Gilde der Jäger - Engelslied - Nalini Singh - E-Book

Gilde der Jäger - Engelslied E-Book

Nalini Singh

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Beschreibung

In New York gehen merkwürdige Dinge vor sich: Engel fallen vom Himmel, und Vampire sterben an rätselhaften Krankheiten. Elena und Raphael müssen den Ereignissen auf den Grund gehen, bevor es endgültig zu einer Katastrophe kommt.

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NALINI SINGH

Engelslied

Gilde der Jäger

Roman

Ins Deutsche übertragen

von Dorothea Danzmann

Zu diesem Buch

In New York – Territorium des Erzengels Raphael – zieht Unheil auf: Eine unbekannte Macht lässt Engel vom Himmel direkt in den Tod stürzen. Wenig später sterben Vampire an einer höchst ansteckenden Krankheit, die durch infizierte Menschen von außen in die Stadt gebracht wurde. Jemand hat es auf Raphael und dessen Reich abgesehen und will nun seine Streitkräfte schwächen und kampfunfähig zurücklassen. Die Vorboten eines drohenden Krieges werden immer deutlicher. Um das Unheil abzuwenden, suchen Raphael und seine Gefährtin Elena Unterstützung im Kader. Darüber hinaus versuchen die beiden fieberhaft herauszufinden, wer hinter diesen feigen und hinterhältigen Angriffen steckt. Doch als sich offenbart, wer die bösartige Macht ist, die den Erzengel von New York vernichten will, ist es schon beinahe zu spät. Ein Riesenheer aus Sterblichen, Unsterblichen und Wiedergeborenen zieht gegen die Stadt und gegen alle, die Raphael und Elena am Herzen liegen. Das Schicksal der beiden scheint besiegelt …

1

Elena saß auf einer Bank im Central Park und sah zu, wie die Enten im Teich mit den Schnäbeln aufeinander einhackten. Sie dachte an das letzte Mal, als sie genau hier, auf dieser Bank, gesessen hatte. Auch damals war ihr durch den Kopf gegangen, dass ja offensichtlich nicht einmal Enten gewaltfrei zu leben vermochten, aber tatsächlich hatten ihre Gedanken um ganz andere Probleme gekreist. Eigentlich hatte ihr Kopf verzweifelt nach einem Ausweg aus dem Chaos gesucht, in dem sie steckte, seit sie es übernommen hatte, nach einem wahnsinnigen Unsterblichen zu suchen, weil ein anderer Unsterblicher dies so wollte. Einer, der ebenso gefährlich war wie der Gesuchte.

Schimmerndes Weißgold drängte sich in ihr Blickfeld, als sie den Kopf hob – auch dies ein Echo jenes anderen, schicksalhaften Tages. »Hallo, Erzengel.«

Raphael faltete die Flügel zusammen. »Was fasziniert dich eigentlich so an diesen Vögeln?«, fragte er mit einem Blick auf die Enten.

»Das weiß ich selbst nicht so genau. Mir gefällt es hier einfach.« Elena stand auf. Die Bank, auf der sie gesessen hatte, war für Menschen und Vampire aufgestellt worden, nicht für Engel. Ihre Flügel wurden beim Sitzen gequetscht, was auf Dauer ungemütlich war. »Aber ich finde, du solltest Geld für eine weitere Bank dort drüben stiften.« Sie deutete auf einen wunderschönen Flecken auf der anderen Seite des Weges, wo eine Sitzbank im Frühling von den duftenden rosa Blüten eines Zierkirschenbaums umrahmt und im Sommer von dessen zartgrünen Blättern beschattet werden würde. Jetzt lag bereits der Winter in der Luft, und der Baum bestand nur noch aus nackten Ästen und Zweigen, die sich dunkel von den umliegenden immergrünen Sträuchern und Büschen abhoben.

»Man wird solch eine Bank aufstellen«, sagte Raphael mit der ihm eigenen kühlen Arroganz, die Elena wünschen ließ, sie könnte ihn sofort zurück in ihr Bett zerren. »Aber dir ist doch klar, dass du solche Bänke jederzeit selbst stiften könntest?«

Elena blinzelte, wie sie es immer tat, wenn ihr wieder einmal bewusst wurde, dass sie jetzt ja förmlich in Geld schwamm. Sie war reich – natürlich nicht so reich wie ältere Unsterbliche, und in Raphaels Liga spielte sie schon gar nicht mit, jedoch für jemanden, der gerade erst erschaffen worden war, war ihr persönliches Vermögen mehr als respektabel. Sie hatte es sich auf einer Jagd verdient, bei der ihr das Rückgrat gebrochen worden war und sie geblutet hatte, bis sich ihr die Kehle mit der dunklen, nach Eisen schmeckenden Flüssigkeit gefüllt hatte. Auf der Jagd, bei der Raphael in ihr Leben getreten war. Momentan lag das Geld auf ihrem Konto bei der Gilde, wo es fast schon lächerlich hohe Zinsen einbrachte.

»Verdammt!« Sie stieß einen nachdenklichen Pfiff aus. »Du hast recht, ich bin eine reiche Frau. Ich muss wirklich langsam mal denken wie eine.«

»Diese Wandlung mitzuerleben wäre mir ein großes Vergnügen.«

»Ich warne dich!« Elena kniff die Augen zusammen. »Bald bin ich eine dieser Engelsfrauen, die sich für wohltätige Zwecke zum Lunch treffen. Das geht schneller, als du denkst.«

Da lachte er, ihr gefährlicher Liebster, der seine Stärke wie eine zweite Haut trug, dessen Gesicht eine so umwerfend maskuline Schönheit ausstrahlte, dass sie es immer wieder von Neuem kaum zu fassen vermochte, dass er jetzt ihr gehörte. Seine Haare waren schwarz wie der Himmel um Mitternacht, seine Augen erstrahlten in einem Blau, wie es sich auf der Welt kein zweites Mal finden ließ, sein Anblick schmerzte beinahe. Raphael war mächtig, wobei die Macht ihm im Blut lag. Niemand würde ihn je für etwas anderes halten als für das, was er war: ein Erzengel, der das Leben eines Menschen ebenso leicht auslöschen konnte wie Elena das einer Ameise.

Die Flügel, die in einem Bogen über seinen Schultern aufragten, verstärkten diese Ausstrahlung gefährlicher Verführung nur noch. Die Federn waren weiß, jedoch von feinen Goldfäden durchwirkt, die Licht und Blicke auf sich zogen, die Flügel makellos, bis auf eine interessante Narbe aus goldenen Federn, die geblieben war, nachdem Elena auf ihn geschossen hatte. Auch Raphaels Handschwingen hatten sich vor ein paar Monaten golden verfärbt, erstrahlten jetzt aber in einem glitzernden, metallenen Weiß. Wenn Raphael lachte, so wie gerade eben, fingen sich Sonnenstrahlen in diesen Handschwingen und erzeugten die Illusion von weißglühendem Feuer.

