Entfesseltes Herz - J. R. Ward - E-Book
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Entfesseltes Herz E-Book

J. R. Ward

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Beschreibung

iAm Latimer hatte sich geschworen, seinen Bruder Trez zu beschützen – doch er konnte weder dessen Schicksal noch seine selbstzerstörerische Lebensweise voller Sex und Drogen verhindern. Bis die Auserwählte Selena in Trez’ Leben trat. Und mit ihr Liebe und Leidenschaft. Zu spät? Denn die Königin der S’Hisbe fordert Trez als Pfand für ihre Tochter. Es gibt keinen Ort, an dem er sich jetzt noch verbergen kann. Als sich eine schreckliche Tragödie ereignet, müssen Trez und sein Bruder iAm ein ultimatives Opfer bringen ...

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Seitenzahl: 436

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Das Buch

iAm Latimer hat die letzten Jahrhunderte seines Lebens damit zugebracht, seinen Zwillingsbruder Trez zu beschützen: vor der Rache der s’Hisbe und vor einem Leben voller Sex und Drogen. Doch nun haben die Brüder bei den Vampirkriegern der BLACKDAGGER Schutz gefunden, und Trez ist endlich mit seiner großen Liebe, der Auserwählten Selena, zusammen. Zum ersten Mal in seinem Leben ist Trez wirklich glücklich, und auch mit iAm scheint es das Schicksal gut zu meinen: Bei einem Besuch im Territorium, dem Königreich der s’Hisbe, hat er die bezaubernd schöne Magd Maichen kennengelernt und sich in sie verliebt. Endlich, nach all den Jahren der Einsamkeit und der Aufopferung für seinen Bruder, kann sich iAm ganz dem Rausch der Leidenschaft hingeben. Doch Maichen hat ein Geheimnis, das nicht nur ihre Liebe zu iAm auf die Probe stellt, sondern auch die Bruderschaft der BLACKDAGGER in tödliche Gefahr bringt …

Die Autorin

J. R. Ward begann bereits während des Studiums mit dem Schreiben. Nach dem Hochschulabschluss veröffentlichte sie die BLACKDAGGER-Serie, die in kürzester Zeit die amerikanischen Bestsellerlisten eroberte. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in Kentucky und gilt seit dem überragenden Erfolg der Serie als Star der romantischen Mystery.

Ein ausführliches Werkverzeichnis aller von J. R. Ward im Wilhelm Heyne Verlag erschienenen Bücher finden Sie am Ende des Bandes.

www.twitter.com/HeyneFantasySF

@HeyneFantasySF

www.heyne-fantastisch.de

J.R.Ward

Entfesseltes Herz

Ein BLACKDAGGER-Roman

Wilhelm Heyne VerlagMünchen

Titel der Originalausgabe:

THE SHADOWS (Part 2)

Aus dem Amerikanischen von Corinna Vierkant

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe 04/2016

Redaktion: Bettina Spangler

Copyright © 2015 by Love Conquers All, Inc.

Copyright © 2016 der deutschen Ausgabe

und der Übersetzung by

Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlagbild: Dirk Schulz

Umschlaggestaltung: Animagic, Bielefeld

Autorenfoto © by John Rott

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-17022-6V001

www.heyne.de

In Liebe gewidmet:

Euch beiden.

Denn es ist unmöglich,

den einen von dem anderen zu trennen.

Danksagung

Ein großes Dankeschön allen Lesern der Bruderschaft der Black Dagger!

Vielen Dank für all die Unterstützung und die Ratschläge an: Steven Axelrod, Kara Welsh und Leslie Gelbman. Danke auch an alle Mitarbeiter von NAL – diese Bücher sind echte Teamarbeit!

Alles Liebe an das Team Waud – ihr wisst, wer gemeint ist. Ohne euch käme die Sache gar nicht zustande.

Nichts von alledem wäre möglich ohne: meinen liebevollen Ehemann, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht, sich um mich kümmert und mich an seinen Visionen teilhaben lässt; meine wunderbare Mutter, dir mir mehr Liebe geschenkt hat, als ich ihr je zurückgeben kann; meine Familie (die blutsverwandte wie auch die frei gewählte) und meine liebsten Freunde.

Ach ja, und meinen WriterAssistant Naamah.

Glossar der Begriffe und Eigennamen

Ahstrux nohtrum – Persönlicher Leibwächter mit Lizenz zum Töten, der vom König ernannt wird.

Die Auserwählten – Vampirinnen, deren Aufgabe es ist, der Jungfrau der Schrift zu dienen. Sie werden als Angehörige der Aristokratie betrachtet, obwohl sie eher spirituell als weltlich orientiert sind. Normalerweise pflegen sie wenig bis gar keinen Kontakt zu männlichen Vampiren; auf Weisung der Jungfrau der Schrift können sie sich aber mit einem Krieger vereinigen, um den Fortbestand ihres Standes zu sichern. Einige von ihnen besitzen die Fähigkeit zur Prophezeiung. In der Vergangenheit dienten sie alleinstehenden Brüdern zum Stillen ihres Blutbedürfnisses. Diese Praxis wurde von den Brüdern wieder aufgenommen.

Bannung – Status, der einer Vampirin der Aristokratie auf Gesuch ihrer Familie durch den König auferlegt werden kann. Unterstellt die Vampirin der alleinigen Aufsicht ihres Hüters, üblicherweise der älteste Mann des Haushalts. Ihr Hüter besitzt damit das gesetzlich verbriefte Recht, sämtliche Aspekte ihres Lebens zu bestimmen und nach eigenem Gutdünken jeglichen Umgang zwischen ihr und der Außenwelt zu regulieren.

Die Bruderschaft der Black Dagger – Die Brüder des Schwarzen Dolches. Speziell ausgebildete Vampirkrieger, die ihre Spezies vor der Gesellschaft der Lesser beschützen. Infolge selektiver Züchtung innerhalb der Rasse besitzen die Brüder ungeheure physische und mentale Stärke sowie die Fähigkeit zur extrem raschen Heilung. Die meisten von ihnen sind keine leiblichen Geschwister; neue Anwärter werden von den anderen Brüdern vorgeschlagen und daraufhin in die Bruderschaft aufgenommen. Die Mitglieder der Bruderschaft sind Einzelgänger, aggressiv und verschlossen. Sie pflegen wenig Kontakt zu Menschen und anderen Vampiren, außer um Blut zu trinken. Viele Legenden ranken sich um diese Krieger, und sie werden von ihresgleichen mit höchster Ehrfurcht behandelt. Sie können getötet werden, aber nur durch sehr schwere Wunden wie zum Beispiel eine Kugel oder einen Messerstich ins Herz.

