Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 781 - Eva Berger - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 781 E-Book

Eva Berger

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Beschreibung

Felicitas von Mittendorfs glückliche Kindheit und Jugend enden jäh, als ihre Eltern auf tragische Weise ums Leben kommen. Fortan wird sie herumgeschubst und von Männern bedrängt, die das Waisenmädchen als Freiwild betrachten. Nach einer wahren Odyssee schlechter Erfahrungen nimmt die Baronin von Tannenhagen Felicitas als Gesellschafterin bei sich auf, und Tannenhagen wird ihre neue Heimat. Als die Baronin eines Tages die Augen für immer schließt, weint Felicitas bittere Tränen um ihre mütterliche Freundin, der sie innig zugetan war. Und so steht es außer Frage, den Letzten Willen der liebenswerten Baronin zu erfüllen. Doch wie soll Felicitas dieses eine Jahr der von ihr gewünschten Ehe mit einem jungen Mann durchhalten, der ihr nichts als abgrundtiefe Abneigung und Spott entgegenbringt?

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Ihre Hand, nicht ihr Herz

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Ihre Hand, nichtihr Herz

Weil es das Testament verlangte

Felicitas von Mittendorfs glückliche Kindheit und Jugend enden jäh, als ihre Eltern auf tragische Weise ums Leben kommen. Fortan wird sie herumgeschubst und von Männern bedrängt, die das Waisenmädchen als Freiwild betrachten. Nach einer wahren Odyssee schlechter Erfahrungen nimmt die Baronin von Tannenhagen Felicitas als Gesellschafterin bei sich auf, und Tannenhagen wird ihre neue Heimat.

Als die Baronin eines Tages die Augen für immer schließt, weint Felicitas bittere Tränen um ihre mütterliche Freundin, der sie innig zugetan war. Und so steht es außer Frage, den Letzten Willen der liebenswerten Baronin zu erfüllen. Doch wie soll Felicitas dieses eine Jahr der von ihr gewünschten Ehe mit einem Mann durchhalten, der ihr nichts als abgrundtiefe Abneigung und Spott entgegenbringt?

Etwas umständlich rückte Justizrat Werner seine Brille zurecht und warf noch einen Blick über die Menschen, die sich im Arbeitszimmer der verstorbenen Herrin von Tannenhagen zusammengefunden hatten.

Der langjährige Freund und Berater der Verstorbenen sollte nun in diesem Raum ihren Letzten Willen verkünden.

Die Augen des Justizrates verweilten bei der zusammengesunkenen jungen Frau, die, ganz in Schwarz gehüllt, wahrhaftig ein Bild des Jammers bot. Mit glanzlosen Augen starrte sie auf ein Porträt an der gegenüberliegenden Wand. Ihre goldblonden Haare hatte sie zu einem dicken Knoten im Nacken zusammengebunden, die rehbraunen Augen standen im seltsamen Kontrast zu der zarten hellen Haut.

Neben der zierlichen Frauengestalt saß aufrecht ein schneidiger junger Mann. Er bot ein Bild der Frische und Gesundheit. Sein wettergegerbtes Gesicht war braun gebrannt. Seine Grauaugen blickten kühl und beherrscht, doch zeigten sie dem aufmerksamen Betrachter, wie er sich zusammennehmen musste, um Gelassenheit vorzutäuschen, denn um seinen Mund zuckte es wie von verhaltener Qual.

Jetzt hatte sich der alte Justizrat so weit in der Gewalt, dass er beginnen konnte. Bedächtig schlug er ein dickes Buch auf, entnahm ihm ein großes Schriftstück und blickte die Versammelten an.

»Ich bin beauftragt, den Letzten Willen der verstorbenen Baronin von Tannenhagen zu verkünden. Da ich das Testament kenne, möchte ich Ihnen gleich im Voraus sagen, dass Sie über den Letzten Willen unserer verehrten Verstorbenen ...« Bei diesen Worten verhinderte das weiche Herz des alten Justizrates ein Weitersprechen. Er zog ein Taschentuch aus der Tasche und schnäuzte sich geräuschvoll.

Auch in dem markanten Gesicht des jungen Mannes hatte es von tiefem, verhaltenem Schmerz aufgezuckt. Da begann der Justizrat von Neuem.

