem Augenschein mit. Eine Schmerzbekämpfung wird bei den Kisii kaum vorgenommen, die Betroffenen haben, ihrer Kultur gemäss, die Schmerzen zu ertragen.
Merkmale (Hinweise) des Verrücktseins Deviationsbereiche, die vermutlich bereits in prähistorischen Zeiten zu Trepanationen führten:
auffälliges, nonkonformes Verhaltenwirre, unverständliche Spracheabweichendes, eigenartiges Denkenscheinbar fehlende(r) Vernunft, Verstandfragwürdige Zurechnungsfähigkeitbestimmte Körperkrankheiten (Epilepsie) und Symptome (Kopfschmerzen)Aberglaube (Glaube an andere Wirklichkeit)Gotteslästerung, DämonenbesessenheitTrepanationen waren auch im europäischen Kulturkreis ein Thema. So wurden etwa in Frankreich, im Gebiet der Seine-Oise-Marne-Kultur, im Departement Lozère, über 100 neolithische Bohrungen wissenschaftlich untersucht und das Ergebnis war sensationell:
In vielen Fällen hatten die Menschen die Trepanation überlebt!
Mysteriös sind neben den Schädelbohrungen T-förmige Zeichen, die in weiblichen Schädeln offenbar zu deren Lebzeiten (!) eingekerbt wurden. Deutet diese Praxis auf Kulte? Oder auf religiöse Handlungen? Oder zeigt sich darin die Unterdrückung der Frau durch den Mann?
Die Trepanation des Craniums ist die Entfernung der Kopfhaut und eines Knochenstückes aus dem Schädel eines lebenden Menschen. Die vorgängige, sorgfältige Entfernung der Kopfhaut muss schmerzhaft gewesen und die Operation mit einem hohen Blutverlust einhergegangen sein. Das Risiko einer Infektion (Fliegen, Staub, unreine Hände) war gross.
Interessant ist, dass die Kenntnis der Trepanation und ihre Durchführung offenbar ein weltweites Phänomen der Steinzeit resp. des Neolithikums war. Unabhängig voneinander wurden auf verschiedenen Kontinenten solche invasiven, chirurgischen Schädelöffnungen durchgeführt, teilweise erfolgreich. Dieser weltweite Nachweis führte zu verschiedensten Theoriebildungen, wobei ich hier neben der Schädelöffnung infolge vorgängiger Verletzung des Kopfes durch Gewalt, die Schädelöffnung auch begründet betrachte, um raumfordernde Neoplasmen (Tumoren) zu entlasten. Auch die Bekämpfung von starken und dauernden Kopfschmerzen möchte ich als Grund der Trepanation anmerken. Eine weitere medizinische Begründung des Eingriffes könnte auch der Versuch sein, eine epileptische Anfallskrankheit zu heilen.
Im Weiteren mögen auch kultisch-religiöse Handlungen im Spiel gewesen sein. Kultisch-religiöse Handlungen waren zu dieser Zeit weltweit vorhanden und nahmen in der Gesellschaft einen beschwörenden, anbetenden oder initiierenden Charakter ein. Sie waren Ausdrucksform einer religiösen Weltanschauung, einer religiösen und spirituellen Praxis. Kultisch-religiöse Handlungen sind noch heute die Hinwendung zu einer Gottheit, zu Ahnen (Toten), zu Dämonen und Geistern. Ihnen gemeinsam ist das Ziel, sie (Gott, Geister, Ahnen) gewogen zu stimmen und um sie zu einer bestimmten Handlung zu motivieren. Man kann kultisch-religiöse Handlungen definieren als der Versuch, sich Glück, Energie, Wohlstand, Nahrung und Gesundheit zu erbeten.
Doch in unserem Zusammenhang möchte ich besonders darauf hinweisen, dass die Trepanation möglicherweise auch durchgeführt wurde, um Menschen mit geistigen resp. psychischen Problemen zu helfen. Möglicherweise dachten die Medizinmänner oder weiblichen Orakel von damals, dass psychisch Kranke von bösen Geistern und Dämonen befallen worden seien und die es galt, mittels einer Öffnung des Schädels aus diesem zu befreien, in dem sie vermutet wurden. Wenn wir diesen Grund anerkennen, wäre die Trepanation der erste geschichtlich nachweisbare psychochirurgische Eingriff der Menschheit.
