Ich schreib dich einfach weg - Mira Morton - E-Book

Ich schreib dich einfach weg E-Book

Mira Morton

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Beschreibung

Lina Piers hat sich ausgerechnet in den Mann ihrer besten Freundin verliebt! Doch sie hat ein Rezept dagegen: Sie schreibt ihn einfach weg, und zwar auf den Malediven.

Die erfolgreiche Psychologin ist ein Profi, wenn es um die Probleme anderer geht, doch sie fühlt sich außerstande, ihr eigenes zu lösen. Wie konnte sie sich ausgerechnet in den Mann ihrer besten Freundin verlieben? Kurzerhand fliegt Lina auf die Malediven. Allerdings mit nur einem einzigen Ziel: Sie muss Max endlich vergessen.
Auf der malerischen Barfußinsel im Indischen Ozean traut der attraktive Single Sebastian Moohr seinen eigenen Augen nicht: Wie kann diese überaus hübsche Blonde so dumm sein und genau dort schnorcheln, wo die Strömung am stärksten ist? In der letzten Sekunde fischt er sie aus dem Wasser. Nie hätte er gedacht, dass dieser Moment sein Leben verändern könnte, und schon bald bereut er zutiefst, dass er Lina von Beginn an belogen hat. Aber hat er überhaupt eine Chance gegen den Mann, den sie ganz offensichtlich liebt? Und was soll das seltsame Orakel über die Delfine?

Ein humorvoller, prickelnder und magischer Liebesroman über die verschlungenen Pfade des Schicksals. Der Roman ist abgeschlossen und nicht Teil einer Serie.

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Inhaltsverzeichnis

 

Titel

 

1 - Malediven statt Wien

2 - Alltagstrott

3 - Wechselbad der Gefühle

4 - Selbstcoaching

5 - Entspannung

6 - Unterwasser-High

7 - Silvester

8 - Abschied

9 - Neujahrstag

10 - Gedanken sortieren

11 - Wie im Flug

12 - Zuversicht

13 - Zu Hause

14 - Verstört

15 - Feiern

16 - Nichts als Arbeit

17 - Kein Weg zurück

18 - Aufbruch ins Ungewisse

19 - Neues Leben

 

Alle bisher erschienenen Romane von Mira Morton

Leseprobe aus ›Mitten ins Herz versegelt‹

 

Danke!

Quellenangaben

 

Die Autorin

Impressum

Viel Spaß mit meinem Roman

und keep on dreamin´!

Herzlichst,

Facebook:www.facebook.com/MiraMorton.Autorin

www.miramorton.com

[email protected]

Mira Morton

Ich schreib dich einfach weg

Roman

 

 

 

Allen Prinzessinnen und besten Freundinnen gewidmet.

Love, Mira

Malediven statt Wien

26.12.

Ein mehrwöchiger Töpferkurs, Selbstmord oder das Fest der Liebe mit meiner Familie in Wien zu feiern. - Das waren meine Alternativen. Ich habe mich dann doch für einen Schreib-Urlaub auf den Malediven entschieden.

Es war wohl eine gute Entscheidung.

Was für ein Ausblick! Das Meer schimmert in Türkisblau.

Und ich sitze zwei Meter über dem Wasserspiegel in einem traumhaft lässigen Café.

Da bin ich also. In der Sonne statt unter dem Christbaum.

Ich kann mir nur gratulieren. Jetzt zelebriere ich meinen Blues eben bei mehr als dreißig Grad unter Palmen. Und was ändert es?

Nichts.

Ich starre auf den Bildschirm meines Laptops.

Ein quasi unbeflecktes Blatt - sprich: eine leere Bildschirmseite - strahlt mir entgegen. Der stumme Zeuge meiner Nicht-Kreativität.

Nicht einen Buchstaben habe ich getippt. Nicht einen einzigen.

Zur Ablenkung trinke ich einen Schluck Mineralwasser.

Wenigstens existiert ein Wort, das meine Lage in vollem Umfang zusammenfasst: BESCHEIDEN.

Ohne Zweifel, genau das ist es.

Ich kann nicht einmal über mein Problem sprechen. Mit wem auch? Hier kenne ich ja niemanden.

Klar, andere hätten sich in einer so verzwickten Lage längst ihrer besten Freundin anvertraut. Sie hätten sich bei ihr ausgeheult und sich einen Zuckerschock verpasst. Sie hätten vielleicht gemeinsam ein paar Gläser Wein zu viel getrunken. Sie hätten auf jeden Fall endlos darüber gequatscht und ihre beste Freundin am Ende gefragt, was zu tun sei - nur um dann mit gutem Gefühl exakt das Gegenteil zu unternehmen.

Doch ich würde mir eher die Zunge aus dem Mund schneiden, bevor ich Edda je ein Sterbenswörtchen davon erzähle.

Also, wie löse ich meine Krise?

Super-Checker-Bunny ist mutterseelenalleine auf ein kleines Atoll im Indischen Ozean geflogen und hat begonnen, ein neues Buch zu schreiben.

Naja. Ich versuche es zumindest. Nicht etwa, weil ich mich mit meiner besten Freundin zerstritten hätte. Nein! Ich setze aus gegebenem Anlass auf Selbsttherapie. Die benötige ich nämlich dringend.

Sehr dringend.

Ich habe mich in den Ehemann meiner besten Freundin verliebt. Schlimm genug. Verwerflich. Bösartig. Nicht zu entschuldigen.

Und nun muss ich Max endlich wieder aus meinem Kopf bekommen.

