Ein dunkler Fleck auf weißer Weste - Betsy Collins - E-Book

Ein dunkler Fleck auf weißer Weste E-Book

Betsy Collins

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Beschreibung

Aus heiterem Himmel erfährt der junge Marquess of Meadowby, dass seine Familie wegen Percivals Spielschulden vor dem Ruin steht. Damit droht Vincent der Verlust seiner großen Liebe: Lady Helena. Als verarmter Adliger kann er ihr kein angemessenes Leben bieten. Ihr Vater, der Duke of Parbrooke, will sie mit dem Textilfabrikanten Frederick Chester verheiraten. Das ist die spannende, prekäre Situation, wie sie sich zu Beginn dieser großherrschaftlichen Familiensaga um einen herausragenden, außergewöhnlichen Lord darstellt. Lady Mildred bog um die Ecke – und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Ihr Herz machte einen gewaltigen Satz. »Reginald!«, rief sie mit erstickter Stimme. Der Mann in der Robe des Marquess of Meadowby drehte sich zu ihr um. Erstaunt sah er aus. Kein Wunder. Er hieß ja gar nicht Reginald. Natürlich nicht. Lord Reginald weilte seit fast einem Jahr nicht mehr unter den Lebenden. Aber zuletzt hatte Lady Mildred ihren teuren Gatten in genau dieser Robe gesehen. Jener Robe, die ein Marquess nur zu ganz besonderen Anlässen trug. Zu Krönungen beispielsweise. Oder zur Eröffnung des Parlaments. Ja, vor ziemlich genau einem Jahr hatte Reginald diese Robe anprobiert. Um sich zu vergewissern, dass sie ihm nach wie vor passte. Er war ein wenig fülliger geworden. Die Eröffnung des Parlaments stand bevor, und er hatte in London eine gute Figur abgeben wollen. Vielleicht musste der Schneider noch irgendeine kleine Änderung vornehmen? Lady Mildred blinzelte verdattert.

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Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Der aufstrebende Fürst – 8 –Ein dunkler Fleck auf weißer Weste

Unveröffentlichter Roman

Betsy Collins

Lady Mildred bog um die Ecke – und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Ihr Herz machte einen gewaltigen Satz. »Reginald!«, rief sie mit erstickter Stimme.

Der Mann in der Robe des Marquess of Meadowby drehte sich zu ihr um. Erstaunt sah er aus. Kein Wunder. Er hieß ja gar nicht Reginald.

Natürlich nicht. Lord Reginald weilte seit fast einem Jahr nicht mehr unter den Lebenden. Aber zuletzt hatte Lady Mildred ihren teuren Gatten in genau dieser Robe gesehen. Jener Robe, die ein Marquess nur zu ganz besonderen Anlässen trug. Zu Krönungen beispielsweise. Oder zur Eröffnung des Parlaments.

Ja, vor ziemlich genau einem Jahr hatte Reginald diese Robe anprobiert. Um sich zu vergewissern, dass sie ihm nach wie vor passte. Er war ein wenig fülliger geworden. Die Eröffnung des Parlaments stand bevor, und er hatte in London eine gute Figur abgeben wollen. Vielleicht musste der Schneider noch irgendeine kleine Änderung vornehmen?

Lady Mildred blinzelte verdattert. Einen Moment lang hatte sie doch tatsächlich geglaubt, ihr verstorbener Ehemann stünde vor ihr. Dabei war es ihr ältester Sohn. Lord Vincent. Der jetzige Marquess of Meadowby.

Sie wünschte inständig, sie könnte ihre spontane Reaktion ungeschehen machen. Wenn es einen Menschen gab, vor dem sie sich nicht gehen lassen wollte, dann war es ihr Erstgeborener.

Von ihren drei Kindern stand Lord Vincent ihr am wenigsten nahe. Er hatte seinen jüngeren Bruder, Lord Percival, nach Irland verfrachtet. Weil er ihn für spielsüchtig hielt. Als könnten Wetten auf Pferderennen oder Kartenrunden einen Menschen süchtig machen, so wie Gin oder Opium. Lächerlich.

Und nun musste Lady Mildred sogar um das Leben ihres Lieblingskindes bangen! In der Nacht vom 6. auf den 7. Januar 1839 war ein Orkan über Irland hinweggefegt. Niemand konnte sagen, ob Lord Percival überlebt hatte. Ob er verletzt war. Ob das Internat, in dem er auf Lord Vincents Geheiß als Reit- und Fechtlehrer gearbeitet hatte, überhaupt noch existierte.