Um die Gründe der Trepanation zu vervollständigen, weise ich noch auf die sog. Paläo-SETI-These hin, die jedoch für manche eher absurd erscheinen mag.
(Abbildung links: kupferner Trepan aus Peru?)
Als Werkzeuge wurden verwendet aus Obsidian, Feuerstein, Muschelschalen, Kupfer. Obsidian ist eine Art vulkanisches Glas, welches entstand, als heisse Lava auf kaltes, klares Wasser traf und dabei schlagartig erstarrte. Das Gestein ist sehr hart und äusserst scharf an den Bruchstellen. Daher eignete sich Obsidian für jegliche Arbeiten im Haushalt, bei der Jagd, in der Medizin und als Waffe. Obsidian wurde daher auf damaligen Handelswegen als rare Kostbarkeiten verbreitet, wie etwa auch Salze, Felle, Edelsteine, Waffen oder Metalle etc. Feuerstein, auch Silex genannt, ist hingegen anderen Ursprungs, es ist ein Kieselstein.
http://astar.tv/wp-content/uploads/2016/02/Trepanation.jpg
Es wurde geschabt, gekratzt, gebohrt oder geschnitten, wobei das Schaben die damals erfolgreichste Trepanations-Methode darstellte. Erfolg versprechende Trepanationsgebiete waren jene, in denen sich möglichst keine grossen Venen, Muskeln oder Knochennähte befanden. Eine Hämorrhagie (Einblutung) oder eine Verletzung und Infektion der Hirnhäute und des Hirngewebes konnte den Tod des Patienten bedeuten. Der Operierende musste aufpassen, dass die drei Gehirnmembranen (Gehirnhäute) nicht verletzt wurden (Dura mater, Pia mater und Arachoidea) wie natürlich auch das Gehirn selbst bei der Trepanation nicht in Mitleidenschaft gezogen werden durfte.
Zudem galt es, die Schmerzen während des Bohrens oder Schabens möglichst zu eliminieren oder aushaltbar zu machen. Allerdings enthält der Schädelknochen selbst keine Nervenzellen, die sind jedoch zu finden in der Kopfhaut. Die operationsbedingten Schmerzen könnten durch die Einnahme von damals bekannten Drogen aus Pflanzen (Teufelskralle, Cannabis) oder Pilzen (Mescalin, Peyote) bekämpft worden sein.
Auch nach erfolgter Trepanation mussten die Hirnhäute, das Gehirn und die Wundränder vor Infektionen und äusseren Einwirkungen geschützt werden. Was taten die Menschen vor 12‘000 Jahren, als sie Gold und Silber noch nicht bearbeiten konnten? Zu einem späteren Zeitpunkt (5. Jahrtausend vor Christus), als man Gold bearbeiten konnte, deckte man, Vermutungen gemäss, das trepanierte Schädelloch mit Gold- und Silberplatten zu. Zu prähistorischen Zeiten versuchten sie vermutlich das trepanierte Schädelloch mit der zurückgelegten und von der Trepanstelle befreiten Kopfhaut wieder zu bedecken in der Hoffnung und Annahme, dass die Kopfhaut wie eine schützende Membran wieder zuheilte und vernarbte.
In vielen Fällen, in denen die Operierten den Eingriff überlebten, wuchs die Kopfhaut über der trepanierten Stelle wieder zusammen und schützte somit die Hirnhaut und das Gehirn vor Infektionen. Auch am Schädel selbst bildete sich neues Knochengewebe an den Rändern der Trepanation. Dies beweisen neuere Forschungen, denn neu gebildetes Knochengewebe an den Wundrändern (sog. Kallus) gilt heute als medizinisch erwiesen und ist ein untrüglicher Beweis für die nachoperative Heilung.
Die guten Resultate zeugen von der Geschicklichkeit und von beachtenswerten medizinischen Kenntnissen der damaligen „Trepanationschirurgen“ resp. Medizinmännern, Schamanen oder Priester.
Lange Zeit waren sich Wissenschaftler nicht einig, welche Gründe zu den Trepanationen geführt hatten. Dies ist auch heute noch so. Wollten die urzeitlichen Schamanenärzte, Priester oder Medizinmänner damit psychische Störungen austreiben? Also Seelisches therapieren? Therapierte man wirklich bereits damals, in dieser noch grauen Vorzeit, menschlichen Wahnsinn? Oder dienten trepanierte Schädelfragmente als Schmuckstücke oder Amulette, denen besondere, Gefahren abwehrende, Glück bringende oder andere übersinnlich wirkende Kräfte zugeschrieben wurden? Immerhin finden sich bei Ausgrabungen solche Amulette.
