Herzklopfen in der kleinen Keksbäckerei - Holly Hepburn - E-Book
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Herzklopfen in der kleinen Keksbäckerei E-Book

Holly Hepburn

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Beschreibung

Willkommen in der süßesten Keksbäckerei Englands!

Seit sie denken können, verbindet die besten Freundinnen Cat und Sadie ein gemeinsamer Traum – eine eigene Keksbäckerei. Als in ihrem Heimatstädtchen ein kleiner Laden frei wird, zögern sie nicht lange: Cat hat gerade ihren Job als Sterneköchin in Paris an den Nagel gehängt, und Single-Mama Sadie braucht Ablenkung von ihrem gebrochenen Herzen. Und schon bald holt Cat duftende Plätzchen aus dem Ofen, die Sadie mit buntem Zuckerguss verziert. Doch die Inhaberin der französischen Patisserie nebenan fürchtet Konkurrenz und legt den beiden allerhand Steine in den Weg. Zum Glück können die beiden immer auf Jaren zählen, den gut aussehenden Besitzer des Pfannkuchenrestaurants gegenüber. Und dann ist da noch der Bienenzüchter Adam, der die Keksbäckerei mit Honig versorgt ...

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Seitenzahl: 659

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HOLLY HEPBURN liebt es, Menschen zum Lächeln zu bringen – und sie liebt ihre Katze Portia. Sie hat in der Marktforschung und als Model gearbeitet, ihr großer Traum war aber schon immer das Schreiben. Nach Um fünf unter den Sternen ist dies ihr zweiter Roman in deutscher Sprache. Holly lebt in der Nähe von London.

Außerdem von Holly Hepburn lieferbar:

Um fünf unter den Sternen

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Holly Hepburn

Herzklopfen in der kleinen Keksbäckerei

Roman

Aus dem Englischen vonMelike Karamustafa

Die englische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel A Year at Castle Courtbei Simon & Schuster UK Ltd., London.

Die deutschsprachige Ausgabe erschien 2019 vorab im eBook in vier Teilen (Winterzauber in der kleinen Keksbäckerei, Valentinstag in der kleinen Keksbäckerei, Frühlingsträume in der kleinen Keksbäckerei, Hochzeitsglocken in der kleinen Keksbäckerei) im Penguin Verlag.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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PENGUIN und das Penguin Logo sind Markenzeichen

von Penguin Books Limited und werden

hier unter Lizenz benutzt.

Copyright © 2018 by Tamsyn Murray

Published by arrangement with Simon & Schuster UK Ltd., London, England

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019 by Penguin Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Covergestaltung: bürosüd

Covermotiv: mauritius images/Tim Gainey, Steve Atkins Photograph, Imagineer; bürosüd

Redaktion: Lisa Caroline Wolf

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-25316-5V001

www.penguin-verlag.de

Für Jo Williamson, die seit zehn Jahren mein Leitstern ist.Es tut mir leid, aber ich glaube, du wirst mich nicht mehr los.

CROSBYUND BILLINGHAM IMMOBILIEN

Ladenlokal zu vermieten – Castle Court, Chester

Immobilie mit Seltenheitswert: Wir vermieten ein großzügiges Ladenlokal (EG) inklusive Untergeschoss in Chesters bester Einkaufsgegend The Rows.

Castle Court ist jedem Gourmet ein Begriff – unter den florierenden Geschäften um den Platz befinden sich unter anderem eine Chocolaterie, ein echtes holländisches Pfannkuchenrestaurant und der berühmte amerikanische Bus Stop Diner.

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Mietpreis auf Anfrage

Kapitel eins

Cat Garcia ließ den Ring mit der Reihe silberner Schlüssel daran vor der Nase ihrer besten Freundin baumeln. »Willst du oder soll ich?«

Sadie Smart spürte, wie ihr ein Schauer den Rücken hinablief, der nichts mit der kühlen Novemberluft zu tun hatte. Die letzten Wochen hatten sie allein auf diesen einen Moment hingearbeitet – den Moment, in dem sie und Cat zum ersten Mal ihre nigelnagelneue Keksbäckerei Smart Cookies betreten würden.

Es war ein Traum, der sie seit der Schulzeit verband: ein eigenes Geschäft, das Cats Backliebe und Sadies künstlerisches Talent zusammenbrachte. Und es konnte kaum einen besseren Ort für ihren Laden geben als den schrulligen Platz Castle Court im Herzen ihrer Heimatstadt. Eine Oase inmitten der alten holprigen Straßen des Einkaufsviertels The Rows.

