Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 767 - Eva Berger - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 767 E-Book

Eva Berger

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Beschreibung

Dorit kennt nur Entbehrung und Pflicht. Als Waise wächst sie in einfachsten Verhältnissen auf, arbeitet hart als Dienstmädchen und trägt mit aufopferungsvoller Liebe die Verantwortung für ihre kranke Pflegemutter und deren Kinder. Doch niemals verliert sie den Glauben an das Gute - und plötzlich scheint das Glück ihr hold. Ein unerwarteter Brief verändert alles: Ihr leiblicher Vater, Harro Graf von Buchenbostel, liegt im Sterben und ruft nach seiner Tochter, von deren Existenz er all die Jahre nichts ahnte. Die Begegnung zwischen dem jungen Mädchen und dem einsamen Mann ist von tiefer Zuneigung geprägt - und bevor er stirbt, erkennt er Dorit als sein Kind an und macht sie zu seiner Erbin. Über Nacht wird aus der bescheidenen Magd eine junge Adelige - eine Komtess, umgeben von Glanz, Gutshäusern und neuen Verlockungen. Doch inmitten all des Reichtums lauern neue Gefahren. Zwei Männer werben um ihr Herz - doch nicht jeder meint es ehrlich mit ihr. Und Dorits offenes, reines Wesen macht sie blind für den Verrat, der sich im Schatten anbahnt ...

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Die Frau, die dich liebt

Vorschau

Impressum

Die Frau, die dich liebt

Erfolgsroman um einen langen und schweren Weg ins Glück

Dorit kennt nur Entbehrung und Pflicht. Als Waise wächst sie in einfachsten Verhältnissen auf, arbeitet hart als Dienstmädchen und trägt mit aufopferungsvoller Liebe die Verantwortung für ihre kranke Pflegemutter und deren Kinder. Doch niemals verliert sie den Glauben an das Gute – und plötzlich scheint das Glück ihr hold.

Ein unerwarteter Brief verändert alles: Ihr leiblicher Vater, Harro Graf von Buchenbostel, liegt im Sterben und ruft nach seiner Tochter, von deren Existenz er all die Jahre nichts ahnte. Die Begegnung zwischen dem jungen Mädchen und dem einsamen Mann ist von tiefer Zuneigung geprägt – und bevor er stirbt, erkennt er Dorit als sein Kind an und macht sie zu seiner Erbin.

Über Nacht wird aus der bescheidenen Magd eine junge Adelige – eine Komtess, umgeben von Glanz, Gutshäusern und neuen Verlockungen. Doch inmitten all des Reichtums lauern neue Gefahren. Zwei Männer werben um ihr Herz – doch nicht jeder meint es ehrlich mit ihr. Und Dorits offenes, reines Wesen macht sie blind für den Verrat, der sich im Schatten anbahnt ...

»Was, Sie sind noch nicht fertig?«

Baroness von Bühlen stemmte energisch die Hände in die Hüften und funkelte das Hausmädchen Dorit wütend an.

Der blonde Kopf der Gescholtenen sank tief auf die Brust.

»Beeilen Sie sich gefälligst!« Die Stimme der Baroness überschlug sich jetzt fast.

»Sie hätten mir das Kleid früher zum Aufbügeln geben sollen.« Kaum hatte Dorit widersprochen, da bereute sie es auch schon.

»Sie freches Ding! Widerworte dulde ich nicht. Sie zählen auch zu den Mädchen, die guten Lohn kassieren und dafür nichts leisten wollen.«

Dorits Hand, die das Bügeleisen führte, hielt inne. Sie hob den Blick und stellte das Eisen beiseite.

»Das stimmt nicht, und niemand weiß das besser als Sie, Baroness«, erwiderte sie nun vollkommen ruhig und beherrscht. »Ich halte Ihre gesamte Garderobe in Ordnung, und das ist oft keine leichte Aufgabe. Ich serviere bei den Mahlzeiten, wenn Gäste anwesend sind, und sorge gemeinsam mit einer Putzfrau für Sauberkeit im ganzen Haus. Ich meine, mit all diesen Aufgaben ist mein Tag hinreichend ausgefüllt.«

»Sie ... Sie ...« Elvira von Bühlen rang nach Luft. Solch eine Antwort hatte sie wahrhaftig von keinem Bediensteten bisher erhalten. Ihre rechte Hand wies zur Tür.

