Eine Prise Angst - Hannes Nygaard - E-Book

Eine Prise Angst E-Book

Hannes Nygaard

4,5

Beschreibung

Hannes Nygaard nimmt seine Leser mit auf eine kriminelle Reise. Große und kleine Verbrecher begehen geschickt getarnte Morde, geraten unfreiwillig in dunkle Machenschaften oder erliegen dem Fluch von Hass, Gier und Leidenschaft. Außergewöhnliche Mordmethoden und die skurrilen Beteiligten garantieren ein kurzweiliges und schwarzes Lesevergnügen.

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Rainer Dissars-Nygaard, Jahrgang 1949, studierte Betriebswirtschaft und war als Unternehmensberater tätig. Er lebt als freier Autor auf der Insel Nordstrand. Im Emons Verlag erschienen unter dem Pseudonym Hannes Nygaard die Hinterm Deich Krimis »Tod in der Marsch«, »Vom Himmel hoch«, »Mordlicht«, »Tod an der Förde«, »Todeshaus am Deich«, »Küstenfilz«, »Todesküste«, »Tod am Kanal«, »Der Inselkönig«, »Der Tote vom Kliff«, »Sturmtief«, »Schwelbrand«, »Tod im Koog« sowie die Niedersachsen Krimis »Mord an der Leine«, »Niedersachsen Mafia« und »Das Finale«.

www.hannes-nygaard.de

Handlungen und Personen der Geschichten in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.

© 2012 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagmotiv: Heribert Stragholz Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch, Berlin eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-068-1 Kurzkrimis Originalausgabe

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Dieses Buch wurde vermittelt durch die Agentur EDITIO DIALOG

Für Christiane und Michael

Ich habe keine Angst vor dem Tod,ich möchte nur nicht dabei sein, wenn’s passiert.

Woody Allen

Der Wein der Pharisäer

»Tjä«, quetschte Helgo Dethleffsen zwischen den nikotingelben Zähnen hervor, die das durchgebissene Mundstück seiner Pfeife hielten. Dann schloss er die Lippen, zog an der Pfeife, dass die Glut hell aufglimmte, ließ den Rauch im Mund kreisen, als würde er einen guten Wein verkosten, bis er den blauen Qualm schließlich durch den Mundwinkel ins Freie entließ.

Das wettergegerbte Gesicht mit den buschigen grauen Brauen über den blauen Augen, die breite Knollennase, der Vollbart, der den Mund umschloss, und die kurzen grauen Haare ließen erahnen, dass Dethleffsen über die Erfahrung vieler Lebensjahre verfügte.

»Was meinen Sie damit?«, fragte sein Gegenüber. Der gedrungene Mann mit dem runden Gesicht und dem kahlen Kopf, der nur von einem Haarkranz umsäumt wurde, sah Dethleffsen an. Der nickte nur bedächtig, griff mit seiner schwieligen rechten Hand zur Pfeife, nahm sie aus dem Mund, während die andere Hand zum Bierglas griff. Mit zwei großen Schlucken leerte Dethleffsen das Trinkgefäß, ließ ein erleichtertes »Ahh« hören und hob sein Glas in Richtung des Wirts, der hinterm Tresen stand und die vier Männer am Stammtisch beobachtete.

»Helgo meint, dass man das nicht so eng sehen darf. Wenn wir alles machen würden, was die da drüben beschließen, dann wären wir schon lange abgesoffen.« Jens-Ove Nissen war ebenfalls braun gebrannt, aber gut zwanzig Jahre jünger als Dethleffsen. Seine kräftige Statur, die sich unter dem karierten Hemd abzeichnenden Muskeln und die blonden Haare zeugten davon, dass er im Freien arbeitete.

»Gesetze gelten überall, auch auf einer Insel«, beharrte der Fremde in seinem schwäbischen Dialekt. »Das Rauchen ist in Gaststätten nun einmal verboten.«

»Ich habe gehört, dass das auf dem Festland so ist«, mischte sich der Vierte ein. Fiete Horn hatte die langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der über dem offenen Hemdkragen hing und dessen Spitze zwischen den Schulterblättern baumelte. Er war unrasiert, wobei nicht zu erkennen war, ob die Stoppeln einen Dreitagbart darstellten oder nur eine Nachlässigkeit waren.