Ich bin - seit einem halben oder einem ganzen Jahr vielleicht - Stück für Stück in diese Fantasiebeziehung geschlittert. Möglicherweise liebe ich Max, Eddas Mann, tatsächlich. Vielleicht aber schwärme ich nur von ihm.

So wie früher von einem Rockstar.

Fakt ist: Es vergeht kein Tag, den ich nicht mit Max verbringe. Also geistig. Und genau das muss ein Ende finden. Am besten schnell, am besten hier.

Daher dient dieser Urlaub einem einzigen Zweck: Ich schreib ihn einfach weg.

Genau.

Hm. Bis jetzt wohl nicht, denn nach wie vor glotzt mich mein Bildschirm vorwurfsvoll an. So nach dem Motto: Und? Kommt heute noch etwas von deiner Seite?

Nein. Wohl kaum.

Oder doch?

Ich tippe »Die Idiotin« als Titel des Dokuments ein.

Lächerlich.

Ich bin erwachsen. Also löschen.

Pah, ich könnte mich selbst erwürgen.

Ich schließe die Papyrus-Datei und öffne Google.

Ich halte irritiert inne. Was ist das hinter mir? Ein Schatten?

»Would you like to have another drink?«

Die Kellnerin lächelt freundlich.

»Yes, please. A cappuccino. Decaffeinated, please.«

Wenn nicht alles so dermaßen traurig wäre, würde ich exakt hier das Leben feiern.

Dafür gibt es sicher keinen besser Ort auf dieser blauen Kugel.

Dieses Luxusresort ist einfach ein Traum. Sogar dieses Café ist wie aus einem Bilderbuch: Auf Pfählen direkt ins Wasser gebaut. Das Holz-Rondeau ist über einen Steg vom Land aus zu erreichen. Hellbraune Korbmöbel, Lounge-Garnituren und Sofas mit weißen Auflagen. Innen ist alles in sanften Farben und Brauntönen gehalten und sehr gemütlich. Ich könnte sogar direkt von der Terrasse über Holzstufen ins türkisblaue, beinahe unnatürlich anmutende Meer gleiten.

Ja, das hier ist eine Trauminsel, zum Starren und Staunen, einfach unglaublich. Das gilt auch für meinen kleinen Bungalow und das Himmelbett.

Doch was nützt ein einladendes Bett, wenn ich mich alleine darin wälze? Hm. Schön ist mein Häuschen trotzdem. Alles in gediegenen Sand- und Erdtönen und ein supermodernes Bad. Viel Holz, viel Glas, alles zur Terrasse hin offen. Luxus pur.

So klein diese Insel auch ist, ich war trotzdem noch nicht in allen Cafés und Restaurants.

Doch ich surfe einfach nicht mehr auf der Welle des Glücks wie gestern und vorgestern. Man könnte sagen: Ich bin vom Surfbrett gefallen.

»Your cappuccino.«

»Thank you very much.«

Sieht gut aus.

Schmeckt auch so.

Hach. Ich brauch eine Idee, wie ich meine Depression wegschreiben kann. Eine andere Chance zur Heilung sehe ich nicht.

Wobei: Mir müsste zumindest einfallen, wie ich beginne.

Ein Arbeitstitel wäre da schon einmal ein Anfang.

Natürlich werde ich nicht darüber schreiben, was ich für Max tatsächlich fühle. Ich bin ja nicht blöd.

Schließlich kennt Edda als eine der wenigen mein Pseudonym. Das gilt auch für Max. Also muss ich meine Gefühle für ihn in eine neue Variante einer Cinderella-Story ummünzen. Und das soll es am Ende werden, denn dafür lieben mich meine Leserinnen. Ich sie aber auch, gerade weil wir gemeinsam der Meinung sind, dass ab und zu einfach ein Märchen notwendig ist.

Ohne wäre das Leben gar zu trostlos.

Und da soll mir keiner mit Feminismus oder so kommen. Ich bin durchaus emanzipiert.

Falsch.

Ich bin Männern absolut gleichgestellt. Das habe ich der Emanzipationsbewegung zu verdanken. Das weiß ich. Doch sie haben mir nichts zu tun übrig gelassen. Entschuldigung, aber für mein Geburtsjahr kann ich echt nichts. Für das Land, in das ich hineingeboren wurde, ebenso wenig.

Und davon zu träumen, dass mir eines Tages mein Traummann über den Weg läuft, wir uns verlieben, heiraten, kleine Zwerge in die Welt setzen und so weiter, … all das möchte ich trotzdem dürfen.

Doch das ist ohnehin hinfällig. Wie es aussieht, erleben das nur andere. Ich nicht. Ich schreib bloß drüber. Über mysteriöse Männer, die klug, liebenswert und romantisch sind.

Uffh!

So wird das heute nichts mehr.

Hm. Aber …

Das ist es! Ein wundervoller Buchtitel: Mister Mysterious.

Und nun?

Naja. Keine Ahnung.

Das nenne ich einen vielversprechenden Anfang. Der Erguss der letzten zwei Tage und heutigen drei Stunden: Zwei Wörter.

Das ist peinlich.

Ich sehe mich möglichst unauffällig um. Also der Typ da drüben ist zu dick, der vorne ist naja, vermutlich reich, aber nicht gerade schön anzusehen.

Fehlanzeige. Lauter Durchschnittstypen.

Kann man nichts machen. Keine Vorbilder für die Hauptrolle in meinem neuen Roman.

Im Moment fehlt mir gerade der zündende Funke. Die Inspiration. Wenn ich in diesem Tempo weitermache, schreibe ich die letzte Zeile mit hundert Jahren.

