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Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. E-Book 41: Nur Dr. Norden kann uns helfen E-Book 42: Bangen um ein Kinderherz E-Book 43: Vergiss, was in jener Nacht geschah E-Book 44: Besorgt um ein junges Menschenleben E-Book 45: Ein Engel braucht Hilfe E-Book 46: Ich bin nicht schuldig E-Book 47: Wer hilft diesem Kind? E-Book 48: Melly braucht unsere Hilfe E-Book 49: Blick nicht zurück, Isabell E-Book 50: Violas schwerster Tag E-Book 1: Nur Dr. Norden kann uns helfen E-Book 2: E-Book 3: Bangen um ein Kinderherz E-Book 4: E-Book 5: Vergiss, was in jener Nacht geschah E-Book 6: E-Book 7: Besorgt um ein junges Menschenleben E-Book 8: E-Book 9: Ein Engel braucht Hilfe E-Book 10: E-Book 11: Ich bin nicht schuldig E-Book 12: E-Book 13: Wer hilft diesem Kind? E-Book 14: E-Book 15: Melly braucht unsere Hilfe E-Book 16: E-Book 17: Blick nicht zurück, Isabell E-Book 18: E-Book 19: Violas schwerster Tag E-Book 20:

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Inhalt

Nur Dr. Norden kann uns helfen

Bangen um ein Kinderherz

Vergiss, was in jener Nacht geschah

Besorgt um ein junges Menschenleben

Ein Engel braucht Hilfe

Ich bin nicht schuldig

Wer hilft diesem Kind?

Melly braucht unsere Hilfe

Blick nicht zurück, Isabell

Violas schwerster Tag

Dr. Norden Bestseller – Staffel 5 –

E-Book 41-50

Patricia Vandenberg

Nur Dr. Norden kann uns helfen

Roman von Patricia Vandenberg

Dr. Daniel Norden hatte an diesem trüben Novembertag schon eine ganze Anzahl von Hausbesuchen hinter sich gebracht. Es war schon Abend geworden, als er bei den Dürings ankam. Er hatte sich diesen Besuch als letzten aufgehoben, weil er dazu bis ins Nachbardorf fahren musste. Man mutete ihm das nur in dringenden Fällen zu, aber diesmal hatte Monika Düring die Grippe so erwischt, dass sie nicht in die Praxis kommen konnte.

Er kannte die junge Frau schon lange, und ein bisschen hatte er auch dazu beigetragen, dass sie mit Jörg Düring glücklich geworden war. Monika hatte schwere Zeiten durchlebt.

Jetzt wurde sie geliebt, und, da sie nun das Bett hüten musste, von ihrer gütigen Schwiegermutter liebevoll umsorgt. Recht mitgenommen war die zierliche junge Frau und konnte kaum aus den Augen schauen. Dr. Norden ließ gleich einige Medikamente da, damit ihnen der weite Weg zur Apotheke erspart bliebe.

»Ein paar Tage müssen Sie schon noch im Bett bleiben, Frau Düring«, erklärte Dr. Norden.

»Da passt Mutti schon auf«, erwiderte Monika mit krächzender Stimme.

Die Mutti nahm eben das Telefon ab.

»Ja, er ist noch hier«, hörte man sie sagen, und dann rief sie Dr. Norden ans Telefon. »Ihre Frau, Herr Doktor.«

Fee Norden sagte ihrem Mann, dass er noch dringend zu einer Frau Falkenberg in die Waldstraße kommen sollte, und fügte seufzend hinzu, dass es an diesem Abend wohl wieder sehr spät werden würde.

Die Adresse stimmte ihn nachdenklich. Dieses Haus kannte er sehr gut. Es gehörte seiner Patientin Monika Düring, geborene Richter. Sie hatte den komfortablen Bungalow, den ihr Vater hatte bauen lassen, vermietet. Herbert Richter war nach einem Autounfall, den er selbst verschuldet hatte, seinen schweren Verletzungen erlegen. Es war noch nicht lange her, Dr. Norden konnte sich genau daran erinnern.

»Ich muss noch in die Waldstraße«, sagte er zu den beiden Damen. »Ihr Haus ist schon wieder anderweitig vermietet, Frau Düring? Der Name Falkenberg ist mir unbekannt.«

»Vor drei Wochen ist sie eingezogen«, sagte Monika. »Mit den ersten Mietern hatten wir Pech. Sie blieben die Miete schuldig.«

»Zuerst taten sie so, als könnten sie das Geld nur so aus dem Ärmel schütteln«, warf ihre Schwiegermutter ein, »aber glücklicherweise haben wir sie schnell wieder herausgebracht, weil sie auch anderweitig wohl ziemlich in der Kreide waren. Frau Falkenberg hat die Miete für ein Jahr bezahlt.«

»Sie ist sehr nett«, sagte Monika. »Nun kommen Sie auch wieder in dieses Haus, Dr. Norden.«

Für sie war »dieses« Haus mit vielen trüben Erinnerungen verknüpft, und deshalb wollte sie nie mehr darin wohnen.

»Wenn dieser Mietvertrag ausläuft, werden wir es doch verkaufen«, sagte sie noch. »Hoffentlich ist Frau Falkenberg nicht schlimm krank. Manchmal kommt es mir vor, als liege auf diesem Haus ein Fluch.«

»Nun mach dir nicht gleich wieder solche Gedanken, Moni«, sagte Frau Düring. »Wie man sieht, kann man auch in unserem Rosenhäusle krank werden.«

»In ein paar Tagen ist alles in Ordnung«, sagte Dr. Norden aufmunternd. »Ich schaue wieder vorbei.«

Dann musste er schon weiter. Wieder den Weg zurück durch den Nebel, der ihm kaum fünfzig Meter Sicht ließ. Er fuhr vorsichtig, denn er musste nicht nur an seine Patienten, sondern auch an Frau und Kinder denken.

Zu suchen brauchte er das Haus in der Waldstraße nicht. Er war oft genug hier gewesen. Es war ein luxuriöser Bau, und Monika hatte ihn nach dem Tode ihres Vaters, an den sie wahrhaftig keine gute Erinnerung hatte, möbliert vermietet.

Er wurde von einer jungen Frau empfangen, die sehr beunruhigt war.

»Frau Falkenberg hatte einen Ohnmachtsanfall«, sagte sie bebend. »Jetzt ist sie wieder bei Bewusstsein, aber ich mache mir große Sorgen.«

Für eine weitere Unterhaltung nahmen sie sich keine Zeit. Dr. Norden folgte der sehr schlanken, fast knabenhaften jungen Frau. Es hatte sich manches verändert in diesem Haus. Ihm schien es wohnlicher, persönlicher, aber auch darüber konnte er sich jetzt keine Gedanken machen.

Auf dem breiten Bett lag, noch bekleidet mit einem Hosenanzug, Frau Falkenberg.

Simone Falkenberg, wie er dann notierte, einunddreißig, von Beruf Übersetzerin, wie sie mit leiser Stimme angab.

Die andere junge Frau war hinausgegangen. Simone richtete sich mühsam auf. »Carlotta war etwas zu besorgt«, sagte sie leise. »Es geht mir schon besser.« Sie versuchte ein Lächeln. »Es passiert doch schon mal, dass man ohnmächtig wird, wenn man ein Kind erwartet, nicht wahr, Herr Doktor?«

»Ja, gewiss«, erwiderte Dr. Norden überrascht. »Aber warum wurde in diesem Fall nicht der Arzt, der Sie betreut, gerufen?«

»Ich war noch nicht beim Arzt«, erwiderte sie. »Es bestand keine Veranlassung. Es ist doch ein ganz natürlicher Vorgang, wenn man Mutter wird. Oder meinen Sie, dass ich schon zu alt wäre?«

Simone brachte ihn in Verlegenheit. Sie war eine eigenartige Frau, keine landläufige Schönheit, aber sehr interessant.

»Zu alt sind Sie gewiss nicht, aber eine Vorsorgeuntersuchung kann nie schaden.«

»Ja, ich weiß, aber ich bin fremd hier. Man geht nicht zu irgendeinem Arzt. Carlotta hat in ihrer Sorge irgendeinen geholt.« Nun kam etwas Farbe in ihr Gesicht. »Fassen Sie das bitte nicht falsch auf, Herr Doktor. Wie ist doch Ihr Name?«

»Norden«, erwiderte er.

Sie hob leicht die Augenbrauen.

»Ach, sie wohnen in diesem hübschen Haus, nicht weit von hier. Kommen Sie immer so schnell, auch wenn Sie die Leute noch nicht kennen?«

»Wenn es mir möglich ist, schon. Ich war unterwegs, meine Frau hat mich benachrichtigt.«

Die Situation war merkwürdig. Er wusste gar nicht, was er tun sollte. Simone betrachtete ihn forschend.

»Vielleicht werde ich doch einen Arzt brauchen«, sagte sie nachdenklich. »Ich glaube, zu Ihnen könnte ich Vertrauen haben.«

Ihr Blick war so durchdringend, aber auch so misstrauisch, dass er meinte, sie wolle sein Innenleben erforschen.

Aber auch er betrachtete sie forschend. Sie sah aus, als würde sie wenig schlafen und wenig essen und als hätte sie große Sorgen. Dem entgegen stand jedoch die Tatsache, dass sie ein teures Haus mieten und die Miete für ein Jahr vorausbezahlen konnte. Und von einem Mann wurde nicht gesprochen.

»Welche Beschwerden haben Sie?«, fragte er, weil er nicht wusste, was er sonst fragen sollte.

»Ich schlafe schlecht, aber wenn man ein Kind erwartet, darf man doch keine Schlafmittel nehmen«, erwiderte sie.

Sie hatte eine angenehme Altstimme, die jetzt allerdings ein wenig unsicher klang.

»Ich würde Ihnen raten, doch zu einem Gynäkologen zu gehen und sich gründlich untersuchen zu lassen«, sagte er. »Ich könnte Ihnen einen empfehlen, bei dem Sie gewiss gut aufgehoben wären.«

»Bitte, für alle Fälle«, sagte sie.