»Das ist gar keine richtige Insel«, wandte Traugott Beuerle ein. »Schließlich gibt es einen Damm zum Festland.«

Fiete Horn hob sein Schnapsglas bis in Kopfhöhe und sah die Männer in der Runde an. »Prost«, sagte er und stürzte den Aquavit mit einem Schluck hinunter. Die beiden Einheimischen folgten seinem Beispiel. Dann spülten sie mit Bier nach.

Beuerle schüttelte sich. »Wie kann man nur so viel von den scharfen Sachen trinken.« Er griff zu seinem Weinglas und nippte vorsichtig daran.

»Das war jetzt eine ganze Menge, was Sie erzählt haben«, sagte Horn, der während der Saison Touristen durchs Watt führte. »Also. Wenn das Rauchen in Gaststätten auf dem Festland verboten ist, so ist das hier im Krug auf Nordstrand was anderes. Und nur weil wir einen Damm haben, sind wir noch lange kein Festland. Sylt hat auch einen Damm. Und niemand wird behaupten, dass Sylt keine Insel ist.«

»Sie verstehen das nicht«, erwiderte Beuerle. »Das ist doch etwas ganz anderes.«

»Wollen Sie uns die Welt erklären?«, fragte Jens-Ove Nissen, der als Decksmann auf der Fähre arbeitete, die von hier aus die Halligen im Wattenmeer anlief.

»Sylt. Dorthin verkehrt die Eisenbahn. Außerdem können Sie Nordstrand nicht mit Sylt vergleichen.«

»Nee«, erwiderte Fiete Horn. »Hier fühlen wir uns wohler.« Dann zeigte er mit der Spitze seiner Zigarette auf Beuerle. »Und Sie auch. Sonst würden Sie hier nicht Urlaub machen.«

»Das ist doch etwas ganz anderes«, wiederholte der Schwabe seinen Lieblingssatz.

Jens-Ove Nissen sah zum Tresen hinüber. »Noch eine Runde«, rief er dem Wirt zu. »Ach, mach man gleich zwei. Und für unseren Freund hier«, dabei zeigte er auf Beuerle, »auch eine.«

»Um Gottes willen«, protestierte der Schwabe. »Das viele Bier … Da kann ich die ganze Nacht nicht schlafen, weil ich ständig auf die Toilette muss.«

»Das ist gesund«, lachte Fiete Horn. »Was meinen Sie, warum es hier keinen Nierenarzt gibt? Fragen Sie einen Urologen. Der wird Ihnen bestätigen, dass viel trinken fit hält.«

»Aber doch kein Bier.« Beuerle schüttelte missbilligend den Kopf. »Im Bier sind Purine. Davon bekommen Sie Gicht.«

»Ich weiß nicht, was Sie in Ihren Wein mischen, aber unser Bier wird nach dem Reinheitsgebot gebraut. Das steht auf jeder Flasche. Habt ihr schon einmal gelesen, dass da diese Pu-Dingsbums drin sind?« Nissen sah Dethleffsen und Horn an.

Der Wattführer schüttelte den Kopf, während es Dethleffsen bei einem »Tjä« beließ. »Und den Schnaps trinken wir zur Vorsicht. Damit wärmen wir uns den Magen an, damit er sich nicht erschrickt, wenn das kalte Bier folgt.«

Beuerle sah in sein Weinglas, bevor er erneut daran nippte. Dann hielt er es gegen das Licht, kniff die Augen zusammen und betrachtete nachdenklich das Rubinrot, das durch das Glas schimmerte. »Darin liegt die Wahrheit, meine Herren. Das ist Kultur. Schon im Altertum haben die Menschen Wein getrunken. Aber das, was Sie da in sich hineinschütten … Brrrh!«

»Wer sagt denn, dass wir hier keinen Wein konsumieren?«, fragte Horn, nachdem er einen großen Schluck Bier getrunken und den Schaum von den Lippen im Hemdsärmel abgewischt hatte.

