Haus, Frauen, Sex. - Margit Schreiner - E-Book

Haus, Frauen, Sex. E-Book

Margit Schreiner

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Beschreibung

"Nach zwei Jahrzehnten Ehe hat Resi – die nun auf ihrem eleganteren Doppelnamen Marie-Thérèse besteht – den Gatten Franz verlassen und den Sohn mitgenommen. Zuvor war der Herr Gemahl gekündigt worden, hatte für die Familie eigenhändig ein Eigenheim errichtet. Im viel zu großen, leeren Haus sitzt Franz nun und grollt und trinkt und trinkt und grollt. Das Heimchen am Herd ist entsprungen, das Männchen sinnt auf Rache. Doch Franz hat dafür nichts als seine Worte, gemeine Worte der Wut." Margit Schreiner hat mit ›Haus, Frauen, Sex.‹ die unterhaltsamste Gender-Studie geschrieben, die man zur Zeit lesen kann.

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Seitenzahl: 250

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Inhalt

[Cover]

Titel

Zitat

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Autorenporträt

Über das Buch

Impressum

Weißt du’s noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vögel die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug.Rainer Maria Rilke: Duineser Elegien

1

Marie-Thérèse ist ja kein Name. Wenn schon, dann Therese. Heute nennen sie ihre Kinder ja alle Marlon oder Yvonne oder Sarah. Weil sie etwas Besonderes sein wollen. Aber davon wird so ein Kind auch nichts Besonderes, daß die Mutter in der Schwangerschaft eine Fernsehserie gesehen hat, in der die Hauptdarstellerin Yvonne heißt. Im Gegenteil! So etwas hängt den Kindern doch ihr Leben lang nach. Besonders den Mädchen. Da haben sie wer weiß wie exotische Namen, und dann paßt nichts zusammen: Die Yvonne spricht den letzten Tiroler Dialekt, die Carmen ist blond und blaß, die Brunhilde heult schon los, wenn du sie nur einmal schief anschaust. Und wenn du jetzt auf Marie-Thérèse bestehst, Resi, bleibst du trotzdem Kassiererin an der Supermarktkasse oder meinetwegen Schneiderin. Marie-Thérèse! Zwanzig Jahre habe ich Resi gesagt und auf einmal sollte ich Marie-Thérèse sagen. Glaubst du, das ändert etwas? Glaubst du, daß du davon selbständiger wirst, wenn ich dich Marie-Thérèse nenne? Deine Vorgängerin, die Elfi, habe ich ja auch nie Elfriede genannt, obwohl das wenigstens ein normaler Name gewesen wäre. Da wollt ihr alle etwas ganz Besonderes sein, sensibel, emanzipiert, Persönlichkeitsentfaltung undsoweiter und dann wißt ihr nicht einmal, was zu tun ist, wenn der eigene Sohn eine Sonnenfinsternis beobachten will. Ohne mich hättet ihr das gigantische Schauspiel damals doch gar nicht genießen können! Auf die Idee mit dem Fernglas, dem Karton und dem großen Blatt Packpapier wärst du nie gekommen. Weil ihr kein physikalisches Vorstellungsvermögen habt. Wenn man in den Karton ein Loch schneidet und eine Seite vom Fernglas durchsteckt, und wenn man den Karton mit dem Fernglas darin dann so am Gitter des Stadtplatzbrunnens befestigt, daß die Sonne von schräg oben durch das Fernglas fällt, und wenn das Blatt Packpapier auf dem Boden im Schatten des Kartons liegt, dann muß die Sonne als leuchtender Kreis scharf umrissen auf dem Papier zu sehen sein. Das Fernglas dient natürlich zur Vergrößerung. Mein Sohn hat das Prinzip damals sofort begriffen, während du nur wieder dein Glänzen in den Augen gehabt hast, als ob das alles ein Wunder wäre und nicht von Anfang bis Ende durchdacht. Solche Ideen fallen nicht vom Himmel. Und wenn man schon keine technische Begabung hat, dann muß man beobachten, wie andere die Probleme lösen. Das tut ihr aber nicht. Ihr gebt euch keine Mühe. Schaut mit glänzenden Augen mitten hinein in die Sonne. Aber darum habe ich den Karton, das Fernglas und das Papier ja auf den Stadtplatz mitgenommen, damit ihr nicht in die Sonne schauen müßt und trotzdem seht, wie sie langsam verdeckt wird vom Mondschatten; zuerst nur ein Fleck und dann mehr und mehr, bis sie am Ende fast verdeckt ist, ein dunkler Kreis mit einem Heiligenschein rundherum. Nie direkt in die Sonne schauen, das habe ich auch meinem Sohn gesagt, schau auf den Karton, habe ich gesagt, und er hat den Stand der Sonne und wieviel schon vom Mondschatten verdeckt war eingezeichnet, und dann hat er die Uhrzeit daneben geschrieben, damit er sich später erinnert, wie die Sonne gewandert ist und wie lange es gedauert hat, bis die maximale Finsternis erreicht war. Alle, die damals auf dem Stadtplatz versammelt waren, haben durch irgendwelche verrußten Gläser geschaut oder durch Filmrollen, aber ich habe euch gleich gesagt: Das nützt nichts! Die Sonne, die hat so eine Kraft, die verbrennt euch die Netzhaut in den Augen, auch wenn ihr durch ein verrußtes Glas schaut. Das habe ich euch ersparen wollen, weil sofort merkt man ja nichts, außer, daß man vielleicht grüne Flecken sieht oder schwarze Flecken, grüne Sonnen oder schwarze. Daß die Strahlen die Netzhaut verätzen, das merkt man erst später, wenn es zu spät ist, manchmal erst Jahre später. Die meisten Menschen denken dann gar nicht mehr an den Tag, als der Fleck auf der Sonne immer größer geworden ist und der Stadtplatz sich fast unmerklich verändert hat. Zuerst waren wir ja noch fast alleine, weil die meisten Menschen haben nur die Uhrzeit der Sonnenfinsternis selbst