Nun aber war sein Lachen verklungen. »Ich fürchte«, sagte er, »die Neuigkeiten, die ich habe und mit dir besprechen muss, werden deine Gedanken in eine ganz andere Richtung lenken.«

Raphaels Ton ließ Elena aufhorchen. Um sie herum waren die Menschen stehen geblieben, um zu staunen, denn der Erzengel von New York war nicht gerade dafür bekannt, dass er gern und oft lachte, aber sie ignorierte die offenen Münder. »Was gibt es denn?«

»Zweierlei. Ich habe zwei … interessante Neuigkeiten.«

Elena rutschte das Herz in den Magen. »Geht es um Lijuan?« Raphaels Meisterspion zufolge erschuf die völlig irrsinnige alte Erzengelfrau wieder einmal Wiedergeborene, wenngleich auch nur in geringer Zahl. Lijuan bezeichnete ihr Tun als »Leben schenken«, aber diese gespenstigen willenlosen Diener waren der reinste Albtraum und eine Plage für den Rest der Welt. Was am schlimmsten war: Viele von ihnen wussten das selbst, und ihre Augen bettelten um Hilfe, wenn sie mit schlurfenden Schritten den Befehlen ihrer Herrin nachkamen.

Dann waren da noch die seltsam ausgedörrten Leichen, die man in der Nähe ihres Zufluchtsorts gefunden hatte und auf die sich niemand einen Reim machen konnte. Man hatte sich allgemein zu der Auffassung durchgerungen, es handele sich um fehlgeschlagene Versuche bei der Erschaffung von Wiedergeborenen, aber noch wusste niemand, ob diese Fehlschläge nun etwas Gutes oder Schlechtes bedeuteten. »Sie wird doch nicht …«

Noch bevor Elena ihre Frage beendet hatte, unterbrach Raphael sie mit einem Kopfschütteln, das die glänzenden schwarzen Haare wie Seide schimmern ließ. »Meine Mutter hat uns zu einem Ball eingeladen.«

Ohne nachzudenken, zog Elena ein Messer mit scharfer, dünner Klinge aus einem der schönen weichen Futterale an ihrem Unterarm, die ihr ihr Erzengel geschenkt hatte. »Entschuldigst du mich kurz? Ich will mir nur rasch die Augen ausstechen und mich auch gleich noch entleiben, wenn ich schon einmal dabei bin.« Bei Elenas letztem Besuch auf einem Ball der Unsterblichen hatte sie zum Schluss im Blut der Wiedergeborenen gebadet, während um sie herum die Stadt Peking in Flammen aufgegangen war. Ach ja: Und vorher war sie mit voller Wucht auf die Erde geknallt, nachdem man sie unsanft vom Himmel gepflückt hatte.

»Das, fürchte ich, kann ich dir nicht gestatten.« Raphael hatte den Ton angeschlagen, den Elena insgeheim als seine »Erzengelstimme« bezeichnete: formell und keinen Widerspruch duldend. »Wer sorgt denn dann auf dem Ball dafür, dass ich mich amüsiere? Ich sähe mich womöglich noch gezwungen, mir die eigenen Augen auszureißen, und die hast du doch, sagst du, recht gern.«

»Sehr witzig!« Seufzend lehnte Elena den Kopf an seinen muskulösen, mit Lederriemen umwickelten Arm. Anscheinend hatte Raphael gerade trainiert, höchstwahrscheinlich mit Illium als Sparringpartner. »Warum möchte Caliane einen Ball veranstalten?«

Raphael breitete seine Flügel über denen von Elena aus, eine vertraute, intime Geste, die von leisem Rascheln begleitet wurde. »Ihre Stadt und ihr Volk sind vollständig erwacht, und nun möchte sie die anderen Mächte der Welt offiziell begrüßen.« Er dachte kurz nach. »Meine Mutter mag vieles gewesen sein, aber unhöflich war sie nie. Als Uralte weiß sie um ihre Verantwortung. Sie kennt ihre Verpflichtung, sich an der Regentschaft der Welt zu beteiligen, selbst wenn dies aus einiger Entfernung geschieht.«

Vielseitig, intelligent, ehemals wahnsinnig: Raphaels Mutter war nicht die Frau, die sich so leicht in eine bestimmte Kategorie einordnen ließ. Vor Ewigkeiten hatte die Uralte ihren Sohn schwer verletzt und blutend auf einem verlassenen Feld liegen lassen und war davongegangen. Andererseits war sie aber auch gefährlich früh aus einem Jahrhunderte dauernden Schlaf erwacht, um ebendiesem Sohn das Leben zu retten. »Wann findet der Ball statt?«, wollte Elena wissen.

»In knapp zwei Wochen.«

»Gut. Ich werde dafür sorgen, dass meine Juwelen glitzern und meine Fingernägel vorzeigbar sind.«

Raphaels Lippen verzogen sich erneut zu einem Lächeln, als Elena ihre Klinge wieder ins Futteral zurückgleiten ließ, um ihm ihre Hände entgegenzustrecken, damit er die unlackierten Nägel bewundern konnte. Die waren nach Jägerart kurz geschnitten. Zudem wies Elenas linker Handrücken nach der Auseinandersetzung mit einem aufsässigen Vampir, den sie erst vor ein paar Stunden im Auftrag der Gilde zurückgeholt hatte, einige Abschürfungen auf, und als sie die Hände umdrehte, zeigten sich Handflächen voller Schwielen.

Diese Schwielen konnte nicht einmal ihr neuerdings unsterblicher Körper entfernen, dafür arbeitete die Jägerin zu viel mit Waffen. »Ich glaube, mit einer Maniküre ist es bei mir nicht getan«, seufzte sie.

»Solltest du mich je mit weichen Händen berühren, wie sie bei Hof üblich sind, dann weiß ich, dass ein Betrüger in deiner Haut herumläuft.«

Manche Frauen hätten sich von dieser Bemerkung vielleicht beleidigt gefühlt, aber bei Elena löste sie lediglich das heftige Verlangen nach einem sehr heißen Kuss aus, der in diesem Moment leider nur sehr öffentlich ausgefallen wäre. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, versprach sie sich. Dem Bedürfnis nach Küssen würde sie nachgeben, sobald sie mit Raphael allein war. »Also?«, fragte sie, »was hast du sonst noch mit mir zu besprechen?«

»Vielleicht sollte ich dir erst einmal die Waffen abnehmen.«

Was konnte schlimmer sein als ein Ball, bei dem die mächtigsten und heimtückischsten Engel und Vampire der Welt anwesend sein würden? »Mein Vater möchte mit uns zu Abend essen?«

»Nein, um Jeffrey geht es nicht.« Raphael reckte das Kinn in einem Winkel vor, der Brutalität verriet. Es war klar, welche Meinung er von Elenas Vater hatte. »Komm, lass uns gehen. Über die zweite Sache können wir unter so vielen Zuhörern nicht sprechen.« Er trat einen Schritt beiseite, sodass seine Flügel von den ihren glitten. »Möchtest du es mit einem Senkrechtstart versuchen?«

Elena dachte an die vielen Zeugen, dachte an die Anstrengung, die es bedeuten würde, sich aus dem Stand heraus in die Lüfte zu schwingen. Sie würde die Zähne zusammenbeißen müssen, würde Schwächen zeigen, die nicht nur auf sie, sondern auch auf Raphael zurückfielen. Und im Interesse von Sterblichen und Unsterblichen zugleich durfte sich ein Erzengel nie schwach zeigen.

