Faule Ladung - Mortimer M. Müller - E-Book

Faule Ladung E-Book

Mortimer M. Müller

0,0

Beschreibung

Was verbindet eine kaltblütige Halbelfe, einen selbstverliebten Stadtmagier und einen schiffstollen Klabauter? Klarerweise nichts - könnte man meinen. Zumindest nicht bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem ausgerechnet ein dämonisch verseuchtes Schiff im Hafen der Stadt einläuft. Als Kinder spurlos verschwinden und grässlicher Gestank die Bevölkerung in Schrecken versetzt, wird klar: An Bord des Schiffes geht es nicht mit reifen Dingen zu! Faule Ladung ist ein humorvoller Fantasyroman, der mit satirischer Zunge eine ziemlich faule Geschichte erzählt. # Inklusive der vollreifen Wahrheit, was davor geschah! #

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 145

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



ZU DIESEM BUCH

Was verbindet eine kaltblütige Halbelfe, einen selbstverliebten Stadtmagier und einen schiffstollen Klabauter? Klarerweise nichts – könnte man meinen. Zumindest nicht bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem ausgerechnet ein dämonisch verseuchtes Schiff im Hafen der Stadt einläuft. Als Kinder spurlos verschwinden und grässlicher Gestank die Bevölkerung in Schrecken versetzt, wird klar: An Bord des Schiffes geht es nicht mit reifen Dingen zu!

FAULE LADUNG ist ein humorvoller Fantasyroman, der mit satirischer Zunge eine ziemlich faule Geschichte erzählt.

Mortimer M. Müller schreibt in den Genres Thriller, Fantastik, Unterhaltung und Satire. Daneben ist er begeisterter Sportler, Waldliebhaber, Sonnenanbeter sowie in den kreativen Bereichen Gesang, Film und Fotografie aktiv. Hauptberuflich arbeitet er als Waldbrandforscher an der Universität für Bodenkultur in Wien.

Sein Kitzbühel-Thriller KABINE 14 wurde für den Friedrich-Glauser-Preis 2014, Sparte Debütroman, nominiert.

Mehr Informationen finden Sie unter:https://blog.mortimer-mueller.at

Weitere Romane des Autors sind in Vorbereitung.

für Schmafou damit er nicht schon wieder zu kurz kommt

~*~

Schmafou entdeckte es zuerst.

»Ein Schiff, ein Schiff!«, krähte er und begann wie ein Gummiball auf und ab zu hüpfen.

»Wo, wo?«, kreischten die anderen Klabauter im Chor.

»Da, da!«, plärrte Schmafou und deutete nach Südwesten.

Tatsächlich. Ein winziges Pünktchen war am Horizont des Meeres erschienen – offenbar ein mächtiges Kriegsschiff, vielleicht ein Drei- oder gar Viermaster.

»Es gehört mir, mir, mir!«, fiepste Schmafou und fing an Salti mortali zu vollführen, bis er dabei das Gleichgewicht verlor und kopfüber von der Mole in die tosende Brandung stürzte.

Den beiden uniformierten und vor Langeweile gähnenden Wachen am Pier war das Verhalten der Klabauter nicht entgangen.

»Scheint was Großes zu sein«, murmelte der eine, dessen gepflegter Vollbart im frappanten Gegensatz zu seinem glatt geschorenen Schädel stand. Die scharfen Linien des von Sonne, Regen und Sturm gegerbten Gesichtes zogen sich zusammen, als der Mann den Farbtupfen am Horizont fixierte. »Ich tippe auf einen faradayschen Schoner.«

»Ein Schlachtschiff der Ringlotten«, erwiderte der andere, dessen schulterlange Lockenpracht ein bartloses und deutlich jüngeres Gesicht umrahmte. Ein schelmisches Grinsen überzog die Lippen des Mannes – im Gegensatz zu den ernsten Zügen auf dem Gesicht seines Gefährten.

»Niemals, Balthasar. Dagegen setze ich eine von Aurelias magisch entspannenden Massagen.«

»In Ordnung, Melchior. Mein Einsatz ist ein Krug Bier.«

»Feigling«, brummte der erste Soldat und trat nach einem besonders vorwitzigen Klabauter, der es auf die Schnürbänder seiner Stiefel abgesehen hatte.

