Herzknistern. Blind verliebt im Pulverschnee - Mira Morton - E-Book

Herzknistern. Blind verliebt im Pulverschnee E-Book

Mira Morton

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Beschreibung

Sie sind wie Feuer und Eis …

Eric Stone weiß, dass er jede Nacht eine andere Frau haben kann. Auch wenn sie von ihm nie mehr erfahren, als das, was sie zu sehen bekommen: einen verdammt attraktiven, dunkelhaarigen und durchtrainierten Mann. Was er jedoch im Moment am meisten liebt, ist die Einsamkeit auf seiner Skihütte in Kitzbühel. Ohne Strom und ohne Ablenkung, dafür jedoch mit jeder Menge Alkohol.
Das ändert sich schlagartig, als ihn die Hilferufe einer Frau gegen Mittag aus dem Bett holen. Eric hat sich geschworen, dass niemals eine Frau auch nur einen Fuß in seine Hütte in den Bergen setzen wird. Doch genau damit macht ihn die Fremde fertig: ihrem verknacksten Fuß. Er hat die Wahl, sie vor der Tür erfrieren zu lassen oder sie zu schultern und so lange ihre Gesellschaft zu ertragen, bis sie wieder ins Tal abfahren kann. Eric ist geneigt, Ersteres für seinen Seelenfrieden in Kauf zu nehmen. Doch leider ist sie blond. Und blauäugig. Genau der Typ von Frau, der Gift für sein gebrochenes Herz ist, dem er aber so verdammt schwer widerstehen kann ...

Die Bestsellerreihe von Mira Morton steckt voller Geheimnisse und ist romantisch wie auch amüsant. Der Roman ist in sich abgeschlossen.

"SECRETS-Geheimnisvoll verliebt"-Reihe:
(1) Verbloggt. Ein Milliardär auf der Couch – Emma – Wien, Steiermark
(2) Bon Bini. When Love rocks – Riki – Wien, Bonaire (Karibik)
(3) Herzknistern. Blind verliebt im Pulverschnee – Marlene – Wien, Kitzbühel

Alle Romane sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. In der genannten Reihenfolge macht die Reihe allerdings noch mehr Freude beim Lesen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Inhaltsverzeichnis

 

Titel

 

Vorwort

1 - Neuigkeiten

2 - Kitzbühel

3 - Bruchlandung

4 - Hüttenalbtraum

5 - Vorsicht

6 - Morgenstund’

7 - Abfahrt

8 - Besuch

9 - Kautzberger Hütte

10 - Hüttenabend

11 - Wintermärchen

12 - Höhenrausch

13 - Abendeinladung

14 - Wengerwirt

15 - Après-Ski

16 - Katzenjammer

17 - Entscheidung

18 - Wahrheit

19 - Skydive

20 - Herzschmerzen

21 - Familienabend

22 - Schneeflockenzauber

 

Alle bisher erschienenen Romane von Mira Morton

Leseprobe aus: ›Weichnachten ist nichts für schwache Nerven‹

 

Danke!

Quellennachweise

 

Die Autorin

Impressum

Viel Spaß mit meinem Roman

und keep on dreamin´!

Herzlichst,

Facebook:www.facebook.com/MiraMorton.Autorin

www.miramorton.com

[email protected]

Mira Morton

Herzknistern

Blind verliebt im Pulverschnee

Roman

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser!

Ich hoffe, Sie haben mit diesem Wintermärchen in den Kitzbüheler Alpen amüsante, prickelnde wie auch spannende Lesestunden und schließen Marlene, Gundi und Eric so sehr ins Herz wie ich.

Sollten Sie in Zukunft als Allererste von meinen Neuerscheinungen, Aktionen und exklusiven Gewinnspielen für LeserInnen und BloggerInnen erfahren wollen, dann abonnieren Sie bitte meinen Newsletter auf www.miramorton.com.

Lassen Sie nun die Schneeflocken auf Ihr Gesicht fallen!

Viel Vergnügen wünscht Ihnen,

Ihre Mira Morton

Neuigkeiten

 

Auf unseren Mädelsabend habe ich mich schon die ganze Woche gefreut, doch nach Rikis Überraschung muss ich erst mal schlucken. Ich war mir immer sicher, dass man nicht gleichzeitig vor Freude heulen kann und aus dem Fenster springen will. Geht aber. Denn da stehen sie. Meine beiden allerbesten Freundinnen: Emma und Riki. Ich bin nämlich die Einzige von uns dreien, die sitzt. Besser so. Sonst wär ich glatt umgekippt.

Wir waren wie die drei Musketiere, doch ich habe Angst, dass sich das alles ändern wird.

»Und? Was sagst du dazu, Marlene?«, fragt mich Riki mit ihren großen Augen, die mich mustern.

Gar nichts? Weil ich noch immer sprachlos bin?

»Ich freue mich riesig.«

Riki sieht mich an. Ja, ich weiß, ich bin noch in Agonie.

Ich greife zu den Keksen. Unser aller Lieblingskater, Herr Schrödinger, spitzt die Ohren. Sieht neugierig auf die Kekse. Aber Riki nimmt sie mir weg.

»Nicht!«, schimpfe ich.

»Marlene, was ist denn mit dir los?«, zischt sie mich an. Zu Recht.

Meine bereits ziemlich schwangere Schwägerin Emma sagt nichts.

Das ist keine angemessene Reaktion von mir. Aber ich mag auch diesen sezierenden Anwaltston von Riki nicht. Reicht schon, dass ich mir in den letzten Monaten fünf Kilo raufgefuttert habe. Fünf sind es in der Früh, nachdem ich am Klo war. Sonst eher sechs oder sieben. Man muss halt auch wissen, wann man auf eine Waage steigt.

»Gib mir sofort die Kekse zurück!«, fauche ich.