»Ich bin seit einer Woche hier«, erklärte Beuerle. »Und jeden Abend habe ich Sie gesehen. Alle drei. Sie sitzen hier, sprechen wenig, er da«, dabei zeigte er auf Dethleffsen, »sagt überhaupt nichts. Und dann trinken Sie. Bier und Schnaps. Bier und Schnaps.«

»Das stimmt nicht«, warf Horn ein. »Wenn es kalt ist, trinken wir Pharisäer.«

Beuerle wurde hellhörig. »Davon habe ich schon gehört.«

»Der ist auf Nordstrand erfunden worden. Nach der Taufe oder bei Beerdigungen saß der Pastor mit am Tisch. Solange der im Hause war, durfte kein Alkohol ausgeschenkt werden. Die Bauern haben deshalb Kaffee angeboten, stark und mit viel Zucker. In den Kaffee haben sie Rum geschüttet, nur nicht in den Becher des Pastors. Damit der Alkohol nicht riecht, gab es einen ordentlichen Klecks Sahne obendrauf. Nun wunderte sich der Pastor, dass seine Nachbarn immer fröhlicher wurden. Misstrauisch griff er sich die Tasse seines Nebenmanns und schmeckte den Rum. ›Oh, ihr Pharisäer‹, hat er da ausgerufen.«

Beuerle winkte ab. »Das glaube ich nicht. Rum! Das klingt wieder rückständig. Ich kenne das als Rüdesheimer Kaffee mit Cognac.«

»Cognac?«, fragte Nissen. »Da ist doch Wein drin.«

»Der wird aus edlen Reben gebrannt«, korrigierte ihn Beuerle und spitzte die Lippen. »Das ist Kultur. Aber Rum …« Dann schüttelte er sich, während die drei Einheimischen erneut ihre Schnapsgläser leerten.

»Also Wein … Den trinken wir auch. Wenn es richtig kalt ist, der Wind aus Nordwest bläst und das Reet auf dem Dach knattert, dann trinken wir Wein.«

Beuerle musterte Fiete Horn aus zusammengekniffenen Augen. »Das habe ich noch nie erlebt. Sie trinken wirklich Wein?«

»Ja«, strahlte Fiete Horn. »Das tut richtig gut und beugt jeder Erkältung vor.«

Der Schwabe schüttelte nachdenklich den Kopf. Dann tippte er sich an die Stirn. »Der viele Schnaps scheint Ihren Verstand zu vernebeln.«

»Nein«, griente Horn. »Ein guter Rotwein, dazu Zimt, Gewürze, Nelken und Zucker. Das Ganze aufgekocht. Haben Sie eine Ahnung, wie das aufheizt. Und wenn das nicht reicht, kommt noch ein ordentlicher Schuss Rum hinein. Das trinken wir hier häufig im Winter.« Er nickte versonnen und schnalzte mit der Zunge. »Ja. So ein schöner Rotwein ist schon ein Genuss.«

»Das ist allerschlimmster Kulturfrevel«, schimpfte Traugott Beuerle. »Sie können doch keinen Wein kochen.«

»Doch«, lachte ihn Nissen an. »Im Herbst gibt es Weißwein.« Er leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Ich muss Ihnen recht geben. Ohne einen guten Weißwein ist der Herbst nichts.«

»Sie sollten sich ein Beispiel an Ihrem Nachbarn nehmen«, fuhr Beuerle Fiete Horn an. »Der kocht keinen Rotwein.«

»Doch!«, lachte Horn. »Oder wollen Sie die Muscheln im kalten Weißwein essen? Wir kochen sie im Weißweinsud. Eine Delikatesse. Hmh!«

Beuerle war vor Zorn rot angelaufen. Er klopfte sich heftig mit der Faust gegen die Brust. »Das ist ja ekelhaft. Und ausgerechnet mir erzählen Sie so etwas.«

»Wieso, was ist denn mit Ihnen?«, fragte Fiete Horn und legte den Kopf ein wenig schief. Dann schob er sein Schnapsglas über den Tisch in Richtung Beuerle. »Das hilft bei verstimmtem Magen. Echt.«

»Wissen Sie nicht, wen Sie vor sich haben?« Beuerle schnappte nach Luft. »Ich bin der Chef der Buchhaltung einer Winzereigenossenschaft.«

»Donnerwetter«, staunte Horn und zeigte auf den schweigsamen Dethleffsen. »Dann sitzen ja lauter Experten am Tisch. Er da brennt Schnaps. Schwarz.«

»Tjä«, erwiderte Dethleffsen und zog an seiner Pfeife.