im Kopf gehabt, die haben sich ja nicht klargemacht, daß nichts auf einmal da ist, sondern alles sich vorbereitet, nach und nach. Nichts kommt von nichts, alles geht seinen Weg, ist Gesetz und Notwendigkeit. Es gibt keine Zufälle, keine Überraschungen. Jedenfalls, mit der Zeit sind immer mehr Menschen auf den Stadtplatz gekommen. Da war die Sonne schon ein Drittel vom Mond verdeckt. Die Menschen sind zu uns gekommen und haben sich um uns herum aufgestellt und geschaut, was ich da gebastelt habe, damit ihr, ohne euch die Netzhaut zu verätzen, alles beobachten könnt. Es war eine seltsame Stimmung; gar nicht wie sonst, wenn so viele Menschen zusammenkommen. Irgendwie war es stiller als sonst. Dabei war nicht viel zu sehen. Ich habe zuerst gedacht: Der Himmel schaut ein bißchen anders aus als sonst, die Häuser schauen ein bißchen anders aus, die Berge ringsum schauen ein wenig anders aus, aber ich hätte nicht sagen können inwiefern. Höchstens hätte ich sagen können: Der Himmel, die Häuser und die Berge schauen fremd aus. Und ich selbst war mir auch fremd. So, als stünde ich gar nicht auf dem Stadtplatz und wartete auf die Sonnenfinsternis, sondern als säße ich in Wirklichkeit vor einer Leinwand und sähe einen Film, in dem ich mit anderen auf dem Stadtplatz stünde und auf die Sonnenfinsternis wartete. So ähnlich war es auch bei meiner Ohnmacht vor ein paar Jahren. Erinnerst du dich daran? Ich habe den ganzen Tag gesagt: Mir ist so seltsam, und dann auf einmal am Pichlingersee, nach dem Baden, bin ich umgefallen. Alles ist fremd gewesen und weiter weg als sonst. Die Menschen, der Himmel, der See. Die Geräusche waren gedämpft. Wenn die Farben und die Laute von den Gegenständen und den Lebewesen zurücktreten, wenn die Welt einen im Grunde nichts mehr angeht, dann ist das einerseits eine Erleichterung und andererseits fühlst du eine Fremdheit, die schon etwas Unheimliches hat. Weil der Mensch will ja Teil sein und teilhaben am Leben, er will dazugehören und nicht abseits stehen mit wohligweichen Gliedern. Damals habe ich zum ersten Mal das Gefühl gehabt, ich könnte sterben und würde niemandem fehlen. So ein Gefühl war das auch bei der Sonnenfinsternis voriges Jahr, als ich geglaubt habe, daß zwischen uns noch alles in Ordnung ist, obwohl schon längst nichts mehr in Ordnung war, wie ich heute weiß. Ich war so froh damals, daß ich euch den Karton mit dem Fernglas gebastelt habe, weil da habt ihr auf das Papier schauen können, und mein Sohn hat den Stand der Sonnenfinsternis eingezeichnet, und ihr habt nicht sehen müssen, wie sich die Welt um uns herum entzieht. Gelacht habt ihr sogar, weil die Sonne so schnell war auf dem Papier auf dem Boden, daß ihr gar nicht nachgekommen seid mit dem Einzeichnen des Schattens. Achtzig Prozent Sonnenfinsternis haben wir gehabt, von hundert Prozent hat sowieso niemand gesprochen. Trotzdem waren die Menschen enttäuscht, weil sie immer nur an spektakuläre Ereignisse denken, an völlige Finsternis mitten am Tag, an einen schwarzen Nachthimmel mit Sternen, an eine Art Stromausfall. Aber es war keine völlige Finsternis, es war immer noch hell damals, es war nur ein anderes Licht. Ein kaltes Licht war das. Das haben sogar die Tiere bemerkt. Als die Sonnenfinsternis auf ihrem Höhepunkt war, da war es ganz still. Kein Hund hat gebellt, und kein Vogel hat gezwitschert. Kein Tier ist über den Stadtplatz gelaufen oder geflogen. Die Tiere waren still und die Menschen auch. Mir ist direkt schwindlig geworden von dieser Stille und der Undurchdringlichkeit der Welt. Das kalte Licht, das da entstanden ist, hat nicht nur die Farbe der Häuser auf unserem Stadtplatz verändert und die Gesichter der Menschen und die Bäume und die Pflastersteine. Es hat alles verändert. Als ob die Welt von innen heraus eine andere geworden wäre. Und das, obwohl fast alles so geblieben ist, wie es immer war. Da war auch kein Wind, kein Windstoß, wie ich eigentlich erwartet hätte, alles war reglos, still, fahl, stumm. Alles war einfach nur da. Und es war unerträglich, daß alles einfach nur da war. Dann ist der Streifen Sonnenlicht wieder breiter geworden, schnell ist das gegangen, unheimlich schnell, und da habe ich hineingeschaut in das Licht. Es war wie eine Schneeschmelze. Als ob die Eisberge am Südpol abschmelzten. Wohin, habe ich noch gedacht, wohin soll all das Wasser abfließen? Und dann habe ich mir die Bäche im Gebirge vorgestellt, die im Sommer Rinnsale sind und zu Sturzbächen werden im Frühling, während der Schneeschmelze, wenn sie braun und mit Getöse hinunterstürzen ins Tal, so daß du dein eigenes Wort nicht mehr verstehst, wenn du daneben stehst, und das hat keinen Anfang und kein Ende, sondern ist endlose Wassermasse, immer nur tosend und rauschend kopfüber in das Tal, und wälzt sich dahin und reißt alles mit, was sie auf ihrem Weg findet: Steine, Baumstämme, Kinder und Frauen, wälzt sich fort und fort, vom Berg ins Tal und tobt und rauscht und brüllt, und du hältst dir die Ohren zu, du erträgst es nicht mehr, aber es nützt dir nichts, du mußt es ertragen, du mußt es hören, es rauscht durch dich hindurch, es reißt dich mit, du stürzt kopfüber in enge, matschige Täler, wälzt dich breit und braun durch Ebenen auf ein Meer zu, das du nicht kennst.