Auch okay. Dann kann ich immer noch aus dem Fenster steigen und eine Weltkarriere starten.

Wenigstens etwas.

Egal. Heute geht eben nichts.

Ich schließe alle Programme und fahre den Computer herunter.

Der Rest des Kaffees ist kalt, dafür ist die Luft heiß.

Das Wasser sieht geradezu unecht aus. Wie durchsichtiges Plastik, sogar das Türkis wirkt unnatürlich kitschig.

Ich winke die Kellnerin zu mir.

Gut. Dann bezahle ich eben. Immerhin ein Anfang.

Ich muss ins Meer. Das wird mir guttun. Am besten, ich kaufe mir drüben im Shop eine Schnorchelausrüstung. Ohne Taucherbrille und Flossen scheint mir das hier nur das halbe Vergnügen zu sein.

Langsam trotte ich über den Holzsteg zurück an Land.

Ich bin so eine unglaublich dämliche Kuh.

Wie kann man so idiotisch sein und sich ausgerechnet den Ehemann der besten Freundin aussuchen?

Der Mann der besten Freundin ist tabu.

Ein absolutes No-Go!

Ein …

Punkt. Aus. Ende.

***

Mit einer Strandtasche und den nagelneuen, blitzblauen Flossen bewaffnet spaziere ich ans Ufer.

Ich bin schon neugierig auf die Wassertierchen, die ich gleich zu Gesicht bekommen werde.

Vor dieser Insel gibt es alles Mögliche, das hab ich im Geschäft auf einer Infotafel studiert: Mantas, Riffhaie und Korallen. Draußen an der Riffkante, unter Umständen eine Schildkröte. Und putzige kleine Fische in allen Farben. Allerdings haben einige von ihnen echt schwierige Namen. Auf die Schnelle habe ich mir kaum einen gemerkt. Was aber völlig egal ist, denn welcher Fisch würde erwarten, dass ich ihn persönlich anspreche? Ihm ein artenverbindendes ‚Hallo mein süßer Dreibinden-Preußenfisch! Dein schwarz-weißer Streifenlook ist einfach nur wow!‘ zublubbere?

Und überhaupt? Was ist das für ein seltsamer Name? Preußenfisch. Auf den Malediven? Wer denkt sich denn so etwas aus?

Aber ich will die Tierchen ohnehin nur ansehen.

So. Hier ist es perfekt. Mein Strandkleid lege ich auf das Badetuch, gleich daneben meine Tasche.

Ab ins Meer.

Barfuß stapfe ich ins seichte Wasser.

Oh, wie ich das liebe! Keine Spur von Abkühlung. Wie in der Badewanne.

Hach Max! Warum bist du Eddas Mann? Ich liebe dich doch. Ob du auch gerade an mich denkst? Hm. Ich vermute: ja!

Lina lass es!

Es führt zu nichts. Einbahnstraße. Ich muss mich ablenken. Und zwar mit Schnorcheln. Soll helfen. Tauchermaske aufsetzen. Flossen anziehen.

Los gehts.

Langsam gleite ich ins Wasser. Über den weißen Sand hinweg. Die Wellen haben ein wunderschönes Muster gezaubert. Diese sanften Linien am Boden. Schlicht und doch schön.

Ich sehe ein paar Muscheln.

Ansonsten ist es hier eher ausgestorben.

Ich schwimme noch ein Stück hinaus.

Ah, da vorne sieht es vielversprechender aus. Ich kraule hin.

Ui! Ist das eine Muräne? O Gott, ist die grässlich. Igittt!

Wow. Müsste ich nicht auf das Mundstück beißen, würde ich glatt mit offenem Mund dahinschwimmen. Das … ist … unglaublich!

Unwirklich.

Was da alles los ist auf dem Riff. Einfach unfassbar. Und der Felsen ist so bunt und fröhlich bewachsen.

Wie im Fernsehen.

Zwischen den Korallen und Pflanzen tummeln sich Schwärme von Fischen. Die spielen ja Verstecken miteinander. Ich starre ganz intensiv durch meine Taucherbrille. Einfach nur fantastisch hier.

Komisch, bis heute hat mich das Tauchen noch nie gereizt. Aber jetzt schon, denn es fühlt sich wie eine beginnende Sucht an.

Hier ein entzückender Fisch, da eine Anemone in einer atemberaubenden Farbe, dort eine Schnecke oder ein Seestern.

Ein paar Luftblasen strömen aus meinem Mundwinkel und blubbern nach oben. Habe ich gerade geseufzt? Unter Wasser?

Tja, das mit jemandem zu teilen, das wäre doch etwas. Vielleicht sogar mit dem Mann, den ich liebe? Nebeneinander schnorcheln, auf eine aufregende Entdeckung deuten, gemeinsam dorthin schwimmen. Sich einfach miteinander freuen. Ja, das wärs.

Max! Das ist doch etwas für uns, oder? Du liebst das Meer doch auch? Du solltest hier sein. Genau. Hier bei mir.

Konzentriere dich auf die Fische! Weg mit dir, Max!

Ich kann mich kaum sattsehen. Langsam paddle ich weiter. Völlig anders als in der Adria, wo ich sonst schnorchle. Dort ist es braun und grau und irgendwie leer.

Aber das hier ist Leben pur.

Hallo Fischchen! Euch kenne ich nur aus dem Fernsehen. Aber in echt seid ihr ja noch viel herziger.

Unfassbar schön ist das.