Blutsklave – Männlicher oder weiblicher Vampir, der unterworfen wurde, um das Blutbedürfnis eines anderen zu stillen. Die Haltung von Blutsklaven wurde vor Kurzem gesetzlich verboten.

Chrih – Symbol des ehrenhaften Todes in der alten Sprache.

Doggen – Angehörige(r) der Dienerklasse innerhalb der Vampirwelt. Doggen pflegen im Dienst an ihrer Herrschaft altertümliche, konservative Sitten und folgen einem formellen Bekleidungs- und Verhaltenskodex. Sie können tagsüber aus dem Haus gehen, altern aber relativ rasch. Die Lebenserwartung liegt bei etwa fünfhundert Jahren.

Dhunhd – Hölle.

Ehros – Eine Auserwählte, die speziell in der Liebeskunst ausgebildet wurde.

Exhile Dhoble – Der böse oder verfluchte Zwilling, derjenige, der als Zweiter geboren wird.

Gesellschaft der Lesser– Orden von Vampirjägern, der von Omega zum Zwecke der Auslöschung der Vampirspezies gegründet wurde.

Glymera – Das soziale Herzstück der Aristokratie, sozusagen die »oberen Zehntausend« unter den Vampiren.

Gruft – Heiliges Gewölbe der Bruderschaft der Black Dagger. Sowohl Ort für zeremonielle Handlungen als auch Aufbewahrungsort für die erbeuteten Kanopen der Lesser. Hier werden unter anderem Aufnahmerituale, Begräbnisse und Disziplinarmaßnahmen gegen Brüder durchgeführt. Niemand außer Angehörigen der Bruderschaft, der Jungfrau der Schrift und Aspiranten hat Zutritt zur Gruft.

Hellren – Männlicher Vampir, der eine Partnerschaft mit einer Vampirin eingegangen ist. Männliche Vampire können mehr als eine Vampirin als Partnerin nehmen.

Hohe Familie – König und Königin der Vampire sowie all ihre Kinder.

Hüter – Vormund eines Vampirs oder einer Vampirin. Hüter können unterschiedlich viel Autorität besitzen, die größte Macht übt der Hüter einer gebannten Vampirin aus.

Jungfrau der Schrift – Mystische Macht, die dem König als Beraterin dient sowie die Vampirarchive hütet und Privilegien erteilt. Existiert in einer jenseitigen Sphäre und besitzt umfangreiche Kräfte. Hatte die Befähigung zu einem einzigen Schöpfungsakt, den sie zur Erschaffung der Vampire nutzte.

Leahdyre – Eine mächtige und einflussreiche Person.

Lesser – Ein seiner Seele beraubter Mensch, der als Mitglied der Gesellschaft der Lesser Jagd auf Vampire macht, um sie auszurotten. Die Lesser müssen durch einen Stich in die Brust getötet werden. Sie altern nicht, essen und trinken nicht und sind impotent. Im Laufe der Jahre verlieren ihre Haare, Haut und Iris ihre Pigmentierung, bis sie blond, bleich und weißäugig sind. Sie riechen nach Talkum. Aufgenommen in die Gesellschaft werden sie durch Omega. Daraufhin erhalten sie ihre Kanope, ein Keramikgefäß, in dem sie ihr aus der Brust entferntes Herz aufbewahren.

Lewlhen – Geschenk.

Lheage – Respektsbezeichnung einer sexuell devoten Person gegenüber einem dominanten Partner.

Lhenihan– ein mystisches Biest bekannt für seine sexuelle Leistungsfähigkeit. In modernem Slang bezieht es sich auf einen Vampir von übermäßiger Größe und Ausdauer.

Lielan– Ein Kosewort, frei übersetzt in etwa »mein Liebstes«.

Lys – Folterwerkzeug zur Entnahme von Augen.

Mahmen – Mutter. Dient sowohl als Bezeichnung als auch als Anrede und Kosewort.

Mhis – Die Verhüllung eines Ortes oder einer Gegend; die Schaffung einer Illusion.

Nalla oder Nallum– Kosewort. In etwa »Geliebte(r)«.

Novizin – Eine Jungfrau.

Omega– Unheilvolle mystische Gestalt, die sich aus Groll gegen die Jungfrau der Schrift die Ausrottung der Vampire zum Ziel gesetzt hat. Existiert in einer jenseitigen Sphäre und hat weitreichende Kräfte, wenn auch nicht die Kraft zur Schöpfung.

Phearsom – Begriff, der sich auf die Funktionstüchtigkeit der männlichen Geschlechtsorgane bezieht. Die wörtliche Übersetzung lautet in etwa »würdig, in eine Frau einzudringen«.

Princeps– Höchste Stufe der Vampiraristokratie, untergeben nur den Mitgliedern der Hohen Familie und den Auserwählten der Jungfrau der Schrift. Dieser Titel wird vererbt; er kann nicht verliehen werden.

Pyrokant– Bezeichnet die entscheidende Schwachstelle eines Individuums, sozusagen seine Achillesferse. Diese Schwachstelle kann innerlich sein, wie zum Beispiel eine Sucht, oder äußerlich, wie ein geliebter Mensch.

Rahlman – Retter.

Rythos– Rituelle Prozedur, um verlorene Ehre wiederherzustellen. Der Rythos wird von dem Vampir gewährt, der einen anderen beleidigt hat. Wird er angenommen, wählt der Gekränkte eine Waffe und tritt damit dem unbewaffneten Beleidiger entgegen.

Schleier– Jenseitige Sphäre, in der die Toten wieder mit ihrer Familie und ihren Freunden zusammentreffen und die Ewigkeit verbringen.

Shellan– Vampirin, die eine Partnerschaft mit einem Vampir eingegangen ist. Vampirinnen nehmen sich in der Regel nicht mehr als einen Partner, da gebundene männliche Vampire ein ausgeprägtes Revierverhalten zeigen.

Symphath – Eigene Spezies innerhalb der Vampirrasse, deren Merkmale die Fähigkeit und das Verlangen sind, Gefühle in anderen zu manipulieren (zum Zwecke eines Energieaustauschs). Historisch wurden die Symphathen oft mit Misstrauen betrachtet und in bestimmten Epochen auch von den anderen Vampiren gejagt. Sind heute nahezu ausgestorben.

Trahyner – Respekts- und Zuneigungsbezeichnung unter männlichen Vampiren. Bedeutet ungefähr »geliebter Freund«.