2

Niemand hätte gedacht, daß das alles einmal so ausgeht. Alle haben uns doch bewundert. Zwanzig Jahre, so eine lange Zeit, und das soll jetzt auf einmal nicht mehr zählen? Zwanzig Jahre und der große Umzug in das neue Haus im letzten Jahr, und vorher haben wir gespart und alles vorbereitet – und dann ist alles fertig und so schön geworden – da gehst du weg! Kaum im Haus, schon wieder hinaus aus dem Haus, kaum den Garten umgestochen, die Bäume und Blumen gepflanzt, schon wieder weg. Du kannst nicht mehr mit mir zusammenleben! Das ist doch verrückt! Endlich ist das große Haus fertig, endlich hast du Platz, kannst machen, was du willst, da ziehst du aus. Hat dir ein Zimmer nicht genügt? Von mir aus hättest du auch zwei Zimmer haben können, ich hätte dir meines gegeben, weil ich brauche kein eigenes Zimmer, ich habe meine Werkstatt im Keller, und du hättest doch außerdem das Atelier auf dem Dachboden oben gehabt. Ein eigenes Atelier, immer hast du das gewollt, dann hast du es endlich bekommen – und da gehst du weg! Was wirst du denn jetzt haben? Du kannst dir doch alleine nichts leisten. Eine kleine Wohnung ohne Atelier wirst du haben. Ich darf sie ja nicht sehen. Du läßt mich nicht hinein. Ich darf nicht einmal sehen, wo du jetzt wohnst mit meinem Sohn! Unten im Flur habe ich einen Steinboden gelegt. Das hast du dir doch gewünscht. Immer schon. Einen Flur, hast du gesagt, mit einem roten Steinboden möchte ich haben, wenn ich mir so etwas einmal leisten kann. Weil du nämlich einen Onkel gehabt hast, der Pfarrer in Meggenhofen war, und der hat in einem gelben Pfarrhaus gewohnt mit einem großen Flur, und der Flur hat einen roten Steinboden gehabt. Siehst du, wie ich mir alles gemerkt hab, was du mir erzählt hast aus deinem Leben. Immer habe ich gedacht: Eines Tages bau ich der Resi ein Haus mit einem roten Steinboden im Flur. Weißt du überhaupt, was das für eine Arbeit war, den Steinboden zu verlegen? Du weißt es nicht, weil du ja nie darauf geachtet hast, was ich alles für euch tue. Denk an den Wohnzimmerschrank vor sieben Jahren, den ich selbst im Keller getischlert habe. Und damals war ich noch in der Firma! Jeden Abend bin ich hinunter gegangen in den Keller und habe an dem Schrank gebaut, und jedes Wochenende auch. Aber das war für dich immer nur selbstverständlich. Manchmal hast du sogar gesagt: Warum arbeitest du denn Tag und Nacht im Keller? Laß es bleiben, wenn es so eine Arbeit ist. Wir können uns doch einen fertigen Schrank kaufen, und wenn der zu teuer ist, dann gehen wir zum Flohmarkt, da bekommen wir immer etwas Preiswertes. Aber ich wollte deinen Wohnzimmerschrank nicht auf dem Flohmarkt kaufen. Ich habe gedacht, daß das für dich ein Wert ist, wenn ich ihn selber tischlere und wenn er nicht fertig gekauft ist. Aber dafür habt ihr ja keinen Sinn. Du hast uns ja auch nie eine Hose genäht oder ein Hemd, obwohl du eine Nähmaschine gehabt hast. Nicht einmal gekauft hast du sie für uns. Kauft euch eure Hosen und Hemden selbst, hast du gesagt, mir liegt das nicht. Ja, das hat dir noch nie gelegen, für uns etwas zu schneidern oder zu kochen oder die Wohnung schön zu putzen. Immer nur für andere, da könnt ihr arbeiten. So schöne Kleider hast du genäht, aber nie für uns. Kommt ihr denn nicht einmal auf die Idee, daß wir uns freuen würden, wenn ihr uns selbst eine Hose näht oder ein Hemd, und daß eure Kinder dann für später eine Erinnerung hätten an ihre Mutter. Daß sie später sagen könnten: Meine Mutter, die hat jede Hose und jedes Hemd, das ich in meiner Kindheit getragen habe, selbst genäht. An so etwas erinnert man sich doch ein Leben lang! Aber ihr schickt uns ins Kaufhaus, damit wir uns die Hosen und Hemden selbst kaufen. Kommt euch das nicht lieblos vor? Wir kaufen für euch Seidenschals zum Geburtstag oder zu Weihnachten oder zum Muttertag, die wickeln wir ein in Geschenkpapier und binden schöne Schleifen drum herum, damit ihr eine Freude habt. Aber die könnt ihr ja nicht zeigen. Keine Freude, kein Glück, nichts. Eine wie die andere. Ihr wickelt die Geschenke aus und streicht unseren Söhnen über den Kopf. Uns seht ihr nicht einmal an dabei. Ihr sagt höchstens: Schön ist das. Und dann legt ihr unsere Geschenke zur Seite und tragt sie kein einziges Mal. Du hast nie etwas annehmen können, weder die Geschenke zu Weihnachten oder zum Geburtstag oder zum Muttertag noch den selbstgetischlerten Wohnzimmerschrank noch das schöne neue Haus, das ich für dich gebaut habe. Marie-Thérèse! Ich habe dich ja förmlich zwingen müssen, die Pläne für das Haus überhaupt anzuschauen. Komm, schau dir das an, habe ich sagen müssen, möchtest du die Küche nach hinten hinaus oder nach vorne hinaus, willst du ein Fenster im Bad oder nicht, reichen zwei Toiletten, eine oben und eine unten, habe ich