Und ich mitten drinnen.

Wer hätte das gedacht.

Die Sonne brennt mir auf den Rücken. Das spüre ich. Wird ja nicht gleich in einen Sonnenbrand ausarten. Außerdem habe ich mich vor …? Naja, vor etwa vier Stunden eingecremt. Sollte reichen.

Hey, da ist ein gelber Fischschwarm. Da muss ich hin. Die sehen ja entzückend aus.

Ich bin … high! Das ist genau das richtige Wort.

Es fühlt sich unglaublich gut an. So schwerelos und frei.

Da … da ist Dorieaus „Findet Nemo!“

Ich schwimme zu ihr. Ach, wie putzig!

Ich hoffe nur, dass ich keinem großen Hai begegne. Shit, darüber habe ich bis jetzt nicht wirklich nachgedacht. Aber ich glaube kaum, dass hier welche sind, die sind weiter draußen. Sonst hätte man ein Warnschild aufgestellt.

Oder?!

Doch. Sicher.

Was ist das da vorne? Ein kleiner Rochen? Wow, sehr majestätisch. Gut, dass du nicht größer bist, sonst würde ich mir vor Angst ins Höschen machen.

Ich wage mich näher.

Du magst mich nicht, was? Aber du brauchst doch gar keine Angst vor mir haben, Kleiner.

Ärgerlich. Immer lässt er diesen Sicherheitsabstand zwischen uns. Ich würde dich aber ganz gerne aus der Nähe sehen!

Jetzt taucht er ab.

Blöd!

Wo bist du denn hin, mein kleiner Rochen? Oder soll ich Manta zu dir sagen? Keine Ahnung. Wo ist der Unterschied?

Moment!

Er ist abgetaucht.

Aber wohin?

Ich strecke meinen Kopf aus dem Wasser. - Panisch. Herrje, wo ist denn das Ufer?

Ah. Da hinten.

Ups.

Das ist aber weit weg. Also ‚weit‘ für meine Verhältnisse.

Ich muss noch einmal schauen, wie tief es hier ist.

Oh. Da geht es aber sehr steil hinunter. Sehr, sehr, sehr steil.

O Gott!

Lina, das ist die dunkelblaue Zone.

Die, vor der sie mich schon bei der Ankunft gewarnt haben.

Die mit der gefährlichen Strömung …

Argh! Das Wasser zieht mich mit.

Hilfe!!!

Ich muss kräftiger paddeln. Mist, das Ufer ist eher weiter weg als nähergekommen.

Warum bin ich über die türkise Zone hinausgeschwommen? Ich Idiot. Nur wegen dieses dämlichen Fisches. Verdammt. Das soll man nicht tun, das haben sie allen Neuankömmlingen eingetrichtert.

Auch die Wellen sind hier höher.

Was mache ich nur?

Hallo! SOS!

Ich fuchtle wie verrückt mit den Armen in der Luft herum.

Keiner sieht zu mir her.

Angst.

Oh doch. Todesangst ist das. Sie kriecht in mir hoch.

Ich fröstle.

Geh weg.

Ich muss nachdenken.

Reiß dich zusammen, Lina. Was ist das Klügste in so einer Situation?

Keine Ahnung.

Hilfe!!!

Schwimm einfach in Richtung Ufer!

Wenn ich bloß könnte!

Gleichmäßig atmen. Okay. Und schwimmen und schwimmen.

Aber ich komme nicht vom Fleck. Schlimmer noch: Das Ufer ist schon wieder ein Stück weiter weg gewandert.

Warum wiege ich nicht hundert Kilo? Dann hätte ich der blöden Strömung etwas entgegenzusetzen. Aber nein, ich muss eine von den Zarten sein. Das bereue ich jetzt zum ersten Mal.

Ich werde untergehen.

Jämmerlich ersaufen.

Mein Gott!

Mama! Das kann ich dir nicht antun. Nicht zu Weihnachten. Nicht hier.

Ich liebe meine Familie! Lieber Gott, hörst du? Ich liebe sie!

So ein Mist! Ich wollte doch nur für zwei Wochen ausbrechen. Ein bisschen Zeit mit mir selbst verbringen. Max vergessen.

Ich flipp gleich aus.

Ruhig bleiben.

Ich bin stark.

Ich schaffe das.

Vielleicht sollte ich es mit Kraulen versuchen.

Aber die Wellen sind zu hoch dafür.

Mir ist saukalt.

Nur nicht denken.

Schwimmen. Meine Oberschenkel sind aus Blei. Meine Arme ebenso.

Was dröhnt da?

Ich spähe aus dem Wasser.

O mein Gott!!! Danke! Du hast mir ein Motorboot geschickt.

Ich werde … gerettet? Hoffentlich.

Du bist der Beste.

Ich mache eine Pilgerreise, ich schwöre es! Nein, besser noch, ich bete ab jetzt jeden Tag. Gott, ich tue alles, was du willst, aber lass sie zu mir kommen.

Ich fuchtle wie von Sinnen.

»Hilfe!!! Hierher … SOS!!!«, kreische ich.

Ein Mann auf dem Boot winkt zurück und ruft mir etwas zu. Er hat mich gesehen …

Ein paar Meter noch.

Sie schalten den Motor ab. Gleich. Gleich ist das Boot bei mir.

Nur ein paar Sekunden. Dann sind sie da.

Gleich.

Ein Typ springt mit einer Leine in der Hand zu mir ins Wasser.

»Thank you! Danke …«, stammle ich.

Ich erwische seine Hand. Er hält mich. Sicher.