Riki lässt sie los. »Schon gut! Aber du hast doch gesagt, wir müssen dir alle Süßigkeiten wegnehmen.«

»Was kümmert mich mein Geplapper von vor fünf Minuten?«, maule ich, schnapp mir die kleine Silberschale und schieb mir einen Florentiner in den Mund.

Mmmh. So ein Zuckerschock zur rechten Zeit kann lebensrettend sein.

Bedeutungsvoll schauen sich die beiden an. Ich kaue.

Okay. Alles ist gut. Und diese Nachricht ist mehr als gut!

Jetzt kann ich aufstehen und darauf vertrauen, dass mich meine Knie nicht im Stich lassen.

Ich umarme Riki.

Muss das wieder sein? Statt ihr zu gratulieren, rinnen mir Tränen die Wangen entlang. Denn langsam macht sich dieses wundervolle warme Gefühl in mir breit. Mein Gott! Ich werde gleich doppelt Tante! Zwei kleine Zwerge in der Familie. Ist das zu fassen? Gerade weil ich nicht weiß, ob ich selbst je Kinder haben werde, ist das doch wunderschön!

»Ich … ich freu mich so … Riki! Ehrlich«, schniefe ich und drücke sie an mich.

»Herrgott, ich versteh dich so gut«, meint meine Lieblingsschwägerin neben uns und streichelt über meinen Rücken. »Wir bekommen die Babys und du weißt nicht, ob sie dich operieren und die Eierstöcke entfernen müssen.«

»Ist schon gut, danke«, schluchze ich und tätschle ihren Arm. »Ich freu mich ja wirklich für euch beide!«

Nun umarme ich auch Emma.

»Und ich schwöre euch, ich werde die beste Tante der Welt. Eure Babys nach Strich und Faden verwöhnen. Ach, was freu ich mich auf den Geruch von Babypuder hier im Haus! Und Emma, ich muss doch erst in ein paar Monaten wieder zur Kontrolle und dann werden wir sehen, ob eine weitere Operation notwendig ist.«

Sie sehen so unglaublich hübsch und strahlend aus. Emma mit ihrem dunkelblauen Minikleid und ihrem kugelrunden Bauch. Auch Riki mit ihren schwarzen Locken in ihren Jeans, obwohl man bei ihr noch gar nichts von der Schwangerschaft sieht. Ich muss aufpassen. Wenn ich so weiterfuttere, werden die Leutchen im Spital mich in den Kreißsaal schieben und Riki oder Emma glatt die Notfalltasche in die Hand drücken.

»Das wirst du bestimmt! Also die beste Tante der Welt«, meint Emma.

»Marlene, du wirst sehen, das kommt alles in Ordnung bei dir. Aber ich habe das Gefühl, so geht das nicht weiter«, meint Riki, resolut wie immer. Meint sie damit jetzt etwa … »Du brauchst einen Mann, Marlene. Und zwar einen gescheiten.«

Meint sie jetzt intelligent oder gut genug für mich? Vielleicht beides?

»Riki! Das hättest du jetzt aber schon ein bisserl feinfühliger sagen können«, tadelt Emma sie.

Zu Recht. Riki tut ja glatt so, als wüchsen die auf Bäumen. Wäre dem so, müsste ich mich jetzt nicht zu Obsttagen zwingen, an denen ich mir dann abends eine Wurstsemmel mit Essiggurkerln gönne. Was kann ich dafür, wenn ich nach Süßem immer so einen Gusto auf Saures habe? Und zwar ohne schwanger zu sein?

»Ja …«, beginne ich.

Doch Riki führt fort: »Stimmt. Ändert aber nichts an der Tatsache. Marlene, ich versteh dich auch. Wir machen hier alle auf superhappy und jetzt bekommen wir auch noch beide ein Baby. Mist. Ich fühl mich grad echt sch…«

»Nein!«, falle ich ihr ins Wort. »Das darfst du nicht, Riki! Es ist überhaupt nicht so, dass ich es euch nicht gönne! Ganz im Gegenteil! Ich bin echt dankbar, dass du, Emma, mit meinem Bruder die Liebe deines Lebens gefunden hast, und du, Riki, in Leo! Ehrlich. Auch dass ich gleich zweifache Tante werde, finde ich echt toll. Aber es stimmt, in letzter Zeit bin ich, glaube ich, ein wenig depressiv oder so.«

Und daran ändert meine heimliche Affäre mit Bernd auch nichts. Eigentlich wollte ich es ihnen gerade gestehen, aber das ist der falsche Zeitpunkt.

Riki und Emma drücken mich ein weiteres Mal.

»Komm, wir setzen uns wieder hin«, sagt Emma. Sie sieht so herzig aus mit dem locker sitzenden Haarzopf und diesem Wollhängerchen.

»Sag, wo hast du denn das Minikleid her, Emma? Das würde mir auch stehen. Vielleicht sollte ich mir Umstandsmode kaufen?«, frage ich meine Schwägerin.

Riki lacht laut auf. »Jetzt mach einmal einen Punkt, Marlene. Ja, du hast zugenommen, aber nein, du bist deshalb noch immer nicht fett!«

»Aber was nicht ist, kann noch werden, das sag ich dir! Aber sag ja nie wieder fett. Das ist diskriminierend!«, lächle ich sie an.

Riki grinst. »Ich wollte dich bloß positiv zum Abnehmen anspornen.«

»Ach, indem du gleich alle beleidigst, die nicht so ein Gerippe wie du sind? Als Motivationstrainerin würdest du am Hungertuch nagen, das sag ich dir!«, faucht Emma gespielt böse Riki an. Und sie versteht was davon, denn sie ist Psychotherapeutin.

Mannomann. Wir sollten über die Babys reden und nicht über meine Figur!