Während sie das Schild mit den blauen und goldenen Wirbeln über der Tür betrachtete, das sie selbst gemalt hatte, erlaubte sich Sadie ein kleines Lächeln. Durch ihre Hochzeit und die Geburt ihrer Tochter Lissy erschien ihr das Kunststudium inzwischen so weit entfernt, als hätte es in einem anderen Leben stattgefunden. Es hatte gutgetan, nun die Pinsel und auch ihre Kreativität wieder auszugraben, erst recht für etwas so Wichtiges wie ihr eigenes Geschäft. Und auch wenn sie sich ein wenig eingerostet fühlte, hoffte sie, dass sich das nicht auf ihre Arbeit ausgewirkt hatte.

»Die Ehre gebührt dir«, sagte sie, an Cat gewandt. »Mit der Beaufsichtigung der ganzen Renovierungsarbeiten hast du den schwersten Teil übernommen.«

»Du hast genauso hart gearbeitet wie ich«, bemerkte Cat, »nur eben nicht hier. Außerdem hast du eine Fünfjährige zu Hause, um die du dich kümmern musst.«

Sadie dachte an den gestrigen Nachmittag, an dem sie sich zum letzten Mal von den Kollegen in der Arztpraxis, in der sie bisher halbtags gearbeitet hatte, verabschiedet hatte. Der Gedanke, ihre Festanstellung aufzugeben, machte sie nach wie vor nervös – in Zukunft würde Lissys Schule nicht mehr um die Ecke liegen –, aber sie konnte Cat nicht länger mit der ganzen Arbeit alleine lassen. Und sie wollte auch nichts verpassen. Immerhin verwirklichten sie hier ihren gemeinsamen Traum.

»Aber jetzt bin ich hier und bereit, mich Hals über Kopf in die Arbeit zu stürzen«, sagte sie mit fester Stimme. »Auch wenn ich froh bin, dass ich mit den ganzen Handwerkern nichts zu tun hatte. Es ist mir immer noch ein Rätsel, warum du den Backofen-Typ nicht erwürgt hast.«

»Wer hat gesagt, dass ich es nicht getan habe?«, fragte Cat mit todernster Miene. »Vielleicht ist er der Grund dafür, dass der Zementboden im Untergeschoss nicht ganz eben ist.« Grinsend schob sie den Schlüssel ins Schloss. »Wir sind ein Team, also machen wir das hier zusammen. Auf drei …«

Sadie schloss die behandschuhte Hand um Cats.

»Eins, zwei, drei!«

Sie drehten den Schlüssel, und die Tür öffnete sich. Nachdem sie den Türknauf losgelassen hatten, schwang sie ganz auf. Eine warme Duftwolke aus frischem Putz und Farbe hüllte sie ein, als sie einen Blick ins Innere warfen.

An den Wänden hingen lange weiße Regale; der Holzfußboden erstrahlte nach dem Abschleifen und der Versieglung in neuem Glanz. Kleine runde Tische mit mehreren Etagen, die an Hochzeitstorten erinnerten, standen im ganzen Raum verteilt und warteten nur darauf, mit Sadies und Cats Keks-Kreationen dekoriert zu werden. An der hinteren Wand verlief ein lang gezogener Tresen aus Glas bis zu einer kleinen Nische, in der die Kasse untergebracht war. Ein glänzend weiß lackiertes Geländer lud Kunden dazu ein, der geschwungenen Treppe ins Untergeschoss zu folgen, in dem sich eine kleine, aber perfekt ausgestattete Küche im hinteren Teil eines mit langen Tischen und Bänken ausgestatteten Raums versteckte; hier wollte Sadie Kurse im Kekseverzieren geben und Geburtstagspartys stattfinden lassen. Aber erst einmal musste das Geschäft gut laufen, ermahnte sie sich selbst, wobei ihr dennoch ein kleiner aufgeregter Schauer den Rücken hinablief. Bevor die Keksbäckerei ihre Türen für Kundschaft öffnen konnte, gab es noch jede Menge zu tun.

»Womit fangen wir an?« Sadie hob fragend eine Augenbraue.

Cat machte einen Schritt über die Schwelle und streifte sich die Schuhe an der Fußmatte ab. »Zuallererst stellen wir den Wasserkocher an. Dann machen wir einen Plan.«

Sadie versuchte gar nicht erst, ihr Grinsen zu verbergen. So war Cat eben: organisiert, methodisch und mit dem festen Glauben an die Kraft von heißem Tee und To-do-Listen. Was vielleicht nicht besonders verwunderlich war, wenn man sich vor Augen führte, was für eine großartige Karriere als Chefköchin ihre Freundin hingelegt hatte. Immerhin war ein Rezept im Grunde nichts anderes als eine sehr spezifische To-do-Liste.