»Aber gerne doch«, strahlt er mich an.

Ah. Ein Deutscher.

Er zieht mich zu sich. Dreht mich um und umklammert mich von hinten. Oh.

»Ganz ruhig. Ich mache das schon. Sie tun am besten gar nichts.«

Ich kann ohnehin nicht mehr.

Er schwimmt mit mir zum Boot. Ich lehne meinen Kopf an seine Brust. Bald darauf sind wir am Boot.

Gerettet!

Der andere Mann hält mir die Hand hin und zieht mich hoch.

»Welcome, Ma'am!«, grinst er.

Wie ein Kartoffelsack plumpse ich ins Boot.

Jetzt bin ich sicher.

Ich kann nicht mehr.

Neben mir stemmt sich mein Retter ins Schlauchboot.

Ich könnte sie alle beide küssen und umarmen!

Meine Muskeln zittern extrem.

Ich setze mich aufrecht hin, nehme mir die Brille ab und lächle meinen Helden neben mir an.

»Danke!«

»Sie wissen aber schon, dass Sie sich da in Lebensgefahr gebracht haben, junge Dame?«, fragt er mich mit einem anklagenden Unterton. Er legt mir ein Handtuch um die Schultern.

Ernst sieht er aus.

Ich blicke ihn kurz an, schaue dann auf den Boden des Bootes.

Muss ich mir jetzt die Leviten lesen lassen?

Es war mehr als super-super-blöd von mir. Danke, das weiß ich und das habe ich gespürt! Ich habe ja selbst geglaubt, dass ich ertrinken muss. Sterben muss …

»Ja, tut mir leid«, gebe ich zerknirscht zu.

»Gut, dass ich Sie zufällig entdeckt habe, was?«

»Ja, danke … wirklich!«

»Gehen Sie immer so mit Ihrem Leben um oder hängen Sie im Moment gerade nicht sonderlich daran?«

War das ein arrogantes Grinsen?

Wenn er nicht damit aufhört, werde ich ihm noch eine reinhauen. Auch wenn ich meine Arme kaum heben kann nach der ganzen Anstrengung.

Ernst war er mir lieber.

»Doch! Tue ich. Und ich bin wirklich sehr, sehr dankbar dafür, dass Sie mich gerettet haben.«

»Das freut mich, es erklärt aber nicht, warum Sie Ihr Leben dem Meer opfern wollten.«

Wie oft besprechen wir das jetzt noch? Ich fühle mich ohnehin schon wie ein kleines Schulmädchen. Danke, Herr Lehrer. Wollen Sie mich vielleicht zur Strafe noch einen Aufsatz schreiben lassen? Titel: Warum ich nicht in die blaue Zone schwimmen darf?

»Glauben Sie wirklich, dass ich das geplant habe?«

»Lassen wir es gut sein. Ich bin übrigens Bastian. Ich schätze, wir können einander ruhig duzen. Freut mich, dich kennenzulernen.«

Nach wie vor grinst er süffisant und streckt mir die Hand entgegen.

Ich schüttle sie. Aus reiner Dankbarkeit.

»Und ich bin Melina. Eigentlich Lina. Ich danke dir und … deinem Freund für die Rettung!«

Ich deute auf den Typen am Steuer, der bisher nicht viel mit mir gesprochen hat.

»Das ist James. Er ist vom Resort. Als ich dich zufällig da draußen entdeckt hatte, war mir klar, das würde kein gutes Ende nehmen. Also habe ich ihn schnell informiert, damit wir dich mit dem Boot holen können.«

»Thank you, James!«, rufe ich nach vorne.

Der nickt und lächelt.

Soviel also zum Baywatch-Team dieser Anlage hier. Hier kannst du ersaufen, und niemanden kümmert es. Ich stehe wohl tief in der Schuld von Bastian.

Ärgerlich. Sehr ärgerlich sogar, denn diese leicht überhebliche Tour solcher Machos habe ich gefressen.

Aus dem Augenwinkel mustere ich diesen Bastian.

Braun gebrannter Wahnsinnsbody, Sixpack, kantiges Gesicht, kurzes Haar, Dreitagebart, strahlende Augen in …? Sind sie blau? Oder vielleicht grau? Möglicherweise auch grün-blau? Jedenfalls hat er kleine Fältchen um die Augen und um die Mundwinkel, wenn er so grinst wie jetzt.

So ein eingebildeter Affe! Verbringt sicher Stunden vor dem Spiegel.

Und ein braun gebrannter Affe noch dazu. Scheint schon länger hier zu sein.

Da fällt mir auf, ich klappere mit den Zähnen. Obwohl es dreißig Grad hat und ich in ein Badetuch eingehüllt bin.

Ich wäre gerade fast gestorben! Ich hätte tot sein können. Mein Gott, was habe ich nur angestellt?

Wie blöd kann man sein, einfach wegen ein paar bunter Fische und einem Rochen über das Riff hinauszuschwimmen?

Mir kommen die Tränen.

Ich blinzle sie weg.

Bastian sieht mich besorgt an. Schau an. Er hat noch ein drittes Gesicht.

Wie abwechslungsreich seine Mimik doch ist.

»Ich glaube, du solltest gleich auf dein Zimmer gehen. Sieht mir nach Sonnenstich samt Sonnenbrand aus«, diagnostiziert er.

Ich funkle ihn an.

»Bist du Arzt?«

»Nein, aber ich durfte mir deine zauberhaften Schultern ansehen, als James dich ins Boot gezogen hat.«

Aha.