Transition– Entscheidender Moment im Leben eines Vampirs, wenn er oder sie ins Erwachsenenleben eintritt. Ab diesem Punkt müssen sie das Blut des jeweils anderen Geschlechts trinken, um zu überleben, und vertragen kein Sonnenlicht mehr. Findet normalerweise mit etwa Mitte zwanzig statt. Manche Vampire überleben ihre Transition nicht, vor allem männliche Vampire. Vor ihrer Transition sind Vampire von schwächlicher Konstitution und sexuell unreif und desinteressiert. Außerdem können sie sich noch nicht dematerialisieren.

Triebigkeit– Fruchtbare Phase einer Vampirin. Üblicherweise dauert sie zwei Tage und wird von heftigem sexuellem Verlangen begleitet. Zum ersten Mal tritt sie etwa fünf Jahre nach der Transition eines weiblichen Vampirs auf, danach im Abstand von etwa zehn Jahren. Alle männlichen Vampire reagieren bis zu einem gewissen Grad auf eine triebige Vampirin, deshalb ist dies eine gefährliche Zeit. Zwischen konkurrierenden männlichen Vampiren können Konflikte und Kämpfe ausbrechen, besonders wenn die Vampirin keinen Partner hat.

Vampir– Angehöriger einer gesonderten Spezies neben dem Homo sapiens. Vampire sind darauf angewiesen, das Blut des jeweils anderen Geschlechts zu trinken. Menschliches Blut kann ihnen zwar auch das Überleben sichern, aber die daraus gewonnene Kraft hält nicht lange vor. Nach ihrer Transition, die üblicherweise etwa mit Mitte zwanzig stattfindet, dürfen sie sich nicht mehr dem Sonnenlicht aussetzen und müssen sich in regelmäßigen Abständen aus der Vene ernähren. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme können Vampire Menschen nicht durch einen Biss oder eine Blutübertragung »verwandeln«; in seltenen Fällen aber können sich die beiden Spezies zusammen fortpflanzen. Vampire können sich nach Belieben dematerialisieren, dazu müssen sie aber ganz ruhig werden und sich konzentrieren; außerdem dürfen sie nichts Schweres bei sich tragen. Sie können Menschen ihre Erinnerung nehmen, allerdings nur, solange diese Erinnerungen im Kurzzeitgedächtnis abgespeichert sind. Manche Vampire können auch Gedanken lesen. Die Lebenserwartung liegt bei über eintausend Jahren, in manchen Fällen auch höher.

Vergeltung – Akt tödlicher Rache, typischerweise ausgeführt von einem Mann im Dienste seiner Liebe.

Wanderer – Ein Verstorbener, der aus dem Schleier zu den Lebenden zurückgekehrt ist. Wanderern wird großer Respekt entgegengebracht, und sie werden für das, was sie durchmachen mussten, verehrt.

Whard – Entspricht einem Patenonkel oder einer Patentante.

Zwiestreit – Konflikt zwischen zwei männlichen Vampiren, die Rivalen um die Gunst einer Vampirin sind.

1

Die Zellentür schloss sich hinter iAm und Maichen. Sie waren in die Falle getappt. s’Ex saß auf dem Bett und sah sie gelangweilt an. iAm riss sich den hellblauen Schleier seiner Verkleidung als Dienstmagd vom Kopf, warf ihn von sich und stellte sich schützend vor Maichen. »Lass sie gehen.«

Gemächlich schob der Scharfrichter seine mächtigen Beine vom Bett und stand auf. »Weißt du, was meine größte Schwäche ist? Ich lasse mir nicht gern befehlen.«

»Maichen hat nichts mit dieser Sache zu tun. Diese Angelegenheit betrifft nur dich und mich.«

»Tja, du verstehst es noch immer nicht. Du und ich, wir sind nur Nebenfiguren in diesem Drama, aber darum geht es nicht.«

Der Scharfrichter kam auf sie zu, doch iAm breitete die Arme aus und schirmte Maichen ab. »Keinen Schritt weiter.«

»Sonst was?«

»Sonst töte ich dich.«

s’Ex blieb vor iAm stehen und blickte von oben auf ihn herab. »Ach wirklich?«

»Ja.« iAm ballte die Fäuste und spürte, wie seine Fänge ausfuhren. »Wenn es um die Entscheidung geht, wer von euch beiden lebend hier rauskommt, garantiere ich dir: Sie ist diejenige, die noch steht, sobald sich diese Tür hier öffnet. Und wenn ich dabei draufgehe.«

s’Ex verzog das Gesicht und wandte sich an die Dienstmagd: »Euch ist bewusst, dass er der falsche Bruder ist, oder?«

iAm verstellte s’Ex die Sicht auf Maichen. »Also, kann’s losgehen?«

»Es wäre dumm von dir, gegen mich zu kämpfen. Wo ich doch hier bin, um dich zu befreien.«

iAm ließ sich nicht beirren. »Teilst du den ersten Schlag aus oder ich?«

»Hast du nicht gehört? Ich bin hier, um dich zu deiner beschissenen Bibliothek zu bringen – aber vermutlich kommst du da gerade her, habe ich recht? Oder legt ihr hier nur einen Abstecher ein auf dem Weg nach draußen?«

Schweigen. iAm ließ sich die Worte des Scharfrichters mehrfach durch den Kopf gehen und klopfte sie auf ihre Bedeutung ab. Dann runzelte er die Stirn. »Ich verstehe nicht.«

»Wenn es dir nichts ausmacht, wir müssen uns beeilen. Ich soll in zwanzig Minuten wieder am Hof sein.«

Was zum Henker?, dachte iAm.

s’Ex verdrehte die Augen. »Ich habe doch gesagt, dass ich dich hier raushole, oder?«

»Aber du warst es doch, der mich in diese Zelle gesteckt hat! Du hast mir eins über den Kopf gezogen …«

»Nein, Arschloch, das war einer meiner Wachen. Seitdem arbeite ich daran, dich wieder rauszuholen – das mit der Zelle war nicht geplant. So war es nicht vereinbart.«

iAm blinzelte.

»Wir waren in der Bibliothek«, mischte sich nun Maichen ein. »Aber wir haben nichts gefunden. Ich begleite euch. Ich möchte sichergehen, dass er lebend rauskommt.«

»Nein!«, bellten s’Ex und iAm im Chor.

»Siehst du?«, meinte der Scharfrichter und ging zur Tür. »Wir können uns ja doch einig sein. Also, kann’s jetzt losgehen?«

Und er redete diesmal nicht von einer Prügelei.