»Okay«, sagte Sadie und folgte Cat in den frisch renovierten Laden, bevor sie die Tür hinter sich schloss und zufrieden dem hellen Läuten der kleinen Messingglocke über ihren Köpfen lauschte. »Ich hoffe, du hast Kekse mitgebracht.«

»Glaub mir, den letzten Monat bin ich mit den verfluchten Dingern ins Bett gegangen. Ich habe Kekse gebacken, gegessen und geatmet.« Cat klopfte auf die große Stofftasche über ihrer Schulter, die mit zahllosen Schachteln und Dosen gefüllt war. »Ich habe so viele davon verschenkt, dass meine Nachbarn inzwischen sicher glauben, ich sei so eine Art Plätzchen-Dealer.«

Sadie waren die dunklen Ringe unter Cats Augen und der fahle Ton ihres sonst immer leicht sonnengebräunten südeuropäischen Teints nicht entgangen; sie war sich sicher, dass ihre perfektionistische Freundin sich in den vergangenen Wochen mehr als nur eine Nacht um die Ohren geschlagen hatte. »Und?«

»Und ich glaube, dass wir kurz vor dem Ziel stehen. Einen Keks zu kreieren, der unter all dem Zuckerguss, mit dem du ihn verzieren wirst, knusprig bleibt, war wirklich nicht leicht.« Cat stieß einen übertrieben theatralischen Seufzer aus und strich sich die langen dunklen Locken hinter die Ohren. »Du willst gar nicht wissen, in wie viele enttäuschend matschige Kekse ich in der letzten Zeit gebissen habe.«

»Mary Berry wäre stolz auf dich«, sagte Sadie, bemüht, eine ernste Miene zu machen. »Aber ich möchte, dass du weißt, wie sehr ich dein Opfer zu schätzen weiß.«

Cat zuckte mit den Schultern. »Es wird nicht das letzte gewesen sein – in Zukunft werden wir viele weitere bringen müssen. Aber ohne Tee lässt sich kein erfolgreiches Geschäft führen. Mit einer Tasse in der Hand kann ich einfach besser denken«, sagte sie, stieg die Treppe hinunter und durchquerte den kleinen Raum, bis sie die Küche erreichte.

Sadie folgte ihr.

Zwei Kühlschränke, die vom Boden bis zur Decke reichten, standen an einer Wand, an einer anderen befand sich eine Reihe glänzender Edelstahl-Backöfen. An der dritten waren weiße Regalbretter über einer polierten Marmorarbeitsplatte befestigt, auf der sich mehrere Profimixer aneinanderreihten. Daneben war ein klappbarer Stehtisch angebracht, der ebenfalls als Arbeitsfläche genutzt werden konnte.

Als Cat über den gefliesten Boden ging, um Wasser aufzusetzen, konnte Sadie nicht anders, als einen prüfenden Blick darauf zu werfen. Er war perfekt verlegt und absolut eben. Der inkompetente Backofen-Mechaniker hatte seine Sünden offensichtlich wiedergutgemacht. Aus den mit Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants in Paris war Cat höchste Standards gewohnt. Perfektion war das Maß der Dinge. Alles, was darunterlag, wurde nicht toleriert. Sadie kannte Geschichten, in denen Cat mit ihrer scharfen Zunge Souschefs zum Weinen gebracht hatte. Sie selbst hatte den Zorn ihrer Freundin zu ihrer Erleichterung noch nie zu spüren bekommen. Aber sie hatten eben auch noch nie zusammengearbeitet. Als Geschäftspartnerinnen war die Wahrscheinlichkeit, dass zwischen ihnen die Fetzen flogen, sicher deutlich höher, überlegte Sadie. Schnell schob sie das leise Gefühl des Unbehagens, das sie bei dem Gedanken beschlich, beiseite. Sie musste ganz einfach sicherstellen, dass sie bei allem, was sie tat, ihr Bestes gab, vor allem wenn es um ihre Produkte ging.

Allerdings war das sehr viel leichter gesagt als getan, wenn man bedachte, dass sie eine alleinerziehende Mutter war. Lissy hatte die Aufregung um die Trennung ihrer Eltern vor einigen Monaten offenbar gut weggesteckt, aber Sadie kämpfte noch immer mit den Herausforderungen, die ein Leben als Singlemum mit sich brachte. Ihre eigenen Eltern waren jedenfalls keine große Hilfe. Nachdem sie in Rente gegangen waren, hatten sie sich entschieden, nach Bowness, ein idyllisches Städtchen mit Blick über den Windermere-See, im Lake District zu ziehen. Doch trotz aller Schwierigkeiten war Sadie wild entschlossen, ihre ganze Kraft in das Gelingen von Smart Cookies zu stecken. Das war sie nicht nur Cat, sondern auch sich selbst schuldig.