»Ach, und?«

»Und die waren krebsrot, und jetzt zitterst du. Ergo: Sonnenbrand samt Sonnenstich und Erschöpfung. Und das bedeutet: Du gehst ins Bett und ich bringe dir etwas vorbei.«

Wir sind am Strand angelangt und Bastian hilft mir aus dem Boot. Er schnappt sich meine Schnorchelausrüstung. Ich lege das Handtuch in den Kahn zurück, bedanke mich bei James und schüttle ihm die Hand.

Auweia! Er hat recht. Alles an mir ist, soweit ich das sehen kann, feuerrot. Und meine Beine sind wie Matsch. Ich knicke im Sand leicht ein.

Bastian schlingt von hinten einen Arm um mich.

»Komm, ich bring dich in deinen Bungalow. Wo wohnst du denn?«

Ich versuche, seiner Umarmung elegant zu entgleiten. Gelingt mir aber nicht. Er hält mich nur noch fester.

»Lina, du bist erschöpft. Keine Angst, ich rette Frauenleben, ich falle nicht über sie her und zerstöre sie. Das solltest du jetzt aber schon wissen!«

Mein … Gott! So ein selbstgefälliges A…

»Dafür bin ich wirklich überaus dankbar, Bastian. Aber ich bin schon groß und finde mein Bettchen auch alleine. Ich danke dir noch einmal. Für alles.«

Ich habe mich mittlerweile gefühlte eintausend Mal für meine Rettung bedankt. Irgendwann muss auch einmal Schluss sein. Auch wenn es stimmt: Ja, ohne ihn und James würde ich als Leiche irgendwo weit draußen treiben.

Shit. Schon wieder spüre ich Tränen in meinen Augen. Was ist denn mit mir los?

Wenigstens hat er mich losgelassen und trottet stumm neben mir her.

Auch gut. Das ist einfach nicht mein Tag. Ich habe es schon gespürt. Heute hätte ich lieber im Bett bleiben sollen.

Soll er mich doch zu meiner kleinen Beach-Villa begleiten, wenn er sich unbedingt noch für ein paar Minuten als Held fühlen will. Ach, Männer!

»Da ist es.«

Ich zeige auf mein Häuschen. Er nickt.

»Wunderbar. Ich bringe dir später mein Zaubermittel gegen Sonnenbrand vorbei. Und leg dich gleich ins Bett!«

Er dreht sich um und geht, noch bevor ich etwas entgegnen kann.

***

Ich sehe mir die Misere im Spiegel an. Meine Haut ist Ferrari-rot. Ich trage Unmengen Anti-Sonnenbrand-Lotion auf meinem Körper auf. Wirds wohl tun. Fertig. Am besten, ich werfe mich auf mein Bett. Genau das mache ich auch.

Es klopft.

Ich ignoriere es und ziehe mir den Polster über den Kopf.

»Lina, ich habe eine Flasche Aloe vera für dich.«

Ach, auf so Kleinigkeiten wie das Wörtchen ‚Herein‘ legt dieser Kerl wohl keinen Wert?

»Danke, ich habe mich schon eingeschmiert«, melde ich mich unter meinem Polster zu Wort.

»Du meinst wohl eingecremt. Mit dem Zeug hier?«

Muss ich mir das bieten lassen? Österreichisch ist auch Deutsch. Gleichzeitig schnelle ich hoch und sehe, wie er meine Lotion in der Hand hält und mich schon wieder angrinst.

»Ja. Was dagegen?«

»Da kannst du dich aber gleich darauf einstellen, dass du die nächsten Tage hier drinnen bleiben wirst.«

»Ach?«

Und schon sitzt er am Rand meines Betts!

»Was soll das?! Schon mal was von Privatsphäre gehört?«, schnauze ich ihn an.

»Schon mal was von ewiger Dankbarkeit und Unterwürfigkeit deinem Lebensretter gegenüber gehört?«

Pfuh.

Ich lasse mich zurück ins Kissen fallen.

Bastian dreht mich mit einem Ruck einfach auf den Bauch. Hallo?

Da ist sie. Seine warme Hand kreist zwischen meinen Schulterblättern. Er schmiert mich mit seinem ‚Zaubermittel‘ ein. Das ist ein Weltklasse-Tag heute. Wirklich.

Plötzlich lacht er schallend auf.

»Was ist jetzt wieder so lustig?«, keife ich und wende mich ihm zu.

»Wenn ich das gewusst hätte!«

Er lacht weiter.

»Was denn?«

»Na, dass du Prinzessin werden möchtest?«

Spinnt der?

»Hä?«

»Dein Sticker, hier auf deinem Computer … Weltklasse, Prinzessin!«

Ich sehe auf die Kommode neben mir. Mein Laptop hängt am Ladekabel. Oh! Den hatte ich beinahe vergessen. Und vor allem die Aufschrift: In riesigen Lettern steht da, ‚Ich schmeiß alles hin und werde Prinzessin!‘ - Dazu ein Strichmännchen, also Strichfrauchen, mit Kleid und Krönchen. In Rosa.

Was will er?

Ich bin nun einmal in dieser Facebook-Gruppe. Na und? Darf ich nicht auch lustig sein?

»Geht dich nichts an.«

»Tja, da bin ich mir noch nicht wirklich sicher. Aber jetzt schlaf dich aus und träum vom Märchenprinzen. Ist ja zum Glück noch einmal gut gegangen, Prinzessin.«

Er schenkt mir noch einen selbstgefälligen Grinser zum Abschied und verschwindet.

Super.