Sie wurden durch den Wirt unterbrochen, der die nächste Runde brachte.

»Haben Sie ein Alkoholproblem auf der Insel?«, fragte Beuerle.

Die drei Einheimischen sahen sich an. Dann schüttelten sie einträchtig den Kopf. »Es gibt hier eine Gruppe der Anonymen Alkoholiker. Aber hier bleibt ja nichts geheim. Da ist nichts mit anonym.«

»Das muss bei Ihnen eine Art Gemeindeversammlung sein«, lästerte Beuerle. »Sie versaufen doch Ihren ganzen Verstand. Das kommt davon, wenn man am Ende der Welt lebt. Sie haben ja nichts anderes als die Trunksucht.«

»So ist das nicht«, sagte Fiete Horn nach einer Weile. »Es gibt hier eine Menge Kultur. Der Shantychor, der Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr, und manchmal spricht auch unser Bürgermeister. Und zweimal im Jahr stellt Trine Feddersen ihre selbst gemalten Bilder in der Käseabteilung beim Kaufmann aus.«

Beuerle sah abfällig auf Horns schwielige Hände. »Mich wundert gar nichts mehr. Ich habe gelesen, dass es auf den kleinen Inseln Zwergschulen gibt: ein Lehrer und drei Kinder.«

»Was wollen Sie damit sagen?« In Nissens Stimme schwang deutlich Verärgerung mit.

»Leute wie Sie können es nicht besser wissen«, fuhr Beuerle im Zorn fort. Dann zeigte er auf Nissens Hände. »Was arbeiten Sie?«

»Ich bin Decksmann auf der Fähre. Wenn wir anlegen, springe ich mit dem Tau in der Hand an Land und lege es um den Poller. Das kostet viel Kraft, und wenn das Schiff ungünstig aufkommt, dann reißt der Tampen durch die Handfläche. Im Laufe der Jahre werden die Hände so rau wie das Wetter bei uns hinterm Deich. Ist aber immer noch besser als er da.« Nissen zeigte auf Dethleffsen, der an seiner Pfeife nuckelte und »tjä« sagte.

»Helgo Dethleffsen ist Fischer. Der hat den ganzen Tag über toten Fisch in der Hand. Den Gestank wirst du nie mehr los. Der ist ein armer Wicht.« Nissen schüttelte bedauernd den Kopf. »Der kann nicht mal eben mit der Nachbarin fremdgehen. Nee. Das riecht der Ehemann, wenn er nach Hause kommt.«

Beuerle rümpfte die Nase. Instinktiv rückte er ein wenig vom schweigsamen Dethleffsen ab. »Und Sie?«, fragte er Fiete Horn.

»Im Sommer bin ich Wattführer. Ich gehe mit den Touristen ins Wattenmeer, erkläre ihnen die wunderbare Natur des einzigartigen Wattenmeeres und genieße es, dort zu leben, wo Sie nur einmal im Jahr im Urlaub sein dürfen.«

»Sind Sie der, der mit dieser verrosteten Grabegabel herumläuft und Würmer aus dem Matsch gräbt?«

Horn nickte. »Das ist kein Matsch, sondern Mudd, in den viele Leute für teures Geld als Schlammpackung hineinschlüpfen. Ich habe mich schon oft gefragt, wie dumm manche Binnenländer sind, dass sie so viel dafür bezahlen, um im Dreck zu liegen.«

»Sie sind von uns abhängig. Sonst gibt es doch nichts in dieser Einöde.« Beuerles Stimme hatte einen belehrenden Tonfall angenommen. Dann tippte er sich gegen die Stirn. »Das ist doch kein Beruf, durch den Matsch zu laufen.«

»Neben dem Wissen um die Geheimnisse der Natur müssen Sie auch das Meer kennen. Das Wasser spaßt nicht. Es kann tückisch sein. Sie müssen wissen, wohin Sie laufen, wenn die Flut kommt.«

»Das ist doch kein Problem. Ich sehe doch den Strand.«

»Wenn Sie Pech haben, sind Sie auf einer Sandbank, und zwischen Ihnen und dem Strand verläuft ein Priel. Dann sind Sie abgeschnitten.« Horns Stimme war der erhebliche Alkoholkonsum inzwischen anzumerken. Er sprach schon lange nicht mehr so deutlich wie zu Anfang.