Oder begleiteten Trepanationen beliebte Kulthandlungen, um Göttern ein Opfer zu bringen? Erzeugten die Schamanen bewusstseinserweiternde Trancezustände?
Bei weiteren Nachforschungen über die Trepanation jedoch kamen vermehrt Indizien für medizinische Absichten ins Spiel und nicht unbedingt nur für kultische Handlungen. Vielleicht vereinigte sich diese medizinische Handlung mit einer Kulthandlung? Forscher entdeckten auch gebohrte (trepanierte) Löcher in Schienbeinknochen (Tibia), was eher auf eine therapeutische Intervention und medizinische Absicht hindeutet, als auf eine kultische Handlung. Man versuchte durch diese Schienbein-Trepanation einen osteomyelitischen Infekt der distalen Tibia zu heilen, also eine Knochenmarkinfektion am Schienbein.
Durch die Öffnung des Beinknochens erreichten sie, dass die darin angesammelte Eiterflüssigkeit (der krankmachende Dämon) aus dem Knochen heraus floss, um die Genesung des Erkrankten zu fördern. Die Menschen von damals sahen den eitrigen Ausfluss ja mit blossem Auge, wussten jedoch nicht, was für eine Bedeutung diesem Sekret zustand. Sie dachten vielleicht, dass hier ein Dämon am Werke lag. Sie bekämpften den Dämon, indem sie stellvertretend den Eiter bekämpften. Zur damaligen Zeit, in der die Menschen viel in der freien Natur sich bewegten und Kampfhandlungen mit anderen Menschen und Tieren eingingen, verletzten sie sich vermutlich oft am Schienbein. Um mobil zu bleiben oder wieder zu werden, musste man sich eine Therapie des Schienbeins überlegen.
Für cranielle Trepanationen sprechen könnte, dass dadurch der Hirndruck verringert wurde, der etwa bei raumfordernden Prozessen im Inneren des geschlossenen Schädels erzeugt wurde. (Beispiele: subdurales Hämatom etwa nach einem Schlag oder Unfall, ein Tumor oder ein Hirnödem)
Vermutungen für Trepanationen in der Diskussion:
um eine Öffnung zu schaffen, durch die innewohnende, böse Geister (Dämonen) entkommen oder gute Geister eintreten konnten.
zur Entfernung von Splittern im Schädel (Knochen, Holz, Kupfer, Waffenteile)
bei Epilepsie (heilige Krankheit)
bei Geisteskrankheiten (Wahnsinn)
bei chronischen und heftigen Kopfschmerzen
bei starkem Schwindel oder bei Taubheit
bei Bewusstseinsstörungen oder
zur Bewusstseinserweiterung?
als Ritual und Opfergabe bei religiösen Kulthandlungen
Trepan-Amulette (Zuschreibung von Unheil abwehrenden Kräften, auch Glücksbringer, Verehrung von Toten, magischer Gegenstand etc.)
Kultisch-religiöse Handlung als Hinwendung (Verbindung) zu einer Gottheit, zu Ahnen, Geistern, Dämonen
Opfergabe zur Besänftigung der Natur, Bitte um Beistand, Nahrung, Wohlergehen?
Das Thema der Trepanation ist heute beliebt bei Esoterikern und Anhängern des Alienglaubens. Dieser nach Höherem strebende, esoterisch veranlagte Menschentypus wird vom Gedanken der Trepanation magisch angezogen. Es sind auch Selbstversuche bekannt, also durchgeführte Trepanationen am eigenen Kopf von Männern und Frauen, zum Zwecke erhoffter Bewusstseinserweiterung.
Das sind Menschen, die an eine ausgeprägte Form von Esoterik glauben. Sie sind der Meinung, dass die Neolithiker Trepanationen aus denselben bewusstseinserweiternden Überlegungen an sich vollzogen oder von Schamanen oder Priesterärzten vollziehen lassen hätten, wie sie sie selber haben. Betont wird bei diesen Menschen der rituelle und bewusstseinserweiternde Aspekt. Ob diese Esoteriker je eine Bewusstseinserweiterung erlangen werden, ist zwar für sie zu hoffen. Ich überlasse dem Leser jede Beurteilung. Zweifel sind gerne angebracht!