Lady Mildred machte kaum noch ein Auge zu vor Sorge. Sie würde erst wieder ruhig schlafen können, wenn sie ihren Sohn sah oder schwarz auf weiß las, dass es ihm gut ging. Aber wann würde das sein angesichts der Tatsache, dass die Sturmschäden in Irland viele Straßen unpassierbar gemacht hatten? O ja, der Marquess hatte wahrhaftig große Schuld auf sich geladen.

Percy hatte über die Stränge geschlagen, das bestritt seine Mutter nicht. Selbstverständlich wäre es ihr lieber gewesen, wenn er nicht derartige Spielschulden angehäuft hätte. Aber das Malheur war seiner Jugend geschuldet gewesen. Und dem schlechten Einfluss mancher Gentlemen aus seinem Bekanntenkreis. Die sollten sich schämen, einen jungen Mann mit einer Pechsträhne so skrupellos auszunehmen!

Seinen Bruder nach Irland zu verbannen, womöglich in den Tod zu schicken, war nicht Lord Vincents einzige Verfehlung, nach Meinung von Lady Mildred.

Er beteiligte auch seine Schwester, Lady Florence, an der Verwaltung der Ländereien von Renwood Hall! Eine ganz und gar unschickliche Beschäftigung für eine junge Dame im heiratsfähigen Alter. Statt ihr Klavierspiel oder ihre Stickfertigkeiten zu vervollkommnen, stapfte Lady Florence über Äcker und durch Ställe. Sie war Feuer und Flamme dafür, doch ihre Mutter fand es schrecklich.

Zu allem Überfluss wollte Lord Vincent im Frühling heiraten. Lady Helena, seine Verlobte, war nett, zugegeben. Unabhängig davon würde sie, die Jüngere, nach der Hochzeit die Marchioness of Meadowby sein. Eine Aussicht, bei der Lady Mildred keine Freudentänze aufführte. Niemand trat nach Jahrzehnten in der ersten Reihe gern ins zweite Glied zurück.

Nun ja. Lord Vincent gab jetzt in Renwood Hall den Ton an. Bedauerlicherweise. Lady Mildred konnte es nicht ändern. Ihr blieb nur, das Beste daraus zu machen. Und in diesem Moment war das Beste, so zu tun, als wäre nichts Besonderes passiert.

»Mutter.« Der Marquess verneigte sich leicht.

»Vincent«, erwiderte sie kühl.

»Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe. Der Schneider ist gerade hier, um letzte Änderungen an der Robe vorzunehmen. Er hat vorgeschlagen, dass ich den Korridor entlanggehe. Damit ich ein Gefühl dafür bekomme, wie es im House of Lords sein wird.«

»Natürlich.« Lady Mildred gönnte ihrem Sohn das kostbare Erbstück nicht. Noch weniger gönnte sie ihm, dass er in dem langen Umhang aus scharlachrotem Wollstoff mit dem Kragen aus weißem Fell eine gute Figur machte.

Die dreieinhalb weißen Fellstreifen auf der rechten Seite der Robe, abgesetzt mit goldener Borte, wiesen den Träger als Marquess aus. Wie schön wäre es gewesen, Lord Percival darin zu sehen! Seine entzückenden blonden Locken unter dem schwarzen Dreispitz statt der kurzen dunkelbraunen Haare von Lord Vincent! Leider blieb dem jüngeren Sohn diese Ehre verwehrt.

Falls der Marquess of Meadowby auf anerkennende Worte hoffte, konnte er lange warten. Ewig, um genau zu sein. Nie im Leben würde Lady Mildred ihm sagen, dass sein Anblick der Familie zur Ehre gereichte!

Sie machte auf dem Absatz kehrt. Doch statt wie beabsichtigt mit hocherhobenem Kopf in die Richtung zu schreiten, aus der sie gekommen war, stockte sie.

Der Butler kam ihr entgegen. Und zwar ungewöhnlich rasch. Ja, Wilson lief beinahe. Das tat der ranghöchste Angestellte von Renwood Hall sonst nie. Es vertrug sich nicht mit der Würde, die er verkörperte.

Er hielt ein kleines Silbertablett vor sich. Darauf lag ein Brief. Jäh schlug Lady Mildreds Herz, das sich gerade wieder einigermaßen beruhigt hatte, in einem beängstigenden Tempo. Gab es vielleicht endlich, endlich Nachrichten von Lord Percival? Oh, wie sie sich danach sehnte! Ein paar Zeilen nur, die der furchtbaren Ungewissheit ein Ende bereiteten!