»Quatsch«, erwiderte Beuerle. »Und selbst wenn die Füße ein wenig nass werden – was macht das.«

»Das ist lebensgefährlich«, mischte sich Nissen ein und sah gemeinsam mit den anderen zu Dethleffsen, dessen Kopf auf die Brust gesunken war und der sich mit gleichmäßigen tiefen Schnarchtönen meldete.

»Maßlose Übertreibung. Sie wollen sich nur wichtigmachen.«

Nissen musterte Beuerle aus glasigen Augen. Dann schwenkte er den Zeigefinger hin und her. »Fiete hat recht. Das Wasser ist gefährlich. An der Küste ist schon mancher umgekommen, der sich zu weit vorgewagt hat.«

»Schauermärchen«, winkte Beuerle ab. »Sie sind nichts weiter als abergläubische Kulturbanausen. Sie werden sehen.« Er griff sein Weinglas und nippte daran. »Wenn ich im Alter einen guten Tropfen genießen werde, hat Sie alle schon lange der Teufel geholt.«

»Darauf würde ich nicht wetten«, lallte Nissen und hatte Mühe, die Augen aufzuhalten.

»Noch eine Runde«, rief Fiete Horn zum Wirt hinüber und schüttelte Dethleffsen, dessen Kopf auf die Tischplatte gesunken war und der inzwischen lauter schnarchte.

Beuerle erhob sich und sah verächtlich auf die drei Zechkumpane. »Was seid ihr nur für Pharisäer. Ich habe es nicht nötig, mit solchen Leuten meinen Urlaub zu verbringen. Nein! Das war mein letzter Tag auf dieser Insel.«

Am blauen Himmel hingen ein paar weiße Schäfchenwolken, die mit dem auffrischenden Wind rasch Richtung Festland trieben. Es roch nach Salz und Meer, nach Tang und Fisch. Helgo Dethleffsen stapelte Fischkisten aufeinander, die er mit aufs Boot nehmen wollte, um sie mit der Beute des neuen Tages zu füllen. Er sah auf und blinzelte unter dem Schirm seiner Prinz-Heinrich-Mütze gegen die Sonne, als Fiete Horn näher kam.

»Moin«, grüßte der Wattführer und stützte sich auf den Stiel seiner Grabegabel.

Dethleffsen nickte und zog an seiner Pfeife. »Hast du eine Führung?«, fragte er und presste jeden Buchstaben einzeln zwischen den geschlossenen Zähnen hervor.

»Ja. Süddeutsche.«

»Woher?«, erkundigte sich Dethleffsen.

»Aus der Gegend um Hannover.«

Dethleffsen angelte nach einer Sandscholle, die vom Vortag in einer der Fischkisten geblieben war. Gedankenverloren betrachtete er den Plattfisch in seiner Hand. »Hast du Jens-Ove schon gesehen?«

»Nee. Was ist mit dem?«

»Der hat Ärger mit seinem Käpt’n. Auf der Fähre fehlt ein Stück Tau«, erklärte Dethleffsen.

»Und?«, fragte Horn. »Hast du die andere Neuigkeit schon gehört?«

»Was?«

»Der von gestern – der Schwabe. Der ist tot geblieben.«

»Wirklich? Wie das? Wir haben ihn doch gewarnt, dass das Watt gefährlich ist.«

»Stimmt.« Fiete Horn nickte abwesend. »Die Sache hat nur einen Haken.«

»Und?«

»Man hat ihn auf der Binnenseite des Deiches gefunden.«

Dethleffsen überlegte eine Weile. »Wir hatten ja kein Hochwasser die Nacht, sodass er nicht rübergespült worden ist.«

»Nee. Er ist auch nicht ertrunken.«

»So. Der war doch gar nicht so alt. In diesen Jahren kommt man doch nur durch Ertrinken ums Leben.«

Horn kratzte sich am Kopf. »Man weiß es noch nicht genau. Vielleicht ist er erstickt. Man hat ihm eine Scholle in den Hals gedrückt, sodass er keine Luft mehr bekommen hat.«

Beide sahen auf die Sandscholle in Dethleffsens Hand. Der Fischer wiegte nachdenklich den Kopf. »Dabei sind die im Augenblick so teuer«, gab er zu bedenken. »Und an der Scholle ist er erstickt?«

