Eine Singlehochzeit zum Verlieben - Mira Morton - E-Book

Eine Singlehochzeit zum Verlieben E-Book

Mira Morton

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Beschreibung

Sie sind Engel und Teufel …

"Wie lange sind Sie schon hier?"
"Also rein physisch gesehen, sechsunddreißig Jahre", antworte ich ihm.

Wie gebannt starrt Marisa ihn an. Vor Schreck vergisst sie sogar zu atmen, denn nie und nimmer hätte die Partyplanerin auf ihrem Kontrollgang einen so verdammt attraktiven Mann im Badezimmer der Privatvilla erwartet. Noch dazu nur in Shorts. Und er hat Charisma. Leider wird Marisa schnell klar: Für diesen arroganten und selbstbewussten Dunkelhaarigen wird sie nie mehr als der Anstandswauwau dieser Geburtstagsparty sein. Personal eben. Doch schon wenig später ahnt Marisa, dass sie trotz allem ihr Herz an diesen Engel verloren hat. Und dann macht er ihr auch noch aus heiterem Himmel einen Heiratsantrag. Den muss sie ja ablehnen, oder?

Der Bestseller ist der erste Band des humorvollen und romantischen Zweiteilers von Mira Morton. Die Liebesgeschichte wird in Band 2 fortgeführt.

"Marry me"-Zweiteiler:
(1) Eine Singlehochzeit zum Verlieben – Wien
(2) Zwei Singleflitterwochen zum Verlieben – Wien, Florida, Aruba (Karibik)

Die beiden Romane gehören zusammen.

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Inhaltsverzeichnis

 

Titel

 

1 - Der Job

2 - Der Engel

3 - Der Vertrag

4 - Der Antrag

5 - Das Gespräch

6 - Die Vorbereitungen

7 - Die Planung nimmt Fahrt auf

8 - Das Kleid

9 - Die Offenbarung

10 - Der Heurige

11 - Die Engelskarten

12 - Der Besuch

13 - Der Tiersonntag

14 - Die Überraschung

15 - Die Stadt

16 - Die Nacht

17 - Die Diva

18 - Die Vorbereitungen

19 - Der letzte Abend vor der Hochzeit

20 - Die Singlehochzeit

21 - Das Feuerwerk

 

Alle bisher erschienenen Romane von Mira Morton

Leseprobe aus: ›Zwei Singleflitterwochen zum Verlieben‹

 

Danke!

Keltisches Kreuz mit dem Engelstarot legen

Quellennachweise

 

Die Autorin

Impressum

Viel Spaß mit meinem Roman

und keep on dreamin´!

Herzlichst,

Facebook:www.facebook.com/MiraMorton.Autorin

www.miramorton.com

[email protected]

Mira Morton

Eine Singlehochzeit zum Verlieben

Roman

Der Job

Samstagabend

 

»Soll ich dir noch ein paar Servietten für später bringen?«, fragt mich Mimi lächelnd.

Verdutzt sehe ich sie an. Stimmt. Im Laufe des Abends habe ich einige Fächer und Schmetterlinge gefaltet, die nun allesamt vor mir auf dem Stehtisch liegen. Das mache ich immer, wenn ich nicht weiß, wohin mit mir, und es zwischendurch nichts für mich zu tun gibt.

»Nein danke, Mimi. Ich werde mal eine Kontrollrunde machen und checken, ob draußen an der Poolbar alles in Ordnung ist.«

»Super, Marisa. Aber kannst du bitte zuerst in den ersten Stock hinaufgehen und nachsehen, ob sich irgendjemand von den Gästen nach oben geschlichen hat? Ein Mädel vom Catering hat gemeint, sie habe etwas gehört, aber ich muss leider noch einmal zurück in die Küche«, sagt Mimi.

»Klar, kein Problem«, antworte ich meiner Chefin, doch die ruft nur kurz ein »Danke, Marisa!« in meine Richtung und stöckelt mit zwei leeren Gin-Flaschen davon.

Partys zu planen und zu betreuen klingt in der Theorie eindeutig besser als in der Praxis. Noch dazu, wo diese hier in einer Privatvilla stattfindet. Das bedeutet für uns, einen Sack alkoholisierter Flöhe zu bewachen und aufzupassen, dass niemand in der Hitze des Gefechts das Haus des Eigentümers verwüstet.

Unwillkürlich schüttle ich den Kopf. Was bitte ist an unserem Schild ›Privatbereich – Zutritt verboten‹, das am Fuße des Stiegenaufgangs steht, nicht zu verstehen? Also für den Fall, dass tatsächlich jemand im ersten Stock ist?

»Ist hier jemand?«, rufe ich in den menschenleeren langen, aber sehr hellen Gang. Tolle Bilder an den Wänden! Muss ich mir später kurz ansehen. Außerdem: Blöde Frage von mir. Sollten sich zwei jetzt wirklich für eine heiße Nummer in eines der Zimmer zurückgezogen haben, werden sie sicherlich nicht ›Hier‹ schreien.

Soll ich oder soll ich nicht? Mir ist das unangenehm, in die Räume zu sehen. Ich fühl mich wie eine Einbrecherin, denn schließlich weiß ich ja nicht einmal, wer hier wohnt.

Was solls. Das gehört zum Job.

Ich klopfe an die erste der vielen weißen Türen.

Nichts. Keine Antwort.

Trotzdem öffne ich sie vorsichtig.

Verstehe. Das ist ein Büro. Sehr stylisch. Großer Glastisch mit Blick auf die Stadt. Fehlanzeige. Aber so lässt es sich arbeiten.

Gut. Dann eben der nächste Raum.