Noch vor ein paar Monaten wäre ihre Entscheidung vielleicht anders ausgefallen. Damals, als sie so hart darum gerungen hatte, sich in der neuen Welt, in die sie geworfen worden war, ein Gefühl für das eigene Ich zu bewahren. Jetzt verstand sie das Gleichgewicht der Kräfte in dieser Welt viel besser, verstand all die feinen Nuancen, die es zu beachten galt. Vor allem aber wusste sie, Raphael strebte nicht danach, ihre Freiheiten zu beschneiden, auch wenn sein Beschützergehabe sie manchmal sehr wütend werden ließ.

»Nein, nicht hier.« Sie trat in seine ausgebreiteten Arme, faltete die Flügel zusammen und ließ sich in die Luft hochheben, mühelos, Raphaels Hände um ihre Taille so fest wie Stahl, sein Herzschlag gleichmäßig und stark.

Hohe, donnernde Wellen, der Salzgeschmack des Meeres, Regen, klar und rein – das war Raphaels mentaler Duft, der sich in jeden Atemzug von Elena hineindrängte, um dort zu verweilen, bis ihr ganzer Körper vor Sehnsucht und Verlangen schmerzte. Immer schmerzte ihr Körper, wenn sie diesen Duft in sich aufnahm. Elena drehte den Kopf so weit, bis sie Raphael die Lippen an den Hals drücken und spüren konnte, wie sein Puls sich beschleunigte.

»Würdest du hier, über Manhattan, mit mir tanzen?«

Sinnliches Flüstern, bei dem ihr der Atem stockte, das die Vorstellung von ineinander verschlungenen Körpern und Flügeln heraufbeschwor, bis ihr schien, als rausche reines Adrenalin in ihren Adern. »Noch nicht. Ich glaube, dafür fehlt mir immer noch der Mut.« Raphael als Erzengel mochte zwar sich und seine Gefährtin vor Blicken abschirmen, aber Elena selbst wäre dann immer noch in der Lage, die Stadt unter sich liegen zu sehen. »Ich tanze gern mit dir über dem Meer.« Sie liebte es, seine reine Kraft zu spüren, wenn sie aus tödlichen Höhen hinabstürzten und auf dem Wasser aufschlugen. »Heute Abend?«

»Schon hast du mich verführt.« Sie flogen gerade über der Wolkendecke. Raphael lockerte seinen Griff ein wenig, um Elenas Mund für einen Kuss voll dunkler Leidenschaft zu suchen, bei dem sich ihre Brüste spannten und ihr ganzer Körper sich jetzt schon nach den wilden Verheißungen der Nacht sehnte. »Bereit?«, fragte er, nachdem er ihre Lippen wieder freigegeben hatte. Sein Körper drängte sich hart gegen ihren.

Auf Elenas Nicken hin löste er seine Hände von ihrer Taille, und sie fiel durch den feinen Wolkennebel, der sich wie ein zarter Kuss anfühlte … breitete die Schwingen aus und erhob sich mit dem Aufwind in die Lüfte. Wie schön das Fliegen war, wie heiter, jedes Mal aufs Neue, obwohl sie doch ein Jahr lang Zeit gehabt hatte, sich an das erstaunliche Wunder ihrer Flügel zu gewöhnen. Ist es sehr dringend?, fragte sie. Das, was wir besprechen müssen?

Nicht so dringend, dass wir nicht fliegen könnten.

Elena sah auf. Raphael schwang sich mit atemberaubender Leichtigkeit immer weiter in die Höhe, bis er nur noch als schwach erkennbarer Punkt hoch oben am Himmel zu erkennen war … und dann blieb ihr fast das Herz stehen, als er wie ein glatter weißgoldener Pfeil aus dem Himmel fiel und fiel und immer schneller wurde, bis sie weit unter sich im Park Menschen schreien hörte. Als nur noch eine Sekunde ihn von dem trennte, was für jeden Menschen den sicheren Tod bedeutet hätte, breitete der Erzengel seine Flügel aus, um wieder nach oben zu schießen.

Du hast sie alle in Angst und Schrecken versetzt. Das Herz schlug ihr hoch im Halse, in ihren Ohren rauschte es.

Man muss die Menschen von Zeit zu Zeit in Angst und Schrecken versetzen. Sonst überschreiten sie noch Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen.

Und Erzengel sollte man vielleicht von Zeit zu Zeit herausfordern, konterte Elena. Hast du darüber schon mal nachgedacht? Unter Umständen ließe sich so das Arroganzproblem ganz von allein regeln.

Mich darf jeder herausfordern.

Raphael schlug einen Bogen Richtung Hudson. Elena folgte ihm. Über dem Fluss zauste ihr der Wind die Haarsträhnen, die sich aus ihrem festen Zopf gelöst hatten. Wie kann dich jemand herausfordern, wenn alle Angst vor dir haben?, wollte sie wissen.

Dich hat das doch noch nie aufgehalten.

Womit er recht hatte, nur … Ich hatte schon immer eine Spur Wahnsinn in mir.

Flügel an Flügel flog sie mit ihrem Erzengel über das Wasser und folgte dem Fluss gen Norden, bis sie beide kehrtmachten, um ihr Haus in der Engelsenklave anzusteuern. Das Haus lag direkt gegenüber von Manhattan auf den Klippen, die über dem Hudson aufragten, und war ein stolzes, beeindruckendes Gebäude, von dem aus man umwerfende Blicke auf die Stadt genießen konnte. Für Elena jedoch war es schlicht ihr Zuhause.

Montgomery hat etwas Besonderes für dich vorbereitet. Brich ihm nicht das Herz.

Der Gedanke an Raphaels Butler ließ Elena lächeln. Montgomery und ich, wir lieben uns, das weißt du doch. Sie landete wohlbehalten und auf beiden Beinen auf dem immer noch grünen Rasen, der erst bei den steil zum Hudson hin abfallenden Klippen endete, und sah Raphael beim Landen zu, wie immer überwältigt von der unglaublichen Spannbreite seiner Flügel.

»Da braut sich ein Gewitter zusammen«, flüsterte der Erzengel mit Blick auf die Wolken, die sich über Manhattan türmten. »Ziemlich schnell, wie mir scheint.«

So schnell, dass es Elena beim Fliegen gar nicht aufgefallen war. »Es wird doch nicht noch eine Uralte erwachen?«, fragte sie besorgt, während sich ihr beim bloßen Gedanken an die letzte höchst unfreundliche Wetterperiode in der Stadt die feinen Härchen an den Armen aufrichteten.

Zu ihrer großen Erleichterung schüttelte Raphael den Kopf. »Nein. Zwei Uralte, die innerhalb eines Jahres erwachen, das wäre außergewöhnlich. Wahrscheinlich meldet sich hier nur der Winter zum ersten Mal richtig zu Wort. Trotzdem müssen wir die Wetterlage im Auge behalten, wir dürfen nicht vergessen, dass gerade eine Kaskade stattfindet, die vieles beeinflusst.«

»Ja, und zwar nicht auf die sanfte Art, da geht es nicht um Blumen und Schmetterlinge.« Soweit Elena bisher hatte herausfinden können, entwickelte sich eine Kaskade aus dem Zusammenspiel von Zeit und ganz bestimmten entscheidenden Ereignissen, und das führte zu einem akuten Anstieg von Macht innerhalb des Kaders. Bei sämtlichen Erzengeln wuchsen dann die Kräfte. Einige mochten auch dem Wahnsinn verfallen, eines jedoch war klar: Keiner blieb so, wie er gewesen war. Und damit veränderte sich auch die Welt, denn die Erzengel waren Teil des Stoffs, aus dem die Welt erschaffen war.