»Vielleicht«, erwiderte Horn. »Kann aber auch sein, dass er erwürgt wurde. Mit dem Tau, das um sein Hals gelegt war. Da hat jemand kräftig dran gezogen.«

»Und eins von den beiden war die Todesursache?« Dethleffsen zog ungläubig die Augenbrauen in die Höhe. »Komisch.«

»Vielleicht auch nicht. Das muss der Rechtsmediziner feststellen.«

»Was gibt’s denn sonst noch?«

Horn druckste ein wenig herum. »In seiner Brust steckte eine Grabegabel.«

Dethleffsen schüttelte nachdenklich den Kopf. »Na ja«, meinte er nach einer Weile. »Er hatte sowieso gesagt, er wollte nicht wiederkommen.«

Versonnen sahen beide den Wolken nach. Es schien eine Ewigkeit vergangen, bis sich Horn zu Wort meldete. »Du?«

»Tjä?«

»Vielleicht hat der Schwabe ja doch recht, und wir sollten ein bisschen weniger saufen.«

»Meinst du?«

»Ja.«

Dethleffsen seufzte. »Vielleicht sollten wir es statt mit Bier und Schnaps doch einmal mit Wein versuchen.«

Husumer Nachrichten vom 21. März 2009

Schleswig-Holstein wird Weinbauland. Schon im April will sich das Kieler Kabinett damit befassen. Werden dann die Reben gesetzt, gibt es in drei Jahren den ersten »Nordwein«.

Bereits im April will sich das Kieler Kabinett mit dem Entwurf einer Landesweinverordnung für Schleswig-Holstein befassen.

»Noch im Frühjahr könnten die ersten Reben gesetzt werden«, sagt Christian Seyfert, Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Kiel. »Mit dem ersten nennenswerten Ertrag wäre dann 2011 oder 2012 zu rechnen.«

Der Entwurf ist bereits sehr konkret: Der Weinkenner darf zu seiner Liste der Weinbaugebiete in Deutschland nun auch »Nordfriesland-Holstein« hinzufügen.

Auf eine Zigarette

»Mmh… nach Oldenburg willst du umziehen… da habe ich schon mal was von gehört…« Ahmet zog an seiner Zigarette mit dem schwarzen Tabak und entließ den Rauch langsam durch die gespitzten Lippen. Gedankenverloren sah er den blauen Schwaden nach, die zur Decke der Teestube waberten. Dann griff er zur kleinen Tasse und nahm schlürfend einen Schluck zu sich. »Da wohnt ein Freund von mir. ›Komische Leute‹, sagt er. ›Die essen so ein grünes Zeug, Grünkohl, dazu Undefinierbares mit dem merkwürdigen Namen Pinkel. Das erinnert mich immer an… na, du weißt schon. Und viel Schweinefleisch‹. Brrrh.« Ahmet schüttelte sich. »Das soll ein besonderes Volk sein, diese Ostfriesen.«

Ozman schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht. Oldenburg liegt nicht weit von der Ostsee entfernt. Ein kleines Städtchen. Sehr ländlich. Und lauter nette Leute.«

»Nee, das ist eine große Stadt. Die haben sogar eine Universität.«

»Kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht verwechselst du etwas«, antwortete Ozman nachdenklich.

»Bestimmt nicht. Ich kenne mich aus in Deutschland«, beharrte Ahmet. »Besser als die Deutschen.«

Es war viele Jahre her, dass Ozman und Ahmet sich in der Teestube gegenübergesessen hatten. Damals, als Ozman seine Arbeit als Schweißer in einem Metallbetrieb verloren hatte. Es war schwer gewesen, eine neue Beschäftigung zu finden. Er war nicht der Einzige, der in Lübeck auf Arbeitssuche gewesen war. Viele Angebote hatte er nicht erhalten. Wenn er ehrlich war, eigentlich gar keine. So war er notgedrungen nach Oldenburg in Holstein umgezogen und hatte die Tätigkeit als Gebäudereiniger angenommen. Ozman, der Putzteufel, der zunächst für die Toiletten zuständig war, später aber auch Klassenräume und Büros reinigen durfte. Ihn hatte es nicht gestört. Hauptsache, er hatte eine Beschäftigung, er war zufrieden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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