»Dr. Leitner. Er ist auch der Chefarzt einer Frauenklinik. Ich schätze, dass Sie bereits im vierten Monat sind.«

Ihr Gesicht bekam jetzt noch mehr Farbe. »So mit einem Blick können Sie das schätzen?«, fragte sie spöttisch.

»Immerhin bin ich Arzt.«

»Es ist schon der fünfte Monat«, erwiderte sie.

»Sie wissen es genau?«

»Ja, ganz genau.«

»Dann wird es aber höchste Zeit, dass Sie sich unter ärztliche Aufsicht begeben. Ohnmachtsanfälle treten meist nur zu Beginn der Schwangerschaft auf. Sie wollen doch dem Kind nicht schaden?«

Ihre Augen weiteten sich schreckensvoll. »Nein, keinesfalls.« Sie legte die Hände auf ihren Leib, als wolle sie das werdende Leben schützen. »Es bewegt sich doch schon«, flüsterte sie. Und dann begann sie zu zittern. »Nein, ich spüre nichts mehr.«

»Ganz ruhig«, sagte er und nahm sein Stethoskop aus dem Koffer. »Atmen Sie ganz ruhig«, sagte er, als er es auf ihren Leib setzte.

»Die Herztöne sind gut vernehmbar. Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen, Frau Falkenberg. Aber noch ruhiger könnten Sie sein, wenn Sie meinen Rat befolgen und sich einer gründlichen Untersuchung unterziehen. Dann können Sie auch wieder ruhiger schlafen.«

»Meinen Sie?«, fragte sie mit einem rätselhaften Ausdruck. »Jedenfalls danke ich Ihnen für Ihre Mühe, Herr Dr. Norden. Ich werde Dr. Leitner aufsuchen.«

»Und diese Tropfen können Sie unbesorgt nehmen«, sagte er, ihr ein Fläschchen reichend. »Ich würde sie Ihnen nicht geben, wenn sie dem Baby schaden könnten.«

Simone hatte sich erhoben. Sie stand nun wieder ziemlich sicher auf ihren Beinen, war über mittelgroß und schmalhüftig, und man sah ihr die Schwangerschaft nicht an. Aber seltsamerweise kam Dr. Norden in diesem Fall nicht auf den Gedanken, dass sie hungerte, um ihren Zustand zu verbergen. Irgendetwas Geheimnisvolles umgab diese Frau.

»Sie fragen nicht nach einem Mann?«, sagte Simone jetzt. Sie sagte nicht, nach meinem Mann.

»Warum sollte ich? Ich bin Arzt.«

Sie blickte zu Boden. »Wenn man in eine Klinik geht, muss man wohl Papiere vorlegen«, sagte sie stockend.

»Nach der Geburt schon. Das Baby muss ja registriert werden.«

Ihre Hand fuhr zur Kehle, als würde ihr diese zu eng.

»Entschuldigen Sie bitte diese dummen Fragen. Es ist mein erstes Kind.«

Er maß sie mit einem langen Blick. »Wenn Sie sich in Dr. Leitners Behandlung begeben, wird genügen, was Sie jetzt auch mir gesagt haben, Frau Falkenberg. Und falls Sie pflichtversichert sind, genügt der Krankenschein.«

»Ich bin nicht pflichtversichert. Kann ich Ihnen diesen Besuch dann auch gleich bezahlen, Herr Dr. Norden?«

»Nein, das ist wirklich nicht nötig. Falls Sie mich irgendwie brauchen, jetzt wissen Sie, wo ich zu erreichen bin.«

Ein flüchtiges Lächeln legte sich um ihren Mund. Es war ein schön geschwungener, weicher Mund, dessen Winkel sich aber leicht abwärts zogen. Oft lächelte sie bestimmt nicht.

»Carlotta weiß es. Ich danke Ihnen, Herr Dr. Norden.«

Er verneigte sich. Carlotta wartete draußen. Sie begleitete ihn zur Tür. Sie war das zweite Rätsel in diesem Haus, denn eine Hausangestellte konnte sie kaum sein. Sie war ein ganz apartes, exotisch wirkendes Geschöpf. Die Kleidung, die sie trug, war bestimmt nicht aus einem Kaufhaus von der Stange. Ihr blauschwarzes Haar war so raffiniert geschnitten, dass dafür bestimmt eine beträchtliche Summe hingelegt werden musste. Darüber war Dr. Norden recht genau informiert, denn er hatte auch eine sehr modebewusste Frau, die immer abgrundtief seufzte, wenn sie vom Friseur kam. Der gewisse Pfiff musste teuer bezahlt werden.

Und dann, als sich Dr. Norden ans Steuer seines Wagens setzte, kam noch eine Überraschung. Vor dem Bungalow hielt jetzt ein Sportwagen, einer von den ganz kostspieligen italienischen Fabrikaten.

Ein mittelgroßer schlanker Mann sprang heraus und eilte auf das Haus zu. Er schenkte Dr. Nordens Wagen, der etwas weiter hinten unter der Straßenlaterne geparkt war, keine Beachtung. Er wurde sofort eingelassen. Dr. Norden konnte jedenfalls keinen Wortwechsel vernehmen, obgleich es totenstill auf der Straße war. Nur das Öffnen und Schließen der Haustür war zu vernehmen gewesen.

Obgleich er nun weiß Gott nicht neugierig war, hätte er gar zu gern gewusst, ob es sich bei diesem Mann um den Herrn Falkenberg handelte.

*

»Fabian!«, rief Carlotta aus, und dann sank sie dem dunkelhaarigen Mann in die Arme. »Gott sei Dank, dass du kommst. Simone ist schon völlig mit den Nerven fertig.«

»Leider kann ich ihr kaum gute Nachrichten bringen«, sagte er leise.

»Dann schwindele etwas zusammen«, bat Carlotta. »Sie hatte heute wieder einen Ohnmachtsanfall. Eben ist der Arzt gegangen.«

»Ist er zuverlässig und verschwiegen?«, fragte der Mann.

»Er weiß nichts von uns. Niemand weiß etwas. Hier kümmert sich keiner um den anderen.«

Ob dieser kurze Dialog aufschlussreich gewesen wäre für Dr. Norden? Vielleicht hätte er ihm noch mehr Rätsel aufgegeben.

Aber nachdem Fabian Cordis Carlotta zärtlich geküsst hatte, gingen sie zu Simone, die nun in einem zartgrünen Nachthemd auf ihrem Bett lag.

Sie hatte in einem Buch gelesen, das sie jetzt schnell zuklappte und unter ihre Bettdecke schob.

»Fabian«, sagte sie heiser, »hast du Nachricht von Alexander?«

»Ich durfte zehn Minuten mit ihm sprechen«, erwiderte Fabian.

»Setz dich und erzähle. Wie geht es ihm? Wie steht es?«

Er konnte nicht einfach etwas zusammenschwindeln. Simone hätte es doch durchschaut.

»Jetzt misst man dem Verschwinden der Alsfeld doch Bedeutung bei«, erwiderte er. »Wir müssen sie finden. Ich bin überzeugt, dass sie alles weiß.«

»Aber wo kann man sie suchen? Die Privatdetektive haben keine Spur gefunden.«

»Und wenn nun Franco die Schlüsselfigur wäre?«, fragte Fabian.

»Franco? Er ist doch Alexanders Freund. Nein, das kann ich nicht glauben«, stieß Simone hervor.

»Er müsste ja nicht der Schuldige sein, aber Alexander hat gesagt, dass er sich ziemlich oft mit Sonja Alsfeld getroffen hat.«

»Warum hat er das der Polizei nicht gesagt?«, fragte Simone. »Du weißt doch so gut wie ich, dass man Alexander ein Verhältnis mit ihr nachsagte. Wollte er sie decken? Nein, ich glaube dieses ganze Gerede nicht. Ich hätte bemerkt, wenn Alexander mich betrogen hätte.«

»Er hat dich bestimmt nicht betrogen«, mischte sich Carlotta ein »Ich kenne meinen Bruder, Simone. Er liebt dich. Aber warum sollte Franco nicht hinter dieser Intrige stecken? Er war doch hinter dir her.«

»Wir dürfen uns nicht dazu hinreißen lassen, noch einen Unschuldigen hineinzuziehen«, sagte Fabian rasch. »Es ist alles schon verworren genug. Ich werde aber dennoch den Dingen nachforschen. Was ist überhaupt mit dir, Simone? Warum brauchtest du einen Arzt?«

»Sie erwartet ein Baby«, sagte Carlotta.

»Mein Gott, und davon weiß Alexander nichts?«, rief Fabian aus.

»Er ist seit vier Monaten in Untersuchungshaft, und wenn er das erfährt, drehte er ganz und gar durch«, sagte Carlotta. »Nicht mal ich wusste es genau.«

»Und du schweigst, Fabian«, sagte Simone. »Es ist meine ureigenste Angelegenheit.«

»Dieser Ansicht bin ich zwar nicht, aber wie du willst«, erwiderte er ernst.

»Es würde Alexander nur zusätzlich belasten«, sagte Simone leise.

»Zerbrechen wir uns jetzt darüber nicht den Kopf«, schaltete sich Carlotta ein. »Wir müssen Sonja finden. Alexander vertraute ihr, womit aber nicht gesagt ist, dass es persönliche Bindungen gab«, fügte sie rasch hinzu. »Immerhin wusste sie selbst in den geheimsten Angelegenheiten ziemlich gut Bescheid.«

»Franco aber auch«, hakte Fabian ein.

»Aber ihn verdächtigt niemand«, sagte Simone leise.