»Soll ich den beiden Kleinen was stricken?«, komme ich zum Thema zurück. Ob ich das noch kann? Das letzte Mal hab ich in der Schule einen Schal gestrickt. Mehr Design habe ich mir nicht zugetraut.

»So ist es gut. Jetzt gehts wieder«, grinst Riki. »Also, Marlene, beschwer dich nicht, du bist die Einzige hier, die Alkohol auf die frohe Botschaft trinken darf. Und wenn du stricken magst, gerne! Ich kann das ohnehin nicht.«

»Apropos auf dich trinken!«, lächle ich.

Ja. Ich werde das versuchen. Das könnte doch schön sein. Wolle aussuchen und an den langen Winterabenden vor dem Fernseher für meine Zwerge ein Jäckchen stricken. Oder einen Schal. Man braucht immer einen Schal, nicht?

»Ich geh schon«, sagt Emma, erhebt sich stöhnend und rauscht in die Küche. Ich bin eifersüchtig auf ihren Babybauch. Und auf diesen Watschelgang, wobei sie da immer ein wenig übertreibt, weil sie sich so dick vorkommt, was sie gar nicht ist.

Hm. Ich muss dringend etwas an meinem Leben verändern.

Riki lehnt sich dicht an mich und flüstert in mein Ohr: »Ich hab es ernst gemeint, Marlene. Du hast seit zwei Jahren keinen Mann mehr an dich rangelassen, und sorry, dass ich es dir sagen muss, aber Frustessen ist keine Lösung.«

Wenn sie wüsste! Ich hab doch diese Affäre! Soll ich es ihr jetzt gleich stecken? Nein. Falscher Zeitpunkt.

Ich gehe näher auf das Nebensächliche ein: »Äh, und warum flüsterst du, Riki?«

»Damit du mich ernst nimmst. Wenn ich poltere wie sonst, ignorierst du ja alles, was ich sage.«

»Du denkst also im Ernst, jede Frau braucht einen Mann?«

Ich meine, Riki war die Männerhasserin schlechthin. Natürlich bevor sie Leo getroffen hat. Klar, mit einem Weltstar an der Seite kann man ganz locker die ›Männer sind die Lösung‹-Karte ziehen.

»Nicht braucht, Marlene. Aber es ist einfach schöner mit einem Mann. Schau mich an, jetzt bekomm ich mit meinen dreiundvierzig sogar noch ein Baby. Wer hätte das gedacht?«

»Ich!«, sage ich wie aus der Pistole geschossen. »Und Emma auch.«

Riki lacht. »Ja klar, du und Emma. Natürlich. Nachdem ich Leo kennengelernt habe. Aber damals, davor, als wir beide alleine in die Karibik geflogen sind, hätte ich glatt dagegen gewettet. Und zwar alles, was ich besitze.«

»Das stimmt, Riki«, muss ich gestehen. »Vor Leo hätten wir uns das alle nicht vorstellen können. Aber jetzt bekommt ihr ein Baby!«, ruf ich fröhlich aus und umarme sie noch einmal. Ihre Augen schimmern vor Freude.

Das war damals ein Urlaub. Riki hat sich in Leo Taylor, den Rockstar, verliebt und es nicht einmal bemerkt. Und ich? Habe ein paar Wochen lang gedacht, dass Kirk Jenston, ein Anwalt aus den USA, vielleicht die Rolle des Mannes an meiner Seite einnehmen würde. Pustekuchen. Er ist zwar mittlerweile Rikis Partner in ihrer Kanzlei, aber das wars auch schon. Ich habe echt ein Händchen für Beziehungen ohne Zukunft. Womit ich geistig wieder bei Bernd gelandet bin. Das hat auch keine Zukunft, schätze ich.

Emma kommt geräuschvoll aus der Küche zurück. Eine Flasche Prosecco und ein Glas in der Hand.

»Äh, Emma. Soll ich die jetzt alleine auf eure Babys trinken?«, lache ich.

»Schaut so aus. Muss aber nicht gleich die ganze Flasche sein«, grinst meine Schwägerin.

Sie setzt sich auf den Ledersessel uns gegenüber. Herr Schrödinger, ihr schwarzer Kater, springt auf und marschiert mit aufgestelltem Schwanz zu ihr. Er ist seinem Frauchen hörig. Und er liebt diese Villa mit dem riesigen Garten in Mödling, wo mein Bruder Chris und Emma nun schon seit über zwei Jahren wohnen.

»Schrödi, warte. Ich muss zuerst einschenken«, sagt Emma.

Er kratzt an ihrem Bein, weil er auf ihren Schoß will. Dieser Kater ist echt eine Nummer. Sogar ein Wunder hat er vollbracht. Schläft glatt zwischen Emma und meinem Bruder Chris im Bett! Chris geniert sich dafür. Erzählen darf man das niemandem. Aber ich finde es süß. Was die Liebe alles aus meinem Playboy-Bruder gemacht hat.

Ich nehme das Glas und halte es in die Höhe.

»Auf euch, Emma und Riki! Und eure Männer natürlich auch. Aber ganz besonders auf meine Nichten oder Neffen! Ihr habt euch wirklich die tollsten Mamis ausgesucht, die man haben kann«, sage ich und proste ihren Bäuchen zu.

»Und sie sich die beste Tante der Welt!«, meint Emma.

Das ist jetzt aber echt lieb. Die beiden wischen sich jede ein paar Tränchen aus den Augen und stoßen mit ihren Teetassen mit mir an.

»Wisst ihr was?«, beginne ich, denn ich hab gerade eine Idee.

»Sag!«, meint Riki.

»Ich fahr nach Kitzbühel. Beim Skifahren hab ich immer abgenommen. Von ganz alleine.«

In Kitzbühel besitzt mein Vater einen großen Tirolerhof und wir sind jedes Jahr einige Male dort. Warum soll ich nicht einfach hinfahren?