~*~

Das Schiff kam rasch näher. Schon bald erkannte man, dass es sich tatsächlich um einen Dreimaster handelte – ein eleganter, schlanker, aus dunkelrotem Holz gefertigter Kahn, der mit voller Takelage geradewegs auf Mole Nummer fünf zusteuerte.

»Was zum Teufel macht ein Forschungsschiff der Elben in diesen Gewässern?« Melchior strich sich über den langen Bart.

»Ach was«, erwiderte Balthasar. »Das ist ein umgebauter Ringlotten-Kreuzer, ich hatte also recht.«

»Nein, du sagtest, es wäre ein Schlachtschiff.«

»Das ist fast dasselbe, Bruderherz.«

Melchior warf seinem Kollegen einen feindseligen Blick zu, zuckte dann jedoch die Schultern und seufzte tief.

»Also gut, Balthasar. Der Punkt geht an dich.«

Der Angesprochene grinste breit.

»Das will ich meinen. Wann kann ich Aurelias Zauberhände in Anspruch nehmen?«

»Jederzeit – sofern sie es gestattet.«

Balthasar öffnete den Mund, blieb allerdings eine Erwiderung schuldig, denn in diesem Moment wurden aufgeregte Rufe laut. Eine Gruppe Jugendlicher hatte sich am meerseitigen Ende von Mole Nummer fünf versammelt. Die Jungen und Mädchen stritten sich mit den Klabautern um die besten Plätze – wie im Schneegestöber segelten Dutzende kleine, quietschende Gestalten über den steinernen Damm in die schäumende See. Gleich darauf gab es einen gewaltigen Knall und die Menschenkinder ergriffen – heulend und völlig durchnässt – die Flucht.

»Lasst die Klabauter in Frieden!«, rief Melchior ihnen nach und verpasste einem der Wichtel einen Fausthieb, der meinte, er könne einen Apfel aus Melchiors Rucksack stibitzen.

»Etwas stimmt nicht.« Balthasar deutete auf den rötlich schimmernden Kahn, den nur noch wenige hundert Meter vom Rand der Mole trennten.

»Konkretisiere etwas. Irgendetwas stimmt immer nicht.«

»Ich kann an Deck keine lebendige Seele erkennen.«

Melchiors Augenbrauen wanderten nach oben. »DAS ist tatsächlich merkwürdig …«

Die Blicke der Brüder trafen sich.

»Sollen wir …?« Balthasars Hand rutschte wie von selbst auf den Griff seines Schwertes.

Melchior schüttelte den Kopf. »Nein, wir sollen nicht – wir müssen.«

~*~

Das Geisterschiff war noch zehn Bootslängen von der Mole entfernt, als die Verstärkung eintraf. Angeführt wurde die zwanzigköpfige Schar von Leutnant Leonys Federzunge, einer schlanken, blonden Halbelfe, deren grasgrüne Augen blitzten wie geschliffene Smaragde. Obwohl sie bereits auf die Fünfzig zuging, sah sie aus wie fünfundzwanzig. Wären der eisige Ausdruck auf ihren Zügen und die Narbe an ihrer Wange nicht gewesen – und hätte man die dunkelrote Feuerrüstung, den feindselig summenden Drachenhelm, das gebogene Harakiri-Schwert und die mit Werwolfsehnen verstärkte Götterarmbrust ignoriert – hätte sie ebenso gut die strahlende Prinzessin aus einem Märchen sein können. Jedenfalls war sie die einzige Soldatin in der Stadt, die es bis in den Offiziersrang geschafft hatte – manche munkelten, mit vollem Körpereinsatz.

»Ein modifizierter Kreuzer der Ringlotten, möglicherweise in Elbenbesitz und ohne sichtbare Besatzung, nähert sich uns aus …«, erstattete Balthasar Bericht, wurde aber von seiner Vorgesetzten unterbrochen.