Heilige Scheiße. Es sah aus, als hätte iAm ihm doch nicht zu Unrecht vertraut.

iAm sah Maichen an. Leise flüsterte er: »Bitte, folge uns nicht.«

»Sie lässt sich nichts verbieten«, tat s’Ex dies ab und öffnete die Zellentür. »Gehen wir – es sei denn, du möchtest in dieser Zelle verrotten.«

iAm warf dem Dienstmädchen einen warnenden Blick zu: »Komm nicht mit.«

»Ich warte«, sagte s’Ex.

»Maichen …«

»Ich folge Euch, wenn es mir passt«, war ihr einziger Kommentar, damit huschte sie an ihm vorbei zu s’Ex hinaus auf den Gang.

iAm rang um Fassung, während er den beiden folgte, immer noch in der hellblauen Robe, in der ihn Maichen unerkannt zur Bibliothek gebracht hatte. »Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, dass du für diesen Blödsinn dein Leben aufs Spiel setzt.«

Doch Maichen hörte nicht auf ihn. Offensichtlich hatte sie den Verstand verloren.

Allerdings war er selbst auch nicht besser … denn er stellte fest, dass er sich nicht von ihr trennen wollte.

Was verrückt war.

Wieder ging es durch Korridore, diesmal auf einer anderen Route, und die ganze Zeit über rechnete iAm damit, dass sich ihnen jemand in den Weg stellen oder sie überfallen oder irgendetwas Grässliches passieren würde.

Doch eine Viertelstunde später hatten sie den Palast verlassen, die Behausungen der Diener passiert … und standen vor der Mauer, die das Territorium von der Menschenwelt trennte.

iAm sah den Scharfrichter an. »Du lässt mich gehen?«, flüsterte er.

»So war es vereinbart, oder etwa nicht?« Als iAm schwieg, schüttelte s’Ex den Kopf. »Hier endet das Abenteuer für uns drei. Zumindest bis zum Ende der Trauerzeit, wenn ich deinen Bruder holen muss.«

»Werden sie nicht merken, dass ich fort bin?«

»Wen sollte es kümmern? Ich beseitige regelmäßig Gefangene – und die Erinnerung an deine Markierung habe ich aus den Köpfen der Wachen gelöscht.« s’Ex warf Maichen einen Blick von der Seite zu. »Obwohl die Sache einfacher gewesen wäre, wenn Ihr keinen Möbel-Ausstellungsraum aus seiner Zelle gemacht hättet.«

iAm streckte s’Ex die Hand entgegen. »Ich hatte nicht erwartet, dass du Wort hältst.«

»Selber Arschloch.« s’Ex schlug ein. »Und jetzt geh.«

Ehe er sich’s versah, stand die Tür für ihn offen. iAm musste sich noch nicht einmal über den Wall dematerialisieren.

Er zögerte und sah sich nach Maichen um.

Schweigen breitete sich aus, und s’Ex stieß einen derben Fluch aus. »Ich bin gegen diese Sache zwischen Euch, aber Ihr wisst, wie Ihr das Tor verschließt, wenn er weg ist.«

Damit stapfte er davon, und sein schwarzes Gewand flatterte hinter ihm.

Es war wirklich merkwürdig, dachte iAm, als er mit Maichen alleine war. Der Weg in die Freiheit lag offen vor ihm, doch er konnte sich nicht rühren.

»Kann ich dein Gesicht sehen?«, hörte er sich fragen. »Bevor ich gehe.«

Als sie schwieg, streckte er die Hand nach ihr aus und strich über den Stoff, der ihren Kopf bedeckte und auf ihre Schultern fiel. »Ich muss wissen, wie du aussiehst, sonst wirst du mich in den Nächten verfolgen.«

Doch er ahnte schon, dass sie das ohnehin tun würde.

»Ich …« Ihre Stimme zitterte. »Ich bin mir nicht sicher.«

iAm nickte und kam sich total mies vor. »Tut mir leid, ich weiß, es geht mich nichts an.« Einem plötzlichen Impuls folgend, verbeugte er sich vor ihr, als wäre sie viel mehr als eine einfache Dienstmagd. »Nochmals danke.«

Damit drehte er sich um und trat durch das Tor in der Mauer.

»Morgen Nacht«, platzte sie heraus. »Trefft Ihr Euch mit mir?«

Er erstarrte, ein Fuß schon außerhalb des Territoriums. »Wo?«

»Ich weiß nicht. Irgendwo. Irgend…wie.«

iAm runzelte die Stirn. Er dachte an die Hütte, in der er Trez gefunden hatte, auf dem Berg zwischen dem Territorium und der Kolonie der Symphathen. Sicher gab es sie noch, sie war schon über hundert Jahre alt gewesen, als Trez damals Schutz gesucht hatte.

Und Rehv hatte keinen Bedarf mehr dafür.

»Kennst du den Black Snake Mountain?«

»Ja«, flüsterte sie.

»Auf halber Höhe an der Ostflanke, am Einstiegspunkt zum Lightning Strike Trail steht eine Hütte. Ich werde etwas früher da sein und den Kamin anschüren, dann kannst du dich von hier dematerialisieren und nach dem Feuerschein Ausschau halten. Sei um Mitternacht dort.«

Er stellte sich vor, wie sie auf der Unterlippe kaute, während sie überlegte.

»Ich würde dir nie etwas antun«, schwor er.

»Ich weiß.«

»Ich muss los.« Er sah sie durchdringend an und versuchte, durch ihre Robe ihren Körper auszumachen. »Denk darüber nach. Ich werde eine Stunde auf dich warten. Wenn du es nicht schaffst, verstehe ich das.«

In den Augen der s’Hisbe war sie nicht »von Bedeutung«, und doch taten auch Frauen ihres Standes gut daran, vorsichtig zu sein, wenn sie das Territorium verließen.

Erst recht dann, wenn sie keinen Einfluss besaßen.

»Lebt wohl«, sagte sie und schloss das Tor.

Als er sich ein paar Sekunden später dematerialisierte, wusste er, dass er sie nie wiedersehen würde. Trotzdem würde er in der nächsten Nacht zur Berghütte kommen.

Zum vereinbarten Zeitpunkt.

Selbst zynische Jungfrauen wie er hatten anscheinend eine romantische Ader.

Mitternacht war längst vorüber, als Trez und Selena aus der Toilette im Erdgeschoss kamen. Überrascht stellte Trez mit einem Blick auf sein Handy fest, dass es schon nach drei war. Sie hatten sich über drei Stunden in dieser Toilette vergnügt.

Er konnte sich keinen besseren Zeitvertreib vorstellen.

Die Ersten waren schon heimgekehrt, aus dem Billardzimmer drangen Stimmen.