»Er ist vielleicht raffinierter als Alexander«, erklärte Fabian darauf. »Ich habe mit ihm gesprochen. Er möchte gar zu gern wissen, wo du dich jetzt aufhältst, Simone.«

»Aber du hast es ihm nicht gesagt.«

»Ich werde mich hüten. Ich traue niemandem zu diesem Zeitpunkt. Ich bin nur froh, wenn ich euch einigermaßen in Sicherheit weiß.«

*

Nun, dieses Gespräch hätte Dr. Norden sicher sehr interessiert, aber Aufschluss hätte es ihm über die Bewohner des Bungalows auch nicht gegeben. Ein paar Tage später sollte ihm da ein unvorhersehbarer Zufall weiterhelfen.

Fee Norden hatte neues Gebrauchsgeschirr gekauft, da in ihrem Haushalt doch recht viel in die Brüche ging, seit Danny und nun auch der kleine Felix schon an jeden Tisch herankamen und auch zum wiederholten Mal samt der Tischdecke Tassen und Teller heruntergerissen hatten.

Fee war ein Sonderangebot ins Auge gefallen. Es war hübsches Geschirr, denn hübsch gedeckt sollte ihr Tisch immer sein, aber es war sehr preiswert gewesen. Lenni hatte auch gemeint, dass man jetzt mit dem teuren Geschirr vorsichtig sein müse, denn immer konnte sie hinter den beiden lebhaften Buben auch nicht her sein.

Fee war noch beim Auspacken, als Dr. Norden heimkam, unerwartet früh an diesem Nachmittag, doch mit der Bemerkung, dass er gleich noch mal wegmüsse, aber großen Hunger hätte.

»Sofort«, sagte Lenni und eilte zum Herd. »Nur ein paar Minuten.«

Fee schien nicht ganz da zu sein. Sie blickte auf ein abgerissenes Zeitungspapier, aus dem sie eben einen großen Teller ausgewickelt hatte.

»Diese Frau kenne ich doch«, sagte sie mehr zu sich selbst. »Ich habe sie bestimmt schon einmal gesehen. Solch ein Gesicht vergisst man nicht.«

Daniel blickte ihr über die Schulter, hielt den Atem an und rief dann überrascht aus: »Das ist Frau Falkenberg. Gib doch mal her, Fee.«

Aber er sah nur das Bild, keine Unterschrift, keine Reportage. Nur oben rechts ein Datum. Es lag schon Monate zurück.

»Das Essen ist fertig«, sagte Lenni. »War alles schon vorbereitet, hoffentlich schmeckt es nicht aufgewärmt.«

Ihm war das jetzt gleich. Hunger hatte er zwar immer noch, aber seine Gedanken richteten sich nicht auf das Essen.

»Täuschst du dich nicht?«, fragte Fee.

»Du hast sie doch auch gesehen. Erinnere dich mal. Du hast doch ein gutes Gedächtnis, Liebling.«

»Lange ist es bestimmt noch nicht her, sonst könnte ich mich auch nicht so gut erinnern. Sie trug einen Lodenmantel. Ja, das weiß ich. Er war sehr schick und gefiel mir. Sie ging an unserem Haus vorbei, und die Sonne brach sich in ihrem Haar.«

»Das klingt poetisch, Fee«, sagte Daniel.

»Ich war mit den Kindern im Garten«, fuhr Fee fort. »Sie blieb einen Augenblick stehen und lächelte, als Felix zu brüllen begann, weil Danny ihm die Schaufel wegnehmen wollte.

»Du hast ein enormes Gedächtnis, Fee«, sagte Daniel Norden. »Ich beneide dich.«

»Du siehst zig Menschen am Tag und wirst jede Stunde mit einem anderen Schicksal konfrontiert«, sagte sie nachdenklich. »Es ist ein Wunder, dass du dich überhaupt an Menschen erinnern kannst, die dir nur einmal begegnen, Daniel. Frau Falkenberg ist doch die neue Mieterin von Monika Dürings Haus?«

»Auch das hast du behalten, Fee. Ich möchte diese Zeitung haben, mit allem, was darin steht. Meinst du, dass man sie besorgen kann?«

»Ich werde Isabel anrufen. Sie weiß das bestimmt«, erwiderte Fee. »Warum interessierst du dich so für diese Frau, Daniel?«

»Das weiß ich selber nicht. Eifersüchtig brauchst du nicht zu sein, Fee.«

»Ich bin nicht eifersüchtig. Wenn ich dazu mal Grund habe, sage ich dir gehörig meine Meinung, nehme die Kinder und verschwinde.«

»Und Lenni bleibt mir?«, fragte er schmunzelnd.

»Die nehme ich natürlich auch mit«, erwiderte Fee.

»Ich werde mich hüten, dir Grund zur Eifersucht zu geben«, sagte er, sie in die Arme nehmend. »Und du weißt auch ganz genau, dass dies nie eintreten wird.«

»So ganz sicher werde ich nie sein. Warum meinst du wohl, dass ich zu einem teuren Friseur gehe, um ansehnlich auszuschauen?«

Das erinnerte ihn auch an etwas. »Was zahlst du da eigentlich?«, fragte er.

Fee sah ihn irritiert an. »Ich gehe nur alle vier Wochen«, erwiderte sie.

»Darum geht es doch nicht. Ich möchte gern mal wissen, ob sich eine Hausangestellte das leisten könnte.«

»Warum nicht, die verdienen doch gut. Warum fragst du eigentlich?«

»Weil bei Frau Falkenberg im Haus eine junge Dame wohnt, die einen ähnlichen Schnitt hat wie du. Vielleicht hast du sie auch schon mal gesehen. Sie hat blauschwarzes Haar, sieht ein bisschen exotisch und nicht wie eine Hausangestellte aus.«

»Mein Lieber«, sagte Fee seufzend, »das scheint mir ein gefährliches Haus zu sein.«

»Es birgt Geheimnisse, und so was magst du doch«, sagte er. »Feelein, bring heraus, warum dieses Bild in der Zeitung erschienen ist. Ein Mann darf doch auch mal neugierig sein.«

Fee Norden strich sich ihr wundervolles silberblondes Haar aus der Stirn und warf ihrem Mann einen schrägen Blick zu. »Zuerst schwörst du mir, dass du mir niemals untreu werden wirst«, sagte sie mit einem Lächeln.

»Für die nächsten hundert Jahre«, erwiderte er und küsste sie stürmisch. »Und wehe, wenn du jemals zweifelst.«

»Ich habe ja kundgetan, was dir dann droht. Ich werde heute Abend Isabel anrufen.«

»Warum nicht gleich?«

»Weil es abends viel billiger ist, und irgendwie muss ich doch meinen Coiffeur vom Wirtschaftsgeld abzweigen.«

»Aber die Telefonrechnung bezahle doch ich«, sagte er.

»Da hast du auch wieder recht«, erwiderte sie mit einem hellen Lachen. »Also rufe ich sie gleich an, weil du gar so neugierig bist.«

*

Isabel Schöller, geborene Guntram, lebte mit ihrem Mann, Dr. Jürgen Schöller, auf der Insel der Hoffnung, jenem Sanatorium, das von Fee Nordens Vater, Dr. Johannes Cornelius, geleitet wurde.

Isabel war vor ihrer Ehe eine bekannte Journalistin gewesen, und wenn es sein musste, ließ sie auch heute noch ihre Verbindungen spielen. Glücklicher und zufriedener war sie als Arztfrau auf der wunderschönen Insel, aber ihre besten Freunde ließ sie nie im Stich.

Fee erfuhr sehr schnell, wohin sie sich wenden sollte, um die gewünschte Zeitung zu bekommen, aber das Gespräch zog sich doch noch hin. Man wollte schließlich gegenseitig die Gelegenheit nützen, um zu erfahren, wie es den Kindern ging, ob beiderseits alles in Ordnung wäre, und was es sonst noch unter Freundinnen zu erzählen gab. Ein Treffen war ohnehin mal wieder fällig.

»Na ja«, sagte Fee, »dann werde ich mich mal auf die Beine machen, mein Schatz. Und ich werde meinen

Charme einsetzen müssen, damit man mir die Zeitung aus dem Archiv heraussucht.«

»Bitte nicht zu viel Charme verschwenden, Fee«, sagte Daniel.

»Meine Idee war es nicht, Herzallerliebster«, scherzte sie. »Aber da kommt mir ein Gedanke. Ich habe doch noch gar nicht alles Geschirr ausgepackt. Vielleicht ist der Rest von der Seite noch um einen anderen Teller gewickelt.«

»Aber ich muss weg«, sagte Daniel. »Die Sprechstunde fängt gleich an.«

»Ich hoffe jedenfalls, dass ich dir heute Abend mehr berichten kann«, sagte Fee.

Lenni konnte die nächste halbe Stunde nur staunen, als Fee das alte Zeitungspapier Stück für Stück wendete und genau betrachtete. Danny schaute interessiert zu, während der kleine Felix jedes zusammengeknüllte und von Fee beiseite geworfene Stück aufhob und zum Papierkorb trug.

»Machste denn da, Mami?«, fragte Danny schließlich.

»Ich hab es«, rief sie da aus und sprang auf. »Ich hab es, Lenni. Ich brauche nicht erst in die Stadt zu fahren.«

Danny wusste anscheinend gar nicht mehr, was er von seiner Mami halten sollte, die sich da mit alten Zeitungen befasste und nun auch noch die beiden Bruchstücke glattstrich und aneinandersetzte.

Aber dann war Fee sekundenlang still, bis sie schließlich murmelte: »Na, was wird Daniel dazu wohl sagen?«

»Sweinerei«, sagte Danny, auf die vielen Papierknäuel deutend.

»Das ist schnell aufgeräumt«, sagte Lenni, die schon merkte, dass es da einen wichtigen Hintergrund gab.

»Flick räumt auf«, sagte der Kleine, der sich mit dem deutlichen Sprechen noch ein bisschen schwertat.

Fee trug die Zeitungsteile in Daniels Arbeitszimmer, und nun konnte sie es kaum noch erwarten, dass er heimkam, aber bis dahin vergingen doch noch ein paar Stunden.