sagen müssen, oder brauchen wir drei? Du hast mich verwundert angeschaut, als ob du noch nie gehört hättest, daß wir bauen, meistens hast du geseufzt, wenn du die Pläne angeschaut hast, und dann hast du gesagt: Mach, was du willst, Franz, mir ist es egal. So eine Gleichgültigkeit, weißt du, die nimmt einem alle Freude am Hausbau. Du hast es mir nicht leicht gemacht mit deiner Freudlosigkeit, deiner Gleichgültigkeit, deiner Herzlosigkeit. Und wenn ich nur ein Wort gesagt habe, dann bist du gleich ganz starr geworden und hast den schmalen Mund bekommen, den du immer bekommen hast, wenn man einmal anderer Meinung gewesen ist als du, weil das wäre euch am liebsten: immer der gleichen Meinung sein wie ihr, nur nicht abweichen, alles soll genau so geschehen, wie ihr das wollt. Das ist nämlich eure Tyrannei, und uns wollt ihr hinstellen als die großen Unterdrücker! Jedenfalls hast du den schmalen, verkniffenen Mund gehabt, genau wie deine Mutter, bevor sie zu keifen angefangen hat, und dann hast du gesagt: Ich wollte nie ein Haus bauen, Franz. Daß ihr das nicht merkt, was für eine Kälte da dahinter steckt, uns und unseren Kindern gegenüber, was für eine Kälte und Gleichgültigkeit. Ich entwerfe den Plan für das Haus, ich wähle den Baumeister aus, ich tue und mache und suche aus, und alles, was euch einfällt, ist: Ich will kein Haus. Und mein Sohn? An meinen Sohn hast du nicht gedacht. Was glaubst du, was das später für ein Wert für ihn ist, wenn er ein eigenes Haus hat. Abgesehen davon, daß es auch jetzt schon ein Wert für ihn wäre, weil so etwas zählt nämlich in den Augen der Lehrer, der Mitschüler undsoweiter, ob einer im eigenen Haus wohnt oder in einer Mietwohnung. Wenn er seine Freunde eingeladen hätte, und die hätten gesehen, daß er ein großes eigenes Zimmer mit Tür zum Garten hinaus hat, dann hätten sie ihn aber gleich viel lieber besucht. Vor seiner Gartentür habe ich selbst ein Stück Wiese zubetoniert, damit er seine eigene kleine Terrasse hat, und wenn dann einmal ein Freund bei ihm übernachtet hätte, dann hätten die beiden am nächsten Morgen draußen frühstücken können. So etwas kannst du heute aber lange suchen, einen Freund, bei dem du auf der eigenen Terrasse im Garten frühstückst, mit Blick auf den Bioteich, den ich auch selbst angelegt habe. Das bestimmt ein ganzes Lebensgefühl, so ein Haus mit Garten. Dein Sohn wäre bestimmt besser geworden in der Schule, weil er gespürt hätte, daß er etwas ist und daß seine Eltern etwas sind und daß er auch etwas erreichen muß im Leben. Wie soll denn einer, der in einer Mietwohnung lebt, das Gefühl dafür bekommen, daß es sich lohnt, im Leben etwas zu lernen und fleißig zu sein und etwas zu leisten. In einer Mietwohnung muß doch so ein Kind das Gefühl bekommen, daß es ganz gleichgültig ist, wo man wohnt, weil man kann jederzeit umziehen und woanders wohnen. Wenn man gerade Geld hat, hat man eine große Wohnung, hat man keines, zieht man in eine kleine. Und wenn etwas kaputtgeht, dann ruft man bei der Hausverwaltung an, und die schicken dann jemanden, der repariert es wieder. Aber so ein Haus, das ist etwas ganz anderes. Da bist du selbst verantwortlich, da mußt du selbst dafür sorgen, daß alles erhalten bleibt und nichts kaputtgeht. Aber genau das ist es ja, was euch nicht paßt. Ihr müßtet ein bißchen arbeiten im Haus und im Garten. Wir können ja nicht alles alleine machen. Es reicht schließlich, wenn wir den Bioteich anlegen, wir können ihn nicht auch noch pflegen; alles hat seine Grenzen! Vor allem, weil wir ja die schweren Arbeiten machen müssen, das Umgraben, das Streichen, das Ausbessern und Reparieren, alles, was ihr gar nicht könntet, selbst, wenn ihr wolltet. Da werden wir uns nicht auch noch um die Rosenstöcke kümmern. Ein bißchen müßt ihr schon selbst tun, Marie-Thérèse! So ist das Leben, das kann euch niemand ersparen. Und bevor ihr für andere Leute arbeitet, könnt ihr ja wohl euer eigenes Haus in Ordnung halten. Du hättest ja einmal ein Kissen für das Wohnzimmer nähen können oder die Vorhänge. Du hättest alles selbst aussuchen dürfen, niemand hätte dir da reingeredet. Vorhänge, Polsterbezüge, Tagesdecken: Alles ganz nach deinem Geschmack! Aber du wolltest ja nicht. Dir sind ja die Fremden lieber, die dich bezahlen wie einen Sklaven. Und komme mir nicht mit dem Argument, daß einer ja das Geld verdienen muß. Ich habe es satt, mir das dauernd anzuhören. Tag und Nacht habe ich dieses Argument in den Ohren: Einer muß ja. Wer soll denn sonst, wenn nicht ich? Wer soll das Haus denn bezahlen? Alles deine Worte, alles deine Ungeheuerlichkeiten. Da arbeitet man ein Leben lang, und keineswegs aus Lust und Laune, meine Liebe, da hätte ich etwas Besseres gewußt, als Außenlifte zu bauen, das kannst du mir glauben, dann gehen die Aufträge