»Steht diese zweite Sache, die wir besprechen müssen, in einem Zusammenhang mit der Kaskade?«

»Nein.« Elena traf ein Blick aus endlos blauen Augen. »Michaela bittet um die Erlaubnis, sich für längere Zeit in meinem Territorium aufhalten zu dürfen.«

»Was?« Elena blieb der Mund offen stehen. »Nein!« Die Erzengelfrau Michaela hatte unmissverständlich klargestellt, was sie von Elena hielt: ungefähr so viel wie von einem Käfer, den sie jederzeit unter dem Absatz ihres Designerstiefels zerquetschen konnte. »Wieso sollte ich sie in meiner Stadt haben wollen? Wie kommt sie auf die Idee?«

»An dich wird sie meiner Meinung nach gar nicht gedacht haben.« Das waren harte Worte, aber Elena wusste, der Zorn ihres Erzengels galt nicht ihr.

Als Raphael fortfuhr, war sein Ton so kalt wie die Klinge eines Skalpells, das gerade jemandem die Kehle durchschnitt. »Michaela hätte mit ihrer Bitte um Hilfe bessere Chancen bei mir, wenn sie nicht durch die Art, wie sie die Bitte vortrug, meine Gemahlin beleidigt hätte.«

»Aber wir reden über ihr Anliegen. Du denkst also ernsthaft darüber nach.«

»Sie sucht nach einem Zufluchtsort, weil sie ein Kind erwartet.«

Der Schock ließ Elena erstarren. Das erklärte allerdings vieles. Vor allem, warum eine Frau, die allgemein für die schönste der Welt gehalten wurde und die sich immer nur zu gern im Rampenlicht der Medien gesonnt hatte, seit zwei Monaten nirgendwo mehr zu sehen gewesen war. »Was ist mit dem Vater des Kindes? Ich nehme doch an, Dahariel ist der Vater.« Als Raphael nickte, fuhr Elena fort: »Der ist doch selbst ein sehr mächtiger Engel. Fast schon so mächtig wie ein Erzengel.«

»Michaela mag mit Dahariel geschlafen haben, aber sie vertraut ihm nicht genug, um fest davon überzeugt zu sein, dass er ihr nicht doch einmal ein Messer in den Rücken rammt, wenn sie am verletzlichsten ist.«

Eine solche Situation konnte Elena sich einfach nicht vorstellen. Falls Raphael und sie je versuchen würden, ein Kind in die Welt zu setzen, dann würde Raphael sie und das Ungeborene bis auf den Tod verteidigen. »Wird sie denn verletzlich sein?« Michaela war nicht nur dem Namen nach ein Erzengel, sie verfügte durchaus über die Macht und Stärke, die mit diesem Namen einhergingen.

»Ja.« Raphaels Blick folgte einer Schwadron Engel, die hereingeflogen kamen, um im Turm zu landen, die Körper in schrägem Winkel geneigt, damit sie sich gegen den Wind durchsetzen konnten. »Für einen Erzengel kann eine Schwangerschaft sehr schwierig sein. Michaela behält zwar ihre Kraft, doch ist es gut möglich, dass sie sie nicht mehr fehlerfrei beherrscht. Deswegen ist ein Gemahl während dieser Zeit so sehr von Bedeutung.«

»Na ja, meinen kann sie jedenfalls nicht haben!« Elena kannte Michaela, wusste, die Erzengelfrau hatte es auf ihren Liebsten abgesehen und war gerissen genug, ihren Zustand einzusetzen, um Raphael als Liebhaber zu gewinnen. »Würde es Dahariel nicht als Affront auffassen, wenn sie dich zu ihrem Beschützer wählt?«

»Nein. Er ist noch nicht ihr Gemahl.«

Obwohl Elena Michaela nicht leiden mochte, so konnte sie doch auch die Qualen nicht vergessen, die sie einmal im Gesicht der anderen erkannt hatte: den Schmerz einer Mutter, die ihr Kind verloren hatte. Ein Schmerz, der sich nicht in Worte fassen lässt. »Wir können schlecht Nein sagen, oder?«

Raphael legte ihr die Hand an die Wange, strich sanft mit dem Daumen über die Wangenknochen. »Dein Herz ist zu weich, Gildejägerin. Sollte es notwendig sein, kann und werde ich Nein sagen.« In seinen Augen flammten blaue, an den Rändern weißglühende Blitze auf. »Ich habe nicht vergessen, wie sie mehr als einmal versucht hat, dir wehzutun.«

Ach, wenn er sich doch entschlösse, Nein zu sagen! Sämtliche Instinkte drängten Elena, ihn in dieser Richtung zu beeinflussen, denn es konnte nichts Gutes bedeuten, Michaela in ihrer Nähe zu haben. Nur ging es hier nicht ausschließlich um die Erzengelfrau und ihre intriganten Machenschaften, es ging auch um das unschuldige Wesen, das sie im Leib trug. »Ich würde mir nie verzeihen, wenn wir jetzt Nein sagten und sie das Kind später bei einem Angriff verlöre.«

»Sie würde dich auf die Straße jagen und verhungern lassen, wenn es umgekehrt wäre und du schwanger wärst und sie um Hilfe bitten würdest.«

»Ich bin nicht Michaela.« Es gab eine Grenze, die sie für sich bestimmt hatte, die sie nie überschreiten würde.

»Nein. Du bist viel mehr, als sie je sein wird.« Raphael ließ die Hand sinken, nachdem er Elena einen Kuss auf die Wange gegeben hatte. Erneut wanderte sein Blick hinauf zu den dunklen Wolken, die sich am Himmel zusammenballten. »Ich werde über ihre Bitte nachdenken. Und über die Regeln, die ich aufstelle, falls ich ihr nachgebe.«

»Ich will auf keinen Fall Wand an Wand mit ihr wohnen!« Mitgefühl mit einer verletzlichen Frau war eine Sache, Dummheit eine andere. »Wenn …«

Direkt vor ihnen schlug etwas Weiches auf dem Boden auf.

Aufgeschreckt schaute Elena hinab: Im Gras lag eine blutüberströmte Taube. »Das arme Ding!« Soweit sie es erkennen konnte, als sie in die Hocke ging, war dem Vogel das Genick gebrochen worden. »Wahrscheinlich hat irgendetwas in der Luft ihre Flügel beschädigt, und sie konnte sich nicht mehr oben halten.«

»Ich fürchte, so einfach ist die Sache nicht«, bemerkte Raphael, während Elena schon überlegte, ob sie die Taube in einem der beiden Waldstücke, die rechts und links an ihr Haus grenzten, begraben sollte.

Fragend sah sie hoch. Raphael deutete auf den Hudson, auf dem Hunderte von kleinen Flecken schwammen, während sich die Luft über dem Fluss in eine einzige, dichte, schwarze, wirbelnde Wolke verwandelt hatte. Da landete auch schon ein weiterer Vogel direkt am Klippenrand, zitterte ein letztes Mal matt mit den Flügeln, rutschte vom Felsen und sank ins Wasser.