*

Daniel war nochmals zu den Dürings hinausgefahren. Monika ging es schon bedeutend besser, und diesmal war auch ihr Mann da, der es inzwischen, seit der Heirat, schon zum Redakteur gebracht hatte.

Also auch ein Zeitungsmann. Und sollte er nicht eigentlich wissen, warum Simone Falkenbergs Bild in der Zeitung gebracht worden war?

Daniel Norden fragte ganz diplomatisch. »Kennen Sie Frau Falkenberg eigentlich näher?«

»Ich habe sie überhaupt noch nicht gesehen«, erwiderte Jörg Düring.

»Wir lassen die Verträge jetzt immer gleich über den Anwalt machen«, warf Monika schnell ein.

»Wir sind misstrauisch geworden. Schließlich ist die Einrichtung auch viel wert«, sagte Jörg, »und wir konnten es gerade noch im letzten Augenblick verhindern, dass die ersten Mieter allerhand mitgehen ließen. Jetzt ist alles ganz genau registriert. Und der Anwalt verlangt auch eine Kaution. Das hätten wir halt nicht so einfach gewagt.«

»Finanziell gibt es jetzt überhaupt nichts zu beanstanden«, sagte Monika. »Es sind ja auch nur zwei Damen.«

»Frau Falkenberg ist nicht verheiratet?«, fragte Daniel beiläufig. »Verzeihung, ich will nicht neugierig sein, aber mich wundert es, dass zwei Damen ein so großes Haus gemietet haben.«

»Liebe Güte, sie werden es sich schon leisten können«, lachte Jörg.

Man sah es ihm nicht mehr an, was er durchgemacht hatte, denn er war das Opfer gewesen, das Monikas Vater bei dem Unfall fast getötet hätte. Ein sehr begabter Fotograf war der junge Jörg Düring gewesen und hatte gerade eine Auszeichnung bekommen, als das Unglück geschah. Er wäre blind geworden, wenn ihm nicht eine Hornhautübertragung geholfen hätte, und diese stammte von Herbert Richter, Monikas Vater. Monika hatte die Zustimmung gegeben, unter Zittern und Zagen zwar, weil sie fürchtete, dass sie Jörgs Zuneigung verlieren würde, weil er nicht wusste, dass das junge Mädchen, das ihn so liebevoll pflegte, die Tochter jenes Mannes war, der den schrecklichen Unfall verschuldet hatte, der sich betrunken ans Steuer gesetzt hatte. Sehr hatte Monika gelitten, aber Jörgs Liebe war ihr erhalten geblieben. Das reiche und doch so arme Mädchen hatte ihr Glück gefunden, und in Übereinstimmung mit ihrem Mann vermieteten sie nun das kostspielige Haus zu seinem Preis, um mit dem Geld anderen zu helfen.

»Ich habe Jörg erzählt, dass Sie zu Frau Falkenberg gerufen wurden«, sagte Monika. »Ist sie etwa sehr krank?«

»Nein, Sie brauchen sich nicht zu sorgen, dass Sie sich bald wieder nach einem neuen Mieter umschauen müssen«, erwiderte Daniel. »Sie ist eine sehr interessante Frau, und die andere junge Dame macht nicht den Eindruck einer Angestellten.«

»Sie ist verwandt mit ihr«, sagte Jörg. »Sie haben sich auch das Vorkaufsrecht erworben. Uns wäre das ganz recht.«

»Wir könnten dann nämlich die Wiese kaufen und einen Kindergarten anlegen«, sagte Monika. »So was fehlt hier. Aber es hing alles noch in der Schwebe, und wir wollten das Haus auch nicht leer stehen lassen.«

»Das wäre auch unklug gewesen«, sagte Daniel. »Im Übrigen habe ich einen sehr guten Eindruck von den beiden Damen. Doch vor allem freue ich mich, dass Sie wieder besser beieinand sind, Frau Düring.«

»Na, und ich erst«, sagte Monika.

»Aber es ist lieb von Ihnen, dass Sie sich den weiten Weg machen, Dr. Norden.«

»So weit ist es nicht, und wenn man sich so gut kennt, ist es nicht nur eine Pflichtübung. Aber jetzt wird es kalt, und Sie ziehen sich bitte warm an, auch wenn Sie ein bisschen schwitzen bei den Gartenarbeiten, Frau Düring.«

»Die darf sie jetzt nimmer machen«, sagte Jörg. »Da passe ich schon auf. Es kann ruhig ein bisserl wild wachsen.«

»Das meine ich auch. Dann lasst es euch gut gehen.«

»Grüßen Sie Ihre Frau, Dr. Norden«, sagten Monika und Jörg wie aus einem Mund.

Daniel fuhr heimwärts. Jörg Düring wusste bestimmt nicht, dass und in welchem Zusammenhang Simone Falkenbergs Bild in einer Zeitung erschienen war. Jetzt fiel es ihm ein, dass es eine westdeutsche Zeitung gewesen war. Ob Fee etwas herausbekommen hatte?

Er ahnte nicht, wie sehr Fee seinem Heimkommen entgegenfieberte.

Sie stürzte ihm schon entgegen, als er den Wagen in die Garage gefahren hatte.

»Ich war noch bei den Dürings«, sagte er. »Monika geht es wieder besser.«

»Das freut mich. Aber du wirst staunen, Daniel. Komm nur herein.«

»Hast du was erreicht?«

»Ich brauchte nicht in die Stadt zu fahren. Ich habe den anderen Teil des Blatts gefunden.«

»Und? Wodurch ist sie bekannt geworden?«

»Sie überhaupt nicht. Aber du kannst es ja lesen. Eine heiße Sache.«

»Ist sie in ein Verbrechen verwickelt?«

»Na, Männer können auch ganz hübsch neugierig sein«, sagte Fee. »Gedulde dich doch noch ein paar Minuten. Willst du nicht erst was essen?«

»Jetzt auf keinen Fall«, erwiderte er.

Dann stand er vor seinem Schreibtisch, und nach ein paar Sekunden sank er in den Sessel. Fee legte die Hand auf seine Schulter.

Simone Velasco, die Ehefrau des der Spionage verdächtigten Diplomaten Alexander Velasco, ist von jedem Verdacht der Mitwisserschaft freigesprochen worden, las Fee laut. In eingeweihten Kreisen spricht man davon, dass die Ehe, die vor sechs Jahren geschlossen wurde, bereits seit längerer Zeit zerrüttet war, da Alexander Velasco ein Verhältnis mit seiner Sekretärin Sonja Alsfeld hatte, die allerdings spurlos verschwunden ist. Es ist möglich, dass Velasco sie beseitigt hat. Die Ermittlungen sind im Gange.

»Ja, was sagt man dazu«, murmelte Daniel. »Komisch, dass wir hier in keiner Zeitung was gelesen haben.«

»Es ist schon Monate her. Vielleicht haben wir darüber hinweggelesen, wie über so manches, das nicht weltbewegend ist. Es ist anders, wenn man einen Menschen kennt.«

»Sie versteckt sich hinter einem anderen Namen«, sagte Daniel.

»Vielleicht hat sie sich scheiden lassen und ihren Mädchennamen wieder angenommen?«, meinte Fee.

»Sie erwartet ein Baby. So schlecht kann die Ehe dann doch nicht gewesen sein.«

»Vielleicht hat das Baby einen anderen Vater«, sagte Fee nachdenklich. »Da kann man nur rätseln, Daniel.«

»Sie hat einen sehr guten Eindruck auf mich gemacht. Sie ist eine Lady, Fee. Und sie hat Kummer. Ja, allerdings kam an jenem Abend ein Mann. Er kam in einem sehr teuren Sportwagen.«

»Finanziell kann es ihr nicht schlecht gehen, wenn sie die teure Miete aufbringen kann.«

»Und das Vorkaufsrecht hat sie sich auch reservieren lassen«, sagte Daniel.

»Ob man nicht mehr in Erfahrung bringen kann?«, überlegte Fee. »Vielleicht ist dieser Velasco auch längst wieder frei. Diese Zeitung ist mehr als vier Monate alt.«

»Und weltbewegend kann die Affäre nicht sein, sonst hätte man sie groß herausgebracht. Mich interessiert die Frau als Patientin. Sie ist im fünften Monat und hat sich nicht ein einziges Mal untersuchen lassen. Sie hat anscheinend Angst, dass man sie identifizieren könnte.«

»Vielleicht gibt es Leute, vor denen sie Angst haben muss«, sagte Fee. »Bei Spionageaffären weiß man das doch nie.«

In diesem Augenblick läutete das Telefon. Dr. Hans-Georg Leitner rief an, der Schorsch, wie er von seinen Freunden genannt wurde.

Daniel hörte ihm zu. »Ja, ich komme«, sagte er und legte den Hörer auf.

»Wie eigenartig«, sagte er dann zu Fee. »Frau Falkenberg ist bei Schorsch. Sie ist in einer schlechten Verfassung und möchte mich sprechen. Ist das wieder ein merkwürdiger Zufall gerade jetzt, da wir dies über sie erfahren haben.«

»Und nun bin ich sehr gespannt, warum sie dich sprechen will«, sagte Fee nachdenklich.

»Ich auch, mein Schatz.«

Mit Dr. Leitner waren sie schon lange befreundet. Daniel hatte ihn schon auf der Universität kennengelernt, wie auch Dr. Dieter Behnisch, die Besitzer einer Privatklinik waren. In schwierigen Fällen arbeiteten sie immer zusammen. Es gab keine Rivalität zwischen ihnen.

Sie verstanden sich wohl auch deshalb so gut, weil ihnen die menschlichen Probleme ihrer Patienten niemals gleichgültig waren, denn sie waren früh zu der Erkenntnis gelangt, dass manch eine Krankheit erst dadurch entstand oder aber auch verschlimmert wurde.

Simone Falkenberg, einen anderen Namen kannte Dr. Leitner nicht, schien jetzt unter einer übergroßen Nervenanspannung zu leiden.