»Sie verlassen auf der Stelle unser Haus«, schnaubte sie wütend.

Wahrscheinlich erwartete die Baroness nun Tränen und Abbitte, doch diesen Gefallen tat Dorit ihr nicht. Sie warf den Kopf stolz in den Nacken und stand unbeugsam vor der Zürnenden.

Baroness von Bühlen war sprachlos über so viel Aufsässigkeit.

»Gehen Sie, gehen Sie sofort!«, schrie sie schrill.

Dorit schaltete das Bügeleisen ab.

»Sie müssen mir schon gestatten, meine Sachen mitzunehmen«, sagte sie dann und ging in die Küche.

»Ich bin entlassen«, teilte Dorit der Mamsell mit.

»Mein Gott!« Die Wirtschafterin setzte sich vor lauter Schreck auf den nächsten Küchenstuhl. »Ich habe die Baroness zwar schimpfen hören, aber ich dachte natürlich nicht gleich an das Schlimmste.« Sie sah ganz bekümmert aus. »Was machst du nun?«

Erst jetzt wurde Dorit klar, wie schwierig ihre Lage war. Sie musste doch Geld verdienen, um ihre Pflegemutter und ihre beiden Stiefgeschwister unterstützen zu können.

»Ich weiß es nicht«, murmelte sie müde.

»Du warst so tüchtig«, klagte die Mamsell. »Aber ich hätte mir gleich denken können, dass der Baroness deine Art nicht passt. Du warst von Anfang an anders als die anderen Hausmädchen. So stolz und unbeugsam.«

»Ich sehe auch nicht ein, warum ich vor der Baroness in die Knie gehen sollte.« Dorit lächelte bitter. Sie holte aus dem Schrank, der auf dem Flur stand, ihren schäbigen alten Mantel hervor und band sich ihr warmes Kopftuch um.

»Und wie steht es mit dem Lohn?«, erinnerte die Mamsell sie. »Der Monat ist schließlich bald um.«

»Den werde ich sicher nicht bekommen«, sagte Dorit leise und verzweifelt.

»Aber er steht dir zu, lass darum nicht locker«, ermutigte die rundliche Küchenfee sie. »Die Herrschaften haben schließlich das Geld, und du hast dafür gearbeitet. Wende dich an den Herrn Baron. Er kommt zwar gegen die Frauen nicht an, aber er ist gerechter.«

Dorit nickte der Mamsell dankbar zu.

Nach kurzem Entschluss stieg sie die Treppe hinauf. Sie wusste, dass Baron von Bühlen in seinem Arbeitszimmer war. Dorit klopfte an die schwere Eichentür und wartete mit pochendem Herzen auf eine Antwort. Als sie erfolgte, öffnete sie die Tür.

Baron von Bühlen saß an seinem Schreibtisch und blickte das Hausmädchen erstaunt an.

»Na, was gibt es?«, fragte er freundlich.

Dorit nahm ihren ganzen Mut zusammen und bat um ihren Lohn.

»Lohn?« Der alte Herr schüttelte verständnislos den Kopf. »Sie wollen also Vorschuss haben«, stellte er dann richtig. »Lohn gibt es erst in fünf Tagen.«

»Die Baroness hat mich entlassen, ich muss auf der Stelle gehen«, sagte Dorit so ruhig wie möglich.

Der alte Herr sprang auf.

»Entlassen? Aus welchem Grund? Waren Sie etwa nicht ehrlich?«

»Ich habe in meinem Leben noch niemals etwas fortgenommen, Herr Baron«, versicherte Dorit mit geröteten Wangen.

»Hm ...« Der alte Herr strich über sein glatt rasiertes Kinn. Ihm wurde in diesem Augenblick bewusst, wie hübsch das kleine Dienstmädchen war.

»Einen Grund wird meine Tochter doch sicher gehabt haben, Sie zu entlassen, oder?«

»Sie gab mir ein Kleid zum Aufbügeln, das ging ihr nicht schnell genug, darüber geriet sie in Zorn.«

Der Baron wusste, wie ungerecht und unbeherrscht seine Tochter sein konnte.