»Dieser Sturm …«, sagte Raphael leise, während eine dritte Taube vor Elenas Füßen aufschlug, die kleinen, zerbrochenen Federn nach dem dumpfen Aufprall mattrot von Blut, »… dieses Gewitter scheint vielleicht doch nicht ganz so gewöhnlich zu sein.«

2

Elena stand hinter den großen Glasschiebetüren der Bibliothek und blickte hinaus in eine verrückt gewordene Welt. Immer noch fielen Vögel vom Himmel, die »Wolke« dort oben bestand aus Tausenden dieser kleinen Gestalten. Man musste doch irgendetwas unternehmen, dachte sie verzweifelt, man musste diesen schrecklichen Regen doch aufhalten! Aber es gab nichts, was sie tun konnte.

Der Fluss hatte sich dort, wo die Vögel kreisten, rasch geleert. Hoffentlich waren auch im inzwischen teilweise von der Wolke überschatteten Manhattan die meisten Menschen klug genug gewesen, sich in Hauseingänge und U-Bahnhöfe zu flüchten, als das unheimliche Bombardement einsetzte.

»Hast du je so etwas erlebt?«, fragte sie den Erzengel, der neben ihr stand. »Oder davon gehört?«

»Nein. Ich …« Ohne den Satz zu beenden, schob Raphael die Tür auf. »Bleib hier!«

»Aber wohin …« Die Frage blieb ihr im Halse stecken. Über dem Rasen draußen kreisten plötzlich viel größere Flügel, nicht nur Vögel stürzten in den Hudson.

Engel fielen vom Himmel.

Raphael war bereits unterwegs, tauchte hinab zum dunklen Wasser des Flusses. Der Drang, ihm zu folgen, dröhnte wie ein Trommelwirbel in Elenas Kopf, aber sie zwang sich, ihren Verstand zu gebrauchen. Die Vögel da draußen fielen mit einer Geschwindigkeit, die sich mit der von Fastballs beim Baseball vergleichen ließ, und sie hatten scharfe Schnäbel, die einen Engelsflügel ohne Weiteres zerfetzen konnten, wenn sie ihn im richtigen Winkel trafen. Sie war noch nicht kräftig genug, mehrere solcher Verletzungen zu überleben, und wenn sie sich in der Luft befand, nicht schnell und wendig genug, allen Geschossen auszuweichen. Dort draußen wäre sie für Raphael lediglich eine Belastung.

Hier drin konnte sie besser helfen. »Montgomery?« Sie rannte aus der Bibliothek.

Der Butler kam gleichzeitig mit ihr in der großen zentralen Halle des Hauses an, wie immer gepflegt und makellos in seinem korrekten schwarzen Anzug. Aber in seinen Augen stand das gleiche ungläubige Entsetzen, das Elenas Blut zu Eis werden ließ. »Gildejägerin?«

»Wir müssen eine Krankenstation einrichten«, sagte sie. »Raphael ist dort unten näher an unserem Haus als an der Stadt, er wird die gefallenen Engel wahrscheinlich hierher bringen.« Hastig sah sie sich um. Die Halle war riesig, aber Engelsflügel nahmen nun einmal viel Platz in Anspruch und noch war nicht klar, mit wie vielen Verletzten sie rechnen mussten. »Wir fangen hier in der Halle an, aber vielleicht müssen wir auch noch den Garten dazunehmen. Dort müssten wir allerdings ein Schutzdach errichten. Stabil genug, um die Vögel abzuhalten.«

»Ich werde Entsprechendes veranlassen.« Und schon verschwand der Butler mit einer verblüffenden Geschwindigkeit, die Elena wieder einmal daran erinnerte, dass Montgomery trotz seines leicht affektierten britischen Akzents und des würdevollen Gebarens gefährlicher war als jeder Vampir, den sie je gejagt hatte.

Sie hatte sich gerade auf den Weg zu den Klippen machen wollen, um beim Transport der Verwundeten zu helfen, damit sich Raphael ganz auf die Rettungsmaßnahmen konzentrieren konnte, als ihr Handy klingelte. Im Laufen warf sie einen Blick auf das Display: Die Anruferin war ihre beste Freundin Sara. Sie nahm den Anruf entgegen.

»Elena, hier krachen Engel runter auf die Stadt!« Sara klang zutiefst verstört, gleichzeitig schwang in ihrer Stimme aber auch die stählerne Härte mit, die sie auszeichnete und die sie zur Leiterin einer Gilde hatte aufsteigen lassen, die sich aus einigen der gefährlichsten Männer und Frauen des Landes zusammensetzte. »Unsere Leute helfen, wo sie können, aber ich habe Berichte über Engel vorliegen, die von Wasserspeiern aufgespießt hoch oben an Wolkenkratzern hängen oder verletzt auf Kirchtürmen feststecken.«

Die schrecklichen Bilder ließen Elena fassungslos nach Luft schnappen. »Ruf im Turm an!« Sie ratterte eine Nummer herunter, die Sara direkten Zugang zu Aodhan verschaffen würde. »Falls Aodhan außer Gefecht sein sollte …« Lieber Gott, nur das nicht!, »… dann ist jemand anderes dran, der zuständig ist.« Sie legte auf, Sara würde schon verstehen, dass jetzt für viele Worte keine Zeit war. Unzählige blutende Vögel bedeckten den Rasen, über den sie rannte, die kleinen Augen offen, aber mit einem stumpfen Glanz überzogen – sie waren alle tot. Aber immerhin lagen die kleinen Leichen mit einigem Abstand zueinander. Das Haus und die umliegende Gegend schienen sich am äußersten Rand der von den schrecklichen Geschehnissen betroffenen Zone zu befinden. Elena hatte vor Angst und Entsetzen inzwischen einen üblen, metallenen Geschmack im Mund. Hoffentlich waren die kleinen Wesen durch den Aufprall auf dem Boden ums Leben gekommen und nicht durch das, was ihren Sturz verursacht hatte! Anders als Vögel konnten Engel nämlich auch mit unzähligen gebrochenen Knochen noch überleben und auch wieder genesen.

»Ich übernehme ihn!«, rief sie, als Raphael ihr mit einem Engel in den Armen entgegenkam.

»Er atmet nicht. Sein Rückgrat ist gebrochen, und sein Herz schlägt nicht mehr.« Raphael legte den geschmeidigen, muskulösen Engelskörper oben auf den Klippen ab, um sich gleich wieder in die Luft zu schwingen, aber sein Bewusstsein blieb mit Elena verbunden. Sag Montgomery, er soll medizinische Maßnahmen ergreifen. Dieser Engel überlebt sonst nicht, er ist noch zu jung.

Wird gemacht. Elena warf sich einen der glücklicherweise nicht gebrochenen Arme des Engels über die Schulter, ignorierte alles, was sie über den Transport von Verletzten mit gebrochenem Rückgrat wusste, da es sich hier nicht um einen Sterblichen handelte, biss die Zähne zusammen und richtete sich auf. Die Flügel des Engels waren nach seinem Sturz in den Fluss völlig durchnässt und schwer wie Blei – nur gut, dass Elena als geborene Jägerin immer schon stärker gewesen war als die meisten Menschen. Ihre Unsterblichkeit hatte ihre Kräfte zwar verstärkt, jedoch im Grunde nur untermauert, was bereits vorhanden gewesen war.