Schorsch machte auf Daniel einen niedergeschlagenen Eindruck. »Ich musste ihr doch sagen, dass sie besser essen muss und auch mehr Bewegung braucht. Das Baby zehrt sie sonst noch ganz auf. Sie kommt jetzt in eine ganz kritische Phase.«

»Du hegst Befürchtungen für das Kind?«, fragte Daniel.

»Auch für sie«, erwiderte Dr. Leitner. »Sie sagte mir, dass du sie zu mir geschickt hast. Ich hätte ihr einen früheren Termin geben lassen, wenn ich gewusst hätte, wie dringlich es ist. Wann hast du sie gesehen?«

»Vor einer Woche. Seither muss sich ihr Zustand verschlechtert haben. Ich wurde zu ihr gerufen, weil sie einen Ohnmachtsanfall hatte, von dem sie sich aber schnell erholte. Sie klagte über Schlaflosigkeit.«

»Anscheinend schläft und isst sie kaum. Gibt es da Eheschwierigkeiten? Sie schweigt sich nämlich aus.«

»Es ist auch ganz schwierig, Schorsch. Ich werde später mit dir darüber sprechen. Sie hat Angst vor irgendetwas oder um einen Menschen. Mir hat sie darüber allerdings auch nichts gesagt.«

»Vielleicht spricht sie jetzt. Jedenfalls will sie mit dir sprechen.«

Simone lag da wie eine welkende Blume, durchsichtig, sehr schmal. Ihre Augen wirkten dadurch noch größer, und sie waren so voller Kummer, dass Daniel Norden erschüttert war.

»Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind, Herr Dr. Norden«, sagte sie leise. »Ich muss mich einem Menschen anvertrauen. Carlotta hat es schwer genug. Wenn ich ihr sagen würde …« Sie unterbrach sich. »Vielleicht muss ich sterben«, fuhr sie dann fort. »Mit Carlotta kann ich darüber nicht sprechen. Sie ist selbst schon fast am Ende mit ihrer Kraft. Schließlich ist sie Alexanders Schwester.«

Simones Stimme war kaum vernehmbar, und wenn Dr. Norden nicht schon etwas von ihrem Schicksal gewusst hätte, hätte er wohl gemeint, dass sie ihrer Sinne nicht mehr mächtig sei.

Er überlegte, ob er nun preisgeben sollte, was er durch Zufall erfahren hatte. Er wollte ihr so gern helfen und nicht mehr in Dunkeln tappen.

»Falkenberg ist mein Mädchenname«, sagte Simone leise. »Ich bin verheiratet, aber …« Wieder unterbrach sie sich, und heiße Tränen strömten über ihre Wangen.

»Sie haben Vertrauen zu mir«, sagte Daniel, ihr die Tränen abtupfend, »und das dürfen Sie auch haben. Ich möchte Ihnen helfen. Durch einen Zufall habe ich erfahren, dass Sie Velasco heißen.«

Ihre Augen weiteten sich noch mehr. Entsetzen stand ihr auf dem Gesicht geschrieben.

»Nicht aufregen«, sagte er. »Ich entnahm es einer alten Zeitung. Es war einer jener Zufälle, die uns die Vorsehung zuspielt, meine ich. Meine Frau kaufte Geschirr und fand dabei eine alte Zeitung. Fee hat Sie schon einmal gesehen und erkannte Sie auf dem Foto wieder, aber deshalb brauchen Sie nun nicht gleich zu fürchten, dass jeder Sie erkennt. Hier sind Sie wirklich völlig sicher.«

»Es waren alles Lügen, die da verbreitet wurden«, sagte sie leise. »Unsere Ehe war immer glücklich. Alexander hat mich nie betrogen, und er hat auch nichts Unrechtes getan. Jemand will ihn ausschalten. Er soll der Sündenbock sein. Ich habe so gehofft, dass sich alles bald herausstellt, aber sie halten ihn fest. Sie sagen, dass sie Beweise gegen ihn haben. Und ich kann ihm nicht helfen. Er darf nicht wissen, dass ich ein Baby erwarte. Wir haben es uns so lange vergeblich gewünscht und gerade jetzt …« Wieder erstickte ihre Stimme in Schluchzen.

Daniel Norden umschloss ihre Hände mit festem, warmem Griff.

»Sie haben sich das Kind gewünscht, nun müssen Sie daran denken, dass es gesund zur Welt kommt«, sagte er beschwörend. »Sie glauben fest an die Schuldlosigkeit Ihres Mannes, und sicher wird diese sich herausstellen, auch wenn es jetzt nicht so aussieht. Aber jetzt müssen Sie an sich denken und Ihr Kind. Niemand wird erfahren, wer Sie sind, wenn Sie es nicht wollen, Frau Falkenberg. Fühlen Sie sich verfolgt?«

»Ja.«

»Von wem?«

»Das weiß ich eben nicht. Ich weiß es wirklich nicht, wer meinem Mann das zuschieben will. Ich weiß nur, dass Alexander niemals fähig wäre, etwas Unrechtes zu tun. Man kann ihn doch nicht deswegen verurteilen, weil seine Vorfahren nicht hier geboren sind. Ich liebe ihn, Herr Dr. Norden, und ich liebe Carlotta. Sie hat immer zu mir gehalten. Jetzt zweifelt sie auch schon an ihrem Verlobten. Wir misstrauen jedem. So kann man doch nicht leben.«

»Aber mir vertrauen Sie«, sagte er.

»Ja, das ist seltsam«, erwiderte sie leise. »Aber ich habe Ihr Haus gesehen, Ihre Frau und Ihre Kinder. Viel Wärme ist um dieses Haus. Sie haben eine zauberhafte Frau und goldige Kinder. Alles ist so harmonisch. Ich habe viel darüber nachgedacht. Es kann da nichts Böses sein, Dr. Norden.«

»Es ist nichts Böses da, Frau Falkenberg. Sie können sich wirklich ganz auf meine Verschwiegenheit verlassen.«

»Danke«, sagte sie leise, dann sah sie ihn unverwandt an. »Es geht doch nicht nur um mich, sondern auch um Carlotta. Sie soll nicht auch noch unglücklich werden. Sie war sofort bereit, mein Leben zu teilen und mit mir zu warten. Aber ich habe einen großen Fehler gemacht.«

»Welchen?«, fragte Dr. Norden.

»Ich habe Geld ins Spiel gebracht. Ich habe sehr viel Geld, und ich dachte, dass ich Alexander damit freikaufen könnte. Ich habe seinem Freund sehr viel versprochen, wenn er Alexander entlastet. Aber Franco lehnte es ab. Er sagte, dass er dies nicht mit seiner Ehre vereinbaren könne, und wenn Alexander unschuldig sei, würde sich das herausstellen. Und jetzt weiß ich gar nicht mehr weiter, denn Fabian verdächtigt Franco und Carlotta verdächtigt jetzt Fabian.«

»Das ist sehr verwirrend für mich«, sagte Daniel nachdenklich. »Haben Sie so viel Vertrauen zu mir, alles genauer zu schildern?«

»Sie müssen sich um Carlotta kümmern, deswegen sage ich Ihnen alles«, flüsterte Simone. »Carlotta darf nicht verzweifeln. Sie darf auch nicht an Fabian zweifeln, das macht mich ganz fertig.«

»Bitte seien Sie ruhig. Denken Sie an das Baby«, sagte Dr. Norden.

»Gibt es denn noch eine Hoffnung für mich und das Kind?«, fragte sie schluchzend.

»Aber gewiss. Dr. Leitner wird Sie jetzt versorgen, und wenn Sie ruhig geworden sind, werden wir über alles sprechen.«

»Ich will jetzt sprechen, sonst geht mir wieder so viel durch den Sinn.«

»Dann werde ich Ihnen Tee bringen lassen und ein paar Häppchen. Ja, darauf muss ich bestehen«, sagte Daniel. »Wir machen uns ein gemütliches Teestündchen, einverstanden?«

»Können Sie sich die Zeit nehmen?«, fragte Simone.

»Ja, ich nehme sie mir.«

Seine Ruhe strahlte auf Simone aus. Sie trank Tee und aß Zwieback mit Butter und Konfitüre. Wurstbrote lehnte sie entschieden ab, aber das gab es öfters bei werdenden Müttern. Dr. Norden schloss daraus auch so einiges, das helfen konnte, einen Speiseplan für sie aufzustellen.

Er hatte zwei Schwangerschaften mit seiner Frau mitgemacht, die ganz unterschiedlich verlaufen waren. Einmal war Fee auf deftiges Essen begierig gewesen und bei Felix dann auf süße Sachen. Und auch in anderen Fällen hatte er seine Erfahrungen gesammelt, obgleich er kein Gynäkologe war. Aber Geburtshelfer konnte er auch noch sein, und dann war er froh darüber, dass er sich nicht auf ein bestimmtes Gebiet festgelegt hatte. Freilich konnte er nicht alles so genau wissen wie die, die sich spezialisiert hatten, aber falsch machte er auch nichts, und deshalb war er doppelt froh, dass er sich mit seinen Kollegen so gut verstand.

Simone war dann bedeutend ruhiger. Ihr Gesicht hatte auch wieder etwas Farbe bekommen.

Daniel Norden war ein guter Psychologe, und wenn man ihn einen Seelenarzt nannte, was viele taten, war das nur ein Kompliment.

Simone hatte sich aufgesetzt und ihre Hände auf der Bettdecke gefaltet.

»Alexander und ich sind seit fast sieben Jahren verheiratet«, begann sie. »Es trifft auf uns nicht zu, dass das siebente Jahr kritisch wäre, wenn manche es auch so hinstellen wollen.«

»Wer zum Beispiel?«, fragte Daniel.