Uhhh! In diesen Ankleideraum passt ja mein gesamtes Wohnzimmer. Spannend. Lauter Herrenanzüge. Und Hemden! Wer besitzt denn so viele davon? In die Schubladen traue ich mich nicht, hineinzuschauen, es reicht ja schon allein die Schuh- und Gürtelgalerie, die ich sehe. Das Geld hätte ich gern, das hier jemand in Kleidung investiert hat. Da ginge sich locker ein Auto aus. Wenn nicht sogar eine kleine Eigentumswohnung.

Leise schließe ich auch diese Tür wieder hinter mir. Auf zur nächsten. Bin gespannt, was mich hier erwartet.

Lautlos ziehe ich die Tür auf.

Kurz verschlägt es mir die Sprache.

Mit einem »Entschuldigung« versuche ich, mich bemerkbar zu machen, denn in einem riesigen Badezimmer steht ein Mann vor dem Spiegel.

Er dreht sich zu mir um und sieht mich irgendwo zwischen fassungslos und hochgradig verärgert an. Zum Glück habe ich ihn nicht am Klo erwischt. Aber er trägt bloß Shorts und sprüht gerade Parfum auf seine Brust. Beschämt sehe ich schnell zu Boden.

»Hier ist der Privatbereich!«, schnauzt er mich an und ich höre, wie er das Fläschchen auf die Marmorablage stellt. »Wie lange sind Sie schon hier?«

In der Sekunde schaue ich ihn wieder an.

Leider kann ich nicht anders. Ich muss ihn anstarren. Ist der Typ fesch. Wie ein Gemälde. Beinahe unwirklich! Hohe Stirn, braunes gewelltes Haar, kantiges Gesicht. Wirkt entschlossen. Also das Gegenteil von mir.

»Äh, also rein physisch gesehen, sechsunddreißig Jahre«, antworte ich, weil ich die peinliche Situation entspannen möchte.

Mein Lächeln gefriert. Falscher Satz, schätze ich, denn er fixiert mich ungut mit seinen dunkelbraunen Augen.

»Rein physisch gesehen?«, wiederholt er meine, zugegeben nicht sehr einfallsreiche, Antwort.

»War nur ein Scherz. Ich habe eben erst die Tür geöffnet.«

»Verstehe. Und jetzt wollen Sie hier Wurzeln schlagen? Sehen Sie nicht, dass ich beschäftigt bin?«, fährt er mich an.

Okay, okay. Aussehen ist nicht alles. Ich muss mich zusammenreißen, zumal ›freundlich‹ für ihn ein Fremdwort zu sein scheint. Typisch neureicher Schnösel. Aber er hat vielleicht doch vor, in eines der Zimmer zu verschwinden! Vermutlich wartet da schon irgendeine Frau auf ihn. Okay. Höflich bleiben, Marisa. Das hier ist geschäftlich, da interessiert niemanden meine Meinung.

»Entschuldigen Sie, darf ich Sie bitten, äh … sich anzukleiden und schnellstmöglich wieder hinunter zur Party zu gehen? Dieser Teil des Hauses ist, wie Sie ja eben selbst bemerkt haben, privat.«

Ich schicke ihm mein professionelles Lächeln, während er in eine helle Jeans schlüpft.

»Ich kenne Sie gar nicht. Sind Sie ein Gast von Flavio?«, fragt er und knöpft nun wie selbstverständlich ein kurzärmeliges weißes Leinenhemd zu, das rund um seinen Waschbrettbauch noch offen steht.

»Nein, nein! Also … ich bin der Anstandswauwau von Celebrate. Wir richten die Party für Flavio aus«, erkläre ich ihm.

Irgendwie kann ich mich nach wie vor nicht mit diesem Namen für Mimis Firma anfreunden.

»Anstandswauwau? Gibt es dieses Wort tatsächlich noch?«, lächelt er plötzlich und mustert mich.

Was hat er denn?

»Klar gibt es dieses Wort noch! Ich habe es eben verwendet und Sie haben es verstanden.«

»Okay, okay. Akzeptiert. Dann danke. Ich mache mich fertig, wasche mir noch die Hände und hieve meinen, rein physisch gesehen, fast vierzig Jahre alten Körper nach unten«, meint er in einem weitaus sanfteren Tonfall als zuvor.

Ich taxiere verstohlen seine Bauchmuskeln. Kein Vergleich zu allem, was ich in natura bei meinen Ex-Freunden jemals sehen durfte. Hm. Wie viel Zeit der Typ wohl in tägliches Training investiert? Mehr als ich ins Frustfressen. So viel steht fest. Mein Glück. Sonst hätte ich wohl hundert Kilo Übergewicht anstatt nur so um die drei bis fünf. Unwillkürlich ziehe ich meinen Bauch noch ein Stück weiter ein, was leider nicht mehr möglich ist.

»Sehr gut. Aber falls Sie noch einmal ein Badezimmer benötigen, bitte ich Sie, das unten gleich links von der Treppe zu benützen. Es ist beschildert«, presse ich hervor, ohne Luft zu holen.

Er sieht mich mit zusammengekniffenen Augenbrauen an.

»Beschildert? Wunderbar. Das mache ich.«

Was jetzt?

»Gut, dann verlasse ich mich darauf, dass Sie sich umgehend wieder nach unten begeben.«

Ich muss mir für solche Situationen echt einen schärferen Ton zulegen. Der nimmt mich doch nicht ernst, so wie er grinst. Außerdem weiß ich noch immer nicht, was er hier getrieben hat.

»Können Sie«, lächelt er.

Aha. Das heißt wohl: ›Danke, und tschüss!‹

Ich nicke und schließe die Tür hinter ihm.