zurück, die Firma muß radikal abspecken, siebzig Prozent Entlassungen, man steht da: siebenundvierzig Jahre alt! Wer kriegt denn da noch einen neuen Job, das ist ja so gut wie unmöglich, und dann muß man sich zu allem Überfluß noch von der eigenen Frau sagen lassen, daß man das Haus, das man schon lange geplant und entworfen hat, gar nicht selbst bezahlt. Aber all die Jahre war es recht, daß ich bezahlt habe? Vor zwanzig Jahren, als wir uns kennengelernt haben, da hast du überhaupt nichts gehabt, weder Geld noch eine ordentliche Arbeit, nichts hast du gehabt, und gekonnt hast du auch nichts, aber ich habe dich trotzdem genommen, weil das nämlich Liebe war. Du hast als Kassiererin in einem Supermarkt gearbeitet, da hast du kaum etwas verdient. Ich habe zu dir gesagt: So bleib doch daheim, das ist sinnlos, daß du dich um den Hungerlohn im Supermarkt aufreibst, aber nein, stur bist du ja auch, ich habe es nicht verstanden, aber bitte, so ein Ehemann war ich nie, der seiner Frau verbietet zu arbeiten. Wenn sie es für ihr Selbstbewußtsein braucht, habe ich mir immer gedacht, dann soll sie es machen. Aber den Preis dafür habe natürlich ich bezahlt. Ich habe keine Frau gehabt, die auf mich wartet, wenn ich abends müde heimkomme, die die Wohnung hübsch herrichtet, die etwas Schönes kocht und die ausgeruht ist, sondern ich habe eine Frau gehabt, die sich für einen Hungerlohn auslaugen hat lassen an einer blödsinnigen Supermarktkasse, nur weil sie nicht genug Selbstbewußtsein gehabt hat, einfach daheim zu bleiben. Auf den Hungerlohn hätten wir leicht verzichten können. Was du dort verdient hast, das habe ich damals in einem Monat an Benzin für meinen verbraucht. Aber das hätte ich ja gar nicht sagen dürfen, weil dann hättest du wieder angefangen rumzuheulen. Geschont habe ich dich, von Anfang an. Von Anfang an habe ich immer aufpassen müssen: Was kann ich der Resi sagen und was nicht? Und soviel war die ganzen Jahre lang klar: Von deinem Hungerlohn hätten wir nicht leben können, weder zu zweit noch später zu dritt. Ich habe das Geld herangeschafft! Ich habe zwanzig Jahre lang bei der Außenliftfirma gearbeitet, für dich und später für meinen Sohn und für dich, obwohl ich etwas Besseres gewußt hätte, ich habe das alles zwanzig Jahre lang für euch getan. Und was habe ich davon gehabt? Nichts. Keinen Dank, keine Freude, nichts. Eine ausgelaugte Frau am Abend, ein lästiges Kind, irgendein Fertiggericht und eine schmutzige Wohnung, das war alles, was ich davon gehabt habe. Und obendrein habe ich noch schweigen müssen, habe nicht einmal sagen dürfen, wer da eigentlich das Geld nach Hause bringt und wer nicht, weil dann wärst du ja wieder beleidigt gewesen und hättest herumgeheult und hättest mir irgend etwas erzählt von Selbständigkeit. Aber das war ja das Verlogene, all die Jahre lang: Selbständigkeit! Daß ich nicht lache. Du warst nicht selbständig und bist es bis heute nicht. Damals jedenfalls hättest du nicht einmal allein überleben können von deinem Supermarktlohn. Das war doch lächerlich, was du da verdient hast, und sogar bei der Arbeit hast du noch aufpassen müssen, daß sie dich nicht entlassen. Weil du nämlich überhaupt kein Talent gehabt hast zur Supermarktkassiererin. Das hast du selbst zugegeben! Du hast mir selbst gesagt, daß du einfach nicht schnell genug bist für eine Spitzenkraft, daß du den Überblick nicht hast, daß du dir nicht so schnell merken kannst, was die einzelnen Sonderangebote gerade kosten. Ich habe dich damals noch trösten müssen, wenn ich am Abend müde von meiner Arbeit heimgekommen bin. Resi, habe ich gesagt, das liegt daran, daß du einfach zu gut bist für so eine Supermarktkasse. Schau, habe ich gesagt, wenn du am Abend verzweifelt warst, weil immer bei dir die längsten Schlangen an der Kasse waren, schau, bei jemandem, der nichts anderes im Kopf hat, bleiben die verschiedenen Preise leichter hängen. Jemand, der sich für sonst nichts im Leben interessiert, der kann sich leichter merken, was jetzt ein Paar Frankfurter kostet und was ein Paar Debreziner. Resi, habe ich gesagt, dein Horizont ist zu weit für die Supermarktpreise. Im Grunde interessieren dich eben die Waschmittelsorten nicht und welche Marke gerade fünfzig Groschen mehr kostet als die andere. Neben mir bist du gesessen, abends, auf der Couch, den Kopf hast du auf meine Schulter gelegt, ganz verheult warst du, und genickt hast du bei jedem Wort, das ich gesagt habe. Dabei hast du ja noch nicht einmal in einem wirklich großen Supermarkt gearbeitet, weil dort hätten sie dich vermutlich bald entlassen bei deiner Langsamkeit. Das war ja mehr ein größerer Lebensmittelladen. Aber das habe ich dir natürlich nicht gesagt, weil sonst hättest du vermutlich wieder zu heulen angefangen. Gott sei Dank hast du dann