»Verschiedene Leute, die uns nicht kennen. Sie sagen Alexander eine Affäre mit seiner Sekretärin nach.«

»Das habe ich in der Zeitung gelesen. Diese Sekretärin galt als unauffindbar.«

»Sie ist immer noch unauffindbar. Sonja ist einfach verschwunden, und ich fürchte tatsächlich, dass man sie beseitigt hat. Aber Alexander hat damit nichts zu tun. Sonja war oft bei uns. Mein Mann bezeichnete sie in gewisser Hinsicht als zu naiv und gutgläubig. Sie ist ein sehr hübsches Mädchen und wirkt auf Männer, aber sie vermag nicht abzuschätzen, was ernst gemeint ist.«

»Haben Sie einen Verdacht gegen dieses Mädchen?«

»Ich weiß nicht«, erwiderte Simone zögernd. »Ich weiß nur, dass mein Mann mit dieser üblen Geschichte nichts zu tun hat, und jemand, der genau über seine Tätigkeit Bescheid weiß, muss seine Finger im Spiel haben. Aber darüber will ich nicht sprechen. Ich will keinen Falschen verdächtigen. Ich möchte Ihnen nur sagen, was mich beschäftigt, damit wenigstens ein Mensch Bescheid weiß, wenn ich diese Zeit nicht überstehe.«

»Sie werden sie überstehen, wenn Sie den Willen dazu haben. Sie dürfen nicht aufgeben, Frau Velasco, wenn Sie Ihrem Mann helfen wollen.«

»Das ist leicht gesagt und schwer getan. Anfangs habe ich diese Geschichte überhaupt nicht ernst genommen. Eines Abends haben sie Alexander abgeholt, und ich dachte, dass er am nächsten Tag wieder daheim sein würde. Er lachte jedoch nur, und ich nahm es auch nicht ernst, als sie sagten, dass er verhaftet sei. Und dann ging es los. Sonja verschwand, und sie hängten den beiden eine Affäre an. Sie sagten, dass unsere Ehe zerrüttet sei und lächelten nur hintergründig, als ich erklärte, dass das nicht stimmt.

Dann hatte Alexander plötzlich keine Freunde mehr. Ich lief von Pontius zu Pilatus, und jeder sagte mir nur, dass ja doch etwas dran sein könnte an dieser Geschichte. Er hätte ja viele Kontakte gepflegt. Und auch Franco Ricci, unser bester Freund, meinte, dass ich vorsichtig sein und lieber an mich denken solle.

Ich habe mit meinem Mann gesprochen. Man erlaubte es mir. Er sagte zu mir, dass es besser wäre, ich würde mich von ihm trennen. Da wusste ich nicht mehr, was ich denken sollte. Ich war verunsichert, aber dann kam Carlotta, Alexanders Schwester, und sie beschwor mich, nicht an ihm zu zweifeln. Ja, ich zweifelte, aber das war dann auch vorbei. Ich war nur so schrecklich allein und sah mich von allen verlassen, aber als Carlotta da war, wurde es wieder besser. Sie hat mit Alexander gesprochen, und ihr sagte er, dass er unschuldig sei, mich aber auf jeden Fall aus dieser Affäre heraushalten wollte. Fabian, Carlottas Verlobter, hat uns dann dieses Haus hier besorgt. So weit weg wie nur möglich, sagte er. Ich wollte mich nicht verstecken, ich wollte in Alexanders Nähe bleiben, aber Carlotta und Fabian haben mich überredet. Und dann, nach einer Zeit wurde mir klar, dass ich ein Kind erwarte. Ich konnte mich nicht mehr freuen, weil ich es meinem Mann nicht sagen konnte. Ich konnte nicht mit Alexander sprechen. Ich weiß nicht, wie es ihm geht. Ich weiß nicht, was sie mit ihm vorhaben. Gar nichts weiß ich, und das macht mich fast wahnsinnig.

Fabian war neulich bei uns und sagte, dass er Sonja finden müsse. Seit einer Woche hören wir auch von ihm nichts mehr, und nun dreht auch Carlotta fast durch. Ich will ohne meinen Mann nicht leben, Dr. Norden. Ich liebe ihn. Unser Kind soll nicht ohne Vater aufwachsen. Wir haben es uns doch so gewünscht, und ich habe alles getan, um ein Kind zu bekommen.«

»Dann verlieren Sie jetzt nicht den Mut«, sagte Daniel energisch. »Werden Sie doch um Himmels willen nicht wankelmütig, und sehen Sie nicht in jedem Menschen einen Feind. Wir wollen Ihnen helfen. Dr. Leitner genauso wie ich.«

»Ich kann doch nicht hier liegen, und Carlotta ist allein«, sagte Simone bebend. »Ich ängstige mich um sie. Wer weiß, was passiert, wenn sie allein in dem Haus ist. Wir haben doch noch mit niemandem gesprochen. Wer kennt uns denn schon?«

»Mit mir haben Sie gesprochen, und ich werde mich um Ihre Schwägerin kümmern«, sagte Daniel. »Sie kann zu uns kommen, während Sie hier gepflegt werden. Und wenn sie das nicht will, dann finde ich schon jemanden, der ihr Gesellschaft leistet und auf sie aufpasst. Immer vorausgesetzt natürlich, dass Sie mich nicht auch als einen Feind betrachten. Hüten Sie sich davor, einem solchen Verfolgungswahn zu unterliegen.«

Simone blickte auf ihre gefalteten Hände. »Ja, Sie haben recht, es artet schon in Verfolgungswahn aus. Ich wehre mich dagegen. Aber ich möchte mein Baby auch nicht verlieren, auch wenn mir Alexander genommen wird.«

»Sie lieben Ihren Mann, und Sie glauben an ihn. Er kann Ihnen nicht genommen werden. Das müssen Sie sich immer wieder sagen. Aber seine und Ihre Freunde – ist denen zu trauen? Überlegen Sie sich das alles mal ganz nüchtern. Wer hat denn zu Ihnen gehalten, besser noch, wer hat zu Ihrem Mann gehalten? Versuchen Sie das zu unterscheiden. Ich werde mich um Ihre Schwägerin kümmern, Frau Velasco.«

»Carlotta liebt ihren Bruder sehr«, sagte Simone leise. »Ihr misstraue ich nicht.«

»Und Dr. Leitner brauchen Sie auch nicht zu misstrauen. Er wird nicht mal erfahren, dass Sie Frau Velasco sind. Er wird sehr dafür sorgen, dass Frau Falkenberg die Schwangerschaft gut überstehen wird. Mein Wort darauf, dass niemand erfahren wird, was wir gesprochen haben.«

»Ich glaube Ihnen«, erwiderte Simone.

»Das ist gut. Es ist ein Anfang«, erwiderte Daniel.

*

Dr. Leitner war im Kreißsaal, als Dr. Norden die Klinik verließ. Eine Geburt war im Gange. Doch bevor Daniel sein Auto erreicht hatte, kam ihm Schwester Martha nachgelaufen.

»Sie möchten ins Hotel Conti kommen, Herr Doktor«, rief sie atemlos. »Da hat ein Gast eine Gallenkolik. Eben ist von Ihrer Praxis angerufen worden.«

Und Loni wird wieder mal die Wartenden trösten müssen, dachte Dr. Norden. Aber das »Conti« war nicht weit entfernt. Es bedeutete für ihn keinen großen Umweg. Er wurde dort öfter mal gebraucht, wenn nach großen Feiern ein Gast Beschwerden hatte. Es waren meist vorübergehende Beschwerden, die auf übermäßigen Alkoholgenuss zurückzuführen waren.

Wahrscheinlich würde es diesmal auch nichts anderes sein. Doch Dr. Norden hatte sich getäuscht. Einmal machte der angebliche Patient durchaus keinen kranken Eindruck, und zum anderen warnte ihn auch gleich eine innere Stimme, als dieser, der ihm als Dr. Frank bezeichnet worden war, sagte, Dr. Cordis sei ein guter Freund von ihm.

»Dr. Cordis?«, wiederholte Daniel fragend, »ich kenne niemanden, der so heißt.«

»Fabian Cordis, erinnern Sie sich wirklich nicht?«, fragte der andere lauernd.

Fabian! Da klingelte es bei Daniel, und er war gleich noch wachsamer.

»Ich erinnere mich wirklich nicht«, erwiderte er. »Aber ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis – und viele Patienten. Was fehlt Ihnen, Herr Dr. Frank?«

»Ich muss mir irgendwie den Magen verdorben haben«, erwiderte der Fremde, ein dunkelhaariger schlanker Mann südländischen Typs. »Mein

Magen bereitet mir öfter Beschwerden.«

Er simulierte dann auch ganz gut, aber Daniel war gewarnt.

»Was sagt Ihnen der Name Velasco?«, fragte der Fremde.

»Velasco?«, wiederholte Daniel gedehnt, denn nun war er auf alles gefasst und vorbereitet. »Gar nichts!«

»Sollte ich mich so irren?«, murmelte der andere. »Ich meinte, dass Fabian Ihren Namen erwähnte, oder war es Carlotta?«

»Es tut mir leid, aber ich kann mich an keinen dieser Namen erinnern«, erwiderte Daniel. »Woher kommen Sie? Vielleicht kann ich Ihrem Gedächtnis nachhelfen?«

»Ich komme aus Düsseldorf, bin nur auf der Durchreise und hatte geschäftliche Besprechungen. Sie wissen ja, wie das ist. Es wird gut gegessen und getrunken. Das kann man hier sehr gut. Ist ein erstklassiges Hotel.«

»Ja, es ist bekannt für seine gute Küche«, erwiderte Daniel. »Aus Düsseldorf kommen Sie? Vielleicht wurde Ihnen da mein Name von Dr. Michels genannt.«

Es gab keinen Dr. Michels in Düsseldorf, wenigstens nicht nach Daniels Wissen. Er hatte einfach einen Namen herbeigezaubert.