»Superidee! Wann denn?«, will Emma wissen.

»Na ja, in so ein bis zwei Wochen könnte ich es beruflich hinbekommen. Dann geb ich mir einfach vierzehn Tage frei. Kommt ihr mit oder ist dir das zu weit von Wien weg, Emma?«

Sie ist im achten Monat. Das war vielleicht doch eine blöde Idee. Aber Riki kann vielleicht. Das wäre schön.

»Also ich kann leider nicht, Marlene. Chris hat wegen seines neuen Buches einige Termine mit dem Verlag und, was ich so weiß, auch einige für eure Firma, wo er mich gerne dabeihätte«, sagt Emma ab.

Jaja, die Firma. Jetzt, wo mein Bruderherz so seriös geworden ist, ist er nicht nur im Vorstand unseres Konzerns, er tut auch glatt was dafür. Dafür schreibt er weniger Kinderbücher. Alles geht sich eben doch nicht aus.

»Schade, aber ich verstehe es, Emma. Außerdem hab ich nicht nachgedacht, du willst sicher nicht so weit weg vom Spital sein.«

»Ach, das wäre es gar nicht. Ich hab noch fünf Wochen bis zur Geburt und alles ist bestens.«

Sie ist so cool, wie sie alles macht. Bei Emma ist nichts ein Stress. Sie liebt es, schwanger zu sein, und fühlte sich zum Glück von Anfang an pudelwohl.

»Und du, Riki?«

»Ich kann leider auch nicht. Ich fliege in einem Monat Leo zu einem Konzert in Barcelona und einem in Rom nach. Und davor habe ich in der Kanzlei noch ein paar wichtige Termine und er will auch für ein paar Tage zwischen den Konzerten nach Wien kommen. Sorry, Marlene. Ich wäre gerne mitgekommen.«

Echt schade. Jetzt kann ich wieder einmal alleine Urlaub machen. So wie früher, bevor ich die beiden kennengelernt habe. Aber es ist eben so.

»Okay, kann man nichts machen. Aber jetzt reden wir über dich und das Baby, Riki. Wie gehts dir überhaupt und weiß es Leo schon?«

Der wird ausgeflippt sein vor Freude.

Riki lacht schallend. »Wenn es nach Leo ginge, hätte ich jeden Tag einen Schwangerschaftstest machen müssen. Ja, er weiß es und er ist im Glück. Ich schätze, demnächst gibt es ein gesamtes Album nur zum Thema Baby.«

»Unsere Männer, was? Die sind ja mehr schwanger als wir beide«, wirft Emma belustigt ein.

Mein Herz sticht. Und was soll ich sagen? Mit meinen Zysten, die zwar schon einmal operiert worden sind, aber einen Hang dazu haben, meinen Bauch gleich wieder zu bevölkern? Ich schätze, ich könnte noch Bernd fragen. Oder aber wirklich alleine zu Gundi nach Kitzbühel fahren, was auch okay ist.

»Zurück zu den Babys!«, sage ich lächelnd. »Riki, jetzt wollen wir es doch wissen. Details, wenn ich bitten darf. Also: Seit wann weißt du es oder hast du es sofort gewusst, du weißt schon, als es passiert ist?«

Das wird noch ein richtig schöner Mädelsabend. Langsam sickert es in mir, dass wir sehr bald zwei Babys in unserem Leben haben werden. Wenn das nicht schön ist?

Kitzbühel

 

Ich finde alleine Auto zu fahren langweilig. Und mühsam, vor allem wenn es schneit. Aber ich bin gut angekommen und habe direkt vor dem alten, toll renovierten Tirolerhof meines Vaters geparkt. Das Erdgeschoss ist hell erleuchtet, der erste Stock dunkel. Die alten Tannen neben dem Haus sind tiefverschneit. Neu sind die Lampen, die sowohl den Parkplatz vor dem Haus wie auch einen kleinen Weg, der von der Alm direkt zum Haus herunterführt, säumen. Ich steige aus und eisige Luft schlägt mir entgegen. Zum Glück schneit es nur mehr vereinzelt dicke Flocken.

Hm. Ich könnte meine Ausrüstung gleich im Auto lassen, aber andererseits, sollte ich direkt von hier statt von der Hahnenkammbahn aus starten, dann ist es besser, ich muss nicht mehr zum Wagen. Ich trag sie ins Haus.

»Verdammt!«, schreie ich laut und hopse neben meinem Auto im festen Schnee herum. Ich vermute, Gundi hat geschaufelt, sonst wäre hier lauter frischer Pulverschnee.

So ein Mist. Jetzt sind mir meine Ski doch glatt beim Ausräumen des Kofferraums auf die Füße gefallen. Oh, oh. Meine neuen Lederstiefel haben einen Cut. Großartig. Fünfhundert Euro futsch. Ich greife ins Auto und hupe kurz, damit Gundi weiß, dass ich angekommen bin.

Nichts rührt sich. Vielleicht ist Gundi noch irgendwo in der Stadt? Dass Otti nicht da ist, wundert mich weniger. Der wohnt ja nicht hier wie sie.

Manchmal geht mir mein Singledasein aber so was von auf die Nerven. Jetzt könnte ich einen Mann mit zwei starken Armen gut gebrauchen, aber Bernd wollte auch nicht mitkommen.

Ich kralle mir die beiden herumliegenden Skier und die Stöcke. Sieht ganz danach aus, als ob ich mindestens zweimal gehen müsste, bis ich mein Gepäck in Vaters Haus geschafft habe. Da kommt Stimmung auf! Warum pack ich aber auch immer so viel ein?