»… der reinste Kugelhagel«, sagte Rhage. »Es wollte einfach kein Ende nehmen!«

»Mein armes Rettungsmobil.« Manny klang alles andere als begeistert. »Das war die Jungfernfahrt. Und jetzt? Total verbeult!«

Wie es aussah, waren ihre beiden Beschützer heil nach Hause gekommen. Scheiße, sie hatten den Abend lang vor dem Circle the World Wache gehalten, und er hatte mit keinem Gedanken an sie gedacht. Was war er doch für ein Egoist.

»Und dieser Wichser behauptet, es wäre keine Polizei in der Nähe«, unterbrach V. »Ich solle sie einfach an der geheimen Garage abholen. Unglaublich – es war wie eine Großversammlung der Bullen.«

Trez legte den Arm um Selena. »Möchtest du dich zu den anderen gesellen?«

»Wir müssen unseren Teil erzählen!«

Trez küsste sie auf die Stirn und führte sie durch die Eingangshalle und durch den Bogendurchgang in den Billardsalon mit seinen Pooltischen, Sofas und dem Flachbildschirm von der Größe einer Autokino-Leinwand.

»Seht euch das an, wir sind auf CNN«, rief jemand, als der Fernseher anging.

Und tatsächlich liefen gerade die Aufzeichnungen einer Überwachungskamera auf Dauerschleife: Man sah den Mercedes von Fritz wie in einer Szene aus Die Hard durch die Fensterscheiben der Lobby brechen. Darauf folgte der Kommentar eines Polizisten, der an der Verfolgungsjagd beteiligt gewesen war, und dann noch der Bericht irgendeines anderen Zeugen.

Trez nickte Rhage und Manny zu. Winkte V und Butch. Stellte sich zu Selena, die neben Z und Bella stand.

»Ganz schön viel Material«, meinte jemand betreten.

»Scheiße«, murmelte ein anderer.

Selbst Selenas Hochgefühl wurde gedämpft, als würde die wilde Verfolgungsjagd durch diese Aufzeichnungen erst real.

Ein kalter Luftzug kündigte an, dass jemand ins Haus gekommen war, und im nächsten Moment legte sich eine Hand auf Trez’ Schulter.

Als er sich umdrehte, stand iAm vor ihm.

»Oh, hallo.« Er wollte seinen Bruder umarmen, doch dann stockte er. »Nach was riechst du denn?«

»Neue Flüssigseife im Sal’s.«

Trez nahm ihn in die Arme. »Wirf das Zeug in die Tonne. Du riechst wie eine alte Dame – ist das Lavendel?«

»Was ist mit dem Mercedes vor dem Eingang passiert? Der ist ja total verbeult.«

Trez deutete auf den Fernseher. »Sieh selbst.«

Aber iAms Blick war an Selena hängen geblieben. Schnell verbarg er seine Überraschung über ihre gestylte Frisur und das knappe Kleid.

»Wir waren essen«, brach es aus Trez hervor.

Selena bemerkte iAm und streckte ihm die Arme entgegen. »Hallo«, sagte sie und umarmte ihn. »Ich befürchte, wir haben die Innenstadt von Caldwell verwüstet.«

Schon komisch, sein Bruder war der einzige Kerl, dem Trez nicht an die Gurgel springen wollte, wenn er Selena berührte. Wahrscheinlich wusste er einfach, dass iAm nie im Leben auf dumme Gedanken kommen, geschweige denn, etwas anstellen würde.

iAm lächelte. »Jetzt weiß ich wenigstens, was dem Benz so zugesetzt hat. Ich hole mir einen Drink, willst du auch einen?«

Trez schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«

Doch als sein Bruder zur Bar ging, entschuldigte er sich bei Selena und folgte ihm. »Hey, hör zu, ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich mich gar nicht mehr gemeldet habe … wow!«

Trez fing die Wodkaflasche auf, die iAm entglitten war, bevor sie auf dem Boden zerschellte. Erst da bemerkte er, dass die Hände seines Bruders zitterten.

»Verdammt, iAm, ist alles in Ordnung?«

»Oh, ja, absolut.«

»Hier«, sagte Trez und gab ihm den Wodka zurück. »Willst du dir den Drink sicher selber machen?«

»Ja.«

»Warte, ich hol dir ein Glas.« Trez trat um die Bar herum und nahm ein niedriges, weites Glas aus dem Regal, während iAm die quadratische Flasche entkorkte. »Cranberry-Saft?«

»Nein.«

»Pur? Du trinkst ihn doch sonst nie pur.«

»Effizienz, mein Bruder. Effizienz lautet heute die Devise.«

Trez hielt das Glas und sah zu, wie iAm einschenkte. Als sein Bruder die Flasche gar nicht mehr absetzen wollte, konnte Trez seine Besorgnis nur mühsam verbergen.

iAm war nämlich sonst der Besonnenere von ihnen beiden.

Mit diesem Glas würde er sich sofort abschießen in Richtung Koma. Andererseits hatten sie auch verdammt lange vierundzwanzig Stunden hinter sich.

»Wie lief’s im Restaurant?«, fragte Trez und reichte ihm das Glas.

»Äh, gut. Alles in Ordnung.«

»In den Clubs?«

»Auch.«

iAm stürzte den Wodka hinunter, in einem einzigen langen Zug, als wäre er Wasser.

Trez fluchte. »Es tut mir so leid.«

»Warum?«, brummte iAm.

»Du weißt warum.«

iAm antwortete mit einem Grunzen, das alles Mögliche bedeuten konnte. »Hör zu, ich geh schlafen. Ich bin vollkommen erledigt.«

»Ja, ich glaube, das machen wir auch.«

»Wie geht es ihr?«

Trez sah zu Selena hinüber. Eigentlich sollte es nur ein flüchtiger Blick werden, bevor er sich wieder seinem Bruder zuwandte, doch seine Augen verweigerten den Befehl und folgten stattdessen der anmutigen Rundung von Selenas Rücken. Und wieder sah Trez vor sich, wie sie auf der Bank in der Toilette vor ihm gelegen hatte, nackt, die Beine gespreizt, die schweren Brüste an seinem Mund, in seinen Händen. Dann dachte er an ihr ausgelassenes Lachen während der Verfolgungsjagd im Mercedes und wie sie beim Essen im Circle the World in die Nacht hinausgeblickt hatte.