Öffne sie im nächsten Moment aber wieder.

»Etwas vergessen, Inspektor Columbo?«, fragt er grinsend.

»Äh … nein«, stammle ich.

»Was wollen Sie dann?«

Ich weiche zurück, denn er kommt barfuß – mit hellblauen Mokassins in der Hand – auf mich zu.

»Also, Sie … Sie … äh, Sie müssen mir schwören, dass Sie nicht in eines der Privatzimmer hier verschwinden!«

Direkt vor mir bleibt er stehen und mustert mich von oben bis unten.

»Ich schwöre nie etwas, denn gewöhnlich mache ich exakt das, wonach mir ist. Aber bitte, ich werde eine Ausnahme machen und verspreche feierlich, sobald ich fertig bin, nach unten zu kommen. Beruhigt?«

Wenn ich meinen Herzschlag ernst nehme, bin ich das genaue Gegenteil von beruhigt.

»Ich nehme Sie beim Wort«, sage ich beinahe tonlos, denn er steht so knapp vor mir, dass ich seinen pfefferminzigen Atem spüren und riechen kann. Das teure Parfum auch. »Danke.«

Ich sollte dann wohl …

Schnell schließe ich die Tür hinter mir und lehne mich kurz an die Wand daneben.

Was ist denn mit mir los?

Okay. Dieser Mann ist wie der verbotene Apfel im Paradies. Mit dem Unterschied, dass ich ihn nie werde kosten können, denn einer wie er steht niemals auf eine wie mich.

Durchatmen, ablenken und weitermachen. Welche Wahl habe ich denn?

Ich zupfe an meinem cremefarbenen, völlig unauffälligen Minikleid, aber ich fühle mich nicht hübscher. Es ist hochgeschlossen und schlicht.

Marisa, vergiss den Typen einfach.

Mein Blick fällt wieder auf die Gemälde, die zu beiden Seiten des Gangs hängen. Wow! So schöne Bilder. Jedes einzelne ist beleuchtet und kommt damit noch besser zur Geltung. Ich schätze ja, dieses Haus wird den Eltern von Flavio gehören. Warum sonst soll er seinen Vierziger hier feiern? Herrschaftszeiten. So viel Geld müsste man haben, dass man es in Gemälde investieren könnte. Das wäre mein absoluter Traum.

***

Soll ich nun meine Stöckelschuhe einfach auf den Boden plumpsen lassen oder nicht? Meine Füße schmerzen wie die Hölle. Das ist der Zeitpunkt, an dem ich den Erfinder von High Heels gern verklagen und die Gäste nach Hause schicken würde.

Leider arbeite ich hier, also werde ich weiter leiden müssen.

Ich schiebe meine Kaffeetasse hin und her und stütze meinen Kopf in meine Handflächen. Mimi hat alle Servietten abgeräumt und ich bin gerade zu faul, mir neue zum Falten zu holen.

»Und? Wie findest du die Party bis jetzt?«, will Mimi, quer über den Stehtisch gebeugt, von mir wissen.

Zum Glück haben wir ausreichend Barhocker aufgestellt. Ich hasse ja Stehpartys. Wer denkt eigentlich, dass das kommunikativer ist? Also ich hätte keine Lust, mir stundenlang irgendeine schwachsinnige Geschichte unter Schmerzen und im Stehen anzuhören.

»Na wie schon? Öd. Eine Orgie an Belanglosigkeit und Geschmacklosigkeit, würde ich sagen.« Ich sehe, wie Mimi die Stirn runzelt, und schiebe daher schnell nach: »Nicht, was unsere Dekoration und unser Catering betrifft, natürlich. Das ist alles sehr stilvoll. Viel zu edel, wenn man sieht, wie die sich alle hier aufführen.«

Mimi nickt. Sie ist aber immer so was von eine Mimose, wenn es um ihre Kunden geht! Ja kein falsches Wort. ›Der Kunde ist heilig. Wie auch seine Gäste‹, sagt sie immer.

»Da hast du leider recht. Ich weiß auch nicht, was ich von unserer Eisbar in der Affenhitze halten soll! Aber die Theke sieht tatsächlich wie türkises Gletschereis aus. Die ist dir echt gut gelungen!«, meint Mimi und trinkt wie ich einen Schluck Kaffee.

»Danke, mein Lieblingszwerg«, kichere ich.

Mimi liebt ihren Spitznamen.

»Hör auf!«, lacht sie. »Aber zu etwas ist der Wahnsinn hier gut: Dein Lieblingszwerg war nämlich schon fleißig und hat neue Kontakte geknüpft.«

»Die können wir gut brauchen. Sehr gut, Mimi!«

Mimi nickt.

»Kannst du laut sagen, aber es wird schon. Wirst sehen. Ein paar lukrative Aufträge werden wir schon an Land ziehen.«

Für den vierzigsten Geburtstag von diesem Flavio haben wir Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit alles seinen Wünschen gerecht wird. Angeblich ist sein Vater stinkreich und Flavio verwaltet dessen Immobilien. Na ja. Ist eben so. Paul hat uns das erzählt. Mimis Ehemann hat uns Flavio nämlich vermittelt. Aber das Gute daran ist, dass unser Kunde im Glück schwelgt, denn Flavio hat sich schon zigmal bei uns bedankt. Ja, jetzt hat er seine ›Fire and Ice‹-Party. Draußen im Garten, direkt neben dem Infinity-Pool, haben wir eine Grillstation aufbauen lassen. Mit Chefkoch.