Die Auffassung, dass Ausserirdische (Aliens) unsere steinzeitlichen Vorfahren zu Trepanationen angeregt haben könnten, wird in der sogenannten Paläo-SETI-Theorie vertreten. Ein Beweis dafür wurde jedoch nie erbracht. Diese Theorie blieb immer eine Hypothese. Immerhin wird sie von prominenten Forschern wie ein Erich von Däniken als für möglich gehalten.
Welcher Theorie wir immer auch anhängen mögen, Fakt ist, dass die ältesten Trepanationen an Knochen weit älter sind, als die an trepanierten menschlichen Schädeln des Mesolithikums. (vor etwa 12‘000 b. C.) Dies wird bei diesen Theorien viel zu wenig in Erwägung gezogen!
Paläo-SETI-Theorie:
Die Paläo-SETI-Theorie (Hypothese) geht davon aus, dass unsere Erde bereits in vorgeschichtlich, historischer Zeit einst Besuch von einer oder mehreren extraterrestrischen Intelligenzen (Ausserirdischen) Besuch hatte, die im Verlauf ihres Aufenthaltes und Wirkens hier ihre Spuren hinterlassen haben.
Messungen mittels der Methode der Radiokohlenstoffdatierung durch die Universitäten Oxford und Tübingen haben nämlich ergeben, dass die in der Geissenklösterle-Höhle gefundenen Artefakte auf die Zeit um 42‘000 bis 43‘000 v.Chr. (Aurignazien, Kernland: Schwäbische Alb) zu datieren sind.
Die abgebildete Knochenflöte weist eindeutig nach, dass Knochentrepanationen von unseren Urahnen bereits viel früher durchgeführt wurden, allerdings an Knochen von toten Tieren und nicht an den Köpfen lebender Menschen.
Abbildung 5: Knochenflöte aus dem Geissenklösterle-Höhle (schwäbische Alb) Aus http://www.uni-tuebingen.de/aktuelles/pressemitteilungen/newsfullviewpresse-mitteilungen/
Denn bei den Flötenlöchern handelt es sich ja gewissermassen auch um Trepanationen an Hohlknochen, allerdings nicht für medizinische, sondern für musikalische Zwecke! Dies erstaunt. Trepanierte Knochenflöten gehören zu den ältesten archäologisch nachgewiesenen Musikinstrumenten der Menschheit. Diese Löcher mussten vorsichtig in die knöcherne Flöte hineingebohrt werden. Erstens, damit diese nicht zerbrach und unbrauchbar wurde. Und zweitens bestimmte die Grösse des Loches die Höhe des Tones.
Wenn wir die Jahreszahlen subtrahieren (42‘000 minus 12‘000), wurden Trepanationen in (tierische) Knochen also bereits rund 30‘000 Jahre vor den Cranialtrepanationen beim Menschen durchgeführt! Die Paläo-SETI-Theorie wird zwar immer wieder von gewissen Hobbyforschern ins Spiel gebracht, insbesondere bei den Überlegungen zu den Trepanationen menschlicher Knochen. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass in früherer Zeit sich einst ausserirdisches Leben zu uns auf die Erde begab, Spuren davon sind höchstens hypothetisch auszumachen.
Anzunehmen, dass Aliens in der Vergangenheit uns Menschen mit der Technik des Trepanierens vertraut machten, ergibt kaum Sinn. Um die Paläo-SETI-Theorie in unserem Sinne zu kommentieren: Wahnsinn kann alles glauben und alles denken!
Selbstverständlich waren Trepanationen für die von fremden Geistern und Dämonen befallenen Besessenen immer lebensgefährlich und forderten sicher viele Menschenleben.
Risiken bei den unter Lebensgefahr durchgeführten Trepanationen:
Verletzung von gesundem Hirngewebe
Infektionen
Austritt von Hirnflüssigkeit (Liquor)
Verbluten
Gedächtnisstörungen
Intelligenzminderung
Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen
Lähmungen (partiell)
Auslösung von Anfallsleiden (Krampfanfälle)
Schwierigkeiten beim Sprechen (Aphasie)
Ansammlung von Luft in der Schädelhöhle (Pneumocephalus)
Koma und
Exitus
Trepanationen des menschlichen Schädels sind vermutlich die ältesten Hinweise, dass menschlicher Wahnsinn im Paläolithikum (Mesolithikum) ein Thema