»Sie ist unglaublich«, sagte er heiser. »Absolut unglaublich.«

»Das ist gut, Bruder. Das ist gut.« iAm steckte den Korken auf die Flasche und klemmte sie sich unter den Arm. »Hör zu, ich leg mich hin. Aber wenn etwas ist, ich bin nebenan, okay?«

»Danke.«

Als iAm ging, ohne sich noch einmal umzusehen, spürte Trez überdeutlich, welche Last er für seinen Bruder war.

Eines Tages, das schwor er sich, würde er eine Möglichkeit finden, sich bei ihm zu revanchieren.

2

Es gab kein Entrinnen.

Layla stand inmitten der Versammlung im Billardzimmer und wusste nur zu gut, dass man ihr peinliche Fragen stellen würde, wenn sie jetzt versuchte, sich zum Auto zu stehlen, um eine kleine Spritztour zu unternehmen. Aber vor allem befand Luchas sich noch immer in einem ernsten, wenn auch stabilen Zustand. Qhuinn war unten in der Klinik, zusammen mit Blay, sie war nur hochgekommen, um einen Happen zu essen.

Es wäre falsch, das Grundstück zu verlassen.

Insbesondere um jemanden wie Xcor zu treffen.

Wahrscheinlich war es besser so. In der letzten Nacht hätte sie beinahe eine Grenze überschritten und sich damit – das war ihr nach reiflicher Überlegung klar geworden – auf gefährliches Terrain begeben. Gütige Jungfrau der Schrift, sie wusste nicht, was in sie gefahren war. Diese erzwungene Trennung war gut – obwohl es ihr natürlich leidtat, dass es Luchas so schlecht ging.

Auf dem riesigen Fernseher über dem Kamin sah man filmreife Bilder untermalt von Schüssen und quietschenden Reifen.

Unglaublich, was in der Innenstadt passiert war. Zum Glück hatte sich niemand verletzt.

»Wo steht dein schickes Fahrzeug jetzt?«, wurde Manny gefragt.

»Immer noch am Fluss. Wir mussten es in Vs Garage lassen.« Der Arzt rieb sich das Gesicht, als hätte er höllische Kopfschmerzen. »Es ist komplett durchsiebt – außerdem ist mir irgendetwas Großes vor den Kühler gelaufen.«

»Ein Lesser?«, erkundigte sich ein Bruder.

»Nein. Ich habe rotes Blut an Scheinwerfern und Kühlergrill entdeckt. Also entweder Mensch oder Vampir. Aber nachdem wir vollzählig sind und niemand hinkt, war es wohl Ersteres.«

»Oder einer von Xcors Leuten.«

»Kann sein. Aber was es auch war, derjenige muss sich ganz schön wehgetan haben.«

Layla runzelte die Stirn. »Jemand wurde angefahren?«

»Keiner von uns, keine Sorge«, antwortete jemand.

Eine merkwürdige Vorahnung ergriff von ihr Besitz.

Ohne weitere Worte zog sie sich unauffällig aus dem Billardzimmer zurück, holte ihr Handy aus der Fleecejacke, die sie sich von Doc Jane geliehen hatte, und schickte eine kurze Nachricht. Sobald sie versandt war, löschte sie den Text aus dem Speicher und prüfte, ob das Handy auf »stumm« gestellt war, ehe sie es wieder wegsteckte.

Dann lief sie vor der Eingangstür auf und ab, das schmale Handy in der Tasche umfasst, und wartete auf eine Antwort. Als sich zehn Minuten lang nichts tat, überprüfte sie, ob sie ihr Handy vielleicht versehentlich ausgeschaltet hatte.

»Hallo Layla.«

Sie wirbelte herum. Qhuinn und Blay waren aus der Tür unter der Treppe gekommen.

Errötend sagte sie: »Ich wollte gerade wieder runterkommen.«

»Er schläft jetzt. Doc Jane sagt, seine Werte werden besser. Im Moment besteht keine akute Gefahr.«

Blay schaltete sich ein: »Wir legen uns jetzt auch hin. Bevor wir umfallen.«

Qhuinn gähnte und riss den Mund so weit auf, dass die Kiefer knackten. »Doc Jane legt sich unten hin. Ich glaube, sie hat seit zwei Tagen nicht geschlafen. Sie gibt uns Bescheid, falls etwas ist.«

»Sagt ihr mir, wenn ihr mich braucht?«

»Ich glaube, im Moment ist alles in Ordnung. Danke für alles.«

Sie umarmten einander und wünschten sich einen guten Tag. Offensichtlich gelang es Layla dabei, einigermaßen normal zu wirken, denn kurz darauf machten sich Qhuinn und Blay auf in den ersten Stock.

Ohne ihre Unruhe zu bemerken.

Layla warf einen Blick zurück zum Billardzimmer. Zog ihr Handy aus der Tasche und sah nach der Uhrzeit.

Nach drei.

Immer noch keine Antwort.

Ohne lang zu überlegen, ging sie durch das Esszimmer und die Küche nach draußen. Die Doggen waren mit den Vorbereitungen für das Letzte Mahl beschäftigt, und Fritz sah nur kurz auf und nickte, als sie an ihm vorbeihuschte.

Niemand bemerkte, wie sie in die Garage schlüpfte und zur verschlossenen Tür auf der anderen Seite lief. Sie gab die Kombination ein, und das Schloss öffnete sich mit einem Piepen. Kurz darauf saß sie hinter dem Steuer und startete den Motor.

Das Mhis verlangsamte sie, als sie den Hang hinunterfuhr, und ihr Herz schlug nur noch wilder. Doch dann erreichte sie den Fuß des Berges, bog auf die Landstraße ab und trat richtig aufs Gas.

Sie hatte nicht viel Zeit.

So musste sich Sucht anfühlen, dachte sie benommen, während sie das Lenkrad so fest umklammerte, dass ihr die Knöchel brannten.

Die Anziehungskraft von Droge oder Alkohol – oder Xcor, was sie betraf – war übermächtig, doch es bereitete kein Vergnügen, sich ihr zu ergeben, sondern nur Schuldgefühle. Und Hass auf sich selbst, wenn man wider besseres Wissen einem Trieb nachging, der einen umbringen konnte.

Oder zumindest in den Ruin führen.

Aber beim Schleier, sie konnte nicht anders. Sie musste sich einfach vergewissern, ob es Xcor gut ging.