»Erde an Marisa! Weißt du mittlerweile, wem diese Villa hier gehört?«

»Nein, keine Ahnung. Hat Paul nichts gesagt?«

Mimis Mann war ja auch eingeladen, aber er ist nach etwa zwei Stunden wieder abgerauscht. Ich kann ihn verstehen. War wohl mehr ein Anstandsbesuch. Flavio zuliebe. Im Grunde ist es mir ohnehin einerlei, wer diese hypermoderne Villa bewohnt. Am liebsten würde ich gehen. Falsch. Am allerliebsten würde ich mich in einer Sänfte nach Hause tragen lassen, aber wir müssen warten, bis der letzte Gast die Geburtstagsparty verlassen hat, um dann das Aufräumen und Wegschaffen all der gecaterten Gläser, Getränke und des ganzen Essens zu überwachen. Die Deko wird erst morgen abgebaut. Doch es bringt Geld. Gutes Geld, das ich wirklich brauchen kann. Also sehe ich es besser positiv.

»Nein, leider. Ich habe aber auch kaum ein Wort mit Paul gewechselt«, sagt sie.

»Verstehe. Ist ja auch egal«, lächle ich zurück.

»Und? Hast du jemand Interessanten kennengelernt?«

Ja. Den Mann im Badezimmer.

»Nein, nicht wirklich. Ich denke, ich werde wohl auch nach diesem gesellschaftlichen Großereignis Single bleiben.«

Ich mag es, wenn Mimi ihre großen grünen Augen aufreißt.

»Wenn du weiterhin so wählerisch bist, bleibt dir auch gar nichts anderes übrig, als dir endlich einen Hund zu nehmen!«

Ich schlag ihr sanft auf den Arm.

»Ich bin nicht wählerisch, ich warte nur auf den Schmetterlingsschwarm.«

In etwa so einen, wie ich mich für ein paar Sekunden oben im ersten Stock gefühlt habe.

Blödsinn.

Da war ich nur unsicher. Und überrascht. Genau. Das hat nichts mit Schmetterlingen zu tun gehabt.

»So wie du drauf bist, würdest du die Schmetterlinge nicht einmal bemerken, wenn sie schon auf deiner Nase sitzen!«, lacht mich Mimi aus.

»Ist es so schlimm, wenn ich mir einen Mann wünsche, der liebevoll, aufmerksam, intelligent und lustig ist?«, frage ich zurück.

»Nein, und der kommt auch bestimmt. Aber zurück zum Besitzer dieses Nobeletablissements. Flavio hat gesagt, es gehöre seinem besten Freund. Ist der dir irgendwie aufgefallen?«, rätselt sie plötzlich weiter.

Wir kennen nur die Adresse dieser bombastischen sandbeigen Villa und auch draußen, am automatischen Eingangstor, steht nichts außer der Hausnummer. Aber wir sind hier. Welche Info brauchen wir noch?

»Nein, vorgestellt hat ihn mir noch niemand. Aber es ist ja auch unerheblich.«

Der Eigentümer war auf jeden Fall so umsichtig und hat vor dem Fest das gesamte Erdgeschoss ausräumen lassen. Damit muss ich nicht auch noch den Couch-Wauwau spielen.

»Aber ein Zeitvertreib! Es ist ja schon eigenartig, wenn einer seine Villa zur Verfügung stellt und dann nicht einmal auf der Party auftaucht, oder? Also wenn du nicht bei meinem vierzigsten Geburtstag dabei bist, kündige ich dir unsere Freundschaft auf. Aber das wird nicht passieren und daher hast du recht. Uns kann es egal sein. Nicht egal ist mir jedoch, dass wir um sechs Uhr in der Früh auch noch hier sitzen werden, denn die scheinen sich hier alle königlich zu amüsieren«, meint Mimi und ihr Blick schweift über die Gäste.

Warum denke ich andauernd an diesen Typen? Könnt ihr Engel das bitte wieder abstellen? Soll er sich oben im verbotenen Stockwerk vergnügen, wie er will. Was geht mich das an?

Mir ist auf einmal flau im Magen. Wieso gefällt mir dieser Gedanke so ganz und gar nicht?

»Wem sagst du das, Mimi.«

Sie trinkt einen Schluck Kaffee und sieht müde aus.

Draußen heizt ein DJ den Gästen mit einer Monsteranlage ein. Er spielt etwas Südamerikanisches. Bin gespannt, wann der Erste unter dem Gejohle der anderen nackt ins Wasser springt. Das kommt sicher auch noch. Ein Feuerwerk, ein paar mehr oder minder lustige Ansprachen für Flavio sowie das Auffahren der großen Geburtstagstorte mit vierzig Kerzen und der Lebenskerze haben wir wenigstens schon hinter uns gebracht. Aber ich sehe den Badezimmer-Mann nirgendwo, dafür steuert Flavio direkt auf uns zu.

»Da sind ja meine beiden Lieblingsfeen«, grinst er und umarmt Mimi wie selbstverständlich an der Taille, was mir einen kleinen Stich versetzt.

An sich ist er ja wirklich ein Netter. Typisch Italiener. Klein, dunkelhaarig, sehr schmal und ein Charmeur.

»Kommst du mit, Mimi? Ich muss dir unbedingt noch ein paar künftige Kunden vorstellen«, sagt Flavio.

Er strahlt sie schon wieder aus seinen schwarzen Augen an, fasst sie an der Hand und Mimi lässt sich mit einem Schulterzucken in meine Richtung einfach fortziehen. Das geht schon den gesamten Abend so. Wie es aussieht, scheint meine beste Freundin drauf und dran zu sein, in eine Affäre zu schlittern, wenn sie sich ihn nicht vom Leib hält. Mir kommt es seltsam vor, wie die beiden einander immer tief in die Augen sehen.