Ich ziehe mir die Decke bis unters Kinn.

Als ob ich nach dieser Aufregung schlafen könnte.

Langsam tröpfelt nämlich die Erkenntnis in mein Bewusstsein, dass das heute mehr als knapp war. Und dass ich Bastian und James mehr als dankbar sein sollte. Und dass ich … nicht einmal gefragt habe, ob ich für die Ausfahrt mit dem Boot etwas bezahlen muss?

Puh.

Und warum habe ich mich eigentlich nicht einfach in jemanden verlieben können, der nun hier bei mir ist? Zur Abwechslung einmal in einen Mann, der auf mich aufpasst? Schlicht und ergreifend anwesend ist, wenn man ihn braucht? Dann wäre mir das alles erst gar nicht passiert.

So ein Topfen.

Immer bin ich alleine. Auf jeder Party, bei jeder Einladung … sogar im Kino.

Ich muss mich jetzt einfach ein bisserl bemitleiden. Ein bisschen? Blödsinn. Mit voller Inbrunst.

Alltagstrott

27.12.

Irgendwie bin ich der Stammplatztyp. Kaum ein paar Tage hier, schon habe ich ihn gefunden und liebe ihn.

Dieses Café über dem Wasser ist einfach genial. Der Ausblick sowieso.

Und sogar mein Sonnenbrand hat sich in Luft aufgelöst.

Bastians Wunderwaffe scheint gewirkt zu haben. Was gestern noch krebsrot war, ist heute zart olivfarben und schmerzt auch nicht mehr. Vielleicht war es doch ganz gut, dass er so bestimmt war und mich gegen meinen Willen einfach mit dem Mittel behandelt hat?

Ich konzentriere mich besser wieder auf meinen Computer.

Sämtliche Accounts quellen vor gut gemeinten Weihnachtswünschen über. Ich habe dieses Jahr niemandem etwas geschrieben. Naja, bis auf meinen Eltern und ein paar meiner besten Freunde. Geht auch.

Diesmal kann ich einfach nicht. Ich habe mir doch Facebook-, Twitter-und so weiter-Abstinenz verordnet. Wie ich das hasse: Diesen ganzen Zinnober um das Fest der Liebe. Und dann erst die Bilder. Glückliches Paar unter dem Christbaum. Strahlt natürlich mit den Wunderkerzen um die Wette. ‚Mein Mann ist der Beste! So süüüß!‘ Eh klar. Und warum tauschen sie dann ihre Weihnachtsgeschenke um? Oder lassen sich kurz nachher scheiden? Wenn er doch der Beste ist? Mir geht das auf die Nerven. All diese Heile-Welt-Fotos und Postings.

Wobei? An und für sich bin ich ja schon ein echter Weihnachtsdusel. Ich steh auf Punschtrinken, beleuchtete Bäume, dekorierte Straßen und Geschäfte. Auf die abgedroschenen Weihnachtslieder sowieso. Und natürlich gibt es in meiner Wohnung einen Adventskranz. Der rieselt jetzt sicher leise vor sich hin und wirft die Nadeln ab. Da geht es ihm wie mir.

Tja. Vor Weihnachten war ich ja ziemlich viel unterwegs. Doch ein bisschen was habe ich schon vom Advent gehabt. Eigentlich war es ganz nett, mit meinen Eltern den Heiligen Abend vorzufeiern. Pflichtprogramm. Sonst hätte mich meine Mutter vermutlich noch direkt vor dem Abflug in Schwechat aus dem Flieger gezerrt und zu Hause an den Baum gekettet. Vielleicht kleine Kugeln auf die Arme gehängt und weiß Gott was noch alles.

Ich habe mich so darauf gefreut, dem Trubel zu entkommen. Allerdings war es ernüchternd, sogar hier einen riesigen in der Lobby zu sehen. Gleich bei meiner Ankunft. Da musste ich schon ein paar Mal schlucken. Andererseits mutete die Mischung surreal an: Dreißig Grad und ein Weihnachtsbaum. Also für mich als Österreicherin passt das einfach nicht zusammen. Aber gut war sie, die Absurdität des Anblicks. Ernüchternd. Sonst hätte ich am Ende noch einen hysterischen Zusammenbruch geliefert. So bin ich lediglich mit feuchten Augen daran vorbeigeschrammt.

Schluss jetzt. Dieses Fest der Liebe kann mir gestohlen bleiben. Das habe ich beschlossen und dabei bleibt es.

Außerdem ist es sowieso schon vorbei.

Selbst meine Mutter hat diesen emotionalen Super-GAU, der jährlich exakt am Vierundzwanzigsten seinen Höhepunkt feiert, vermutlich bereits überwunden. Gute Aussichten für mich und meine Handy-Rechnung. WhatsApp ist ihr zu futuristisch. Das benützt sie genauso wenig wie Skype.

Vor mir steht ein Glas Zitronenlimonade. Mit einem Schirmchen drauf. Eh viel netter als ein Punsch.

Ich nehme mein Handy und scrolle durch die WhatsApp-Nachrichten. Was bin ich doch wieder konsequent.

Aber nichts Wichtiges dabei, wie es scheint.

Ah. Edda schreibt, dass sie am Arlberg ein zauberhaftes Weihnachtsfest mit ihrer Familie verbracht hat.

Was soll ich dazu sagen?

Schön für sie! Wenn ich bös wäre.

Aber das will ich nicht sein. Ich freue mich für sie und Max.

Das ist gelogen.

Was soll ich ihr nur schreiben? Schließlich ist mir Edda wichtig. Sehr sogar!