Schweigend ging er zum Schreibtisch und zog die Lade auf. Nach kurzem Zögern gab er Dorit ihren gesamten Lohn und legte noch einen Hundertmarkschein dazu.

»Nichts für ungut«, murmelte er verlegen.

Bevor ihm die überraschte Dorit noch danken konnte, wurde die Tür aufgerissen, und Baroness Elvira stürmte herein.

»Sie sind noch hier? Machen Sie, dass Sie unser Haus verlassen, Sie unverschämte Person!«

»Elvira ...«, versuchte ihr Vater die Erzürnte zu beruhigen, doch sie achtete nicht auf ihn.

»Was wollen Sie eigentlich bei meinem Vater?«, raunzte sie.

»Nun ist es aber genug, Elvira«, wies der Baron sie zurecht. »Dorit verlangte den ihr zustehenden Lohn.«

»Lohn?«, kreischte die Baroness hysterisch. »Keinen Pfennig bekommt diese Person, keinen Pfennig!«

»Darf ich jetzt gehen, Herr Baron?«, bat Dorit den Gutsherrn.

»Sicher, und alles Gute für Sie«, sagte der Baron freundlich.

An der Haustür traf Dorit Baron von Ihsel. Er war im Reitanzug und kam gewiss wieder auf einen Sprung vorbei, um die Baroness zu besuchen.

»Nanu, Dorit?« Er zeigte sich überrascht. Bisher hatte er das Mädchen stets im schwarzen Kleid mit weißer Schürze gesehen.

Dorit wunderte sich, dass der Baron ihren Vornamen wusste.

»Guten Tag, Herr Baron«, begrüßte sie ihn.

»Wollen Sie schon Feierabend machen?«, fragte er.

»Ja, ich muss nach Hause«, murmelte Dorit verlegen.

»Den Herrschaften melden Sie mich aber doch wohl vorher noch, nicht wahr?«

»Nein, entschuldigen Sie«, stieß Dorit hervor und stürmte weiter.

Eckard Baron von Ihsel blickte ihr kopfschüttelnd nach. Die Kleine benahm sich heute ja reichlich seltsam!

♥♥♥

Wie gehetzt lief Dorit dem Dorf zu und durchquerte es. Am Ende des Ortes stand ein recht windschiefes Häuschen, das sie betrat.

»Wer ist da?«, fragte eine müde Stimme.

»Ich bin es, Tante Hilda.« Dorit bemühte sich um einen unbeschwerten Ton. Sie eilte zu ihrer Pflegemutter, die im kleinen Wohnzimmer auf dem Sofa lag.

»Du, Dorit?« In Hilda Meiers Stimme schwang Bangen mit.

»Ja, ich bin entlassen worden!«

»Mein Gott! Warum?« Die Kranke war fassungslos.

Dorit berichtete, was geschehen war. Hilda Meier hörte sich alles mit bekümmerter Miene an.

»Die Baroness ist ein schlechter Mensch, ich weiß«, sagte sie, als Dorit verstummte. »Sie sieht wie ein Engel aus, ist aber beileibe keiner. Sie schlägt ihrer Mutter nach, mit der hatte der Herr Baron auch sein Leben lang Kummer.«

»Ich werde bestimmt wieder Arbeit finden«, sagte Dorit mit einer Zuversicht, die sie nicht besaß.

»Sicher, Dorit, du bist ja fleißig und geschickt und auch nicht die Dümmste im Lande«, sagte Hilda Meier matt.

Dorit tätschelte ihre Hand.

»Bis zum Ersten bin ich erst einmal zu Hause und kann dich pflegen. Das ist auch etwas wert, nicht wahr?« Schon schüttelte sie die Kissen auf, huschte zum Ofen und legte Holz nach.

»Du bist solch ein gutes Kind«, sagte die Kranke. »Was sollte ich nur ohne dich beginnen?«

»Ich bin auch froh, dass ich euch alle habe«, erwiderte Dorit.

»Damals habe ich dich nur auf Drängen meines Mannes aufgenommen. Es schien ja so, als könnte ich keine Kinder bekommen, denn wir waren ja schon so lange verheiratet.«

»Du warst immer die beste Pflegemutter der Welt, Tante Hilda.«

Dorit huschte hinaus und lief in die Küche. Mit einem Glas Fruchtsaft, das sie geschickt an die Lippen der Kranken setzte, kehrte sie zurück.