Der Engel

 

Seit gefühlten Ewigkeiten ist Mimi mitsamt Flavio wie vom Erdboden verschluckt. Langsam wird mir, was die beiden betrifft, echt mulmig zumute und langweilig noch dazu.

Ich hätte lieber etwas Gescheites lernen sollen. Kunstgeschichte! So toll mein Studium auch war, was hab ich jetzt davon? Ich organisiere Hochzeiten und Partys. Also lächeln und durchhalten.

Der Kaffee baut mich wieder etwas auf. Na bestens. Starre ich eben wieder eine Runde die Partygäste an und fühle mich wie eine graue Maus.

Ich schnappe mir ein paar Servietten von der Eisbar und setze mich wieder an unseren Tisch. Ganz hinten. Quasi im letzten Eck des Wohnzimmers.

Mit einem Mal spukt wieder der Mann vom ersten Stock in meinem Kopf herum.

Hm, meine Engel! Was sagt ihr? Das ist doch total oberflächlich und dumm von mir, oder? Außerdem gibt es keine Liebe auf den ersten Blick. Liebe wächst doch. Wenn man sich besser kennenlernt und Ähnlichkeiten feststellt. Ja genau. So ist es. Und außerdem hatten wir doch vereinbart, dass ihr mir das nächste Mal ganz viele Zeichen schickt! So viele, dass sie mich beinahe erschlagen und ich sie nicht übersehen kann. Wisst ihr das noch?

Was ist denn jetzt los? Die Menge im Wohnzimmer teilt sich. Ich halte inne. Jetzt bin ich aber gespannt, wer da im Anmarsch ist.

Oh, oh! Das ist ja der fesche dunkelhaarige Typ vom Badezimmer. Ob das jetzt auch ein Zeichen ist? Nein. Das ist Zufall.

Komisch. Er ist allein. Mein Herz klopft einen Tick schneller, aber ich bin wie paralysiert und muss hinsehen. Selbst die Männer umarmen ihn herzlich. Interessant. Die nächsten Mädels fallen ihm um den Hals. Irgendwie bin ich sauer. Er hatte mir doch versprochen, dass er schnurstracks wieder nach unten geht. Aber ich gebe zu: Der schlägt hier alle. Und zwar mit großem Abstand. Die anderen Typen um ihn herum verblassen geradezu neben ihm. Ausstrahlung hat er auf jeden Fall.

Da steht er. Gestikulierend und lachend. Voll angezogen sieht er nicht weniger attraktiv aus als nur in Boxershorts. Die zerrissene Jeans sitzt perfekt. Die obersten zwei, drei Knöpfe seines weißen Hemds stehen offen und bringen seinen sonnengebräunten Teint wirklich toll zur Geltung. Wie ein Filmstar sieht er aus. Und er benimmt sich auch wie einer.

Mist. Schnell schaue ich auf die Tischplatte. Er hat mich angesehen und mir zugezwinkert! Ich nestle an den Servietten herum und setze mich aufrecht hin.

Ich kann ihn nicht noch einmal so anstarren. Oder doch?

Doch. Kann ich.

Ob es an seinem Zahnpastalächeln liegt, dass er mich so fasziniert? Möglicherweise ist es nur der edle Schnitt seines Gesichts? Es könnte auch schlicht mein nicht existentes Sexleben sein. Vielleicht spielen heute meine Hormone einfach verrückt?

Nur wenig von mir entfernt schnappt er sich zwei Gläser vom Tablett, das ihm eine der Kellnerinnen hinhält. Ich halte den Atem an. Mein Herz klopft mir trotzdem bis aus den Ohren. Nicht jetzt! Kommt er damit zu mir?

Ich seh nach hinten. Nein. Da steht niemand.

»Hallo! Hier, für meinen Anstandswauwau.«

Wie selbstverständlich drückt er mir ein Glas Champagner in die Hand.

»Hallo«, sage ich völlig automatisch.

Was ist denn mit mir los? Ich zittere leicht und das Glas rutscht mir aus der Hand und die gefalteten Servietten mit auf den Boden.

Mit einem »Hoppala« fängt er es auf, ohne groß etwas zu verschütten.

»Danke!«

»Kein Problem«, antwortet er und stellt das Glas vor mir auf den Tisch. »Ich hoffe, du magst Champagner?«

Herrgott! Ich würde auch einen von diesen süßen Likören, die ich so hasse, mit ihm trinken! Aber es ist schon seltsam. Einen Stock tiefer, und wir sind per Du. Spiegelt diese Spontanverbrüderung das Niveau der Party wider?

Ich muss stark bleiben.

»Nein danke. Ich trinke keinen Alkohol.«

»Nie oder nur nicht mit mir?«, fragt er, während er sich bückt.

Was sucht er denn unter dem Tisch?

»Nicht, wenn ich arbeite«, erwidere ich etwas lustlos.

Er taucht wieder auf.

Ist das … peinlich. Wortlos legt er zwei Serviettenherzen auf den Tisch. Hab ich tatsächlich Herzen gefaltet? Ich werde rot.

»Aber die Party läuft doch gut, oder?«, schmunzelt er. »Und was ist gegen ein Glas Champagner einzuwenden? Übrigens: Sehr kunstvoll, die Herzen. Hast du sie gemacht?«

»Ja, möglicherweise nichts und ja«, antworte ich auf seine drei Fragen.

