Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 777 - Eva Berger - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 777 E-Book

Eva Berger

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Beschreibung

Nach dem tragischen Unfalltod ihrer Eltern bleiben Hanna und ihre beiden sehr viel jüngeren Geschwister in abgrundtiefer Trauer zurück. Hanna arbeitet als Chefsekretärin in einem großen Werk, und neben dieser anstrengenden Tätigkeit liegen nun die ganze Verantwortung und Sorge um Werner und Traudel, die sie von Herzen liebt, auf ihren zarten Schultern. Eines Tages lernt Hanna Roger Westermann kennen, den attraktiven Bruder ihres Chefs, der im Sozialbereich tätig ist. Wie ein Lichtstrahl fällt die Liebe in ihr Dasein, das bis dahin nur die Pflichterfüllung kannte. Doch als plötzlich ein Brief ins Haus flattert, unterschrieben von Roger, der die Einweisung der beiden Geschwister in ein Waisenhaus fordert, fühlt sich Hanna von dem geliebten Mann verraten ...

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Seitenzahl: 131

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Muss ich an deiner Liebe zweifeln?

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Muss ich an deiner Liebe zweifeln?

Als Hannas Glück in Gefahr geriet

Nach dem tragischen Unfalltod ihrer Eltern bleiben Hanna und ihre beiden sehr viel jüngeren Geschwister in abgrundtiefer Trauer zurück. Hanna arbeitet als Chefsekretärin in einem großen Werk, und neben dieser anstrengenden Tätigkeit liegen nun die ganze Verantwortung und Sorge um Werner und Traudel, die sie von Herzen liebt, auf ihren zarten Schultern.

Eines Tages lernt Hanna Roger Westermann kennen, den attraktiven Bruder ihres Chefs, der im Sozialbereich tätig ist. Wie ein Lichtstrahl fällt die Liebe in ihr Dasein, das bis dahin nur die Pflichterfüllung kannte. Doch als plötzlich ein Brief ins Haus flattert, unterschrieben von Roger, der die Einweisung der beiden Geschwister in ein Waisenhaus fordert, fühlt sich Hanna von dem geliebten Mann verraten ...

Hanna Fischer ließ die Kinderhand los, als die Eltern davonfuhren.

»Wir müssen Vater und Mutter nachwinken, Traudel, sonst glauben sie noch, wir gönnten es ihnen nicht, dass sie endlich einmal Urlaub machen«, ermahnte sie ihre kleine Schwester sanft.

Traudel nickte eifrig und tat wie geheißen.

Zum Glück war jetzt, da ihre Eltern eine zehntägige Rheinreise mit einer Busgesellschaft machten, ihre große Schwester Hanna bei ihr.

Sie hatte Urlaub genommen, um Traudel und ihren zehnjährigen Bruder während der Abwesenheit der Eltern betreuen zu können.

Nun gingen sie durch die belebten Straßen, um den Jungen von der Schule abzuholen.

Werner freute sich, als er Hanna und Traudel erblickte.

»Sind Mutter und Vater fort?«, fragte er. Hanna merkte, dass sich Werner bemühte, tapfer zu erscheinen. Sie wusste, wie sehr er an den Eltern hing.

»Ja, Werner, die Eltern sind fort, und wir wollen hoffen, dass sie recht schöne Ferientage haben.«

Bald hatten die drei den großen Häuserblock erreicht, in dem die Fischers eine nette, preiswerte Dienstwohnung innehatten. Die Vorgärten waren mit leuchtenden Herbstblumen bepflanzt, und auf der Straße tummelten sich einige Kinder.

Hanna schloss die Wohnung auf und begann dann den Tisch zu decken. Sie hatte das Fenster weit geöffnet, um die warme Spätsommerluft hereinzulassen. Morgens war es jetzt schon immer empfindlich kühl, doch um die Mittagszeit schien die Sonne noch warm.

Mitten in ihrer Tätigkeit hielt Hanna sekundenlang inne. Sie sah ihre Eltern vor sich, und eine unerklärliche Furcht befiel sie. Gleich darauf schüttelte sie den Kopf über ihre törichten Gedanken.

Bald saßen die Geschwister einträchtig am Tisch. Es schmeckte den Kindern ausgezeichnet. Werner erzählte von der Schule, und Traudel plauderte von den Täubchen auf dem Bahnhofsplatz.