Oder sollte sie es sich lieber doch nicht wünschen? Falls es nun schlechte Nachrichten über ihren Percy gab – oder über Mr. O’Sullivan, den Direktor des Internats … Wollte sie die wissen? Nein! Keinem der beiden Männer durfte etwas zugestoßen sein! Sie könnte es nicht ertragen.

Der Butler ging etwas langsamer, als er zur Marchioness kam, um sich zu verbeugen. Es juckte Lady Mildred in den Fingern, den Brief vom Silbertablett zu schnappen und aufzureißen. Ja, ihre rechte Hand zuckte sogar kurz. Aber natürlich beherrschte sie sich. Das Vorrecht, die Post zu lesen, lag ja beim Marquess of Meadowby.

Wilson setzte seinen Weg fort, bis er vor dem jungen Fürsten stand. »Verzeihung, Mylord. Sie wollten unverzüglich informiert werden, falls Post aus Irland eintrifft. Deshalb erlaube ich mir, Sie während der Anprobe zu stören.«

»Ganz recht. Danke, Wilson.« Lord Vincent nahm den Brief, brach das Siegel und faltete das Blatt auseinander.

Diskret trat der Butler ein paar Schritte zurück. Es gab einen triftigen Grund, weshalb er blieb. Schließlich war es möglich, dass sein Herr umgehend eine Antwort zu senden wünschte.

Gleichzeitig meldete sich Wilsons schlechtes Gewissen, denn in seine Professionalität mischte sich ganz persönliches Interesse. Letzteres sollte ein Butler eigentlich unter allen Umständen unterdrücken, doch er war auch nur ein Mensch. Und er hätte gar zu gern erfahren, ob Lord Percival wohlauf war.

Lady Mildreds Kehle entschlüpfte ein leises Ächzen. Sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Ganz fest presste sie die Lippen zusammen, um ihren Ältesten nicht anzuherrschen, endlich den Mund aufzumachen.

Nach einer halben Ewigkeit ließ der Marquess das Blatt sinken. »Percival geht es gut.« Die Erleichterung war ihm deutlich anzuhören.

»Oh!« Lady Mildred klatschte laut in die Hände und schlang die Finger umeinander. »Ist er auch wirklich ganz gesund?«

»Er schreibt, er habe sich in der Nacht des großen Sturms nur eine Erkältung zugezogen, sie jedoch inzwischen vollständig auskuriert.«

»Gott sei Dank! Der arme Percy.« Zugegeben, bei seinem Besuch an Weihnachten hatte er darum gebeten, künftig mit ›Percival‹ angesprochen zu werden. Lady Mildred hatte sich auch daran gehalten. Doch wer konnte es einer Mutter verdenken, in einer Situation wie dieser den vertrauten Kosenamen zu verwenden? Sie warf jegliche Zurückhaltung über Bord und fragte hastig: »Was schreibt er noch?«

»Dass er mit Aufräumarbeiten beschäftigt ist und sich deshalb nur kurz meldet. Alle Schüler haben den Orkan unbeschadet überstanden. Ein Lehrer hat sich entgegen der Anweisung von Mr. O’Sullivan ins Freie gewagt, statt im Haus zu bleiben. Der Mann ist noch nicht wiederaufgetaucht. Abgesehen davon ist das gesamte Personal wohlauf.«

Lady Mildred wurde schwummerig. Percy lebte – und Fergal O’Sullivan auch! Der Himmel hatte ihre Gebete erhört.

Im nächsten Moment spürte sie, wie Lord Vincent sie rechts und der Butler links unterhakten. Dann fand sie sich auf einem Sessel am Rand des Korridors wieder.

»Ein Glas Wasser für Mylady«, sagte ihr Sohn.

»Sehr wohl, Mylord.« Wilson verbeugte sich und eilte mit dem Silbertablett davon.

»Es geht schon wieder«, schwindelte die Marchioness. Ihrem Erstgeborenen gegenüber wollte sie auf keinen Fall Schwäche zeigen.

»Bleib bitte einen Moment sitzen, Mutter. Wir haben so lange auf ein Lebenszeichen von Percival gehofft. Nun ist es da. Auch meine Knie sind ein bisschen weich geworden.«

Lady Mildred erwiderte nichts. Sie war keine Anhängerin von Gesprächen über Gefühle. Schon gar nicht mit ihrem Ältesten. Dass er nun einräumte, nicht so gleichmütig zu sein, wie er auf sie wirkte … Empfand er womöglich doch nicht nur Neid auf seinen jüngeren, attraktiveren Bruder, dem die Herzen zuflogen?