»Das ist doch einmal eine unerwartete Antwort. Selbst in aller Kürze überraschend.«

Ich rutsche unruhig am Hocker hin und her. Muss das sein? Jetzt mustert er mich auch noch von Kopf bis Fuß. Was will er finden? Ich weiß, mein unauffälliges cremefarbenes Kleid ist aus einem Secondhandladen. So ein Topfen! Ich hätte definitiv etwas Schickeres anziehen sollen. Der Fetzen geht hier als Tarnanzug durch, aber sonst auch gar nichts. Nicht einmal Schmuck trage ich und auch meine Wimpern habe ich nicht künstlich verlängern lassen. Also alles in allem frage ich mich, wieso er überhaupt neben mir steht. Dass ich nicht hierher passe, ist ja wohl offensichtlich. Allerdings kommt er neben einer wie mir noch mehr zur Geltung. Vielleicht diene ich als Leinwand und das Gemälde ist er?

Das waren keine Zeichen, meine lieben Engel! Auf so was fall ich nicht rein. Ich bin ja keine Anfängerin.

Sein Blick bleibt an meinem Busen hängen. Schnell lasse ich die Herzen in meiner kleinen Handtasche, die am Tisch liegt, verschwinden.

Aha! Kein Wunder. Das ist bei allen Männern so. Großer Busen ist gleichbedeutend mit großer Verlockung, hinzusehen. Und alles andere auszublenden. Und meiner ist echt. Erstaunt ihn sicher, denn alle anderen hier haben ja Silikonimplantate.

»Überfällst du eigentlich immer Männer im Bad?«, stellt er die nächste überflüssige Frage.

Ich nicke bloß. Wenigstens weiß er, wo meine Augen sind, wenn er mit mir spricht. Aber wieso versucht er kramphaft, Small Talk zu betreiben? Ich weiß, wie das ausgeht. Kaum erzähle ich aus meinem unaufgeregten Leben, macht er spätestens nach fünf Minuten die Fliege.

Moment einmal.

»Äh, was meinst du? Ich hab dich doch nicht überfallen, nur …«

Das Bad kontrolliert, wollte ich sagen, aber er fällt mir ins Wort.

»Ist ja kein Problem, ich hab es ganz amüsant gefunden. Übrigens: tolles Kleid. Sehr stilvoll. Gefällt mir.«

Ich schlucke kurz. Klar. Wir sind Creme in Creme. Also die Villa und ich. Wenn das allein toll ist, ja, dann pass ich hierher wie ein Laubfrosch in die Wiese im Mai.

Wo kommt das her? Denn am liebsten wäre mir glatt, er würde es mir vom Leib reißen.

Was ist das? Wieso habe ich das Gefühl, vorauseilend enttäuscht zu sein, weil er mich nicht ungut anbaggert wie so manch anderer hier?

»Danke. Ist wohl eher so was wie ein Tarnanzug in diesem Haus.«

»Ich würde eher sagen, der perfect match.«

Ich habs gewusst. Er findet auch, dass es besser ist, man nimmt mich erst gar nicht wirklich wahr.

»Jaja, ich weiß! Ich passe perfekt zum Fußboden und zu den Wänden. Pass bloß auf, dass du nicht über mich stolperst! Aber das ist okay, denn das hier ist ohnehin nicht so … also, meine Welt.«

Sehr redegewandt, Marisa. Einfach großartig! Er wird sich denken, ich bin eine Dumpfbacke. Lachen muss er ja schon.

»Was ist denn dann deine Welt? Jetzt hast du mich neugierig gemacht«, meint er und lehnt sich lässig an den Tisch. Lächelt mich an und trinkt einen Schluck.

Wieso fühle ich mich gerade so klein und unscheinbar?

»Tja, du hast mich gefragt. Fällt dir auf, dass die weiblichen Gäste hier ziemlich viel Geld in Schlauchbootlippen, Busenvergrößerungen und Botox investiert haben?«

Ohne auch nur eine der Frauen anzusehen, sagt er: »Ist mir bekannt.«

»Sehr gut, denn das ist auch schon der Unterschied: In meiner Welt investiert man dieses Geld, sofern man es überhaupt hat, in Bücher, ein paar nette Poster von tollen Gemälden und in Dosenfutter fürs Tierheim.«

Ich fixiere ihn.

»Das ist meine Welt. Ich denke, du verstehst den Unterschied.«

Er zuckt nicht einmal mit den Wimpern und sagt: »Das verstehe ich und gerade das interessiert mich. Außerdem hast du Stil.«

Stil? Ich? In meinem Secondhandkleid? Flirtet er mit mir oder ist das das Interesse eines Sozialreisenden? So wie bei einem Zeitreisenden, nur eben anders? Ganz eindeutig. Reich muss er ja sein, sonst wäre er wohl nicht hier.

Ich beuge mich in seine Richtung.

»Weißt du, ich bringe es mal auf den Punkt. Im Gegensatz zu allen anderen hier bin ich arm wie eine Kirchenmaus, wohne auf sechzig Quadratmetern und arbeite hart für mein Geld. Das unterscheidet mich. Und verzeihe mir, aber heute bin ich nur mehr in der Lage, nach Hause zu gehen und eine Runde mit meinen Engeln zu sprechen.«

Arme und Esoterikerinnen törnen diese Reichen hier ab. Davon bin ich überzeugt. Soll er seine Sozialstudien doch woanders betreiben. Und so schön die Vorstellung für einen Moment lang ist, von einem Mann wie ihm umgarnt zu werden, es wird ohnehin nie passieren. Da kann er sich doch gleich in Luft auflösen.

Noch immer betrachtet er mich aufmerksam. Ich halte seinen Blicken kaum stand. Warum bin ich so aufgeregt?

Ja. Er ist fast zu fesch, um wahr zu sein, aber das ändert nichts am Rest. Vermutlich ist er arrogant und eingebildet. Hoffe ich zumindest. Wenigstens trägt er keinen Ehering.