Im königlichen Audienzhaus lächelte Paradise dem älteren Vampir vor ihrem Schreibtisch zu. »Gern geschehen. Ich bin froh, dass wir Sie heute Nacht noch reinnehmen konnten.«

»Sie haben mir sehr geholfen.« Er verbeugte sich vor ihr, die Kappe in der Hand. »Ich wünsche noch eine angenehme Zeit bis zur Dämmerung.«

»Ihnen auch.«

Als er weg war, lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Er war der letzte Termin für diese Nacht gewesen. Wrath hatte acht Stunden lang zwischen zwei und vier Audienzen pro Stunde gehalten, also zwischen sechzehn und dreißig Gäste empfangen. Und für jeden einzelnen hatte Paradise die Anweisungen ihres Vaters befolgt: Sie hatte die Gäste begrüßt, sie registriert, wenn sie zum ersten Mal mit dem König sprachen, und ihnen eine Erfrischung angeboten, bevor sie aufgerufen wurden. Nach ihren Gesprächen hatte sie die Gäste wieder verabschiedet und die Mitschriften ihres Vaters in eine Datei eingepflegt, in der auch Entscheidungen oder erteilte Erlaubnisse erfasst wurden.

Erschöpft war gar kein Ausdruck für ihren Zustand, sie war vollkommen ausgelaugt. Es gab so viel zu lernen, so viele Namen und Problemstellungen, Familien und Blutlinien, und sie durfte sich keinen Fehler leisten.

Außerdem musste sie sich mit den Gästen unterhalten, während sie warteten, besonders, wenn sie alleine kamen.

Nicht weil ihr Vater sie dazu angehalten hätte, sondern weil es ihr einfach wichtig erschien.

Vielleicht lag es an ihrem Stewardessen-Outfit.

Vermutlich aber an ihrer Erziehung.

»Ganz schön viele leere Stühle hier.«

Sie fuhr zusammen. »Peyton! Kannst du nicht anklopfen?«

»Das habe ich. Ein Bruder hat mich reingelassen – ich hätte mir fast ins Hemd gemacht.« Er schielte zurück zum offenen Bogendurchgang. »Da ist keine Tür, sonst hätte ich natürlich geklopft. Entschuldige, dass ich dich erschreckt habe.«

Sie stupste die Maus an und verscheuchte damit die bunten Blasen auf ihrem Bildschirm. »Was willst du?«

»Du hast nicht auf meine Textnachrichten geantwortet. Oder meine Anrufe.«

»Weil ich sauer auf dich bin.«

»Ach, komm schon, Parry. Sei nicht so.«

»Ich muss dich etwas fragen.« Sie löste die Augen von dem Excel-Spreadsheet, an dem sie gearbeitet hatte, und sah in seine blauen Augen. »Was würdest du sagen, wenn du nicht selbst entscheiden dürftest, bloß weil deine Haare blond sind?«

Er warf die Hände in die Luft. »Was soll das, ich habe keine Lust, über Haarfarben zu …«

»Ich meine es ernst. Streite nicht mit mir, sondern beantworte meine Frage.«

»Ich würde in die Drogerie gehen und mir eine schwarze Tönung kaufen.«

Paradise schüttelte den Kopf, nahm den Block mit der To-do-Liste zur Hand und hakte ein paar Punkte ab, die sie bereits erledigt hatte.

»Ich verstehe den ganzen Wirbel nicht«, brummte Peyton. »Warum willst du dich unbedingt ins Gemetzel stürzen? Dort sterben Aristokraten ganz genau wie alle anderen. Was hast du dagegen, in Sicherheit zu sein …«

»Hinter einem Schreibtisch, ja? Oder in einem Kleid in einem großen Haus? Ja?«

»Es ist nicht falsch, das schöne Geschlecht zu beschützen.«

»Musst du nicht zurück zu deiner Bong?«

Sie spürte, wie er sie von oben herab anfunkelte. »Erinnerst du dich nicht mehr an die Plünderungen, Parry? Hast du vergessen, wie das war? Vampire wurden in ihren Häusern abgeschlachtet. Gliedmaßen wurden ihnen bei lebendigem Leib abgehackt. Die Eltern von Lash haben sie am Esstisch gefunden, ihre Leichen auf den Stühlen drapiert wie zu einem Festmahl. An so etwas möchtest du teilhaben?«

Paradise sah ihm fest in die Augen. »Will ich nicht!«

»Aber warum streiten wir uns dann?«

»Weil ich selbst entscheiden will. Ich möchte das Risiko eingehen können, wenn ich will – und erzähl mir nicht von den Plünderungen, als würde ich mich nicht selbst an jedes Detail erinnern. Auch in meiner Familie gab es Tote. Darf ich mich nicht nach Rache sehnen? Das ist reine Männersache?«

Er stützte sich auf ihren Schreibtisch und beugte sich zu ihr. »Männliche Vampire können keine Kinder gebären.«

Sie stand auf und war nun dicht vor ihm. »Da hast du recht. Ich würde gerne sehen, wie es euch dabei erginge. Ihr würdet doch nach zehn Minuten nach Mama schreien.«

Überrascht bemerkte Paradise, dass Peytons Blick ihre Lippen streifte.

So etwas hatte es in all den Jahren ihrer Freundschaft nie gegeben.

Nicht einmal andeutungsweise.

»In Ordnung«, sagte er wütend. »Dann steh zu deinem Wort.«

»Wie bitte?«

»Melde dich an.« Er deutete auf ihren Schreibtisch. »Komm hinter dem Tisch hervor, und füll die Anmeldung aus. Versuch, den Eignungstest zu bestehen.«

»Vielleicht tue ich das …«

In diesem Moment kam ihr Vater herein. »Oh, hallo, Peyton. Wie geht es dir, mein Sohn?«

Sofort war Peyton wie ausgewechselt. »Danke, Sir, es geht mir gut.«

Die beiden schüttelten sich die Hände, und Paradise war sich sicher, dass ihr Vater die Stimmung nicht bemerkte. Ganz anders als Peyton. Seine Schultern waren angespannt, als würde er in Gedanken mit ihr weiterstreiten.

»… wie aufmerksam von dir vorbeizuschauen und Paradise zu unterstützen.« Ihr Vater lächelte. »Besonders an ihrem ersten Abend. Ich muss sagen, du hast meine Erwartungen übertroffen, meine Liebste. Das hier ist eine wundervolle Betätigung für dich vor deiner Einführung.«

»Danke, Vater«, sagte sie mit einer Verbeugung.

»Gut, ich muss jetzt gehen. Peyton, vielleicht leistest du ihr bis zum Sonnenaufgang Gesellschaft?«

Peyton musterte sie scharf. »Du wohnst nicht mehr zu Hause?«

»Keine Sorge«, schaltete sich ihr Vater ein. »Sie ist mit ihrer Dienstmagd hier und wohl behütet. Also, wenn ihr mich jetzt entschuldigen wollt, ich muss los.«

Um nach ihrem »Gast« zu sehen, kein Zweifel.