»Musst du nun gar nicht wieder ins Büro?«, fragte sie jetzt eifrig.

»Nein, ich habe ja Urlaub, Liebes.«

Die Kinder freuten sich sehr, wenn schöne bunte Ansichtskarten der Eltern ins Haus flatterten.

Die Zeit verging wie im Fluge, und schon war der Tag gekommen, da ihre Rückkehr erwartet wurde.

Hanna stand am Herd und kochte, da schrillte die Klingel.

Sie nahm den Topf vom Herd, band hastig ihre Schürze ab, fuhr sich kurz durch ihr wundervolles blondes Haar und öffnete die Tür.

Ein fremder Mann stand vor ihr. Traudel, die ihr gefolgt war, musterte den Fremden neugierig.

»Sind Sie Fräulein Hanna Fischer?«, fragte er.

Hanna nickte befremdet. Sie konnte sich nicht erklären, woher der fremde Mensch ihren Namen wusste, und auch nicht, was er von ihr wünschte.

»Dürfte ich Sie einen Augenblick allein sprechen?«

»Bitte!« Hanna führte ihn ins Wohnzimmer und fuhr Traudel über das blondlockige Haar. »Ich komme gleich, Liebes, geh ein wenig in dein Zimmer.«

Traudel trollte sich missmutig. So einfach fortgeschickt zu werden, das war nicht nach ihrem Geschmack.

Der ältere Herr nahm dankend Platz und schlug ein Bein über das andere.

»Ich bin mit einer schrecklichen Mission betraut worden«, begann der Fremde dann zu sprechen. Ein Ausdruck des Mitleids zeigte sich auf seinem Gesicht.

Hanna merkte, dass sie erblasste.

»Die Eltern?«, fragte sie tonlos.

»Ja, Fräulein Fischer, Ihre Eltern! Seien Sie stark!«

Hanna war wie erstarrt.

»Soeben wurde zu unserem Polizeirevier die Nachricht weitergeleitet, dass der Bus auf einer steilen Straße ins Rutschen gekommen sei«, sagte die fremde Stimme.

»Sind sie beide ...?« Hanna konnte das schreckliche Wort nicht aussprechen.

»Ja«, sagte der Beamte gepresst und senkte nach dieser furchtbaren Antwort den Kopf. Das junge Mädchen tat ihm von Herzen leid.

Der Tod war unbarmherzig und fragte nicht danach, dass er drei unmündige Kinder zu Waisen machte.

Der Mann stand auf und drückte Hannas Hand, die kalt, fast leblos in der seinen lag.

»Wo ist es passiert?«, fragte sie.

Der Gefragte nannte eine kleine Stadt, die Hanna fremd war. Dennoch nickte das bedauernswerte Mädchen gequält.

»Haben Sie Verwandte, die die nötigen Schritte einleiten können?« Ein teilnahmsvoller Ton lag in der Stimme des Beamten.

Hanna schüttelte den Kopf.

»Nein, nein, niemanden«, murmelte sie.

»Am besten wäre es, wenn Sie sich an die Zentrale der Reisegesellschaft wendeten«, riet der Beamte ihr, bevor er ging.

Hanna hatte nicht die Kraft, ihn bis zur Tür zu begleiten. Er erwartete diese Höflichkeit auch nicht, sondern fuhr über das blonde Haar Traudels, die in der kleinen Diele stand.

»Sei schön brav«, sagte er, und dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

♥♥♥

Traudel lief ins Wohnzimmer, wo Hanna in einem Sessel saß.

»Hanna!« Ängstlich flehend drang der Ruf in Hannas Bewusstsein. »Was wollte der Mann?«

Hanna schloss die Augen. Jetzt konnte sie es ihrer Schwester noch nicht sagen. Erst musste sie selbst etwas ruhiger werden.

»Nichts, mein kleiner Liebling, gar nichts.« Spürte Traudel, dass Hannas Stimme heute besonders zärtlich war? Sie kletterte auf Hannas Schoß und presste ihr Köpfchen an ihre Brust.

In diesem Moment dachte Hanna nicht daran, dass in Kürze Werner heimkommen und sein Essen verlangen würde. Sie saß in starrer Haltung da, hielt die kleine Schwester an ihre Brust gepresst und starrte ins Leere.