»Das sehe ich selbst«, sagte Leonys kühl. »Irgendwelche brauchbaren Informationen?«

»Sie segeln gegen den Wind.«

»Ach. Das ist euch tatsächlich aufgefallen, Balthasar Sternsinger?«

Der Hohn in Leonys’ Stimme war nicht zu leugnen. Dennoch straffte eine Woge aus Stolz Balthasars Brust – Leonys Federzunge kannte seinen Namen!

»Selbstverständlich.« Der junge Hafenwachmann reckte gockelhaft den Hals. »Und obwohl das Schiff in wenigen Augenblicken die Mole erreicht, steht es unter vollen Segeln.«

»Nicht mehr lange.« Melchior deutete auf das Meer hinaus. Wie von Geisterhand bewegt begannen die Reffe zu arbeiten, falteten sich Vor- und Großsegel zusammen und lösten sich surrend die Schoten.

»Wenn es das Tempo beibehält, können wir trotzdem nur noch die Schiffstrümmer aus der Brandung fischen«, brummte einer der Soldaten.

»Ich setze zehn Silberlinge, dass das Schiff von Ogern gekapert wurde, die alle an der Blutpest krepiert sind!«, brüllte ein anderer.

»Da halte ich dagegen«, rief ein dritter. »Es sind Banshees aus den Toten Landen an Bord!«

»Ruhe!« Leonys warf grimmige Blicke in die Runde. »Schilder nach vorn, macht euch kampfbereit. Achtet auf Feindfeuer und Trugbilder.«

Das Schiff brauste in solch vollkommener Stille heran, dass man hätte meinen können, es schwebe auf einem unsichtbaren Teppich über der Wasseroberfläche. Der Dreimaster erreichte den Beginn der Mole ohne Anstalten zu treffen, sein Tempo zu verringern. Nun konnte man auch den geschwungenen Schriftzug erkennen, der den Bug des Schiffes zierte: Nostromo.

»Rag‘nar Rôek«, raunte Melchior verhalten, sodass nur Balthasar ihn verstand.

Die Balken des Schiffes knirschten und knackten, als der Kahn innerhalb weniger Augenblicke seine Geschwindigkeit auf null reduzierte. Taue flogen über die Reling und wanden sich wie Schlangen um die Anlegepfosten, gleichzeitig rutschte der Laufsteg in zittriger Behäbigkeit vom Schiff und knallte mit einem unnatürlich lauten Klong! auf den Damm.

»Zauberei …«, hauchte einer der Krieger.

»Ach nein«, fauchte Leonys. »Macht euch lieber nützlich und schickt nach Amar. Ich denke, dass wir seine Hilfe benötigen werden.«

Der Soldat nickte und stürmte davon. Offenbar war ihm jeder Auftrag recht, selbst wenn er in die Behausung des exzentrischen Magiers führte, solange er auf diese Weise der Nähe des verhexten Schiffes entkam.

»Sieht böse aus«, konstatierte Melchior und wies in Richtung des ausgefahrenen Laufstegs. Eine Horde Klabauter hatte sich davor versammelt. Aber anstatt wie üblich johlend auf das Schiff zu stürmen, starrten sie unschlüssig die Planken empor.

»Sieht sehr böse aus«, meinte Balthasar, als sich die Klabauter wie auf ein unhörbares Zeichen hin umwandten und kreischend das Weite suchten.

Leonys reagierte sofort. »Wall bilden, Lanzenträger nach vorn, Bogenschützen in Bereitschaft!«

Die zwei Dutzend Männer und Frauen entwickelten rege Betriebsamkeit und formierten sich zu einer Mauer aus glänzenden Rüstungen und scharfem, funkelndem Stahl.

Sekunden später schlief der Wind ein und gespanntes Schweigen senkte sich auf die Gruppe herab. Ein Schwarm Möwen flog krächzend über sie hinweg, ein großer Werfisch erhob sich einige Meter entfernt aus den Fluten und zwischen einem Haufen loser Taue erschien das glupschende Auge einer Brandungsschnecke, die mit ihren rot pulsierenden Fühlern …

Ein gewaltiger Knall ließ alle zusammenzucken.