wenigstens aufgehört zu arbeiten, als mein Sohn unterwegs war. Da war ich richtig erleichtert, daß du von selbst gekündigt hast, weil ich habe schon Angst gehabt, daß ich dir werde sagen müssen, daß ich das nicht dulde, daß du mit meinem Kind im Leib so einen Hungerlohnjob machst, bei dem du noch dazu den ganzen Tag stehen mußt und dich sowieso überanstrengst. Hoffentlich, habe ich gedacht, kündigt die Resi von selbst, weil wenn ich ihr das sagen muß, dann geht die ganze Sache wieder von vorne los, dann heult sie wieder undsoweiter. Mein Gott, war ich erleichtert, daß du ausnahmsweise einmal von selbst etwas Gescheites getan hast. Und es hat sich dann ja auch gezeigt, daß ich recht gehabt habe. Natürlich warst du wie ausgewechselt, als du endlich einmal nicht den ganzen Tag hast herumstehen müssen in dem saublöden Mini-Supermarkt. Auf einmal waren Blumen auf dem Tisch, die Wohnung war so halbwegs geputzt, sogar kochen hast du gelernt in der Zeit. Damals hast du auch zu nähen angefangen, weil du Zeit gehabt hast, und weil der Mensch natürlich nur auf neue Ideen kommt, wenn er Zeit dazu hat. Das habe ich dir übrigens auch schon immer gesagt, aber du hast es ja nicht glauben wollen. Immer habe ich zu dir gesagt: Hör auf mit dem blöden Supermarktjob und bleib daheim, dann fällt dir vielleicht auch etwas ein, das du machen könntest, das mehr bringt als der Supermarkt. Irgend etwas, das dir Spaß macht, das dich ausfüllt, das dich glücklich und fröhlich macht, weil, habe ich zu dir gesagt, wenn du glücklich und fröhlich bist, dann machst du auch mich glücklich und fröhlich. Aber du hast dir ja noch nie etwas sagen lassen. In der Zeit der Schwangerschaft hast du dir noch am meisten sagen lassen. Obwohl die meisten Frauen ja da angeblich sehr empfindlich sind. Bei dir war es genau umgekehrt. Mit dir hat man erst richtig reden können, als du schwanger warst. In dieser Zeit hast du mir auch von dem roten Steinboden im Pfarrhaus deines Onkels erzählt, und daß du in den Sommerferien zu ihm geschickt worden bist und daß du dort gespielt hast, du wärst eine Prinzessin, weil das Pfarrhaus einen großen Garten gehabt hat mit einer gelben Mauer rundherum und einem Goldfischteich in der Mitte, und du als Kind geglaubt hast, nur Königskinder wohnen in so einem großen gelben Haus mit einem Garten mit einer gelben Mauer rundherum und einem Goldfischteich in der Mitte. Jedenfalls hast du erzählt, daß du in dem Garten herumgegangen bist, der Mauer entlang, und um den Kopf hast du ein Handtuch gebunden gehabt, das war im Spiel dein langes Haar, und am Teich hast du gestanden und hast die Goldfische mit Brot gefüttert. Da habe ich mir gedacht: Die Resi ist eine Prinzessin, und eines Tages baue ich ihr ein Haus mit einem Garten und einem Teich in der Mitte. Und im Haus lege ich ihr einen roten Steinboden im Flur. Das habe ich mir damals geschworen, als du schwanger warst mit meinem Sohn. Ich gehe jetzt zum Chef, habe ich gesagt, und rede mit ihm über eine Gehaltserhöhung, und das habe ich auch getan, und der hat mir das Gehalt wirklich erhöht, und einen Bausparvertrag habe ich abgeschlossen, und gespart haben wir für das Haus, und zwanzig Jahre lang habe ich in der Firma gearbeitet, obwohl ich etwas Besseres gewußt hätte, als Außenlifte zu bauen, und nie habe ich mich beschwert, immer habe ich meine Arbeit getan und alles, was gut war für die Familie. Fast zehn Jahre lang habe ich alleine das Geld verdient, weil in den Supermarkt bist du nicht mehr zurückgegangen, und die Schneiderei hat ja erst in den allerletzten Jahren überhaupt etwas hereingebracht, vorher war es ja nur eine Investition. Und du weißt, wer da investiert hat: Ich habe investiert. Wer hätte denn sonst in dich investieren sollen? Geld habe ich hineingesteckt in deine Bügelmaschine und in die Nähmaschine, in den Knopflochdrucker und deine Scherenkollektion und zum Schluß in das Atelier. Den Dachboden habe ich ausgebaut. Das ist eine Investition für das Leben. Zwanzig Jahre lang habe ich in der Firma gearbeitet. Daß sie fast bankrott gegangen ist, dafür kann ich nichts, das weißt du, aber eines sage ich dir: Wenn du glaubst, es jetzt so hinstellen zu können, als hätten wir alle von deinem Geld gelebt, seit ich entlassen worden bin, dann täuschst du dich gewaltig. Niemand lebt hier von dir, meine Liebe. Das sind alles noch meine Investitionen, von denen wir leben. So alt kannst du gar nicht werden, daß das, was ich in dich hineingesteckt habe, getilgt ist und daß dann noch etwas übrigbleibt. Nichts bleibt übrig ohne mich, gar nichts. Und abgesehen davon, daß wir keineswegs von deinem Geld leben, weil das Geld, das du verdienst, immer noch das Geld ist, das ich in dich hineingesteckt habe, abgesehen davon habe ich auch noch meine Arbeitskraft in