Oder war er lediglich erleichtert, weil er nun wusste, dass er nicht die Verantwortung für Percys Tod trug? Immerhin wäre Percy ohne die Hauruckaktion des älteren Bruders gar nicht in Irland gewesen. Ja, diese Erklärung erschien Lady Mildred einleuchtender. Und überhaupt praktischer. So musste sie sich nicht fragen, ob ihre fest gefügte Meinung tatsächlich der Wahrheit entsprach.

Wilson kehrte zurück. Diesmal stand ein Wasserglas auf dem Silbertablett. Daneben lag eine cremefarbene Karte jener Größe, mit der Damen anderen Damen ihre Besuche ankündigten. Er verbeugte sich. »Bitte sehr, Mylady.«

»Danke.« Die Marchioness nippte widerstrebend. Eigentlich war ihr eher nach etwas Stärkerem zumute. Einem Sherry vielleicht. Andererseits war es dafür wohl noch ein wenig früh.

Mit der freien Hand nahm sie die Karte. Aha. Wappen, Name und Adresse der Duchess of Parbrooke.

Lady Mildred empfand einen Anflug von Schadenfreude, weil man die Karte nah vor sich halten musste, um lesen zu können, von wem sie stammte. Es sei denn, man besaß Adleraugen.

Auf ihrer eigenen Karte für Besuchszwecke hingegen prangte eine größere Schrift. Schon allein aus Rücksicht auf Damen, deren Sehkraft nicht einwandfrei war. Und geschmackvoller fand die Marchioness of Meadowby ihre Karte ebenfalls. Die aufgedruckten Blumenranken und Täubchen waren einfach entzückend.

»Die Duchess of Parbrooke hat vorgesprochen?«, erkundigte sie sich und trank noch einen Schluck Wasser.

Jetzt fühlte sie sich schon deutlich besser. Auch ohne Sherry. Vorgesprochen … Es verschaffte ihr Genugtuung, dieses Wort zu benutzen. Es klang so, als wäre Constance Parbrooke eine zu vernachlässigende Besucherin. Dabei stand sie in der Rangfolge des englischen Adels sogar noch eine Stufe über der Marchioness of Meadowby.

»In der Tat, Mylady. Ihre Gnaden und Lady Helena sind soeben eingetroffen. Die beiden Damen warten im Blauen Salon.«

Lady Mildreds Genugtuung verflüchtigte sich. Ihre Gnaden. So klang es ganz und gar nicht danach, als wäre die Besucherin eine nachgeordnete Aristokratin. Nun gut, diese Anrede stand der Duchess leider zu. Da biss die Maus keinen Faden ab. Obgleich sich die Marchioness, wann immer möglich davor drückte und insgeheim wünschte, ihr Butler würde es auch tun.

Sie stellte das Wasserglas zurück auf das Tablett, das Wilson hielt, und legte die Karte daneben. Dann stand sie auf. Erstaunlich behände für eine Frau, die eben noch einer Ohnmacht nahe gewesen war.

Zufrieden strich sie den Rock ihres schwarzen Witwenkleides glatt. »Vermutlich benötigt die Duchess wieder meine Empfehlung in puncto Hochzeitsempfang. Die Gute gibt sich wirklich alle Mühe, aber sie hat nun mal sechs Jahre in Schottland verbracht. Man darf nicht erwarten, dass sie mit den hiesigen Gepflogenheiten auch nur annähernd so vertraut ist wie ich. Und wir wollen schließlich beide, dass die Hochzeit das Ereignis des Jahres in Südengland wird.«

»Ich komme nach, sobald ich den Schneider verabschiedet habe«, sagte Lord Vincent.

»Wie du meinst«, erwiderte Lady Mildred ohne sonderliche Begeisterung. Sie drehte sich um und ging den Korridor entlang.

Wilson wusste nicht recht, ob er ihr folgen sollte. Eigentlich gehörte es sich, dass er die Marchioness in den Blauen Salon führte. Andererseits brauchte der Hausherr möglicherweise seine Dienste? »Darf ich mir die Frage erlauben, ob Sie meine Assistenz benötigen, Mylord?«

»Begleiten Sie ruhig Mylady, Wilson. Und schicken Sie mir einen Hausdiener, der den Schneider zur Tür bringt. Die Anprobe ist abgeschlossen.«

»Sehr wohl, Mylord.« Der Butler verneigte sich und folgte seiner Herrin rasch. Es war das zweite Mal am heutigen Tage, dass er deutlich schneller ging, als man es ihn in seiner Ausbildung gelehrt hatte. Das schätzte er kein bisschen.