~*~

Schallendes Gelächter hob an. Zwei Burschen und ein junges Mädchen hatten sich weiter draußen am Damm unweit des Laufstegs zum Geisterschiff hinter leeren Fässern verborgen gehalten. Einer der Jungen hatte einen Donnerfisch zertreten – schimmernde Luftblasen stoben in alle Richtungen davon.

»Schnappt euch diese Bälger!«, brüllte Leonys und deutete auf zwei ihrer Untergebenen, die sich prompt in Bewegung setzten.

Die Kinder verstummten, warfen sich unschlüssige Blicke zu; und stürmten dann direkt auf den Laufsteg des Schiffes zu.

»Nein«, sagte Melchior.

Balthasar warf seinem Bruder einen irritierten Blick zu. Es war etwas in diesem einen Wort gewesen, das ihn stutzig werden ließ. Eine Empfindung, die er in dieser Form nicht von seinem Bruder kannte: Furcht.

Melchior sprang vor, stieß die beiden marschierenden Soldaten beiseite und eilte der Mole entlang auf das Schiff zu.

»Kasper!«, rief er verzweifelt und Balthasar erkannte erst jetzt, dass einer der flüchtenden Jungen der Sohn seines Bruders war.

Doch der Bursche reagierte nicht, warf keinen Blick zurück oder zur Seite, sondern spurtete hinter dem Mädchen und dem zweiten Knaben über den Laufsteg auf das Schiff. Er sprang über das Geländer und gelangte außer Sicht. Melchior fluchte ungehemmt, ignorierte Leonys’ gebellten Befehl »Halt!« und stürmte noch schneller voran. Balthasar überlegte, seinem Bruder zu folgen – doch bevor er den ersten Schritt setzen konnte, spürte er den festen Griff einer feingliedrigen Hand auf seiner Schulter. Leonys schüttelte den Kopf und warf ihm einen durchdringenden Blick zu, der jeden Widerstand im Keim erstickte.

Ein dumpfer, dröhnender Laut ertönte, wie der einsame Schlag eines gewaltigen Herzens, dann wurde mit einem Ruck der Laufsteg auf das Schiff zurückgezogen. Melchior, der das Boot soeben betreten wollte, musste mit rudernden Armen um sein Gleichgewicht kämpfen, um nicht kopfüber ins Meer zu stürzen.

Ein gellender Schrei hallte über das Wasser. Es war ein Laut, entrungen aus Todesangst, der Balthasar einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.

Ohne Zweifel war es ein Junge, der schrie.

~*~

Als der Schrei verklungen war, herrschte für einen Moment atemlose Stille.

»Bitte nicht«, murmelte Leonys, deren Gesicht merklich an Farbe verloren hatte.

Balthasars Meinung nach hätte die Halbelfe ihre Situation durchaus treffender beschreiben können: Ein Schiff, von dem sie weder Besitzer noch Herkunft kannten, lief ohne Mannschaft im Hafen ein, wurde von einem unsichtbaren Zauber gesteuert, verjagte selbst die gewöhnlich unbeirrbar schiffsgeilen Klabauter – und schien nun damit begonnen zu haben, Kinder zu fressen.

Zu allem Überfluss waren die Ereignisse der letzten Minuten nicht unbemerkt geblieben. Hinter ihnen hatte sich eine hundertköpfige Menschenmenge versammelt, die aufgeregt tuschelte und den Rumpf des Schiffes mit nervösen Blicken bedachte.

Unvermittelt löste sich eine Frau aus der Gruppe und stürmte auf die Mole zu. Auf einen Wink Leonys’ vertraten ihr zwei Soldaten den Weg.

»Maureen!«, schluchzte die Frau und schlug verzweifelt um sich, konnte aber nicht verhindern, dass sie die Krieger an den Armen packten und zurückhielten.

»Das Mädchen war ihre Tochter«, flüsterte einer der Soldaten. Seine Wortwahl ließ keinen Zweifel daran, welches Schicksal das Kind seiner Meinung nach erfahren hatte.