Weiß eigentlich irgendjemand, wie jämmerlich es sich anfühlt, wenn deine beiden besten Freundinnen schwer verliebt sind, verheiratet, und man selbst bloß eine Affäre hat, von der sie nichts wissen? Noch dazu eine, die zickt? Bernd hat sein Notariat als Ausrede vorgeschoben, warum er nicht mitfahren konnte. Vermutlich hatte er aber einfach keine Lust. Weil er stinksauer ist, dass ich in der Öffentlichkeit nicht zu ihm stehe.

Männer!

Andersrum wäre es ja normal. Aber warum soll ich unsere gelegentlichen Treffen als Beziehung betrachten? Er geniert sich dafür, dass wir uns über ein Internetportal kennengelernt haben. Aber seit er herausgefunden hat, wer ich bin, ist er zu allem bereit. Mit einer Milliardärstochter ist ja alles anders! Eine von Oyssenloh gibt gesellschaftlich etwas her. Dass ich Tag und Nacht arbeite und ein und derselbe Mensch wie zuvor bin, scheint sich nicht bis in Bernds Gehirnwindungen durchgesprochen zu haben. Ätzend, eigentlich. Dumm für ihn, dass ich jetzt auch eher zu gar nichts mehr bereit bin. Verflixt, aber wenn er hier wäre, könnte er mir wenigstens mit dem Tragen helfen!

Wie komme ich mit meinen Carvern jetzt bitte durch die Holztür, die sich – wie durch Zauberhand – plötzlich von innen öffnet?

»Marlene! Ach, gib her, ich helfe dir!«

»Ja hallo, Gundi! Ich hab schon gedacht, hier sind alle ausgeflogen!«

Papas Haushälterin hier in Kitzbühel lacht schallend. Da steht sie, unsere gute Seele. In einer Jeans, mit einem dicken Strickpulli in Dunkelrot. Ihr brünettes Haar fällt in großen Wellen bis knapp unters Kinn.

»Nein, nein. Ich war am Klo. Entschuldige! Und Otti hat Urlaub. Seine Frau ist ziemlich bedient. Arm- und Beinbruch. Stell dir das einmal vor. Die Arme kann überhaupt nichts allein. Daher habe ich ihm freigegeben, solange sie den Gips hat.«

»Oh, das klingt ja schrecklich. Muss man sich einmal vorstellen … Nein, will ich gar nicht.«

»Einfach furchtbar. Aber jetzt lass dich drücken, Kind! Gut schaust du aus.«

Ich grinse, Gundi reißt mich an sich und küsst mich.

»Ich? Du siehst blendend aus! Ich habe dich schon richtig vermisst.«

Gundi war immer wie eine Ersatzmutter für Chris und mich. Speziell nachdem unsere gestorben ist.

»Ich dich auch. Schön, dass du endlich wieder einmal hier bist. Gib her!«

Sie nimmt mir die Skistöcke ab. Unsere Gundi ist eine Frau der Tat. Widerrede zwecklos, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat.

Wir gehen hintereinander in den großen Vorraum. Angenehme Wärme und der Duft von Bienenwachs und alten Möbeln strömen mir entgegen. Gundi stellt die Skistöcke in der großen Diele ab.

Oh! »Gundi, das ist ja lieb. Du hast ja extra einen Strauß frische Rosen auf die Bauernkommode gestellt. Wie aufmerksam.« Der rosa Blumenstrauß sieht toll aus. Gleich darüber hängt ein alter großer Spiegel in einem breiten Holzrahmen.

»Kind, wenn du endlich mal wieder zu uns kommst, dann ist das doch ein Grund zum Feiern.«

»Das ist so lieb von dir, danke!«

Gundi ist einfach Gundi. Eine Seele von einem Menschen.

»Ich komm gleich, ja? Ich bringe nur meine Ausrüstung schnell in den Skikeller.«

»Ist gut. Komm dann ins Wohnzimmer, das Abendessen steht schon am Tisch«, lächelt sie, tätschelt meinen Oberarm und verschwindet gleich neben der Treppe in den ersten Stock in Richtung Wohnzimmer.

Ich klappere mitsamt meinen Skiern die Stufen zum Skikeller hinunter.

Sehr schön. Alles voll. Papas diverse Carver, seine Tourenski und das Gleiche noch einmal samt Snowboards von meinem Bruder. Ach, meine alten Ski sind auch da. Und ich dachte, die wären irgendwo in meinem Keller in Wien.

Egal. Ich lehne meine nagelneuen Bretter neben die Heizung. Die Stöcke hänge ich auf die Skispitzen. Ufh. Das wäre geschafft.

Mein Handy läutet.

»Hallo, Lieblingsschwägerin! Bist du gut angekommen?«, fragt mich Emma fröhlich.

»Ja, danke. War quasi kein Verkehr, aber dafür umso mehr Schneefall. Wo bist du denn unterwegs?«

Klingt nach Bar oder so.

»Wir waren im Akademietheater und sind jetzt noch auf ein Glaserl beim Salvo. Also ich trink ja nur Wasser, aber Chris wollte sich heute noch unbedingt … wie heißt das Stück noch einmal? Na egal, irgendeinen Klassiker wollte er im Akademietheater sehen. Aber die Vorstellung war echt toll.«

Das ist typisch Emma. Findet eine Aufführung toll und hat vergessen, was sie gesehen hat. Mit alten Theaterstücken hat sie es nicht so. Da geht sie meinem Bruder zuliebe hin. Sie ist mehr der moderne Bücherwurm.

»Du bist lustig, Emma«, sage ich, während ich noch einmal hinaus zum Auto gehe.

»Was machst du denn, weil du so schnaufst?«, fragt Emma.

