Hat Beten einen Sinn? - Luise Rinser - E-Book

Hat Beten einen Sinn? E-Book

Luise Rinser

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Beschreibung

In diesem erstmals 1964 erschienenen Essay werden große Fragen aufgeworfen, wie: Was ist Beten? Zu wem beten wir? Wie sieht eigentlich unsere Vorstellung von Gott und von der Bedeutung des Gebets aus? Wann und unter welchen Umständen beten wir, und dürfen wir von Gott ganz konkrete Resultate erwarten? Luise Rinser geht all diesen Fragen nach. Dabei untersucht sie Parallelen und Unterschiede der großen Weltreligionen und arbeitet heraus, was für sie das »wahre Beten« eigentlich meint. Denn dabei geht es niemals um persönliche oder gar materielle Wünsche, sondern vielmehr darum, sich ganz und gar dem unfehlbaren Willen Gottes anzuvertrauen. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 38

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Luise Rinser

Hat Beten einen Sinn?

FISCHER Digital

Inhalt

Hat Beten einen Sinn?

Hat Beten einen Sinn?

WENN diese Frage nur meint, ob es Sinn habe, Gott um etwas zu bitten (denn beten hängt mit bitten zusammen), dann ließe sich vernünftig darüber diskutieren, denn es ist die berechtigte Frage danach, ob der Weltenplan nicht seit vordenklichen Zeiten von Gott so genau festgelegt sei, daß menschliches Bitten daran nichts mehr ändern könne. Mit dieser Frage wollen wir uns auch befassen im Laufe dieser Überlegung, aber erst, wenn wir einige gedankliche Vorarbeit geleistet haben.

Wenn die Frage aber meint, ob es überhaupt einen Sinn habe, sich in Gebeten an die Gottheit zu wenden, so ist sie erschreckend, denn wer so fragen kann, verrät, daß er nicht nur nichts von Gott und dem Wesen des Betens versteht, sondern auch gar nichts vom Menschen.

Man kann die Frage freilich auch hoffnungsvoll zweifelnd stellen, so daß sie dann eigentlich bedeutete: Ich würde gerne beten, wenn ich sicher wäre, daß Beten sinnvoll sei. So gemeint, enthielte sie die Aufforderung: sagt mir doch, was das eigentlich ist, das Beten; wenn ich verstünde, was das ist und wie man es richtig macht, so würde ich es tun.

Man müßte solchen Fragern antworten: ‚Betet – und Ihr werdet den Sinn des Betens erfahren, und anders als betend werdet ihr ihn nie erfahren.‘

Das ist zwar richtig, aber man kann so nur zu Menschen sprechen, die schon einmal verstanden haben zu beten und die nur gutwillig ihre früheren Erfahrungen auszugraben und wiederzubeleben brauchen. Aber man kann es nicht sagen zu jenen, die nicht wissen, was Beten ist. Ich glaube allerdings nicht, daß es einen Menschen gibt, der ganz und gar nicht weiß, was Beten ist, oder besser gesagt: der nicht schon gebetet hat, vielleicht sogar ohne zu wissen, was er da tat. Es gibt ein Sprichwort: ‚Not lehrt beten‘. Ich kannte einen Mann, der sich als bewußten Atheisten ausgab; als sein einziges Kind im Sterben lag, fiel er auf die Knie und rief: ‚Hilf doch!‘ Wen meinte er damit? Er sandte einen SOS-Ruf hinaus in eine namenlose dunkle Weite. Aber hätte er nicht wider all seinen Unglauben geglaubt oder gehofft, daß in der dunklen Weite ein Wesen sei, das seinen Schrei auffinge – hätte er ihn dann ausgestoßen? Das unreflexe Leben ist weit stärker verbunden mit dem Irrationalen und Religiösen, als der Verstand weiß oder wahrhaben will.

Wenn wir darüber nachdenken, was jener Mann tat, als er sich um Hilfe nicht an einen Menschen, sondern an ein stärkeres Wesen wandte, finden wir, daß in seinem Tun alles gegenwärtig war, was das Wesen des Betens ausmacht: der hoffnungsvolle Glaube an die Existenz eines übermenschlichen Wesens, das man anrufen kann, das also ein Du ist, eine Person, keine bloße unpersönliche Macht, denn mit einer solchen spricht man nicht; ferner war da der Glaube daran, daß dieses Wesen, diese Person, auf den Hilferuf des Menschen hört, also ansprechbar ist, und den Hilferuf zu erhören, auf ihn zu antworten mächtig und willens, also gut ist.

Wir haben damit auch die klare Bestimmung dessen, was das Gebet ist: das Sprechen mit der Gottheit.

Jede Philosophie, jedes Nachdenken fängt mit dem Staunen an. Wenn wir uns einmal überlegen, was wir denn da tun, wenn wir beten, so müssen wir staunen. Ist es nicht Torheit, ja Wahnsinn, ein Wesen anzusprechen, das wir nicht sehen, nicht hören, nicht greifen, nicht kennen, und das nicht ‚antwortet‘, von dem wir dennoch erwarten, ja fordern, daß es uns höre, erhöre, also kenne, von andern unterscheide, für uns da sei, uns liebe? Ist das nicht Aberglaube, ‚finsteres Mittelalter‘, oder ein uns aus primitiven Zeiten der Menschheit verbliebener Rest an magischem Denken, an Zauberglauben? Oder ist es eine pure Einbildung, eine Projektion unseres Wunsches, es möge so ein übermächtiges, hilfreiches Wesen geben, zu dem man sprechen kann? Oder ist es ein rein seelischer Vorgang, psychologisch erklärbar als eine Selbstspaltung des Menschen in einen Bittenden und einen diese Bitte aus eigener Kraft Gewährenden, also eine Art von Autosuggestion, in der eigene Kräfte mobilisiert werden, indem man in äußerster Not an sie appelliert? Oder gehört es in jenen Bereich, den man den irrationalen nennt, an dem das logische Denken scheitert und der dennoch wahr und wirklich ist, und dessen Wahrheit und Wirklichkeit jener erfährt, der sich gläubig dafür öffnet? Ist es ein echter metaphysischer, ein über-natürlicher Vorgang, bei dem der Mensch wirklich der Gottheit begegnet?