Später.

Ich wechsle zurück auf meinen Laptop und geh auf Google.

»Verliebt in den Mann der besten Freundin«

Hab ich das gerade eingetippt?

Erster Treffer: ein Forum?

Hm.

Ich lese ein paar Postings.

Klingt nicht übel.

Ob ich soll?

Soll ich wirklich?

Pfeif drauf. Ich probier es einfach. Ich kann ja sonst mit niemandem darüber sprechen. Vielleicht tut es mir ja gut?

Was für eine Wunderwelt.

Schon bin ich ‚Blossom‘ und absolut anonym. Gut, beim NSA zerkugelt man sich vermutlich wegen mir. Aber das stecke ich weg.

Ich starte eine neue Diskussion.

 ✉    Blossom

Ich habe mich in den Mann meiner besten Freundin verliebt. Was jetzt?

Hallo, alle zusammen! Ich bin neu hier. Aber ich muss es einfach loswerden. Ich habe mich in den Mann meiner besten Freundin verliebt und sitze jetzt weit weg von daheim, um mich endlich zu »entlieben«. Trotzdem wünsche ich ihn mir minütlich an meine Seite und fühle mich gleichzeitig schäbig dabei. Im Moment weiß ich nicht, was ich tun soll. Auch nicht, was ich wirklich fühle. Bin ich nur verliebt? Liebe ich ihn? Geht es von selbst wieder weg? Kommen wir doch zusammen? Ist das Schicksal? Keine Ahnung. Ich bin verwirrt. Daher würde ich mich sehr freuen, wenn ich mich mit euch dazu austauschen kann.

Senden.

Mein Gott. Jetzt habe ich es ausgesprochen. Sozusagen. Ich fühle mich fast beschwingt. Hätte ich das gewusst, dann wäre ich schon längst in so ein Forum gegangen.

Oder ist das jetzt nur der Ersatz wegen meiner mir selbst auferlegten Facebook- und Twitter-Abstinenz während des Urlaubs? Könnte sein. Aber nein. Ich wollte mich ja nur nicht mit allerlei Mist ablenken, sondern endlich meinen neuen Roman schreiben. Mit dem Ziel, mich Wort für Wort, also Schmetterling für Schmetterling, immer weiter von Max entfernen.

Oh. Da ist schon eine Antwort!

 ✉    LooneyS

Okay

Blossom. Ich will dich ja nicht gleich verteufeln, daher sei so nett und gib uns mal ein paar Hintergrundinformationen. Hattest du schon Sex mit ihm? Weiß er, dass du dich in ihn verliebt hast? Wie steht er denn dazu?

Aha. Hier im Forum scheint man direkt auf den Punkt zu kommen. Naja. Ist ja auch wirklich egal.

 ✉    LenaStar

Sehe es …

… auch so wie LooneyS. Gib uns mal ein paar Infos. Seit wann kennst du ihn? Seit wann ist sie deine beste Freundin?

Tja meine Damen, dann geb ich euch eben die Infos. Und zwar schonungslos ehrlich.

Meine Mutter würde mich dafür steinigen.

 ✉    Blossom

Gerne

geb ich euch die ganze Geschichte dazu. Susi kenne ich ewig, Martin auch. Und nein, wir hatten noch keinen Sex. Aber miteinander haben die beiden ein Dauer-Problem: ihre Ehe! Seit ungefähr drei Jahren läuft die überhaupt nicht mehr rund. Martin zieht immer wieder aus. Und dann sprechen beide mit mir über ihre Eheprobleme. Einzeln. Tja, und vor etwa einem Jahr oder vielleicht auch etwas weniger habe ich mich in Martin verliebt. Ob er mich auch liebt? Keine Ahnung.

Das ist klug. Edda und Max hier Susi und Martin zu nennen hilft. Damit sind sie real, aber doch anonym. Und niemand wird mir das je anlasten können.

 ✉    LucySky

Schlampe!

Was denkst du dir eigentlich dabei, hier einfach so einen auf arm zu machen und deiner besten Freundin den Mann ausspannen zu wollen? Also solche wie du sind ja nicht einmal den Dreck unterm Teppich wert. Und dann sprichst du auch noch mit ihnen über ihre Probleme miteinander. Poah. Ich könnte kotzen.

WAS … SOLL … DAS???

Muss ich mir das bieten lassen?

Ich starre auf den Bildschirm. Ob ich gleich wieder aus diesem Mist aussteigen soll?

 ✉    LooneyS

Nicht aufregen Blossom!

Und du LucySky reiß dich zusammen! Wenn du das Thema nicht magst, diskutiere woanders mit. Wir haben Blossom nach weiteren Infos gefragt. Also halt still.

Nun zu dir Blossom. Was erwartest du eigentlich von ihm?

 ✉    XenaLoves1

Hure!

Such dir einen eigenen Mann.

 ✉    XtremeMan40

Blossom

Ich sehe das so: Wenn ein Mann zwei Frauen kriegen kann, warum soll er sich mit einer begnügen? Hat er schon versucht, dich in die Kiste zu bekommen?

Pfuh. Jetzt wirds aber tief.

Also gut. Da sind eben auch einige seltsame Geister dabei, aber ich habe sie gerufen. Und ich ignoriere einfach die Postings von den idiotischen Zicken. Genau.

 ✉    Blossom

Ich glaube

schon, dass er sich auch in mich verliebt hat. Aber ich habe noch nie mit ihm darüber gesprochen. Doch ich spüre es.

---ENDE DER LESEPROBE---