»Ach, das ist nur, weil es so kalt ist. Du, ich muss jetzt noch meine Koffer ausräumen. Wenn du willst, melde ich mich später noch mal.«

Was Emma zum Glück recht ist. Ich schnappe meinen Koffer und eine Sporttasche. Hm. Zwei Wochen Urlaub. Kein Büro. Nur die Berge, ein paar Einkehrschwünge in die Hütten, vielleicht einen Kaiserschmarrn, Jagatee und ab und zu mal irgendwo an einer Schneebar ein Wodka Feige. Oh ja, das alles werde ich mir trotzdem gönnen. Diät hin oder her. Ich freu mich schon auf die vielen Bekannten, die ich hier habe. Keine schlechten Aussichten, würde ich meinen.

Es geht auch ohne dich, Bernd!

***

»Wir werden uns eine schöne Zeit machen«, meint Gundi, als ich im Wohnzimmer aufkreuze. Scheint, sie kann Gedanken lesen.

»Ja. Das machen wir. Aber ich muss abnehmen, also bitte ja nicht zu viele Kohlenhydrate«, lache ich.

»Alles, das gut schmeckt, hat aber Kohlenhydrate. Außerdem: Was willst du denn abnehmen?«

»Gundi, schau mich an. Mindestens fünf Kilo zu viel.«

»Reine Einbildung. Fahr ein bisserl Ski an der frischen Luft und schon passt das Gewicht.«

»Nichts anderes habe ich vor«, grinse ich sie an und setze mich an den dicken Holztisch im riesigen Wohnraum.

»Siehst du, dann vergisst du jetzt deine Diät und genießt meine frischen Kasspatzln mit Salat. Später gibts noch einen frischen Topfenstrudel mit Vanillesoße.«

Oh Gott! Alleine, wie das Essen duftet!

»Überredet.«

Dann start ich eben morgen mit meiner dämlichen Diät!

Bruchlandung

 

Ich hätte nie gedacht, dass mir alleine Ski zu fahren doch so einen Spaß machen kann. Der Schnee ist ein Wahnsinn! Fährt sich wie Butter. Die Schwünge sind die reinste Freude. Meine neuen Carvingskier auch. Gut, dass ich die mit der breiten Schaufel gekauft habe. Die fahren sich im Pulver perfekt. Es ist wie Wasserskifahren. Mit einem echten Wermutstropfen: Der Nebel wird immer stärker statt schwächer.

»Juchuhhh!«, quietsche ich trotzdem laut.

Kann mich ohnehin keiner hören, denn ich sehe auch niemanden. Blöder Nebel, aber wirklich. Es ist bald Mittag, da sollte er sich längst aufgelöst haben. Stattdessen wird er immer dichter. Ich hätte oben bleiben sollen. Als ich von der Gondel ausgestiegen bin, war alles perfekt. Kitschiges Alpenpanorama. Natürlich etwas tiefer, der Nebel, aber sonst nur blauer Himmel und Sonnenschein. Die Idee, Hans auf der Murmeltierhütte zu besuchen, war echt dumm. Ich hätte auch morgen hinfahren können. Oder später am Nachmittag. Aber nein, mein Magen knurrt einmal leise und schon sehe ich seinen Kaiserschmarrn vor mir und muss unbedingt hin! So wird das mit dem Abnehmen nie was.

Okay, da vorne ist ein kleiner Mugel. Muss ich aufpassen.

Ich drossle meine Geschwindigkeit weiter. Bald fahre ich nicht mehr, sondern übe mich im Schneestehen. Geht doch, der war gar nicht schliiimmm!

Mich hebt es aus. Ich fliege … Alles wieder im Griff. War das ein Schreck. Ich muss definitiv noch vorsichtiger fahren. Ist das alles noch normal? Wieso ist es denn so dermaßen finster?

Ich schwinge ab. Vielleicht ist es besser, ohne Brille zu fahren? Sicher. Daher schiebe ich sie nach oben auf meinen Helm.

Okay. Nein. Doch nicht. Jetzt sehe ich gar nichts mehr.

Wo muss ich jetzt eigentlich hin?

Eher nach rechts oder eher links?

Mensch, ich muss schauen, dass ich schnellstmöglich runter zu unserem Haus komme. Das hier ist gruselig. Und gefährlich. So ein Schmarrn!

Ich schlüpfe wieder in die Schlaufen der Stöcke und fahre vorsichtig los. So ein Krampf. Spaß macht das keinen mehr, auch wenn sich der Schnee unter meinen Brettern wie ein Bett aus Watte anfühlt.

Meter für Meter suche ich meinen Weg nach unten. Hier ist die Piste planiert, also so falsch kann ich nicht sein. Hin und wieder sehe ich einen bunten Klecks an mir vorbeifahren. Oder höre das Rauschen von Carvern. Manche Menschen versteh ich nicht. Fahren, als hätten sie beste Sicht. Sehen die alle so viel besser als ich? Ich bezweifle es.

Diffuses Licht ist ein Krampf. Ich hasse das. Wenn jetzt nur Bernd da wäre …

Aber er ist nicht hier. Also: weiterfahren.

»Ohhh!«

Was … zur … Hölle?

»Neiiinnn …!«

»Aua!«

Unsanft bin ich im Tiefschnee gelandet. Bauch und Gesicht voraus. So ein Sch…

Hitze kriecht in mir hoch.

Angst.

An so einer dämlichen Bruchlandung sind schon Menschen gestorben!

Spuckend versuche ich, aufzukrabbeln. Shit. Ein Ski ist weg und der andere behindert mich gerade am Aufstehen. Drehen?

Das ist ja sehr mühsam. Mein Rucksack rutscht zur Seite, aber das hilft mir, mich umzudrehen. Ja. Funktioniert …

Nicht! Ein greller Schmerz durchzuckt mich. Mein Fuß!

»Au!«, schreie ich kurz auf.

Mein Gott! Was mach ich jetzt nur? Ersticken werd ich nicht, aber wie komme ich hier wieder weg? Mein Ski ragt in die Luft, aber viel weiter als bis zu seiner Spitze sehe ich nicht. Wie eine Schildkröte liege ich am Rücken.