»Bitte, glauben Sie mir, sie wollte immer nur das Beste«, versicherte er.

Dabei schaute er vor allem zu dem jungen Mädchen und dem jungen Mann, die den Blick aber gar nicht zu bemerken schienen.

Dann begann er all die kleinen und größeren Beträge vorzulesen, die die Verstorbene dem Gutspersonal für treue Arbeit und jahrelange Pflichterfüllung vermacht hatte. Manch einer der alten Getreuen wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Gesicht. Die ehemalige Herrin von Tannenhagen hatte an alle gedacht.

Als der Justizrat zu Ende gelesen hatte, machte er eine lange Pause, dann fuhr er schnell fort.

»Gut Tannenhagen, das Vorwerk Buchenhagen und die dazugehörigen Wälder erben mein Neffe Ulf Baron von Tannenhagen und meine liebe junge Freundin und Gesellschafterin Felicitas von Mittendorf. Ich stelle aber die Bedingung, dass sie vier Wochen nach Testamentseröffnung heiraten.

Sind sie jedoch nicht gewillt, diese meine Bitte zu erfüllen, fällt alles an die hiesige Kirche. Sehen sie nach einjähriger Ehe ein, dass sie nicht zusammenpassen, können sie sich scheiden lassen und sollen ihr Erbe so teilen, dass jedem die Hälfte zufällt!«

Mit einem erleichterten Seufzer hielt der Justizrat inne und wandte sich dem Gutspersonal zu.

»Sie können gehen. Wenn noch jemand eine Frage hat, mag er sich an mich wenden«, sagte er.

Die einfachen Leute waren alle restlos beeindruckt von der Großzügigkeit ihrer verstorbenen Herrin. Wie sollten sie wohl eine Frage haben, da die Herrin alles so klar geregelt und gerecht festgesetzt hatte?

Sie warfen noch einen scheuen Blick auf die zukünftigen Besitzer von Tannenhagen und gingen dann aus dem Zimmer.

Anders war es mit Ulf von Tannenhagen und der ehemaligen Gesellschafterin der verstorbenen Besitzerin.

Das blasse Mädchen schien noch immer nichts von ihrer Umgebung zu bemerken. Mit glanzlosen Augen starrte sie vor sich hin und schien nicht den Sinn der eben gesagten Worte begriffen zu haben.

Baron Ulf war zusammengezuckt, als er die Testamentklausel vernommen hatte. Doch keine Veränderung in seinem beherrschten Gesicht verriet seine Empfindungen. Kühl und starr blickte er auf die zusammengesunkene Gestalt des Mädchens.

Zuckte es nicht wie Hohn um seinen Mund?

Als Justizrat Werner auf die beiden zuging, um ihnen zu ihrem Erbe zu gratulieren, fuhr Felicitas von Mittendorf erschreckt empor.

Als sie jedoch in das gütige Gesicht des alten Herrn blickte, atmete sie befreit auf.

»Na, Mädchen, was sagen Sie zu Ihrem unerhörten Glück? Ich gratuliere Ihnen herzlich. Baron Ulf, auch Ihnen möchte ich alles Gute wünschen.« Justizrat Werner verbeugte sich vor Ulf von Tannenhagen und schüttelte ihm kräftig die Hand. »Ich setze doch voraus, dass Sie beide das Erbe annehmen werden«, sagte er schmunzelnd.

»Es tut mir leid, Herr Werner, aber das muss ich mir noch einmal reiflich überlegen.« Wie Eis klang die Stimme von Ulf von Tannenhagen.

Um die frostige Stimmung zu überbrücken, tätschelte der alte Herr die bleichen Wangen des Mädchens.

»Na, Fräulein von Mittendorf, müssen Sie auch erst eine Zeit zum reiflichen Überlegen haben?«, fragte er.

»Was soll ich mir denn überlegen, Herr Werner?«, fragte Felicitas verwirrt und eingeschüchtert.

»Mädelchen, potz Blitz, haben Sie denn geschlafen? Ich verkündete soeben ernst und feierlich, dass Sie Besitzerin der Hälfte des Prachtgutes Tannenhagen sind, und Sie haben das gar nicht gehört? Na, hat man so etwas schon erlebt?«, setzte er lächelnd hinzu.