»Du sorgst also für dich selbst. Was ist daran verkehrt? Und das mit den Engeln ist doch wunderbar«, grinst er und drückt mir bereits zum zweiten Mal das Glas in die Hand. Diesmal so, dass er meine Hand berührt. Mist. Ein Schauer jagt durch meinen Körper und unsere Blicke verhaken sich. »Darauf müssen wir anstoßen«, sagt er.

Ich glaub … ich sollte … meinen Mund dann langsam wieder zuklappen.

Schon wieder schalte ich auf Vollautomatik und nehme das Glas. Er berührt es mit seinem. Ein sehr leises ›Pling‹ ist zu hören.

»Zum Wohl!«, sagt er und lächelt spitzbübisch. »Auf dich und auf deine kunstvoll gefalteten Serviettenherzen, die auf wundersame Weise verschwunden sind.«

Oh, wie peinlich! Wieder werden meine Wangen heiß. Er hat es doch bemerkt. So ein Schmarrn.

Irgendetwas hat er an sich, das sich an meinem Verstand vorbeischleicht und sich direkt in meinem Bauch breitmacht. Ich bin aufgeregt, obwohl ich es überhaupt nicht sein will. Zumal ich ja weiß, wohin das am Ende führt.

Was solls?

»Auch zum Wohl«, antworte ich daher schnell und nehme einen Schluck.

Sehr gut. Den habe ich jetzt gebraucht.

»Siehst du, ich habe gewusst, dass du mit mir ein Glas trinken wirst«, beginnt er selbstbewusst und stellt sein Glas ab. »Ich heiße Martin Engel, und du?«

Sprachlosigkeit kann ich selbst nur durch weit aufgerissene Kuhaugen und einen offenen Mund toppen. Im Moment leide ich spontan an allem.

»Ma …risa«, stottere ich daher.

Engel? Er heißt wirklich Engel im Nachnamen? Ob das ein Zeichen ist? Wie die Herzen und dass er im richtigen Moment aufgetaucht ist?

Nein. Pure Einbildung.

»Und wie weiter?«, bohrt er nach.

Und unsere beiden Vornamen bestehen aus je sechs Buchstaben und beginnen gleich! Helft mir doch, meine Engel! Bedeutet das irgendetwas?

»Teufel.«

»Ist nicht wahr, oder?«, lacht er laut und beugt sich über den Tisch zu mir. »Du verschaukelst mich, stimmts?«

Ich weiche ein Stück nach hinten. Je näher er mir kommt, desto mehr fühle ich mich von ihm angezogen. Ich muss aufpassen. Das hier ist nicht normal.

»Wenn du wirklich so heißt, dann tue ich es auch«, erwidere ich.

Der Typ ist mir unheimlich. Wie kann das sein, dass er nicht sofort abgehaut ist und jetzt auch noch Engel heißt? Ganz abgesehen davon, was mein Körper von ihm hält. Ich weiß schon, es gibt angeblich Menschen, die einfach chemisch aufeinander reagieren. Ist das bei ihm und mir der Fall? Und wenn ja, wofür soll das gut sein?

»Eins zu null für dich. Dann haben sich heute also auf wundersame Weise Engel und Teufel gefunden. Sehr erstaunlich«, lächelt er noch immer und sieht mich wieder prüfend an.

Lässig lehnt er sich an den Tisch und es scheint, als hätte er alle Zeit der Welt, nur um mein Gesicht Millimeter für Millimeter zu scannen.

»Sieht ganz danach aus. Aber bevor du dich zu sehr freust: Ich habe das ernst gemeint. Ich bin nicht zum Spaß hier, sondern nur das Personal, wie du weißt.«

So. Das wird ihm dann wohl einleuchten. Ich bin nicht darauf aus, mir hier einen One-Night-Stand aufzureißen, egal wie sexy er aussieht. Soll er sich doch eines von den anderen Mädels hier krallen. Stehen ja genügend zur Auswahl. Von blond bis schwarzhaarig, von Atombusen bis hin zu gebotoxter Stirn. Alle in Designer-Outfits. Kein Röckchen länger als knapp bis über den Hintern. Exakt seine Liga.

»Personal? Also wenn du es warst, die hier alles in einen exklusiven Club verwandelt hat, würde ich dich als Künstlerin bezeichnen.«

Künstlerin? Exklusiver Club? Ich würde es als geschmacklose Verunglimpfung dieser an sich stilvollen und modernen Villa bezeichnen. Zwar gelungen, aber am Ende doch unpassend.

»Du erlaubst?«

Ich nicke. Jetzt hat er auch noch Manieren? So ein Topfen. Manieren finde ich verdammt sexy. Mag altmodisch sein, aber ich steh auf so was.

Hat er vor, zu bleiben?

»Tja, wenn sich der reiche Mann mit vierzig so einen Club vorstellt, bin ich vermutlich eine Künstlerin«, sage ich, um irgendetwas zu sagen.

»Du machst mich älter, als ich bin. Ich werde erst in zwei Monaten vierzig. Aber ich verstehe, der Kunde ist König, nicht?«, meint er amüsiert. »Und unter uns: Ihr habt eure Sache wirklich gut gemacht, aber das mit dem Motto finde ich auch sehr übertrieben von Flavio.«

Schau einer an. Werden wir jetzt ehrlich?

»Da rennst du bei mir offene Türen ein, aber dennoch machen wir das, was sich unsere Kunden wünschen. Also wenn jemand wie Flavio Fire-and-Ice im Hochsommer will, dann bekommt er es. Wir würden sogar einen Christbaum mit Flamingos dekorieren, wenn es sein muss.«

Was ich schlimm fände, denn ich liebe Flamingos. Nur nicht gerade auf einem Weihnachtsbaum.