»Ach ja, das kann sein«, sagte sein Gegenüber jedoch schnell, »ich habe auch ein schlechtes Gedächtnis. Danke für das Medikament, Herr Dr. Norden. Nett, dass Sie gekommen sind. Was bin ich Ihnen schuldig?«

»Wohin darf ich die Rechnung schicken?«, fragte Daniel gemächlich.

»Aber das erledigen wir doch gleich.«

Ein Geldschein wechselte den Besitzer. Daniel Norden machte sich dabei aber ganz eigene Gedanken. Gar zu gern hätte er den anderen noch ein bisschen ausgehorcht, aber er wollte ihn nicht misstrauisch machen.

So ging er dann und schaute in der Halle nach Anton, dem Portier, der schon verschiedentlich wegen kleiner Beschwerden bei ihm in der Praxis gewesen war.

Er traf ihn dann draußen auf dem Parkplatz. Mit einem breiten Lächeln wurde er von Anton begrüßt.

»Ich hätte Sie gern mal was gefragt, Anton«, sagte er, »aber nicht hier. Können Sie morgen mal kurz in die Praxis kommen?«

»Wollte sowieso mal kommen, Herr Doktor. Das Kreuz macht mir wieder zu schaffen.«

»Gut, kommen Sie, aber wenn jemand Sie fragen sollte, ob Sie mich gut kennen, geben Sie bitte eine ausweichende Antwort.«

»Sie meinen den Dr. Frank?«, fragte Anton.

»Wir reden darüber morgen«, erwiderte Daniel.

»Der kam mir gleich nicht geheuer vor. Ich muss aber ganz früh kommen, Herr Doktor.«

»Meinetwegen schon um halb acht Uhr.«

»In Ordnung, Herr Doktor, und ich sage nichts.«

Der Schein, den Daniel eben bekommen hatte, wechselte wieder seinen Besitzer, und Anton strahlte. Daniel wusste, dass er nun ein wachsames Auge auf diesen Dr. Frank haben würde, ohne dass er groß darum zu bitten brauchte.

Aber ganz geheuer war es ihm nicht, denn Carlotta war allein im Haus und jetzt wagte er nicht, zu ihr zu fahren, denn welche Rolle Dr. Frank spielte, wusste er ja nicht.

Er fuhr nach Hause und ging gleich zum Telefon, bevor Fee noch etwas sagen konnte. Die Nummer stand noch immer unter dem Namen Herbert Richter im Telefonbuch. Dr. Norden hatte sie im Kopf. Niemand konnte wissen, dass unter dieser Nummer Simone Velasco zu erreichen war, der nicht einen Hinweis bekommen hatte.

»Hallo«, sagte eine leise Stimme.

»Carlotta, hier spricht Dr. Norden. Erschrecken Sie nicht. Ich muss Sie unbedingt sprechen. Können Sie zu uns kommen? Sie wissen doch, wo wir wohnen?«

»Nein, es geht Frau Falkenberg nicht schlechter. Es handelt sich um etwas anderes.«

»Gut, aber geben Sie Acht, dass Ihnen niemand folgt. Kommen Sie so schnell wie möglich.«

»Was soll das bedeuten?«, fragte Fee.

»Das ist eine lange, spannende Geschichte. Du wirst sie mitbekommen, Liebes. Ich schaue lieber nach Fräulein Velasco aus.«

»Das ist ja wirklich spannend«, sagte Fee. »Gut, dass die Kinder schon schlafen.«

Es war schon dämmrig draußen. Daniel sah die schmale Gestalt nur schattenhaft, sonst war niemand auf der Straße, aber dann tauchte an der Kreuzung plötzlich ein Auto auf.

Daniel ergriff Carlottas Arm und zog sie schnell in den Garten. Erschrocken blickte sie ihn an.

»Ich erkläre Ihnen alles. Gut, dass Sie so schnell gekommen sind.«

»Es sind ja nur ein paar Minuten«, murmelte sie.

Er schob sie mit sanfter Gewalt ins Haus. Fee stand in der Diele. »Meine Frau, Fräulein Velasco«, stellte Daniel vor.

»Woher wissen Sie meinen Namen?«, fragte Carlotta.

»Von Ihrer Schwägerin. Sie hat Vertrauen zu mir, haben Sie es bitte auch.«

»Ja, gut, aber worum geht es jetzt?«, fragte Carlotta.

»Um einen Dr. Frank aus Düsseldorf.«

»Kenne ich nicht«, erwiderte sie kurz.

»Er ist mittelgroß, schlank und hat fast so dunkles Haar wie Sie.«

»Das passt auf viele Männer.«

»Er wohnt im Hotel Conti.«

»Das kenne ich nicht.«

»Und es war niemand bei Ihnen? Hat auch niemand angerufen?«

»Nein, wer sollte schon anrufen? Es weiß doch niemand, dass wir hier wohnen.«

»Wirklich niemand?«

»Nur mein Verlobter, Dr. Cordis. Er ist auch mittelgroß, schlank und hat dunkles Haar. Aber er weiß, wo wir wohnen. Ich verstehe gar nichts mehr.«

»Ich werde es Ihnen erklären.«

Er erzählte von seinem Gespräch mit Simone, dann von dem Gast im Hotel Conti.

Carlottas Gesicht war ein einziges Fragezeichen. »Er kennt Fabian und uns?«, sagte sie, »aber wie kommt er auf Sie, Dr. Norden?«

»Das weiß ich nicht. Irgendwie ist er informiert, aber nicht sehr gut. Vielleicht ist es ein Freund?«

»Wir haben keine Freunde mehr«, erwiderte Carlotta abweisend.

»Ich traue ihm auch nicht«, sagte Daniel. »Vielleicht ist nicht mal sein Name echt.«

»Aber vielleicht kennt ihn Fräulein Velasco«, sagte Fee.

»Das ließe sich nur feststellen, wenn sie ihn sieht, aber das scheint mir doch nicht angebracht. Frau Falkenberg macht sich Sorgen um Sie, und die scheinen berechtigt zu sein. Stellen wir einmal ganz nüchtern die Tatsachen fest. Es ist jemand hier, der großes Interesse an den beiden Damen hat und irgendwie erfahren haben muss, dass es eine Verbindung zwischen uns gibt.«

»Oder er geht nur davon aus, dass jeder mal einen Arzt braucht«, überlegte Fee. »Vielleicht hat er auch schon in Geschäften nachgefragt. Ich fürchte, wir können noch lange herumraten, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Jedenfalls wird Fräulein Velasco vorerst bei uns bleiben, bis dieser mysteriöse Dr. Frank wieder von der Bildfläche verschwunden ist.«

»Anton kommt morgen früh in die Sprechstunde. Mal sehen, was ich da erfahre«, sagte Daniel.

»Wer ist Anton?«

»Der Portier vom Conti, und zum Glück ein Patient von mir. Zerbrechen wir uns jetzt nicht mehr den Kopf. Ihre Schwägerin ist in Sicherheit, Fräulein Velasco, und hier, bei uns, wird Sie auch niemand suchen.«

»Sie kennen uns doch gar nicht«, sagte Carlotta verhalten. »Mein Bruder sitzt im Gefängnis, und manchmal habe ich mich doch gefragt, ob er sich da nicht in etwas eingelassen hat, was er nicht genau überlegte.«

»Sie hegen Zweifel?«, fragte Daniel erstaunt.

»Ich will nicht, aber warum halten sie ihn denn so lange fest, wenn ihm nichts nachzuweisen ist? Das dürfen sie doch eigentlich gar nicht. Verzeihen Sie, aber ich bin völlig durcheinander. Ich ängstige mich so um Simone. Wenn sie es nun nicht durchsteht …«

»Pssst, daran wird gar nicht gedacht. In der Klinik wird schon auf sie aufgepasst«, sagte Daniel.

»Und bei uns ist immer ein Gästezimmer bereit für nette Menschen«, sagte Fee mit ihrem herzgewinnenden Lächeln.

Sie konnten nicht wissen, dass der Mann, der sich Dr. Frank nannte, ein halbes Dutzend Telefongespräche führte. Er rief die Behnisch-Klinik an und fragte nach Frau Velasco.

Die gäbe es hier nicht, wurde ihm erwidert. Und die gleiche Antwort bekam er auch, als er die Frauenklinik anrief und danach noch ein paar Ärzte, die ihm auf seine Fragen recht verärgerte Antworten gaben.

Der Portier Anton lag auf der Lauer und am Zähler konnte er ablesen, dass von Dr. Franks Appartement aus sehr viel telefoniert wurde, aber leider konnte er nicht feststellen, mit wem die Gespräche geführt wurden, da man von den Zimmern aus direkt wählen konnte.

Dann aber, es war so gegen zehn Uhr, kam Dr. Frank herunter und stellte sich zu Anton an den Tresen.

»Sie sind schon länger hier beschäftigt?«, fragte er.

»Freilich«, erwiderte Anton, »schon acht Jahre, seit das Hotel steht.«

»Haben Sie ein gutes Personengedächtnis?«, fragte Dr. Frank.

»Kommt drauf an«, erwiderte Anton listig.

Er bekam wieder einen Geldschein zugeschoben und freute sich dieses gewinnbringenden Tages, ohne jedoch geneigt zu sein, diesem Herrn, dem sein verehrter Dr. Norden misstraute, gefällig zu sein.

»Schauen Sie sich doch bitte mal diese Fotos an«, sagte Dr. Frank. »Kennen Sie die Damen oder eine von beiden?«

Anton beguckte die Fotos ganz interessiert. »Sehr hübsch, alle beide«, erklärte er gemächlich. »Die könnte man nicht vergessen, aber hier waren sie bestimmt noch nicht.«

»Und dieser Mann?«, fragte Dr. Frank, Anton das nächste Foto zeigend.

Anton kniff die Augen zusammen, denn diesen Mann hatte er hier tatsächlich schon einmal gesehen.

»Sind Sie Detektiv?«, fragte er, um erst einmal zu überlegen, was er nun sagen sollte.

»So was Ähnliches«, erwiderte Dr. Frank.