Immer erstaunter hatte Felicitas zugehört. Dann glitt ein glückliches Lächeln um ihren Mund, das aber sofort wieder verschwand, als sie in Ulfs spöttisches Gesicht blickte.

»Nein, Herr Justizrat, das kann doch nicht wahr sein!«, stammelte sie erschrocken. Ihr blasses Gesicht wurde bei diesen Worten noch um einen Schein blasser. »Ich glaubte, Sie seien der zukünftige Besitzer von Tannenhagen«, wandte sie sich an Baron Ulf.

»Nein, bestes Fräulein, das bin ich leider nicht. Ich glaubte es auch einmal«, fügte er leicht ironisch hinzu. »Sie schauspielern zwar gut und mimen ganz prächtig die Unwissende, obwohl Sie doch eben dabei waren, als Herr Werner das Testament verkündete. Wenn Sie auch mit Ihren Talenten bei meiner Tante etwas erreichten, bei mir nicht.«

Immer ironischer, immer eisiger hatte seine Stimme geklungen.

Auf Felicitas' Gesicht spiegelten sich unendliche Trauer und Wehmut.

»Ich verstehe Sie nicht, Herr von Tannenhagen«, stammelte sie mit tränenerstickter Stimme.

»Tränen fruchten bei mir nichts. Sind Sie so unwissend, oder tun Sie nur so? Wir beide sollen heiraten, mein bestes Fräulein, dann gehört jedem von uns zur Hälfte der prächtige Besitz Tannenhagen.«

Hilfesuchend sah Felicitas sich nach dem Justizrat um.

»So helfen Sie mir doch, lieber Herr Werner! Sagen Sie es dem Herrn, dass ich gar nichts von Tannenhagen haben will! Ich will ihm nichts von seinem Erbe fortnehmen. Ich war hier so glücklich. Wenn die gütige Frau von Tannenhagen es bestimmt, dass ich miterbe, so verzichte ich hiermit auf alle meine Rechte.«

Die Arme war völlig aufgewühlt.

»Kindchen, nun beruhigen Sie sich doch!« Justizrat Werner streichelte ihre schmale Hand.

Auch auf Ulf von Tannenhagen hatten die leidenschaftlich gesprochenen Worte ihre Wirkung nicht verfehlt. Etwas an dem Ton musste ihm wohl zu Herzen gegangen sein. Sein Blick war nicht mehr ganz so abweisend und eisig.

»Leider ist das mit dem Verzichten gar nicht möglich. Wenn wir beide die Bedingungen nicht erfüllen, fällt unser altes Stammesgut in fremde Hände«, sagte er.

»O Gott«, murmelte das junge Mädchen. »Was soll ich bloß machen?«

»Müssen Sie denn da noch fragen, gnädiges Fräulein? Denken Sie doch an die Verstorbene! Würde sie denn alles so bestimmt haben, wenn sie es nicht für richtig befunden hätte? Hier habe ich auch noch Briefe für sie«, sagte der alte Justizrat und überreichte beiden einen weißen Umschlag.

»Die gute Frau von Tannenhagen!«, flüsterte Felicitas scheu.

»Nun überlegen Sie es sich alles reiflich, liebes Fräulein von Mittendorf.«

Justizrat Werner verabschiedete sich herzlich von Felicitas, etwas kühler von Herrn von Tannenhagen.

♥♥♥

Vollkommen gebrochen kam Felicitas in ihrem traulichen Zimmerchen an. Aufseufzend fiel sie auf die breite Couch und presste ihr Gesicht in die weichen Kissen.

Noch einmal spulte sich ihr Leben vor ihr ab ...

Felicitas von Mittendorf hatte eine freudvolle Kindheit verlebt. Von allen verwöhnt und verzärtelt, ließ man ihr jeden Willen. Kein Wunsch wurde ihr versagt. Übermütig tollte sie vom frühen Morgen bis zum Abend auf Mittendorf herum. Keine Erzieherin konnte das wilde Kind bändigen.

Von ihrem Väterchen war sie der erklärte Abgott. Da ihm männliche Erben versagt blieben, hing er mit heißer Liebe an seinem Töchterchen.