»Gut, dass die Kinder dich haben«, sagte Hilda Meier dann. »Alles wäre anders gekommen, wenn mein Mann noch lebte!«

Herr Meier war an einer schweren Infektionskrankheit gestorben. Bald danach hatten sie alle das Försterhaus verlassen müssen. Damals waren sie froh gewesen, dieses windschiefe Häuschen beziehen zu dürfen, denn die Miete war sehr niedrig.

»Wenn ich doch mitarbeiten könnte«, klagte die Kranke. »Dann brauchtest du nicht mit für uns zu sorgen.«

»Du kannst aber nicht arbeiten, Tante Hilda!« Dorit wurde energisch. »Da hilft kein Jammern. Wir kommen auch so durch. Verhungert sind wir jedenfalls noch nicht.«

♥♥♥

Zur gleichen Zeit lag gut zweihundert Kilometer entfernt Harro Graf von Buchenbostel krank im Bett.

Der Arzt war gerade wieder da gewesen, um ihm eine Spritze zu geben. Jetzt hatten die schrecklichen Schmerzen nachgelassen, und Graf Harro atmete leichter. Wer den Mann noch vor wenigen Monaten gekannt hatte und ihn jetzt sah, konnte es kaum glauben, den gleichen Menschen vor sich zu haben. Er war zum Skelett abgemagert und sah zwanzig Jahre älter aus, als er war.

Die Tür ging auf. Ella von Hagen, die Schwägerin des Grafen, schaute herein. Nach dem frühen Tod ihrer Schwester war sie nach Buchenbostel übergesiedelt und hatte in all den Jahren gehofft, die zweite Gräfin von Buchenbostel zu werden. Der Graf machte jedoch keine Anstalten, sie zu heiraten. Dabei pflegte sie ihn wirklich aufopfernd.

Jetzt sah es allerdings so aus, als ginge es mit Harro bald zu Ende. Dann wäre sie seine Erbin. Er besaß ja außer ihr keine anderen Verwandten. Der Gedanke hatte für Ella etwas ungemein Tröstliches. Buchenbostel war mit seinen Vorwerken weit und breit das größte und stattlichste Gut.

Ella von Hagen war fest davon überzeugt, dass Harro auch über ein großes Barkapital und andere Werte verfügte. Dann hätten sich die elenden Jahre hier auf dem langweiligen Gut für sie doch gelohnt!

»Wie geht es dir, Harro?«, fragte sie fürsorglich.

»Gut, Ella, ich kann nicht klagen. Aber du siehst gar nicht wohl aus«, fügte er besorgt hinzu. »Schone dich mehr, ich flehe dich an!«

»Später, wenn du wieder gesund bist.«

Graf Harro schloss erschöpft die Augen. Er sah darum nicht das hässliche Lächeln in dem rassigen Frauengesicht.

»Iss noch ein wenig«, schmeichelte sie.

»Du bist so gut zu mir, Ella, aber ich habe keinen Appetit.« Er streckte ihr seine abgezehrte Hand entgegen. »Lege dich auch ein wenig hin, Liebes. Die Pflegerin habe ich schon fortgeschickt. Ihr opfert euch ja geradezu für mich auf. Das will ich nicht.«

»Du übertreibst, Harro. Du bist es wert, dass man sich ein wenig um dich kümmert, jetzt, wo du krank bist.«

»Du Gute, du«, murmelte der Kranke.

Ella von Hagen lächelte befriedigt. Sie hatte wieder einmal einen Beweis seiner Wertschätzung für sie bekommen. Es lag also gar kein Grund vor, warum er sie in seinem Testament übergehen sollte.

Sie dachte nach. Eine Reihe von altgedienten Getreuen würden gewiss auch im Testament mit Zuwendungen berücksichtigt werden. Aber darauf kam es bei einem so großen Besitz und Vermögen nicht an.

Einen Menschen gab es freilich, der Ella Sorgen bereitete, und zwar der Verwalter von Buchenbostel. Der gute Harro stand mit ihm auf sehr vertrautem Fuß. Anfangs hatte Ella angenommen, der Verwalter würde dafür sorgen, dass das Leben hier für sie nicht gar so eintönig verliefe. Da hatte sie sich allerdings getäuscht.