Trotzdem war sie froh, als Montgomery jetzt aus dem Haus zu ihr rannte und ihr einen Teil des Gewichts abnahm, indem er den Verletzten auf der anderen Seite stützte. Weder Elena noch der Butler zuckten zusammen, als zwei Vögel ihnen im Sturz schmerzhaft auf den Rücken krachten. »Medizinische Maßnahmen!«, keuchte Elena, während sie sich abmühte, die Strecke bis zum Haus möglichst schnell hinter sich zu bringen. Bislang hatte sie noch nicht einmal gewusst, dass es so etwas wie medizinische Maßnahmen auch für Engel gab.

Auf dem Weg zur Tür, die direkt in die große Halle führte, rannten oder flogen weitere Hausangestellte und auch eine ganze Reihe von Engeln aus anderen Teilen der Enklave an ihnen vorbei. Sie schleppten den Verletzten in die Halle, die noch vor wenigen Minuten ein imposanter, repräsentativer Raum mit schimmerndem Holzfußboden und eleganten Statuen gewesen war, sich inzwischen aber in ein Behelfslazarett verwandelt hatte.

Ein junger Vampir, den Montgomery als Lehrling unter seine Fittiche genommen hatte, warf große Futons auf den Boden, die aus einem Elena bislang unbekannten Lager stammen mussten, während Sivya, ein schlanker Engel, der normalerweise für die Küche zuständig war, gerade eine große Ledertasche aufklappte. Die Tasche erinnerte Elena stark an einen altmodischen Arztkoffer.

Sivya entnahm ihr eine große Spritze, und sobald der verwundete Engel auf dem Futon lag, rammte er ihm die Nadel direkt ins Herz und drückte den Kolben ganz hinunter. Elena brannten tausend Fragen auf der Zunge, aber dafür war jetzt keine Zeit, denn Montgomery machte sich bereits wieder auf den Weg hinaus, und sie schloss sich ihm eilends an. Draußen war gerade ein weiteres Opfer hingelegt worden. Als Elena sah, wie sich silberblaue Flügel in die Luft schwangen, überkam sie eine immense Erleichterung – gemischt mit Entsetzen beim Anblick der vielen geflügelten Körper, die inzwischen auf dem dunklen Wasser des Hudson trieben.

Im Laufen traf sie ein weiterer Vogel und ritzte ihr mit dem Schnabel die rechte Wange auf, aber sie schüttelte ihn ab und lief einfach weiter. Bei der zweiten Rückkehr ins Haus hörte sie ihren ersten geborgenen Engel würgen: Er lag auf der Seite, der linke Flügel und beide Beine übel zugerichtet, aber er lebte.

Montgomery und sie überließen auch den eben gebrachten Verwundeten Sivyas Fürsorge, um gleich wieder nach draußen zu laufen. Es kam ihr vor, als würden sie eine Ewigkeit im Chaos des schrecklichen Bombardements Verletzte bergen, aber später sollte Elena herausfinden, dass diese Hölle, die unter dem Begriff Sturz der Engel bekannt wurde, gerade einmal fünf Minuten gedauert hatte. Danach fiel kein Vogel mehr vom Himmel. Und auch kein Engel.

Vier Stunden später lagen endlich genaue Zahlen vor. Achthundertsiebenundachtzig Engel waren während dieser schrecklichen Episode, die niemand je vergessen würde, über der Stadt heruntergekommen. Achthundertzwei der Gestürzten hatten zu der im Turm stationierten zweitausend Mann starken Verteidigertruppe gehört, bei fünfundachtzig handelte es sich um Engel, die nicht bei den Streitkräften dienten und sich lediglich als Besucher in der Stadt aufgehalten hatten. Zwei waren Kuriere gewesen, die das Pech gehabt hatten, hier einzutreffen, als gerade alles ganz furchtbar schieflief.

»Alle Verletzten wurden gefunden.« Aodhan trat zu Elena und Raphael auf den geländerlosen Balkon vor Raphaels Turmbüro, wo die beiden den Himmel betrachtet hatten, an dem sich gerade wie mit einer feurigen Palette gemalt ein fast schon herzzerreißend schöner Sonnenuntergang abspielte.

Raphael, dessen Flügel und Kleidung mit Blut bespritzt waren, sah den vor ihm stehenden Engel fragend an. Aodhan schien aus zersplittertem Licht geschaffen, seine Haare wie mit Diamantstaub überzogen, die Flügel so hell, dass ihr Anblick den Augen von Sterblichen wehtat, wenn Sonnenlicht darauf fiel. Die Augen bestanden, von den Pupillen nach außen, aus kristallklaren, blauen und grünen Splittern. »Bist du sicher?«

»Ja. Wir haben eine Liste mit den Namen sämtlicher im Turm stationierter Engel und auch von allen, die sich sonst irgendwie in der Gegend aufhalten. Ich habe die Namen auf dieser Liste mit denen der gestürzten Engel abgeglichen.« Aodhan faltete seine Flügel anders, und das Licht der untergehenden Sonne brach sich im Facettenreichtum seiner Federn. »Illium hat Berichte über alle Besucher, und auch das Informantennetzwerk der Gilde meldet keine nicht aufgefundenen Engel.«

»Wie viele haben wir verloren?« Elena hatte die Hände zu Fäusten geballt, sie stellte diese Frage nur widerwillig. Sicher, in den Augen der Menschen galten Engel als unsterblich, aber es war doch möglich, sie zu töten. Je jünger sie waren, desto leichter starben sie. Enthauptung, oder ein mit schweren inneren Verletzungen einhergehendes, zerstörtes Herz oder gebrochenes Rückgrat … Raphael würde solchen Verletzungen nicht erliegen, aber wenn sie einem gerade erst im Erwachsenwerden begriffenen Engel zugefügt wurden, gab es kein Genesen, dann war der Ausgang tödlich.

Raphaels ausdrucksloses Gesicht ließ keine Gefühle erkennen, als er auf Aodhans Antwort wartete.

»Fünf. Bei allen war sekundäres Trauma die Todesursache, nicht der Vorfall selbst, der den Sturz auslöste.«

»Berichte«, befahl Raphael.

Aodhans Stimme wurde leiser, als er die vernichtenden Fakten aufzählte. »Einer wurde von einer Turmspitze aufgespießt, wobei ihm fast gleichzeitig Herz und Rückgrat zerstört wurden.«

»Wer?«

»Stavre. Gerade einmal einhundertfünfzig Jahre alt, es war sein erster Einsatz.«

So jung! Wie unfair das war! Elena biss die Zähne zusammen. Sie musste weiter zuhören, auch wenn sie sich dazu zwingen musste, also hörte sie hin, während Aodhan seinen Bericht ablieferte, auch er nach außen hin ohne jede Gefühlsregung. Und doch schnitt jedes seiner Worte schärfer als eine Rasierklinge.