Als Werner aus der Schule kam und wie immer dreimal hintereinander anhaltend klingelte, schrak sie zusammen.

Hanna nahm Traudel von ihrem Schoß und öffnete dem Bruder die Tür. Er prallte erschrocken zurück, als er in Hannas totenbleiches Gesicht sah.

»Ist etwas, Hanna?« Er war unsicher, der große zehnjährige Bub, und schob seine Hand verstohlen in die der Schwester.

»Nein, nein, wir wollen schnell essen!« Hanna bemühte sich, in natürlichem Tonfall zu sprechen. Es gelang ihr nicht.

Ihr Herz klopfte wie rasend. Sie konnte jetzt noch nicht darüber sprechen. Und so stand sie wenig später am Herd und kochte, wie an jedem Mittag, trug danach die Speisen auf auch wie an jedem anderen Tage.

Hanna bemühte sich, etwas zu essen, ein ermunterndes Wort für ihre kleinen Geschwister zu finden, doch sie bekam nur einsilbige Antworten. Nach dem Essen spürte Hanna, dass sie nicht länger schweigen durfte und konnte.

Sie schloss einige Sekunden die Augen, bevor sie sich aufraffte, Werner fest anzublicken. Dann berichtete sie Werner und Traudel so schonend wie möglich von dem furchtbaren Unglück.

Traudel begriff nicht so recht, was ihr die große Schwester erzählte. Doch der zehnjährige Werner starrte Hanna mit weit geöffneten, angstvollen Augen an, und dann begann er zu weinen.

Werner ahnte, dass sein junges Leben eine furchtbare Wandlung erfahren hatte, und er begriff jäh, was es für ihn bedeutete, elternlos aufzuwachsen.

»Hanna!« Ein schmerzlicher Ruf, ein Flehen durchzitterte die Stille. Im nächsten Augenblick ruhte der struppige Kopf des Buben an der Schulter der großen Schwester.

Ihre schlanke Hand fuhr über das Haar des Bruders. Und in diesem Augenblick begann auch Traudel zu weinen.

Als Hanna später den Mantel überzog, um zur Zentrale der Busgesellschaft zu gehen, ließ sie die Geschwister nur ungern allein zurück.

»Werner, achte auf Traudel!«, bat sie den Buben.

Sie hielt den Kopf gesenkt, hatte die Hände tief in die Taschen gesteckt und ging fast wie in Trance.

Als sie beim Überqueren der Fahrbahn das Quietschen von Bremsen vernahm, schrak sie zusammen.

Ein Mann blickte aus dem Fenster des Wagens.

»Sie sollten vorsichtiger sein!«, schrie er sie an. »Wenn ich nicht mit Ihrer Unachtsamkeit gerechnet hätte, wären Sie jetzt vielleicht nicht mehr am Leben!«

Die dunkle Stimme klang verärgert. Hanna sah den Sprecher verstört an. Der Mann hatte ja recht. Das Leben ging weiter, auch wenn einem plötzlich Vater und Mutter genommen waren und man die Verantwortung für zwei kleine Kinder auf seinen Schultern lasten fühlte.

War es der verzweifelte Blick aus den großen hellblauen Mädchenaugen, der tiefe Schmerz in Hannas Zügen, der den Fremden freundlicher stimmte?

»Passen Sie bitte nächstes Mal besser auf«, fügte er versöhnlich hinzu.

»Verzeihung«, murmelte Hanna kaum hörbar und setzte ihren Weg fort, ohne dem Fahrer oder seinem Wagen weitere Beachtung zu schenken.

♥♥♥

Roger Westermann tauchte unterdessen im Verkehr unter. Er ertappte sich dabei, dass er noch immer das blasse, verstörte Frauenantlitz vor Augen sah, als er wenig später durch ein großes Tor auf ein Fabrikgelände einbog.

Der Pförtner grüßte ehrerbietig, schien aber über die Ankunft Roger Westermanns erstaunt zu sein.

Der große, schlanke, sportliche Mann sprang aus seinem Wagen und eilte durch den Haupteingang in das Verwaltungsgebäude.

Er kannte den Weg genau, denn er klopfte schon an eine Tür, wartete das »Herein« nicht ab, sondern drückte die Klinke sofort herunter.

»Oh, ein fremdes Gesicht?« Er lächelte dem Mädchen an dem Schreibmaschinentisch herzlich zu und grüßte.