Mein Handy!

Ich muss Gundi anrufen. Sie muss mir die Bergrettung schicken. Zum Glück habe ich es nicht in den Rucksack gesteckt.

Jackentasche links. Fehlanzeige.

Rechts? Nur Taschentücher.

Hose? Ich habs doch nicht in die Skihose gesteckt, oder doch?

Mit einem Ruck öffne ich den Reißverschluss meiner schwarz-weißen Skijacke. Das kann doch nicht sein. Auch in den Innentaschen ist kein Handy.

Wo … wo ist es hin? Mein Fuß schmerzt immer heftiger.

Der schmelzende Schnee rinnt mir in den Mund. Auch in die Nasenlöcher. Wie immer das physikalisch möglich ist, zumal zwischen Helm, Skibrille und Schal kaum ein Stückchen meiner Haut hervorlugt. Doch es ist ekelig. Kann es sein, dass ich vorhin in der Gondel, nachdem ich kurz mit Bernd telefoniert habe, vergessen habe, den Zipper meiner Jacke zuzumachen? Ich habs doch in die Jackentasche gesteckt.

»Hiiilfeee!«, brülle ich die Nebelwand an.

Wo bin ich denn überhaupt? Irgendwie muss ich von der Piste abgekommen sein. Hier ist Pulverschnee. Unpräpariert. Heißt also, ich bin knapp neben der Piste.

Niemand scheint mich zu hören. Fährt denn niemand mehr Ski? Die Gondel war gestopft voll. Wo sind denn all die Menschen hin?

»Hilfeee! Hierher … bittteee! Hiiilfeee!«

So ein Kack, das muss doch sogar oben am Gipfel zu hören sein. Nichts. Kein Rattern von Skiern, kein Rufen, nur Stille. Es hilft nichts. Ich beiße die Zähne zusammen und schaffe es, den rechten Ski abzuschnallen. Er versinkt im Pulverschnee neben mir.

Aufstehen. Okay. Mithilfe meiner Stöcke sollte es gehen. Der Rucksack zieht mich nach hinten. Mühsam und anstrengend, aber ich schaffe es und stehe. Mein Herz klopft laut in meinen Ohren und der Pulverschnee ist kniehoch.

Wo genau bin ich hier? Hm. Ich kann nichts erkennen. Neben mir sind scheinbar ein paar tief verschneite Bäume. Oh. Was für ein Glück, dass ich die nicht voll erwischt habe. Bitte! Es muss doch irgendjemand in der Nähe sein. So weit von der Piste kann ich gar nicht entfernt sein. Vielleicht ein paar Meter, mehr nicht.

Autsch. Auftreten geht gar nicht.

Soll ich mich wieder in den Schnee setzen? Aber unterkühle ich da nicht nach kürzester Zeit?

Was, wenn mich hier niemand findet? Es ist jetzt schon saukalt, dabei ist es noch nicht einmal Mittag. Was, wenn der Nebel sich heute gar nicht mehr verzieht? Ich muss mein Handy finden.

Verzweifelt wühle ich im Schnee herum.

Keine Spur davon. Dafür werden meine Handschuhe langsam klatschnass.

»Hast du nach Hilfe geschrien?«

Wer? Wo?

Ich fahre herum.

Vor mir steht ein … Mann. Groß. Dreitagebart. Dunkle, stechende Augen. Bloß in Jeans und dicker Winterjacke. Schlammfarbene Wollmütze. Keine Handschuhe. Aber der Mann trägt Schneestiefel. So sinkt er nicht ein wie ich.

Mein Herz klopft panisch.

»Ja«, japse ich und versuche, einen Meter in seine Richtung durch den Schnee zu kommen. »Ich war das! Dich schickt der Himmel!«

Umarmen könnte ich ihn, wenn ich nicht Angst hätte, umzufallen, so unbeholfen, wie ich im Schnee herumstapfe.

»Eher das Gegenteil. Hast du dich verletzt?«, will er wissen.

Äh? Was meint er denn damit? Soll ich jetzt Angst bekommen oder war das nur ein besonders schlechter Witz?

»Ja. Ich muss von der Piste abgekommen sein. Der Nebel, ich hab nichts …«

»Wer nicht Ski fahren kann, soll besser im Tal bleiben.«

Mir bleibt die Luft weg! Statt nur irgendwelche Anstalten zu machen, mir zu helfen, steht er mit verschränkten Händen da! Und pöbelt mich auch noch an. So nicht. Egal, wie weh mein Fuß tut.

Er tut so, als hätten wir alle Zeit der Welt. Neigt den Kopf zur Seite und betrachtet mich, als sei ich ein Ausstellungsstück in einem Museum.

»Ach, ich bin hier aufgewachsen, du ja wohl eher nicht!«, maule ich zurück. Sonst hätte ich ihn von Anfang an gesiezt, aber wir sind über tausend Meter und ich kenne die Bräuche hier. Und glaubt er im Ernst, ich hör nicht, dass er Deutscher ist? »Und außerdem, was kann ich dafür, wenn ich im Nebel nichts sehen kann?«

»Nicht in den Nebel zu fahren, wäre eine Möglichkeit. Außerdem: Was habe ich verbrochen, dass du mich aus dem Bett schreist?«

Arggghhh! Was ist denn mit dem falsch? Es muss kurz vor zwölf sein, da schläft doch niemand mehr hier in den Bergen. Ich sehe ihn genauer an. Pfuh. Fesch ist er schon. Verdammt fesch sogar. Sein kantiges Gesicht könnte einem dieser Männermodels gehören. Und dieser bohrende Blick. Aber besonders freundlich sieht er mich nicht an.