Er nannte zuerst die Namen der Gefallen, um dann fortzufahren: »Zwei stürzten direkt vor fahrende Wagen in den Verkehr. Die Fahrer konnten nicht schnell genug bremsen. Beide wurden enthauptet, hinzu kamen noch schwere Schädigungen des Herzens. Eine starb, nachdem sie beim Aufprall auf eine harte Gebäudekante enthauptet wurde und ihr Körper anschließend beim Sturz auf die Straße in zahlreiche Stücke zerbarst. Den letzten haben wir durch eine Entlüftungsanlage auf einem Dach verloren.« Aodhan schwieg eine Sekunde lang. »Die Menschen haben getan, was sie konnten«, fuhr er schließlich fort. »Aber es ging alles viel zu schnell. Er stürzte in die scharfen Rotoren, und danach gab es keine Hoffnung mehr. Sein Körper wurde in Stücke zerfetzt.«

Fünf Engel – von den fast dreitausend, die sich gewöhnlich in der Stadt und um die Stadt herum aufhielten. Das klang erst einmal nicht allzu dramatisch – bis man sich daran erinnerte, dass Engel sich nicht so fortpflanzten wie Menschen. Manchmal kam in einer ganzen Dekade nur ein einziges, vielgeliebtes Kind zur Welt, und es war auch schon einmal ein Jahrhundert vergangen, ohne dass überhaupt jemand geboren wurde. Fünf Engel in der Blüte ihrer Jahre zu verlieren war eine entsetzliche Tragödie.

»Sie müssen mit einem Ehrengeleit nach Hause gebracht werden.« Raphael war in diesem Moment ganz der Erzengel New Yorks, vom Verlust seiner Leute bis ins Mark getroffen, eiskalt wütend. »Setz dich mit Nimra in Verbindung, sie wird wissen, was zu tun ist.« Nimra war eine Engelsfrau von einigem Ansehen im Territorium, so weit wusste Elena Bescheid.

Ihre Anwesenheit wäre ein Zeichen des Respekts und der Anerkennung. Eine letzte Ehre, die ein Erzengel seinen gefallenen Soldaten erweisen kann.

»Sire.« Aodhan neigte den Kopf. Am Himmel schoben sich gerade Regenwolken vor den Sonnenuntergang, aber auch sie vermochten den Glanz seiner Haare nicht zu trüben.

»Und die Verletzten?«, bohrte Raphael weiter.

»Wir richten für sie im Turm einige Stockwerke her, in die sie verlegt werden sollen. Bis Mitternacht wird alles erledigt sein.«

Über die Stadt hatte sich eine unheimliche Stille gelegt. Raphael, dessen glühende Flügel ein stillschweigendes Zeugnis seiner Wut ablegten, sah hinunter auf die Straßen, in denen sich jetzt niemand lautstark stritt, kein einziges Auto hupte, keine Bremse quietschte. Die albtraumartigen Ereignisse des Abends hatten alle die kleinen Probleme ihres Alltags vergessen lassen.

Mehrere Minuten vergingen in tiefem Schweigen. »Zustand der Verwundeten?«, fragte Raphael schließlich.

»Dreihundertvierzehn brauchten aufgrund lebensbedrohlicher Verletzungen medizinische Notfallintervention«, antwortete Aodhan. »Sie werden monatelang ausfallen. Der Rest hat sich ein paar Knochen gebrochen, wobei der Großteil davon mindestens vier Wochen brauchen wird, um sich ganz zu erholen.«

Man hatte es ihr inzwischen erklärt, aber trotzdem verstand Elena noch nicht ganz, welches Medikament heute bei der Notfallversorgung zum Einsatz gekommen war. Wenn man es mit einem in der menschlichen Medizin verwandten Mittel vergleichen wollte, so schien Epinephrin ihm am ähnlichsten zu sein, aber keineswegs identisch. Laut Montgomery griff man zu diesem Mittel nur, wenn es gar nicht mehr anders ging, denn es hatte sehr starke Nebenwirkungen. Zwar ließen sich so die Selbstheilungsprozesse eines schwer verletzten Engels sogar dann beschleunigt in Gang setzen, während sich dessen Körper sonst vielleicht einfach abgeschaltet hatte – dafür verlängerte sich die Zeit bis zur vollständigen Heilung dann aber um Monate.

Seit Elena erlebt hatte, wie mit dem Mittel ein Engel wiederbelebt worden war, dessen Kopf nur noch durch die bloßliegende, nass glänzende Wirbelsäule mit dem Körper verbunden gewesen war, während seine untere Körperhälfte praktisch nur noch aus einem blutigen Stumpf bestanden hatte, waren ihr die Nebenwirkungen ziemlich egal.

»Die im Turm stationierten Heiler haben mit einigen Verletzten sprechen können, die wieder bei Bewusstsein sind«, sagte Aodhan, während sich um sie herum das Licht in Dämmerung verwandelte und Wolken die letzten noch verbliebenen Sonnenstrahlen schluckten. »Sie alle berichten von einem plötzlichen Schwindelgefühl und dass sie noch landen wollten, aber vorher wohl das Bewusstsein verloren hatten.«

Raphael schwieg. Als das Schweigen zu lange dauerte, warf Elena Aodhan einen Blick zu, um ihm mit den Augen eine Botschaft zu übermitteln. Ihre Bekanntschaft mit diesem Mann aus der Gruppe von Raphaels Sieben war noch relativ neu, anders als ihre Beziehung zu Illium, aber Elena hatte Aodhan als sehr einfühlsam erlebt. Einfühlsamer auf jeden Fall als die meisten anderen Engel in ihrer Bekanntschaft. Und richtig: Er fing ihren Blick auf, nickte kaum merklich und verschwand im Turm.

»Untergräbst du wieder einmal meine Autorität bei einem meiner Männer, Elena?«, fragte Raphael in die Stille hinein.

Sie trat neben ihn, bis ihre Flügel sich berührten. Eine Sekunde später taten sich über ihnen die Wolken auf und überschütteten die Stadt mit einem unerwartet heftigen Guss. Der Regen würde das Blut von Straßen und Häusern waschen, dachte Elena, das Trauma dieses Tages jedoch ließe sich wohl nie aus dem Gedächtnis tilgen. »Deine Autorität bei deinen Männern könnte nichts auf der Welt untergraben.« Die Sieben waren ihrem Erzengel so treu ergeben wie die Jäger ihrer Gilde.

»Aber ich habe als deine Gemahlin gewisse Rechte«, fuhr sie fort, während sie sich Regentropfen von den Wimpern blinzelte und Raphaels Flügel ein schützendes Dach über ihren Köpfen bildete. »Und dazu gehört, dass ich an deiner Seite gegen diese Sache antrete. Was immer es auch sein mag.«

Raphael legte den Arm um sie und zog sie an sich. Der Regen ließ die mitternachtsschwarzen Strähnen seines Haars womöglich noch dunkler schimmern.

»Es tut mir so leid, Raphael.« Elena legte ihm die offene Hand auf das Herz, weil sie als Schutz vor dem Schrecklichen, das stattgefunden hatte, sein Leben spüren wollte. »Ich weiß, niemand darf einen Erzengel trauern sehen, aber ich weiß auch, dass du trotzdem um die Leute trauerst, die du verloren hast.« Ihr saß ja selbst ein dicker Kloß im Hals, und in den Augen brannten ihr ungeweinte Tränen.

»Sie standen unter meinem Schutz«, meinte Raphael, und mehr brauchte auch gar nicht gesagt zu werden.