Balthasar erinnerte sich an seinen Bruder, wandte sich um – und legte verwundert den Kopf schief. Gerade noch hatte Melchior dazu angesetzt, über eines der Schiffstaue auf den Dreimaster zu klettern; nun allerdings befand er sich wieder auf der Mole und rannte auf ihn und die Gruppe Soldaten zu. So wenig Balthasar es auch glauben konnte, aber der Ausdruck auf dem Gesicht seines älteren Bruders grenzte an nackte Panik.

»Was riecht denn hier so seltsam?«, fragte einer der Soldaten und blähte die Nasenflügel.

»Ist ja ein richtig grauslicher Mief«, meinte ein anderer.

»Könnte das von dem Schiff …?«, begann ein dritter, brach mitten im Satz ab und riss die Augen auf.

Jetzt nahm es auch Balthasar wahr, der von Natur aus mit einem außerordentlich schlechten Geruchssinn gesegnet war. In seinem letzten klaren Gedanken stellte er sich die glorreiche Frage, wie etwas nur derart entsetzlich stinken konnte.

~*~

Zur selben Zeit klopfte es an der Tür des Scherbenturms, der am Rande der Stadt auf einem kleinen Hügel stand und aussah, als wäre er aus Hunderttausenden perlmuttfarbenen Muscheln erbaut. Dalail Amar, der bierbäuchige und aufgrund misslungener Selbstversuche völlig haarlose Stadtmagier, hauste darin und war soeben damit beschäftigt, einen Trank zur Steigerung der sexuellen Lust bei Heinzelmännchen herzustellen.

»Herein!«, dröhnte er mit gereizt klingender, künstlich verstärkter Stimme. Der Besucher sollte merken, dass er ungelegen kam.

Die Tür öffnete sich und ein junger Soldat trat in den Raum. Er näherte sich Dalail bedächtig und unter zahlreichen Verbeugungen.

»Eure Exzellenz«, wimmerte er und senkte sein Haupt noch tiefer, sodass seine Nase in die zentimeterhohe, feine Staubschicht des Fußbodens tauchte.

Dalail verkniff es sich, dem Krieger zu befehlen seine Füße zu küssen, und erwiderte gemessen: »Was ist euer Begehr?«

Statt einer Antwort donnerte ein gewaltiges Hatschi! durch den Raum, welches den Zauberer dazu veranlasste einen erschrockenen Satz rückwärts zu machen – wodurch er um ein Haar die Karaffe mit seinem Intimenthaarungsgebräu verschüttet hätte. Als der Soldat abermals zum Niesen ansetzte, vollführte der Magier eine ärgerliche Handbewegung und der Krieger entspannte sich.

»Danke, euer Hochwürden«, murmelte der Soldat und zog die Nase auf.

»Was gibt‘s?«, blaffte Dalail und verzichtete damit auf sämtliche weitere Floskeln.

»Ein Schiff …«, der Söldner atmete schwer, »… hat im Hafen angelegt. Ohne Besatzung und offensichtlich von einem unbekannten Zauber beherrscht.«

Dalail erwog sämtliche Alternativen, wie er den heutigen Nachmittag verbringen konnte: Verbesserung seiner Tinktur zur Enthaarung von Männerhintern; Einfangen eines entlaufenen Gogo-Trolls; Abtreibung des Inkubus-Bastards einer 15-Jährigen. Nein, ein verwunschenes Schiff klang eindeutig am interessantesten.

»Gut, ich komme«, sagte er und griff nach dem Beutel neben sich. »Sobald ich mit der Maniküre meiner Nägel fertig bin.«

Aber das sagte er nicht laut.

~*~

Der Gestank strömte aus dem Schiff, umfloss es in pulsierenden Bewegungen wie ein hundertarmiger, hungriger Krake auf Beutejagd. Zischend schickte er seine stinkenden Fangarme hierhin und dorthin, in immer größere Entfernungen, auf der unbarmherzigen Suche nach lebendigem Frischfleisch.