»Es könnte sein, dass dieser Herr schon mal hier war«, erwiderte Anton zögernd. »Aber nur so. Gewohnt hat er nicht hier. Bestimmtes kann ich aber auch nicht sagen. Tut mir sehr leid, mein Herr.«

Dr. Frank kniff die Augen ganz fest zusammen, als nun ein blonder junger Mann durch die Bar zur Halle ging.

Er schlug nach einigen Sekunden den gleichen Weg ein und setzte sich neben den Blonden. »Du Idiot«, zischte er, »warum hast du bloß die Spur von Cordis verloren? Nun können wir noch mal von vorn anfangen.«

»Nicht so voreilig. Ich bin allergisch gegen solche Titulierung.«

»Du bekommst dein Geld nicht umsonst, Freundchen.«

»Was ich weiß, ist aber mehr wert. Die zweite Rate ist fällig.«

»Dann heraus mit der Sprache. Erst die Ware, dann das Geld.«

»Sie haben ein Haus in der Waldstraße gemietet. Cordis ist dort vor einer halben Stunde hineingegangen.«

»Wie hast du das herausgebracht?«

»Kleinarbeit, die ihr Geld wert ist. Vorsicht, wir werden beobachtet.«

Dr. Frank drehte sich um. Da stand Anton. »Entschuldigen Sie die Störung, Herr Doktor«, sagte er devot. »Sie werden am Telefon verlangt.«

Maßlos überrascht sah ihn Dr. Frank an. »Sind Sie sicher?«

»Aber gewiss. Es ist eine Dame.«

Dr. Frank tauschte einen bestürzten Blick mit dem Blonden und glitt dann von dem Barhocker.

Er ging zur Telefonzelle. »Ja, bitte, wer spricht da?«, fragte er.

»Felicitas Norden«, erwiderte die Stimme am anderen Ende. »Verzeihen Sie, Herr Dr. Frank, ist mein Mann noch bei Ihnen? Mir wurde gesagt, dass er zu Ihnen gerufen wurde.«

»Er ist schon lange weg«, erwiderte Dr. Frank. »Tut mir leid, gnädige Frau.«

»Mir tut es leid, wenn ich Sie gestört habe, dann muss ich ihn anderswo suchen.«

*

Es war die Idee von Fee gewesen, im Hotel anzurufen. Carlotta konnte am Nebenapparat mithören.

Sie wollten doch wenigstens herausbringen, ob Carlotta die Stimme dieses Mannes erkannte, der sich Dr. Frank nannte.

Und es war ein voller Erfolg gewesen. Carlotta hatte die Stimme erkannt. Mit geisterbleichem Gesicht, die geballte Hand an den Mund gepresst, stand sie da.

»Das ist Franco, Franco Ricci«, stammelte sie. »Aber was soll das bedeuten?«

Darauf wusste niemand eine Antwort, und währenddessen irrte Fabian Cordis verwirrt und von Ängsten geplagt, durch das leere Haus. Nirgendwo fand er eine Nachricht, nicht den kleinsten Hinweis, dass Simone und Carlotta das Quartier gewechselt haben könnten. Kein Koffer fehlte, der Kühlschrank war gefüllt.

Aus dem Keller kam ein Geräusch. Fabian lauschte, dann stieg er vorsichtig die Treppe hinab und konnte dieses Geräusch als das Rotieren der Waschmaschine deuten.

»Carlotta«, rief er, aber es kam keine Antwort. Er ging weiter und fand die Waschküche leer. Lange konnten Carlotta und Simone also das Haus noch nicht verlassen haben, und da die Waschmaschine lief, war anzunehmen, dass sie bald wiederkommen würden, so dachte Fabian.

Er stieg die Treppe wieder empor, hörte ein Klirren und vernahm Schritte.

»Carlotta«, rief er wieder und dann traf ihn ein Schlag, so fest und schmerzhaft, dass er nur noch rot sah, bevor er bewusstlos zu Boden sank.

*

In tiefster Nacht läutete bei Dr. Norden das Telefon. Das geschah nun doch ganz selten, und da er nicht als Notarzt eingeteilt war, konnte es sich nur um einen ganz dringenden Fall aus seinem Patientenkreis handeln. Schnell griff er zum Telefon. Fee richtete sich auf und sagte schlaftrunken: »Nanu?«

Eine keuchende, kaum vernehmbare Stimme klang an Daniels Ohr.

»Waldstraße vier, helfen Sie. Hilfe«, vernahm er.

Er war schon aus dem Bett. »Waldstraße vier, ein Hilferuf, Fee«, murmelte er.

»Mein Gott, kann das nicht eine Falle sein? Carlotta ist doch hier.«

»Es war ein Mann. Er konnte kaum sprechen. Ruf die Polizei an, und wecke Carlotta. Ich muss doch hinfahren.«

»Ich habe Angst, Daniel«, flüsterte Fee.

»Ich passe schon auf, Liebes. Sei unbesorgt. Vom Revier ist es nicht weit. Bis ich dort bin, werden sie auch da sein.«

Er war schon an der Tür, bis Fee die Nummer des Reviers gewählt hatte. Dann ging sie, um Carlotta zu wecken, aber die stand schon in der Tür.

»Ich konnte nicht schlafen«, stammelte sie. »Ist etwas mit Simone?«

»Nein, aber in Ihrem Haus ist ein Mann, der um Hilfe gerufen hat.«

»Fabian?«, schrie Carlotta entsetzt auf. »Ich muss hin!«

»Warten Sie hier. Daniel wird Bescheid geben«, sagte Fee, aber Carlotta kleidete sich schon in rasender Eile an.

Daniel stand vor dem Haus. Eine Lampe brannte, die Haustür stand einen Spalt offen, aber er konnte sie nur Stück für Stück aufschieben, denn ein Körper lag dicht davor.

Er sah einen Mann, mit Blut besudelt. Zum Teil war es schon verkrustet, hatte das dunkle Haar verklebt. Dr. Norden konnte nur vermuten, dass er sich mit letzter Kraft zur Tür geschleppt hatte. Er sah auch das Telefon, das am Boden lag. Daneben ein Block, auf dem sein Name und seine Telefonnummer stand. Aber das nahm er alles nur nebenbei wahr, als er neben dem Mann niederkniete und seinen Puls fühlte.

Er lebte noch, obgleich er sehr viel Blut verloren hatte, aber jetzt musste ihm wirklich ganz schnell geholfen werden.

Da hielt auch schon ein Auto vor dem Haus. Ein zweites folgte. Zwei Polizisten standen plötzlich in der Tür.

»Ist der Notarztwagen da?«, fragte Daniel rasch. »Der Mann muss sofort in die Klinik.«

Zeit durfte nicht mehr verloren werden, und es wurden vorerst auch keine Fragen gestellt. Dann, als die Trage in den Notarztwagen geschoben wurde, kam Carlotta keuchend und völlig außer Atem angerannt. Wie versteinert stand sie dann da.

»Fabian, o Fabian«, murmelte sie, und dann brach sie in haltloses Schluchzen aus.

»Er lebt ja«, sagte Dr. Norden tröstend.

»Das Blut, das viele Blut«, stammelte sie.

Wenn sie allein im Hause gewesen wäre, würde sie dann noch leben?, fragte sich Dr. Norden.

Der Notarztwagen fuhr davon. Zwei Polizisten waren im Haus. Daniel führte Carlotta hinein. Es herrschte ein wildes Chaos. Schränke waren aufgerissen, Schubladen geleert.

»Haben Sie einen Verdacht?«, fragte einer der Polizisten.

Daniels Gedanken überstürzten sich. »Fahren Sie zum Conti und fragen Sie, ob Dr. Frank das Hotel irgendwann verlassen hat«, erwiderte er.

Der Polizist sah ihn ganz irritiert an. »Nun fahren Sie schon. Ich erkläre es Ihnen dann etwas später«, drängte Daniel. »Sie haben mich doch nach einem Verdacht gefragt.«

»Was ist mit Fabian?«, fragte Carlotta schluchzend.

»Das werde ich bald erfahren. Was kann dieses Chaos bedeuten?«

»Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was man hier gesucht hat. Sie müssen es mir glauben.«

»Ich glaube es.«

Von ihm wollte man wissen, wer ihn hergerufen hatte. Er hatte dafür nur die Erklärung, dass es der Verletzte selbst gewesen sein musste.

Man kannte Dr. Norden. Er war über jeden Verdacht erhaben.

»Ich fahre jetzt zur Klinik«, sagte er. »Carlotta, Sie stehen unter Polizeischutz. Sagen Sie den Beamten, was Sie vermissen. Bitte, nehmen Sie sich zusammen. Sagen Sie jetzt die ganze Wahrheit. Nur das kann noch helfen.«

»Sie kennen die junge Dame, Herr Dr. Norden?«, fragte der Polizist.

»Ja, sie ist unser Gast. Ihr Name ist Carlotta Velasco. Ich komme nachher hierher zurück.«

Fabian Cordis war zur Behnisch-Klinik gebracht worden. Dr. Behnisch und seine Frau Jenny, die ebenfalls Chirurgin war, bemühten sich schon um ihn. Als Dr. Norden kam, war Fabian bereits vom Blut gereinigt und entkleidet auf den Untersuchungstisch gelegt worden.

»Tut mir leid, dass ich euch um den Schlaf bringe«, sagte Daniel zu seinen Freunden.

»Du doch nicht, aber verdammtes Glück hat der Bursche«, erwiderte Dieter Behnisch. »Er hat einen gewaltigen Schlag bekommen. Aber er ist zäh.«

Schwester Hildegard kam. »Blutgruppe Null«, sagte sie. »Die Konserve ist bereit, Herr Doktor.«

Es war keine Sekunde verloren worden. Die Blutkonserve wurde angeschlossen. Dr. Norden betrachtete das schmale, bleiche Gesicht des Patienten, während Dr. Behnisch vorsichtig die Haare von der Kopfwunde entfernte.