»Wen darf ich melden?«, fragte das junge Mädchen unsicher.

»Nicht nötig, ich melde mich schon selbst an!«

Gerd Westermann, der Chef der Werke, war nicht wenig verdutzt, seinen Bruder so unverhofft vor sich zu sehen.

»Roger, du?« Er streckte ihm beide Hände entgegen und begrüßte den um einige Jahre jüngeren Bruder herzlich.

Die beiden verstanden sich ausgezeichnet, wenn auch ihre Interessen auf völlig verschiedenen Gebieten lagen. Der ältere Westermann hatte beim Tod des Vaters die Fabrik übernommen. Er hatte ein Faible für Maschinen und Technik, während Roger Volkswirtschaft studiert hatte und nun eine hohe Staatsstellung bekleidete.

Die »Westermann-Werke« waren ein gut fundiertes Unternehmen, das zum großen Teil Exportaufträge für Übersee ausführte. Beide Brüder hatten den zähen Arbeitswillen des Vaters geerbt, der es als kleiner Schlossermeister durch unermüdlichen Fleiß geschafft hatte, die »Westermann-Werke« zu gründen.

Roger war schon immer sehr sozial veranlagt gewesen. Daher hatte er beschlossen, einen Beruf zu wählen, der es ihm ermöglichte, wenn schon nicht allen, so doch wenigstens einigen vom Schicksal benachteiligten Menschen zu helfen.

Selbst seine Freunde wussten nicht, dass seine monatliche Zuwendung, die er aus den Werken erhielt, ständig Bedürftigen zugutekam, die nie erfuhren, wer ihnen half.

»Guten Tag, Bruderherz!« Roger ließ sich in einen Sessel fallen.

»Ist etwas Besonderes geschehen?« Gerd seufzte unwillkürlich. Er zog einen Briefbeschwerer heran und wog ihn in der Hand.

»Wie man's nimmt.« Roger lehnte sich entspannt zurück. »Ich wollte mit dir einmal über Erika sprechen. Ich traf sie gestern zufällig in der Stadt. Sie machte einen müden, abgespannten Eindruck, Gerd.«

Der Fabrikherr nickte düster.

»Du kennst ja das Problem. Es gibt eben kaum eine mütterlicher veranlagte Frau als Erika. Seitdem die zweite Operation ohne Erfolg blieb und ihr nun jegliche Hoffnung auf ein Kind genommen wurde, leidet sie sehr.«

»Versucht doch, ein Kind zu adoptieren«, schlug der Jüngere vor. »Es gibt so viele Kinder, die Vollwaisen sind und für die es ein wahrer Segen wäre, ein neues Elternhaus zu finden.«

»Du sprichst als Fürsorgeleiter, Roger, und nicht als Ehemann.« Gerd lächelte schmerzlich. »Für Erika ist ein leibliches Kind die Krönung der Liebe zweier Menschen.«

»Und dennoch meine ich, dass in diesem Fall auch ein fremdes Kind ein Kind ist, das Erika ausfüllen und eurer Ehe einen noch höheren Sinn geben könnte«, beharrte Roger auf seinem Standpunkt.

»Erika muss das selbst entscheiden. Sie ist ein sehr sensibler Typ. Ich kenne sie nun schon zehn Jahre, acht Jahre sind wir verheiratet, Roger. Sie würde sich daran stoßen, mit dir in irgendein Heim zu gehen und sich ein Kind auszusuchen, wie man ein Möbelstück auswählt. Ist dir das klar?«, setzte er fragend hinzu.

»Ich finde, du solltest dennoch einmal ernsthaft mit Erika über dieses Thema reden.« Roger zögerte kurz. »Du siehst aber auch sehr abgespannt aus«, sagte er dann.

»Die Arbeit wird mir zurzeit wirklich zu viel«, gab der Ältere zu.

»Hast du deine treue Lenau entlassen?« Jetzt erinnerte Roger sich an die fremde Sekretärin im Vorzimmer.

»Sie ist krank. Jetzt erst weiß ich, was ich an ihr habe. Zu allem Überfluss hat die kleine Fischer, die ich ab und zu als Vertretung herbeiholte, Urlaub. Ich weiß wirklich nicht, wo mir der Kopf steht«, endete er resigniert.

»Und die Kleine da draußen?« Roger zeigte auf die Tür.