Dieser hochnäsige Tropf hatte so getan, als verstünde er sie nicht. Die damalige Demütigung wollte sie ihm heimzahlen, das nahm sie sich wieder einmal vor.

»Leg dich nun ein wenig hin«, sagte der Kranke noch einmal.

»Also gut!« Ella stand auf, klopfte seine eingefallene Wange und ging hinaus.

♥♥♥

Wenig später betrat ein hochgewachsener Mann das Gutshaus und strebte mit zielsicheren Schritten dem Krankenzimmer zu.

Die resolute ältere Krankenschwester war inzwischen wieder auf ihrem Posten.

»Ach, der Herr Verwalter! Der Herr Graf hat heute Vormittag bereits mehrfach nach Ihnen gefragt. Ich weiß nicht, warum er Sie so dringend sprechen wollte.«

Roderich Stelter lächelte der Schwester herzlich zu.

»Wie geht es ihm?«, erkundigte er sich besorgt.

»Im Augenblick fühlt er sich durch die Spritze ein wenig besser«, erwiderte Schwester Berta. »Ansonsten ist alles beim Alten.«

Der Verwalter klopfte an die Tür des Krankenzimmers und trat ein.

Der Graf lächelte dem Besucher froh entgegen.

»Da sind Sie ja, Stelter. Na, haben Sie etwas herausgefunden?« Das Gesicht des Kranken belebte sich sichtlich.

»Allerdings. Ich weiß nur nicht, ob es Sie sehr freuen wird.«

»Spannen Sie mich nicht auf die Folter«, drängte der Graf. »Mein Gott, wie ist es möglich, dass mich erst der nahende Tod an meine Verpflichtungen auf Erden erinnern muss. Er müsste doch jetzt etwas über zwanzig Jahre alt sein, nicht wahr?«

»Ich muss Sie enttäuschen, das Kind ist ein Mädchen.«

»Na gut, dann ist es ein Mädchen. Was ist aus ihm geworden?« Der Graf hing mit Spannung an dem Mund seines Verwalters.

»Ein Dienstmädchen.«

»Ein Dienstmädchen«, murmelte der Todkranke entsetzt. »Meine Tochter ein Dienstmädchen!« Sein Atem ging heftig.

»Ja, darum habe ich noch keine weiteren Schritte unternommen. Ich wollte Ihnen diese Nachricht erst zukommen lassen.«

»Haben Sie das Mädchen gesehen?«, wollte der Kranke wissen.

»Nein.« Der Verwalter schüttelte bedauernd den Kopf. »Aber ich weiß, wo es wohnt.«

»Ich begreife das nicht«, sagte der Kranke. »Ich habe seiner Mutter damals ein kleines Vermögen für die Erziehung des Kindes hinterlassen. Sie hat offenbar nichts davon für die Kleine angelegt.«

»Ich schätze, ein zwanzigjähriges Mädchen ist keine Kleine mehr«, warf der Verwalter vorsichtig ein. »Wie ich herausgefunden habe, hat es kein leichtes Los zu tragen.«

»Mein Gott, meine Schuld wird immer größer«, flüsterte der Gutsherr und stöhnte verhalten. »Erzählen Sie, Stelter, ich flehe Sie an.«

»Die Mutter des Mädchens heiratete offenbar wenige Wochen vor der Niederkunft und starb dann bei der Geburt.«

»Das ist ja entsetzlich.« Der Graf schloss die Augen. »Was war das für ein Mann?«

»Ein Schuster. Er lebt nicht mehr. Der Mann soll sich zu Tode getrunken haben.«

»Allmächtiger!« Der Kranke war tief erschüttert. »Und was wurde aus dem Kind?«

»Es lebte bis zu seinem Tode bei ihm. Als der Mann starb, war das Kind ungefähr zehn.«

»Das Mädchen muss her, auf der Stelle!«, verlangte der Graf. »Ich habe ja ohnehin schon so viel an ihm versäumt. Was geschah dann mit der Kleinen?«

»Sicher wäre sie ins Waisenhaus gekommen, wenn sich ihrer nicht ein Försterehepaar angenommen hätte.«

»Förster? Mein Gott, das klingt ja recht erfreulich!« Der Graf atmete auf.