Er grinst, scheint aber nachzudenken.

Wo bleibt denn Mimi? Vielleicht geht er endlich, wenn sie auftaucht? Bitte! Ich halt mich grad selbst nicht mehr aus. Warum bin ich so kratzbürstig und gleichzeitig kann ich meinen Blick nicht von ihm lassen? Seinen schmalen, langen Fingern? Auch nicht von seinem schön geschwungenen Mund, der durchaus Ernsthaftigkeit ausstrahlt. In die Augen kann ich ihm nur zwischendurch und auch nur sehr kurz sehen. Davon bekomme ich Wallungen.

»Und wie steht es mit anderen Events? Firmenfeiern, Hochzeiten und so weiter? Kannst du das auch?«

»Überschätz mich mal nicht. Dafür brauche ich mindestens noch einen Abendkurs«, erwidere ich und versuche, ernst zu bleiben.

Er lacht schallend.

»So klingt es also, wenn man sich mit einer intelligenten Frau unterhält. Wow! Also: Du bist auch noch schön, hast Geschmack und Humor. Sag mir, wo bei dir der Haken ist!«

Ich weiß es: die Zahl auf der Anzeige meiner Waage. Auch ein miederartiger Body enthüllt spätestens im Bett die Wahrheit. Kann es sein, dass ein Mann wie er tatsächlich an einer wie mir interessiert ist?

Jetzt weiß ich es! Er sieht furchtbar schlecht und aus reiner Eitelkeit trägt er keine Brille. Das wirds sein. Deshalb fällt ihm auch nicht auf, dass mein Keid im besten Fall Vintage ist.

»Hab ich doch schon gesagt: Ich spreche mit Engeln, bin arm, arbeite hier und halte Hunde für die besten Zuhörer der Welt. Anders gesagt: Ich bin hier der Alien!«

Er sieht mir tief in die Augen.

»Wenn das wirklich alles ist, glaube ich seit heute an Außerirdische«, sagt er in einem seltsamen Tonfall.

Was bitte will er von mir?

Ehrlicher kann ich gar nicht sein. Muss ich noch deutlicher werden?

»Es steht dir frei, zu glauben, woran du willst. Aber wechseln wir das Thema: Hast du etwa einen Auftrag für uns?«

Wieso muss ich die Walze auspacken und ihn plattmachen?

Seine Miene verfinstert sich. Super, Marisa. Weltklasse. Jetzt hat er zwar gerafft, dass ich nicht zum Spaß hier bin, aber wollte ich das wirklich?

»Wir werden sehen. Sollte es so weit sein, wende ich mich vertrauensvoll an dich!«

Das hat jetzt aber ganz anders geklungen als unser Gespräch bis zu meiner blöden Frage. Martin kneift seine dunklen Augenbrauen zusammen und scheint noch etwas sagen zu wollen.

»Äh … hinter … dir«, stottere ich und deute ihm, dass jemand zielstrebig auf ihn zusteuert.

Und dieses große blonde Monster umarmt ihn auch noch von hinten. Hält ihm die Augen zu. Wie kindisch!

Martin packt ihre Hände und schießt herum.

»Oh! Olga!«, ruft er laut.

»Ja, deine Olga, mein Engel.«

Plötzlich fühle ich mich wieder unscheinbar und klein. Leer und unwichtig. Hässlich und dick. Vielleicht lege ich mich auf den Fußboden und er vergisst auf der Stelle, dass er mich jemals getroffen hat?

War ja klar. Er ist der mit dem Haken. Und seiner ist einen Meter achtzig groß und küsst ihn gerade mitten auf den Mund. Grauslich, diese aufgespritzten Lippen und gefärbten Haare. Wie kann man so etwas attraktiv finden oder gar küssen wollen?

Martin legt einen Arm um ihre Hüfte.

»Na, wie geht es meiner Süßen?«, fragt er sie auch noch zu allem Überfluss. Völlig locker und fröhlich klingt er wieder.

Hat der doch einen Sehfehler? Dieses Ungetüm von einer Frau ist alles, nur nicht süß. Nichts an ihrem Gesicht oder Körper wirkt echt. Muss richtig teuer gewesen sein.

»Gar nicht gut. Ich habe dich schon vermisst, Martin. Wo hast du denn den ganzen Abend gesteckt? Übrigens: Ich habe keinen Kaviar gesehen. Auch keine Austern. Du weißt doch, dass ich nichts anderes essen kann.«

Sie verdreht ihre großen dunklen und völlig überschminkten Augen und fährt mit ihrem überdimensionalen ballonartigen Busen vor seinem Gesicht herum. Da kommt mir sogar mein D-Körbchen klein und unförmig vor. Mir wird schlecht. Ich hasse diese Tussi.

»Das ist ja wirklich eine Katastrophe!«, grinst er sie an. »Hat Flavio tatsächlich vergessen, einen Almas-Kaviar zu ordern?«

Nimmt er diese Kuh ernst? ›Baby, ich muss verhungern … Wo sind die Austern? … Wo ist mein Champagnerbad?‹ Und dann springt er? Außerdem habe ich das einmal gegoogelt. Almas-Kaviar ist extrem selten und das goldene Minidöschen kostet so um die vierzigtausend Euro.

Sie zieht und zupft an seiner Hand.

»Sieht so aus! Vielleicht hast du ja etwas Essbares in deinem Kühlschrank. Komm, du willst doch nicht, dass ich in deinem eigenen Haus verhungern muss? Oder, Martin?«

Sein Haus?

---ENDE DER LESEPROBE---