*

Lady Mildred trat durch die Tür, die Wilson ihr aufhielt. »Wie schön, dass Sie mich besuchen, meine Lieben. Es gibt vortreffliche Neuigkeiten: Percy … val ist wohlauf!«

»Wirklich!« Die Duchess of Parbrooke stand auf, um die zukünftige Schwiegermutter ihrer ältesten Tochter zu begrüßen. »Was für eine vortreffliche Nachricht. Wir alle haben mit Ihnen gebangt, Lady Mildred. Nicht wahr, Helena?«

Die Neunzehnjährige mit den tizianroten Haaren nickte. »Ja, das haben wir. Wie erleichtert Sie sein müssen, Lady Mildred.«

»Oh, das bin ich in der Tat. Vielen Dank für Ihr Mitgefühl, Duchess. Und für Ihres, Lady Helena. Die Ungewissheit war wirklich grässlich. Eine solch harte Prüfung wünsche ich keiner Mutter.«

»Natürlich. Ich bin so froh, dass diese Prüfung gut ausgegangen ist«, erklärte Lady Constance. »Wann hat die gute Neuigkeit Sie denn erreicht?«

»Vor wenigen Minuten erst kam der erlösende Brief. Eine solche Freude! Nun kann ich endlich wieder ruhig schlafen. Sie beide trinken doch einen Tee mit mir?«

»Sehr gern, Lady Mildred«, antwortete die Duchess of Parbrooke freundlich. »Und wir hoffen sehr, dass wir dabei Gelegenheit bekommen, Lord Vincent in seiner Robe für die Parlamentseröffnung zu sehen.«

Die Marchioness blinzelte irritiert. Diente dieser Besuch etwa gar nicht dem Einholen ihrer Expertise in Sachen Hochzeitsvorbereitungen? Waren die beiden Damen vielmehr wegen des Marquess of Meadowby hier?

»Die Anprobe ist doch heute?«, vergewisserte sich Constance Parbrooke, weil ihre Gastgeberin so verdutzt dreinblickte.

»Ja. Mittlerweile ist sie schon vorbei, glaube ich. Mein Sohn sagte vor ein paar Minuten, er werde uns gleich Gesellschaft leisten.«

»Ach, tun Sie mir doch den Gefallen und fragen Sie ihn, ob wir einen kurzen Blick auf ihn werfen dürfen. Bevor er sich umzieht. Wir sind ja so gespannt. Nicht wahr, Helena?«

Jäh wusste Lady Helena: Es war keine gute Idee gewesen, ihrer Mutter von Lord Vincents Termin mit dem Schneider zu erzählen.

Sie hatte den Termin gestern nur beiläufig erwähnt. Als die Duchess heute nach Renwood Hall hatte fahren wollen, war Lady Helena gar nicht in den Sinn gekommen, den Grund zu hinterfragen. Es ging um die bevorstehende Hochzeit, hatte sie vermutet – und gehofft, ihren Verlobten zu sehen. Eigentlich sollte sie das nämlich erst morgen Abend tun. Dann wollte Lord Vincent sie in Axbury Manor besuchen. Lady Helena hatte nur zu gern die Chance genutzt, ihn schon vorher zu treffen.

Doch nun stand sie ihrer künftigen Schwiegermutter gegenüber und sollte bestätigen, dass auch sie selbst den Marquess in seiner Parlamentsrobe zu sehen wünschte.

Diese Roben waren für Männer gedacht. Getragen wurden sie im House of Lords. Also unter Männern. Niemals hätte Lady Helena ihren Verlobten gebeten, sich ihr in dieser Robe zu präsentieren. Weder vor noch nach der Hochzeit.

Warum lag der Duchess so viel daran, ihn in diesem Umhang zu sehen? Es schien ja regelrecht, als könne sie unter keinen Umständen darauf verzichten!

Lady Helena war daran gewöhnt, dass ihre Mutter Konventionen gern durchbrach. Constance Parbrooke sagte oder tat immer mal wieder etwas, das andere Adelige in Erstaunen versetzte. Heute allerdings brachte sie ihre älteste Tochter damit in große Verlegenheit.