Umso schwerer traf das verwöhnte Mädchen, das inzwischen zu einer jungen Dame herangewachsen war, der schwere Schicksalsschlag.

Ihr Vater beendete selbst sein Leben, als er merkte, dass das stolze Gut seiner Vorfahren nicht mehr zu retten war. Die allzeit gebrechliche Mutter erlitt darüber einen Schlaganfall und starb kurz darauf.

Aus dem lebensfrohen Mädchen wurde fast über Nacht ein scheues Menschenkind. Felicitas trauerte unsäglich um die geliebten Eltern.

Ein entfernter Verwandter bot ihr in der schweren Zeit seine Hilfe an. Felicitas schüttelte sich noch jetzt, wenn sie an Onkel Hans-Joachim dachte.

Die ganze Art dieses Mannes war ihr zuwider. Doch sie war durch die schlimmen Schicksalsschläge so niedergedrückt, dass sie willenlos alles mit sich geschehen ließ und die Hilfe gleichgültig annahm.

Sie musste es bitter bereuen, ihr Vertrauen dem bis dahin unbekannten Onkel geschenkt zu haben. Der skrupellose Mann brachte sie um den letzten Rest ihres kleinen Vermögens, das aus dem Zusammenbruch gerettet werden konnte. Als er ihr in seiner schleimigen Art eröffnete, dass jetzt nichts mehr vorhanden sei, rüttelte diese Mitteilung sie aus ihrer Resignation auf.

Und dann wollte dieser unangenehme Kerl sich ihr auch noch nähern.

»Nimm es nicht so schwer, kleine Felicitas«, sagte er mit seinem falschen Lächeln und schickte sich an, sie in die Arme zu schließen. »Wenn man so schön ist wie du, wird man bestimmt jemanden finden, der einem den Rahmen für den eigenen königlichen Glanz kauft. Man muss nur Verbindungen haben. Ich kenne ein paar Leute, die sich für dich interessieren und es sich was kosten lassen würden ...«

Empört sprang Felicitas auf, rannte aus dem Zimmer und verließ das Haus.

Wo sollte sie nur hin? Das Trostlose ihrer Lage kam ihr erst richtig zu Bewusstsein, als sie auf dem Bahnhof stand und das wenige Geld zählte, das ihr geblieben war.

Kurz entschlossen kaufte sie sich eine Fahrkarte zu der nächsten größeren Stadt.

Sie hatte Glück. Auf eines ihrer ersten Bewerbungsschreiben bekam sie gleich eine Stelle als Kindermädchen. Sie hatte ja nichts gelernt.

Doch wie bitter wurde sie auch hier wieder enttäuscht. Ein junger Verwandter, der in dem Haus, in dem sie als Kindermädchen angestellt war, wohnte, betrachtete das schutzlose Mädchen als Freiwild. Stets stellte er ihr nach. Gerade ihre Scheu und Zurückhaltung reizten ihn wohl immer eifriger, seine Bemühungen fortzusetzen.

Wie gehetzt verbrachte Felicitas ihre Tage. Wenn sie den jungen Mann im Haus wusste, war sie derartig beunruhigt, dass es bald allen auffiel und sie manche Ermahnungen und Vorwürfe über sich ergehen lassen musste.

Obwohl sie immer magerer wurde und immer elender aussah, gab es der gewissenlose Mensch nicht auf, sie zu quälen. Von ihrer einstigen Schönheit war kaum noch etwas geblieben. Nur die goldblonden Haare leuchteten noch immer in unverminderter Kraft und umgaben das zarte Gesichtchen wie ein Heiligenschein.

Schließlich hielt Felicitas es in dem Haus nicht mehr aus und kündigte.

Bei ihren nächsten Stellungen erging es ihr nicht besser. Einmal bedrängte sie der Sohn der Herrschaften, einmal der Herr des Hauses selbst.

Es dauerte nicht lange, da war sie wieder stellungslos. Mit den Nerven vollkommen am Ende taumelte Felicitas durch die Straßen.

Plötzlich fühlte sie nichts mehr und fiel in einen tiefen Abgrund.

Die Herrin von Tannenhagen, Baronin Anne-Sybille, hätte die erschöpfte Felicitas beinahe überfahren. Noch im letzten Augenblick konnte sie den Wagen, den sie selbst steuerte, zum Halten bringen und dadurch ein Unglück verhindern.