»Sie ist leider sehr unselbstständig und ängstlich.«

Nun wandte sich das Gespräch der Brüder anderen Themen zu.

♥♥♥

Die Beerdigung der Eltern war vorüber. Von nun an musste Hanna die Verantwortung für zwei kleine Kinder tragen, die ihr vertrauten.

Und das Leben ging weiter. Mit einem Schlag war es endgültig Herbst geworden, einzelne Blätter fielen schon von den Bäumen.

Eines Tages bekam Hanna ein behördliches Schreiben. Man bestellte sie zum Obervormundschaftsgericht. Richtig, sie war ja noch nicht volljährig, einige Monate fehlten noch daran.

Und so nahm sie Traudel an die Hand und machte sich auf den Weg. Ein freundlicher älterer Beamter begrüßte sie und teilte ihr dann mit, dass sie ihres Alters wegen noch nicht Vormund ihrer Geschwister sein könne.

»Sie sind noch sehr jung, Fräulein Fischer. Wäre es nicht besser, wenn Sie Ihre Geschwister in ein Heim geben würden?«, fragte der ältere Herr vorsichtig.

»Nein, niemals!« Der Widerspruch kam so entrüstet und spontan, dass der Beamte unwillkürlich nickte.

»Ich muss Sie jedoch darauf aufmerksam machen, dass Sie und Ihre Geschwister jetzt ständig von der zuständigen Fürsorgestelle betreut werden.«

»Ich nehme es zur Kenntnis!« Hanna richtete sich kerzengerade auf, in ihren Augen lag ein drohendes Blitzen, das dem älteren Herrn ein nachsichtiges Lächeln entlockte.

»Nicht gleich so aggressiv, Fräulein Fischer. Wir sind zu diesen Überwachungen verpflichtet. Es gibt genug Kinder, die vernachlässigt werden.«

»Das glaube ich Ihnen. Aber ich liebe meine Geschwister und werde sie niemals vernachlässigen«, versicherte Hanna.

Dieses Fräulein imponierte dem Herrn. Spontan streckte er ihr seine Hand entgegen. Sie legte ihre hinein. Die beiden wechselten einen Blick, und dann lächelten sie beide.

»Sie gefallen mir, Fräulein Fischer. Wir werden sehen, wie es läuft. Wenn Sie Kummer haben, wenden Sie sich an mich«, sagte der Beamte abschließend.

Hanna staunte, dass noch am selben Nachmittag eine Frau bei ihr klingelte, die sich als Fürsorgerin vorstellte. Sie stellte Fragen nach ihren Geschwistern und bat, die Kleinen kennenlernen zu dürfen.

Bevor sie ging, setzte sich die Fürsorgerin noch eine Weile. Jetzt zeigte sie sich recht aufgeräumt.

»Sie ahnen nicht, was wir oft zu sehen bekommen, Fräulein Fischer«, sagte sie. Da fiel ihr noch etwas ein. »Ach, ist das hier eine Dienstwohnung, Fräulein Fischer? Dürfen Sie sie behalten?«

Daran hatte Hanna noch gar nicht gedacht.

»Ich hoffe es doch!«

»Nun, so schnell wird man Sie nicht ausweisen können«, beruhigte die Beamtin sie.

Doch als Hannas Geschwister schon lange im Bett lagen und Hanna, wie fast jeden Abend, noch Wäsche ausbessern musste, dachte sie über die Worte der Fürsorgerin nach.

Am nächsten Tag musste Hanna ihren Dienst wieder antreten. Wie Werner und Traudel tagsüber ohne sie auskommen sollten, daran mochte sie gar nicht denken. Traudel musste jedenfalls in den Vormittagsstunden in den Kindergarten gehen.

Die Kleine war eine Langschläferin, und es würde schwer sein, sie aus dem Bett zu bekommen.

Hannas Sorge war berechtigt. Es war wirklich schwer, Traudel am Morgen zum Aufstehen zu bewegen. Anschließend begann sie zu weinen und zu quengeln und verlangte nach ihrer Mama.

Nur mit großer Mühe gelang es Hanna, Traudel rechtzeitig im Kindergarten abzuliefern. Als sie dann zu ihrer Arbeitsstätte hetzte, hatte sie das klägliche Weinen der Kleinen noch im Ohr.

♥♥♥