»Entschuldige schon, aber das machen wir hier so, wenn wir in der Klemme stecken. Ich hab mir wehgetan, mein Handy ist weg und einer meiner Skier auch. Soll ich leise ›Das Leben ist schön‹ singen und auf den Tod warten?«

Grinst er? Nein, eher nicht. Er hat nur seine dunklen Augenbrauen einen Tick mehr zusammengekniffen. Arroganter Macho!

»Okay. Ich helf dir.«

Ich könnte kreischen vor Zorn!

»Okay, ich helf dir? Also wenn du es verantworten kannst, dass ich hier erfriere, dann lass es bleiben!«, brülle ich ihn an.

Meine Nerven packen das hier nicht mehr lange! In meinem Fuß pocht der Schmerz immer mehr. Mittlerweile so arg, dass mir schon ganz schwindelig ist.

Dieser Typ scheint doch glatt zu überlegen. Sein Kiefer malmt, er hält sich eine Hand ans Kinn. Betrachtet mich.

»Könnte ich. Sollte ich sogar, doch andererseits habe ich keinen Bock, morgen früh vor meiner Hütte über eine Leiche zu stolpern.«

»Das ist ja jetzt wohl nicht dein Ernst!«, schreie ich ihn so schrill an, dass es in meinen Ohren klingelt. »Und in der Früh stolperst du sowieso über gar nichts, wenn ich dich jetzt zu Mittag aus den Federn geholt habe.«

Ich bringe ihn um!

Hau aber stattdessen mit meinen Stöcken in den weichen Schnee.

Wenig Effekt, außer dass ich beinahe vornüberkippe. Mist. Blöder Rucksack.

»Doch, das ist mein voller Ernst. Aber du hast recht, ich hätte es erst mittags bemerkt. Doch wie gesagt, ich wähle das kleinere Übel. Heute ist dein Glückstag.«

Er funkelt mich aus seinen großen, dunklen Augen an. Meine Herren, eine Ausstrahlung hat er. Ähnlich wie Leo. Und der ist immerhin ein Rockstar. Und er scheint größer als mein Bruder zu sein. Und Chris ist schon an die eins neunzig.

»Huch«, quietsche ich, denn er hat mich einfach mit einem Ruck hochgehoben. Mitsamt den Stöcken, die von meinen Unterarmen baumeln. Als wäre ich leicht wie eine Feder.

Mit mir in den Armen stapft er durch den weichen Schnee nach oben. Wie ein nasser Sack hänge ich über seinem Rücken und sehe seinen Hintern. Knackig. Zugegeben. Vermutlich seine beste Seite! Der Rucksack nervt. Hat sich in meinen Nacken geschoben und drückt von hinten auf meinen Helm, der wiederum etwas dumm in meine Stirn gerutscht ist.

Mein nach unten hängender Fuß tut so weh, dass es mir die Tränen aus den Augen drückt. Zum Glück kann er das nicht sehen. Ich trage ja noch immer die Brille.

»Was soll das werden?«, frage ich ihn.

»Mach die Augen auf, dann siehst du, dass du direkt vor meiner Hütte gelandet bist, Pinguin.«

»Pinguin?«

»Schau deinen Skianzug an.«

Stimmt. Der ist an den Außenseiten schwarz, in der Mitte, vom Hals bis hinunter zu den Skischuhen, weiß. Macht schlank, hat mir die Verkäuferin erklärt. Vor allem der wellenförmige Verlauf des schwarzen Teils. Deshalb hab ich ihn gekauft. Trotzdem darf er das nicht sagen!

»Erstens: Wenn einer hier ein unterkühltes Tier ist, dann du! Aber weniger ein Pinguin, sondern ein Raubtier. Ein Eisbär, würde ich sagen, und es ist schon ein echt großes Pech, wenn sie einander begegnen, weil das von der Natur ja nicht vorgesehen war. Und zweitens: Wie bitte soll ich deine Hütte von hier hinten sehen? Hä? Erklär mir das bitte!«

Wortlos dreht er sich mit mir um.

Klar erkenne ich die Umrisse einer schwarzen Holzhütte mit kleinen Fenstern. Er dreht sich wieder um, streift die Schneetreter vor der Tür ab und scheint die Türklinke mit seinem Fuß nach unten zu drücken. Knarrend fliegt die Holztür nach innen auf.

Warme Luft strömt mir entgegen. Er geht mit mir über einen alten Dielenboden, der bei jedem seiner Schritte knarrt. Und das, obwohl er so was wie Snowboardschuhe trägt. Plötzlich setzt er mich ab. Ein cognacfarbenes Ledersofa? Ein offener Kamin? Ich hätte eher ein vergammeltes altes Holzbett erwartet. Oh. Da drüben ist auch ein wunderschöner Holztisch mit einer L-förmigen Bank und ein paar Stühlen drumherum. Direkt neben der Küchenzeile. Und es gibt Bilder. Von Skifahrern und ein paar von Kitzbühel. Schätze ich mal, denn das Licht ist nicht besonders gut. Eher sehr schummrig. Die Hütte ist ja tatsächlich voll eingerichtet. Geschmackvoll und gemütlich. Bis auf den Saustall hier.

Mir wird immer kälter, obwohl es hier drinnen mindestens fünfundzwanzig Grad hat. Muss vom alten Tischherd kommen. Der glüht richtiggehend. Trotzdem rubble ich mit den Armen an meiner Jacke.

Er nimmt seine schlammgrüne Wollmütze ab und wirft sie auf das zweite Sofa. Zumindest schätze ich, dass es ebenfalls ein Sofa ist. Seine Jacke folgt. Liegt nun auf einem Berg von Kleidungsstücken. Sogar Zeitungen sehe ich. Was für eine Unordnung! Überall in dem großen Raum liegt etwas herum. Sogar am Boden. Der Couchtisch quillt über vor Flaschen, Gläsern und Tellern.

---ENDE DER LESEPROBE---