Elena versuchte nicht, ihn mit Worten zu trösten. Sie stand einfach nur neben ihm, während der Regen auf sie beide herunterprasselte, kalt und hart wie der Tod, der an diesem Abend so düster über ihre Stadt gekommen war. In der Ferne zuckten Blitze, die finsteren Wolken sorgten schon jetzt am frühen Abend für ein Mitternachtsgefühl. Überall in den Fenstern der umliegenden Wolkenkratzer flammte warmes, goldenes Licht auf, als wollten sich die Menschen dort gegen die Dunkelheit wehren, wobei dieses wilde, schwarze Gewitter so gar nichts Unheimliches, »Anderes«, hatte. Es war lediglich eine einfache, schöne Zurschaustellung der Kräfte der Natur.

»Bist du je bei solchem Wetter geflogen?«, wollte Elena wissen, die dicht an den Erzengel gelehnt dem Schauspiel zusah, durch seinen muskulösen Körper und die großen Flügel vor dem wütend tobenden Wind geschützt.

»Ja.« Raphael betrachtete den Regenguss, der vom Wind so stark nach links gedrückt wurde, dass sich die Lichter der Stadt in dem Regenvorhang brachen. »Über einer Insel im Meer, das jetzt Pazifik genannt wird. Die Blitze tanzten einen irren, gewaltigen Tanz, die Luft zitterte vom Dröhnen des Donners. Meine Freunde und ich haben uns wie in einem Spiel einen Spaß daraus gemacht, den Blitzen auszuweichen.«

Ein schönes Bild – fast hätte Elena lächeln wollen, aber die Wunden des Tages waren noch zu frisch. »Das nennen Unsterbliche dann wohl eine Mutprobe?«

»Gut möglich.« Raphael blinzelte sich die Regentropfen von den Wimpern. »Komm, wir müssen nach den Verwundeten sehen.«

Ihre Wohnung im Turm suchten die beiden nur kurz auf, um sich trockene Kleidung anzuziehen, ehe sie weiter in die neu eingerichtete Krankenabteilung eilten. Elena hatte bei der Erstversorgung der Verwundeten im Haus bereits gesehen, welch unglaublicher Schaden angerichtet worden war, was ihr jedoch jetzt wenig half: Der Anblick der Verletzten war diesmal nicht weniger verstörend als beim ersten Mal. Ein Engel, dessen Flügel wie die eines Spatzen gemustert waren, hatte einen Großteil seiner inneren Organe eingebüßt, und seine Brust bestand eigentlich nur noch aus einem klaffenden Loch, aber er war bereits vierhundert Jahre alt, hatte überlebt und war in ein künstliches Koma versetzt worden, das ihm bei der Heilung helfen würde.

Neben ihm lag das fast enthauptete Opfer, dessen Lebenslicht nur noch leise flackerte. Raphael kniete sich neben den jungen Mann und legte ihm die Hand auf die furchtbare Wunde. Nur Elena stand dicht genug bei den beiden, um den schwachen blauen Schimmer wahrzunehmen, jenen, der für Raphaels wachsende, aber immer noch erst im Entstehen begriffene Fähigkeit, zu heilen. Noch vermochte er den Schaden nicht gänzlich zu beheben, aber er konnte zumindest dafür sorgen, dass der Mann mehr als nur eine kleine Chance bekam.

Zwei Betten weiter lag ein Engel, dem beide Beine an den Oberschenkeln abgerissen und die meisten Knochen gebrochen worden waren, einschließlich der Knochen seines Gesichtes, das jetzt grauenhaft entstellt war. Aber mitten in der zerborstenen Schale seiner Schädeldecke lag noch, mochte man es Glück nennen oder Schicksal, sein Gehirn, und auch das Herz schlug ihm in der Brust. Sein Rückgrat war geschädigt, aber nicht so, dass es tödlich gewesen wäre – denn sonst würde Izak jetzt nicht mehr am Leben sein, war er doch viel zu jung, um solche Verletzungen selbst heilen zu können.

»Tut mir leid! Tut mir leid! Ich bin gerade erst aus der Zuflucht gekommen!« Er schluckte seine Tränen herunter. »Das dürfte ich Ihnen gar nicht sagen! Bitte, sagen Sie Raphael nichts davon.«

In Elenas Kehle wuchs der Knoten aus Zorn und Angst, als sie an ihre erste Begegnung mit diesem jetzt so grausam zugerichteten jungen Engel denken musste. Izak hatte damals mit dem Kopf nach unten über dem Dach des kleinen Balkons ihrer alten Wohnung gebaumelt, nichts als gelbe Locken und riesige Augen, weil er so gern einmal einen Blick auf eine waschechte Jägerin hatte werfen wollen. So jung, so unschuldig – und jetzt lag er hier, zerschunden und still, sein Körper nur noch ein Klumpen aus zerfetztem, blutigem Fleisch …

Elena wollte um sich schlagen, wollte jemanden für dieses grauenhafte Blutbad zahlen lassen. Aber noch war der Gegner unsichtbar, noch fehlte jede Antwort auf die Frage nach dem Ursprung dieses Albtraums.

3

Raphael und seine Gemahlin gingen erst weit nach Mitternacht zu Bett. Der Erzengel brauchte wesentlich weniger Erholung als Elena, aber sie schlief besser, wenn er bei ihr lag. Wenn sie aufwachte und ihn nicht neben sich fand – und sie wachte fast immer mitten in der Nacht auf, wenn er nicht da war, machte sie sich auf die Suche nach ihm.

Als das zum ersten Mal geschah, hatte er angenommen, ein Albtraum habe sie aus dem Schlaf gerissen, ein Echo des Schrecklichen, das damals ihre Kindheit beendet hatte. Aber Elena hatte ihm versichert, sie würde ihn einfach nur vermissen. So schlichte Worte – und doch hatten sie solche Macht über ihn. Jetzt schlief er bei ihr, zumindest während bestimmter, kritischer Stunden der Nacht.

An Schlafen war in dieser Nacht jedoch erst einmal gar nicht zu denken. Elena lag im Bett, den Kopf an Raphaels Schulter gebettet und dachte nach. »Lijuan!«, sagte sie schließlich. »Meinst du nicht auch?«

»Ja, die Möglichkeit ging mir auch schon durch den Kopf.« Der weibliche Erzengel von China wurde mehr und mehr zum Erzengel des Todes, ihre Fähigkeiten wurden durch den Fäulnisprozess eines würdelosen und gnadenlos besiegelten Endes beeinträchtigt – ob sie sich nun selbst als Spenderin ewigen Lebens sah oder nicht.

Die Version von »Leben«, die Lijuan schuf, war die grauenhafte empfindungslose Hülle eines entmenschlichten Körpers.

»Aber?« Elena stützte sich auf den Ellbogen, um auf Raphael hinuntersehen zu können. Ihre fast weißen Haare berührten seine Haut wie tausend flüchtige Liebkosungen.

Er legte ihr die Hand auf den warmen Rücken, zog sanft mit den Fingern die zarte Kurve ihrer Wirbelsäule nach. Seine zähe Jägerin – die man immer noch auf vielfältige Art verletzen konnte, die heute durchaus zu den Gefallenen hätte zählen können, denn es waren immer die Jüngsten, die am stärksten in Gefahr schwebten, und Elena war der allerjüngste Engel in der Stadt.

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