Die Baronin nahm das bewusstlose Mädchen mit nach Tannenhagen. Sie sah auf den ersten Blick, in welch einem bedauernswerten Zustand sich Felicitas befand. Sie sah aber auch, welch ein feines, zartes Antlitz und welch wundervolles goldblondes Haar ihr Schützling hatte.

Als Felicitas aufwachte, lag sie, sorgsam in Decken gehüllt, in einem weichen Bett. Sie glaubte zu träumen.

»Kindchen, Sie haben aber lange geschlafen!«, riss sie eine sanfte Stimme aus den Träumen. »Wir dachten schon, Sie wollten gar nicht wieder aufwachen.«

Verwundert schaute Felicitas auf.

»Wo bin ich?«

»Nicht fragen, Kleines, Sie sind hier gut aufgehoben.«

»Ich muss mir Arbeit suchen!«, stammelte Felicitas. Dann schloss sie wieder erschöpft die Augen.

»Nun müssen Sie sich erst einmal ausruhen und später dann etwas Ordentliches essen.«

Die Stimme strömte solch eine Wärme aus, dass Felicitas sich hier geborgen fühlte und tat, was die Sprecherin verlangte.

Nach ihrer Genesung blieb Felicitas als Gesellschafterin der alten Dame auf Tannenhagen. Mit inniger Liebe und schwärmerischer Verehrung hing sie an ihrer Herrin. Auch die alte Baronin schloss das arme Ding so in ihr Herz, dass sie sich ein Leben ohne ihren Sonnenschein, wie sie Felicitas immer scherzend nannte, nicht mehr vorstellen konnte.

Das Mädchen lebte auf Tannenhagen richtig auf. Ihre Wangen wurden runder, die Augen blickten wieder genauso strahlend wie früher. Mit ihrer Fröhlichkeit steckte sie ihre Umgebung an.

Nur Fremden und vor allem Männern gegenüber war sie ungewöhnlich scheu und zurückhaltend.

Der Verlust ihrer geliebten Herrin, die ihr eine liebe, mütterliche Freundin geworden war und so jäh aus dem Leben gerissen wurde, traf Felicitas furchtbar schwer.

Stundenlang hatte sie am Grab der geliebten Toten gesessen und stumme Zwiesprache mit ihr gehalten.

Und dann war sie zur Testamentseröffnung gebeten worden ...

♥♥♥

Aufschluchzend kehrte Felicitas in die Realität zurück.

Voller Grauen tauchte die Szene im Arbeitszimmer der Verstorbenen vor ihrem geistigen Auge auf. Der Spott des Neffen der Baronin hatte sie zutiefst verletzt.

Dann fiel ihr der Brief ein, den sie von dem Justizrat erhalten hatte.

Behutsam öffnete Felicitas den Umschlag und zog den Briefbogen heraus. Gespannt las sie die Zeilen der Verstorbenen.

Liebes Kind!

Ich fühle meine letzte Stunde nahen. Um Dich nicht zu beunruhigen, will ich Dir davon nichts sagen, denn ich kenne doch meinen kleinen Hasenfuß. Um Dir eine Heimat zu geben, habe ich mein Testament so abgefasst, wie Du es wohl inzwischen vernommen hast.

Glaube mir, mein Kind, ich habe alles erwogen, so ist es am besten. Wenn es Dir im Augenblick auch unsinnig erscheint, es hat schon seinen Grund.

Nimm es, wie es gegeben ist, freudig und ohne Widerspruch! Du hast mir die letzten Jahre meines Erdendaseins so verschönt, dass dieses Geschenk von meiner Seite nur eine kleine Schuldabtragung an Dich ist.

Ich sehe Dich im Geiste vor mir sitzen, die Äuglein verweint, mit Gewissensbissen, dass Du die Erbschaft nicht annehmen kannst. Jawohl, Du kannst, Du musst sogar, denn sonst fiele Tannenhagen in andere Hände. Ich weiß, wie Du, mein liebes Kind, an Tannenhagen hängst. Du würdest es nicht zulassen, dass es in andere Hände fällt. Du musst es mir erhalten.