Die Menschen der Stadt flohen vor dem Gestank, der an ein potenziertes Gemisch aus Ogerkot, verfaulendem Koboldsgedärm, verwesendem Teufelsfisch und pasteurisierter Schlurm-Spucke erinnerte. Er war so durchdringend, dass er den Geruchssinn betäubte und grenzenlose Übelkeit sowie einen qualvollen Hustenreiz hervorrief. Binnen weniger Minuten waren sämtliche Gebäude im Umkreis von zehn Häuserblocks zu Mole Nummer fünf verlassen.

In zweihundert Meter Entfernung war der Gestank noch immer grausam, aber zumindest verursachte er keine Panikattacken und Bewusstseinstrübungen mehr. Die Soldaten waren nur so weit zurückgewichen, wie unbedingt nötig – oder wie es Leonys gestattet hatte, die mit dem grässlichen Aasgeruch am besten zurechtkam.

Balthasar hatte nur dank seines Bruders überlebt. Wie bei den meisten anderen war der Wahnsinn mit ihm durchgegangen und er wäre in die schäumende See gestürzt, hätte ihn Melchior nicht im letzten Moment zurückgerissen und von der Mole gezerrt. Doch nicht allen Kriegern war das Glück hold gewesen. Zwei Söldner aus Leonys’ Truppe waren in der allgemeinen Kopflosigkeit vom Hafendamm gestoßen und von den Meereswogen verschlungen worden. Ein weiterer hatte sich auf seiner Flucht den Schädel an einer Hauswand eingeschlagen. Die Schreie um sie herum ließen deutlich werden, dass es auch unter der Bevölkerung Opfer zu beklagen gab.

»Wir müssen …«, Leonys hustete und verzog angeekelt das Gesicht, »… auf Amar warten, bevor wir weitere Maßnahmen setzen. Diesem Gestank wohnt ein mächtiger, böser Zauber inne. Zwei von euch halten hier Wache, zwei weitere auf der anderen Seite der Mole. Abgelöst wird jede halbe Stunde. Sollte auch nur die geringste Veränderung eintreten, will ich umgehend informiert werden.«

Als niemand Anstalten erkennen ließ, sich freiwillig für die erste Schicht zu melden, deutete Leonys auf vier ihrer Krieger – und übersah dabei Balthasar, der sich rasch hinter die Reihe Soldaten duckte.

»Die Übrigen kommen mit mir«, fuhr Leonys fort, wandte sich in Richtung Stadtzentrum und ließ Mole Nummer fünf hinter sich.

~*~

Schon als Dalail Amar den Scherbenturm verließ und sein Blick den Hafen und das fremde Schiff sondierte, fühlte er die Anwesenheit einer dunklen Bedrohung. Da er eine solche aber andauernd verspürte, bekümmerte ihn diese Empfindung nicht besonders.

Dalail strich sein besticktes Seidenhemd und die bunt karierte Leinenhose glatt, klemmte sich sein Kosmetiktäschchen unter den Arm, griff mit der anderen Hand nach seinem gewundenen Gehstock und wanderte den Hügel hinab auf die Stadt zu.

Wehmütig dachte er daran, wie weit – nämlich fast zweihundert Schritte – die ersten Gebäude von seinem Scherbenturm entfernt lagen. Er sollte endlich eine Art Seilzug erfinden, mit dessen Hilfe er ohne körperliche Schwerstarbeit sein Einsatzgebiet erreichen konnte.

Ein breites Grinsen erschien auf Dalails Gesicht. Er wusste auch schon einen angemessen hochtrabenden Namen für diese Konstruktion: Selbsttätige Menschenseilbeförderungsanlage.

Genial!

~*~

Schmafou weinte bittere Tränen. Das war einfach nicht fair! Es wäre SEIN Schiff gewesen! Er hätte das Kommando besessen – über einen wunderschönen, in der Sonne wie frischer Paprika glitzernden Ringlotten-Kreuzer.

Der Klabauter wischte sich die silberfarbenen Wassertropfen von den Wangen, die sich noch im Fallen in schimmernde Perlen verwandelten, und schniefte so laut, dass ihn selbst seine Artgenossen am anderen Ende des Hafens hören und bemitleiden mussten.

Schmafous Blick suchte das Schiff, das einige Hundert Schritte entfernt völlig regungslos und unschuldig