dieses Haus investiert. Ich habe ja praktisch alles allein gemacht, seit ich entlassen worden bin. Weißt du überhaupt, was das heißt? Weißt du, was heute die Arbeitsstunde von einem Tischler kostet, von einem Installateur, einem Bodenleger, einem Elektriker? Natürlich weißt du das nicht, weil du weißt ja gar nichts über das Leben, du kennst dich ja nur bei den Stoffen aus, sonst hast du keine Ahnung. Wenn ich dir das ausrechnen würde, was ich an Arbeitsstunden in dieses Haus gesteckt habe, und wenn ich dir dann ausrechnen würde, was welche Arbeitsstunde jeweils kostet, und wenn ich dann noch ausrechnen würde, was ich zwanzig Jahre lang verdient habe, und wenn ich das dann dem gegenüberstellen würde, was du jetzt seit fünf oder sechs Jahren verdienst, dann würdest du sehen, daß es ein lächerlicher Betrag ist. Seit Jahren schweige ich dazu, wenn alle sagen, was ich für eine tüchtige Frau habe, welch ein begabter Mensch du bist, wieviel Geld du verdienst mit deiner Schneiderei, was für einen Geschmack du hast, wie fleißig du bist undsoweiter. Ich schweige, obwohl ich es besser weiß. Ich weiß schließlich, was ich in dich hineingesteckt habe, all die Jahre, an Geld, aber auch menschlich. Du hast dir doch nichts zugetraut am Anfang. Wenn es nach dir ginge, dann stündest du heute noch an der Supermarktkasse. Nie hast du auch nur einen Funken Selbstvertrauen gehabt. Das habe ich doch alles für dich gemacht. Resi, habe ich zu dir gesagt, als ich gesehen habe, was für ein schönes Kleid du für die Nachbarin genäht hast, vielleicht solltest du es einmal mit der Schneiderei versuchen. Schau, habe ich gesagt, so ein schönes Kleid hast du für die Nachbarin genäht, mach das doch öfter, dann spricht es sich herum. Das ist doch besser, habe ich zu dir gesagt, als sich an die Kasse von irgendeinem Supermarkt zu stellen und sich dort für einen Hungerlohn fertigmachen zu lassen. Auch wenn du mit dem Nähen nicht reich wirst, so tust du wenigstens etwas, das dir Spaß macht. Und die Nachbarn sind uns verpflichtet, wenn du gut bist und billig, und das ist immer gut, wenn man eine gute Nachbarschaft hat. Nein, hast du gesagt, das kann ich nicht, ich würde mich jedesmal, wenn ich einen Auftrag annähme, fürchten, daß ich es nicht schaffe. Ich hab immer so eine Angst, hast du gesagt, daß ich etwas falsch mache. Weißt du, hast du gesagt, das sind ja Stoffe, die sind nicht billig heute, wenn ich einen Abnäher falsch nähe, dann muß ich den Stoff selbst bezahlen, das würde ich nie machen, daß ich ein schlecht sitzendes Kleid verkaufe. Das mache ich nicht, hast du gesagt, und darum ist es ein zu großes Risiko für mich, so einen Auftrag anzunehmen, und ich würde garantiert in der Nacht schlecht schlafen, hast du gesagt, aus Angst, daß ich ein Kleid verderbe. Du verdirbst es ja nicht, habe ich zu dir gesagt, du hast so einen guten Geschmack, habe ich gesagt, und du bist so sicher mit der Nadel, daß du das Kleid gar nicht verderben kannst. So habe ich auf dich eingeredet, bis du ein wenig Selbstvertrauen gewonnen hast. Jedesmal am Anfang, wenn du einen Auftrag übernommen hast, war es das gleiche Theater. Immer hast du Angst gehabt, immer habe ich auf dich einreden müssen, immer hast du am Ende mit dem Kopf genickt und angefangen mit der Arbeit. Und heute stehst du da, und die Leute sagen: Die Marie-Thérèse, die ist aber tüchtig, die Marie-Thérèse, die näht aber schöne Kleider, die Marie-Thérèse, die verdient aber viel Geld. Glaubst du, ich weiß nicht, was hinter meinem Rücken geredet wird, besonders von den Weibern, mit denen du dich am Mittwochabend immer triffst? Der Franz, sagen die doch hinter meinem Rücken, der ist halt jetzt der Hausmann, und die Marie-Thérèse verdient das Geld. Der Franz, sagen sie, der liegt ihr ziemlich auf der Tasche. Der wird ja zu einer Belastung für die Frau. Glaubst du, ich weiß nicht, was die reden? Und sie reden so, weil sie alle miteinander nichts im Hirn haben. Weil wenn sie etwas im Hirn hätten, dann könnten sie sich ja leicht ausrechnen, wer hier wie lange das Geld verdient hat und wer in wen jahrelang investiert hat, und wer wen aufgebaut hat, und wer seine Arbeitskraft in das Haus investiert hat, das die gnädige Frau ja nie wollte und aus dem sie jetzt ausgezogen ist. Ich könnte dir eine Rechnung aufmachen, da würdest du mir aber einiges schulden, und wenn du so weitermachst, dann stelle ich die Rechnung auch eines Tages aus. Da wird der Richter staunen, wenn er die Rechnung sieht, und dann wird er nicht mehr die Augenbrauen hochziehen, weil ich nicht bereit bin, dreitausend Schilling Unterhalt für deinen Sohn zu zahlen, sondern dann wird er dir noch eine Rückzahlung aufbrummen. Die Hälfte des Hauses hast du bezahlt? Das ist doch lächerlich! Tu doch nicht so, als ob du so viel