»Die Brüder haben den König zu seinem Anwesen eskortiert«, sagte ihr Vater, kam um den Schreibtisch herum und umarmte sie. »Die Doggen werden noch mindestens eine Stunde sauber machen. Ruf an, wenn du etwas brauchst.«

»Das werde ich.«

Und damit war er weg.

»Ich fasse es nicht, dass er dich hier wohnen lässt«, sagte Peyton.

»Er tut es nicht ganz freiwillig.«

»Was meinst du damit?«

»Ach, nichts.« Sie griff in ihr Haar und schüttelte die Locken auf. »Du musst mir nicht Gesellschaft leisten. Genauer gesagt möchte ich, dass du gehst.«

Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen, und als er nicht antwortete, wurde sie wütend. »Was?«

Seine Lider waren schwer. So hatte sie ihn noch nie erlebt. »Du warst noch nie so …«

»Aufmüpfig?«

»Nein«, murmelte er. »Das nicht.«

»Was dann?« Doch er antwortete nicht. Sie schüttelte den Kopf. »Geh nach Hause, Peyton. Geh einfach heim, zieh dir einen Joint rein und bereite dich darauf vor, den großen Macker beim Trainingsprogramm zu markieren. Das ist deine natürliche Rolle.«

Damit stolzierte sie an ihm vorbei aus dem Salon. Es war ihr egal, was er machte, ob er ging oder an ihrem Schreibtisch stehen blieb, bis ihn die Doggen mit den Wollmäusen nach draußen fegten.

Sie war fertig.

Mit dieser Nacht. Und mit Männern im Allgemeinen.

3

»Nein. Hierher. Bringt ihn zum Kamin …«

Xcor riss sich von seinen Männern los. »Ich bin kein Krüppel.«

Er humpelte durch das kleine Cottage, das er für Layla erstanden hatte, und behielt für sich, wie sehr er fror und sich über das Feuer freute, das um die Scheite im Kamin tanzte.

»Dein Bein ist gebrochen«, bemerkte Zypher.

Als Xcor sich auf das Sofa sinken ließ, wurde ihm so schlecht, dass er sich beinahe übergeben hätte, doch er schluckte die Magensäure hinunter. »Das heilt wieder.«

»Wir haben zu essen.«

Er wusste nicht, wer das gesagt hatte, und es war ihm auch egal. »Wo ist der Schnaps?«

»Hier.«

Jemand reichte ihm eine Flasche irgendwas, und er hob sie an die Lippen. Der Inhalt entpuppte sich als Wodka, der brennend durch seine Kehle floss und ein zweites wärmendes Feuer in seinem Inneren entfachte.

Er hatte einen langen, langen Heimweg hinter sich, bei dem er sich Meile für Meile dematerialisieren musste, weil sie über kein Fahrzeug verfügten. Jetzt wollte er einfach nur noch allein sein. Doch da seine Männer so besorgt um ihn waren, würden sie vermutlich nicht gehen, und ihm fehlte die Kraft, sie zu vertreiben.

»Sie hätten dich fast umgebracht«, meinte Balthazar, der an der Tür stand.

Xcor trank noch einen Schluck. »Dich aber auch …«

»Da kommt wer«, meldete Syphon vom Fenster. »Ein Auto.«

Sofort zogen alle ihre Waffen und richteten sie auf das Fenster. Alle außer Xcor. Sein Arm hing schlaff unter der dünnen Jacke herab. Wahrscheinlich war die Schulter ausgekugelt.

Und den Wodka gab er nicht aus der Hand.

»Wer ist es?«, fragte er barsch. Er tippte auf die Doggen, die er anstellen wollte.

»Eine Vampirin«, hauchte jemand. »Aber keine aus der Dienerklasse.«

Xcor riss den Kopf herum und bleckte die Fänge. Doch er wusste auch so schon, wer es war. Es gab nur eine Vampirin, die dieses Cottage kannte und mit dem Auto kommen würde.

»Lasst uns allein«, befahl er. »Sofort.«

Doch seine Bande stand im Halbkreis vor dem Fenster, gebannt von Laylas Anblick. Xcor knurrte wie ein Löwe: »Lasst uns allein!«

Zypher räusperte sich. »Sie ist wirklich hübsch anzuschauen, Xcor …«

»Sie ist das Letzte, was du je sehen wirst, wenn ihr nicht verschwindet!«

Murrend dematerialisierten seine Soldaten sich … sodass Xcor allein war, als Layla klopfte.

Er stärkte sich mit einem weiteren Schluck aus der Flasche, dann rappelte er sich auf und öffnete ihr die Tür.

Layla sah ihn an und rief: »Ihr seid verletzt!«

Sie wirkte so erschrocken, dass er an sich und seinen blutigen Kleidern herabsah. »Ja, es macht ganz den Eindruck.« Merkwürdigerweise spürte er seine Verletzungen gar nicht mehr, jetzt da sie vor ihm stand. »Wollt Ihr nicht reinkommen und Euch am Kamin wärmen?«

Als wäre nichts gewesen. Als hätte sie ihn nicht versetzt, obwohl sie um Mitternacht kommen wollte – um ihm mitzuteilen, ob sie bei ihrer Entscheidung blieb.

Doch das war überflüssig. Ihr Fernbleiben war Antwort genug. Offensichtlich war sie zur Besinnung gekommen.

Layla trat ein und ließ den Blick unaufhörlich an ihm auf und ab wandern. »Xcor, was ist passiert?«

»Nichts.« Er schloss die Tür. »Hattet Ihr nicht angedeutet, dass Ihr Euch nicht freimachen könnt?«

»Ich habe von den Ereignissen in der Stadt gehört. Ich musste einfach …«

»Musstet was? Nachsehen, ob ich tot bin und Euch auf diese Weise von Eurer Verpflichtung entbunden habe?« Als sie schwieg, lachte er leise und kehrte zur Couch zurück. »Entschuldigt bitte, ich muss mich setzen.«

Er merkte deutlich, wie sie ihm mit dem Blick folgte. Und sicher hörte sie auch das Stöhnen, das er zu unterdrücken versuchte.

»Ihr solltet einen Arzt aufsuchen.«

Xcor lachte und hob erneut die Flasche an den Mund. »Ihr meint, ich müsste mich behandeln lassen? Die Bruderschaft der Black Dagger hat vermutlich einen anderen Standard der medizinischen Versorgung. Mir ist im Laufe der Jahrhunderte schon viel Schlimmeres widerfahren. Das hier ist nur ein Kratzer, morgen Abend ist er wieder heil.«

ENDE DER LESEPROBE