Geld mit dem bißchen Nähen verdienen würdest, daß du die Hälfte von so einem schönen Haus bezahlen könntest. Deine Mutter wird es dir zugesteckt haben, weil die hat mich noch nie leiden können. Die steckt dir heimlich Geld zu, und offiziell heißt es dann, das hast du verdient. Und selbst, wenn du es verdient hättest, hättest du es ja nur verdienen können, weil ich vorher in dich investiert habe. Finanziell und menschlich. Weil ein Psychologe war ich ja auch für dich. Ohne mich wärst du doch immer noch an der Supermarktkasse, ohne mich hättest du nie den Sprung geschafft zur Schneiderei, ohne mich hättest du kein einziges Kleid genäht, weil du es nicht gewagt hättest. Ohne mich hättest du doch zweimal in der Woche in die Therapie gehen müssen. Kein Selbstvertrauen, kein Mut, keine Kraft. Immer nur depressiv, immer nur so ein Gesicht. Immer nur alles halb gemacht: halb staubgewischt, halb abgewaschen, halb geputzt. Nie etwas ganz, nie etwas fertiggemacht. Das war ein psychologisches Problem, das ich da gelöst habe, und das müßte man auch auf die Rechnung schreiben, wenn die Weiber in deinem Club sagen: Die Marie-Thérèse hat die Hälfte von dem Haus bezahlt, sie hat ihm das Geld geschenkt, sie hat ihm das Haus geschenkt, sie verzichtet auf jeden Unterhalt für sich, er nützt sie aus. Glaubst du, ich weiß nicht, was die sagen? Ausgenutzt! Unglaublich! Wer da wen ausgenutzt hat, das liegt ja wohl auf der Hand. Ihr saugt uns aus, finanziell und menschlich. Solange wir noch etwas bringen, nehmt ihr es, und kaum sind wir arbeitslos, verlaßt ihr uns. So seid ihr nämlich, ihr nehmt und nehmt über die Jahre, gebt nie etwas zurück, keine saubere Wohnung, kein schönes Essen, keine Hose, kein Hemd, kein Dankeschön, keine Freude, nichts, immer nur Angst und Unsicherheit, und kaum geht es euch besser, kaum fruchtet das jahrelange Zureden ein bißchen, kaum ist der Sohn so halbwegs raus aus dem Gröbsten, kaum sind wir entlassen, geht ihr fort. Kaum paßt es euch nicht mehr, wie es ist und wie es läuft, ist alles aus, alles wie nie gewesen, alles umsonst, alles ohne Rechnung, alles vergessen und vorbei. Und die Leute schütteln den Kopf. Aber nicht über euch, sondern über uns, weil sie nicht wissen, was da gelaufen ist all die Jahre lang, weil wir nämlich zu niemandem etwas gesagt haben von eurer Unselbständigkeit und Unsicherheit. Die Leute denken ja nicht nach. Die Leute denken, das kostet nichts, so eine Hausschneiderei. Aber da täuschen sie sich. Was wissen denn die Leute, was heute eine Nähmaschine kostet, die endeln kann und Zickzacklinien nähen und Zierknopflöcher, und was so ein wirklich gutes Dampfbügeleisen kostet? Die meisten Menschen wissen ja nicht einmal, was eine richtige Schneiderschere kostet. Ein halbes Vermögen! Und das hätte ich sehen mögen, wie du das allein geschafft hättest. Jahrelang an der Supermarktkasse, um dir das Geld für eine Nähmaschine zusammenzusparen? Und dann? Wann hättest du denn genäht, wenn dich in der Zwischenzeit nicht jemand ernährt hätte? Wie hätte das denn gehen sollen? Tagsüber Supermarktkasse und nachts nähen? O nein, das hättest du nicht geschafft. Es gibt Frauen, die so etwas schaffen, aber zu den Frauen gehörst du nicht. Das sind Frauen mit Selbstbewußtsein, Frauen, die hart sind im Nehmen, nicht so wie du, daß sie gleich herumheulen, wenn ihnen etwas nicht gelingt, und dann bekommen sie Kopfweh oder Kreuzschmerzen. Nein, du bist eine, die muß gut behandelt werden, sonst bringt sie nichts. Das wissen die Leute nicht, weil ich immer darüber geschwiegen habe. Niemandem habe ich ein Wort darüber gesagt, wie schlampig du im Grunde bist. Daß du nicht einmal imstande bist, alleine eine Herdplatte so zu putzen, daß sie am Ende glänzt, daß bei dir überall in den Ecken der Staub liegt und an der Decke die Spinnweben hängen, daß in den Küchenschränken alles durcheinander liegt und daß das Klo einen gelben Rand kriegt. Niemandem habe ich gesagt, daß du nichts von alleine siehst. Daß man dir alles sagen muß. Resi, muß man zu dir sagen, das Klo hat einen Rand, Resi, der Herd hat Wasserflecken, der Staub liegt in den Ecken, die Schränke müssen aufgeräumt werden, die Spinnweben mit dem Besen abgenommen, der Boden muß gewischt, die Spüle ausgewaschen, der Geschirrabtropfer gereinigt werden. Ja, du warst schon immer eine Prinzessin, die Arbeit ist dir nicht in die Wiege gelegt worden. Ein Handtuch auf dem Kopf und an der Mauer entlangspazieren, das liegt dir, gelbe Häuser und Mauern, Gärten, Teiche, rote Steinfußböden in geräumigen Fluren. Aber Häuser müssen gebaut, Gärten und Teiche gepflegt und rote Steinfußböden gewischt werden. Wenn mein Sohn nicht gewesen wäre, dann hätte ich dich schon längst zum Teufel gejagt.

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