Der Tee war stark. Cat liebte die Sorte aus Yorkshire so sehr, dass sie ganze Kartons voller Beutel mitgeschleppt hatte, während sie von Kontinent zu Kontinent gereist war, um die Küchen der Welt kennenzulernen. Inzwischen war sie nach Chester zurückgekehrt, wo sie in einer schicken Zweizimmer-Dachgeschosswohnung mitten in der Stadt wohnte, von der aus sie den Fluss Dee überblicken konnte. »Mit Sicherheit nicht vergleichbar mit der Pariser Skyline«, hatte sie am Tag ihres Einzugs Sadie gegenüber zugegeben, »aber es fühlt sich an wie zu Hause.«

»Also«, begann Cat, nachdem sie auf zwei lederbezogenen Hochstühlen an einem der runden Stehtische Platz genommen hatten. »So weit sind wir bisher.« Sie berührte das Display ihres Tablets und rief die detaillierte Tabelle auf, die ihnen als Grundlage für das gesamte Ladenkonzept diente. »Der Zeitplan für die Eröffnung Anfang Dezember steht«, murmelte sie, während sie durch die Reihen farbig hinterlegter Zahlen scrollte. »Aber wir sollten langsam anfangen, Werbung zu schalten, um die ganze Sache ins Rollen zu bringen. Die Website muss auch noch fertig werden. Dafür brauchen wir Fotos von unseren Produkten.«

Sadie warf einen Blick auf die Datumsanzeige ihrer Armbanduhr. Es war der 9. November. Nur noch dreieinhalb Wochen bis zur Eröffnung. Ziemlich knapp kalkuliert, wenn der Laden in aller Munde sein sollte, bevor das wichtige Weihnachtsgeschäft losging.

»Und bevor wir Bilder von den Keksen machen können, müssen sie verziert werden«, fügte Sadie hinzu, während sie an die verschiedenen Entwürfe dachte, die auf dem Esstisch ihres winzigen Dreizimmer-Cottages verteilt lagen, in dem sie mit Lissy wohnte. Zuerst hatten sie mit nur wenigen Designs geplant, aber Cat hatte immer mehr gewollt. Eine Willkommen-im-Leben-Baby-Serie in Rosa, Blau und Gelb mit kleinen Geschenkschachteln. Schmetterlinge, Vögel und Bienchen, die darum bettelten, angeknabbert zu werden. Personalisierbare Geburtstags-Ballons. Individuell verzierte Buchstaben für ein persönliches Dankeschön. Und nicht zu vergessen die Weihnachtsedition: essbare Weihnachtskugeln, glänzend rot-weiße Zuckerstangen, Schneeflocken und farbenfrohe Plätzchen in Form von Geschenkpaketen. Und das war nur der Grundstock. Cat wünschte sich darüber hinaus eine Reihe unwiderstehlicher Ausstellungsexemplare zur Dekoration des Ladens und des Schaufensters, mit denen Kunden verführt werden sollten, hereinzukommen und etwas zu kaufen. Das alles machte auch in Sadies Augen durchaus Sinn – nur dass es eine enorme Herausforderung war, all die Kekse rechtzeitig zur Eröffnung fertigzustellen.

»Meinst du, du könntest die hier bis morgen früh verzieren?«, fragte Cat und griff in ihre Tasche, um eine große Tupperbox herauszuziehen. »Dann könnte ich am Vormittag damit zum Fotografen rüberflitzen.«

Mit einem leichten Gefühl der Beklommenheit spähte Sadie in die Box. »Wie viele sind das?«

»Zwei von jedem Design«, antwortete Cat und stellte eine zweite Tupperdose neben die erste auf den Tisch. »Jeweils eins für dich zum Ausprobieren und eins, das perfekt aussehen muss. Das geht doch so in Ordnung, oder?«

Sadie rutschte das Herz in die Hose. Ihr gesamtes Angebot umfasste mehr als siebzig verschiedene Designs, für jedes von denen sie mindestens zwei verschiedene Typen und Farben an Zuckerguss benötigte. Alle bis zum nächsten Morgen fertig zu bekommen, war eine Mammutaufgabe. Alleine den Zuckerguss anhand ihrer maßgeschneiderten Farbpalette herzustellen, würde mehr als eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen.

Cat verzog entschuldigend das Gesicht. »Es tut mir leid, dass ich dir das alles aufhalsen muss, vor allem nachdem ich eine Ewigkeit gebraucht habe, das Teigrezept zu perfektionieren. Du musst mir sagen, wenn ich dir zu viel zumute. Mir ist klar, dass du dich gleichzeitig auch noch um Lissy kümmern musst.«

Das Problem ist, dass die Website so bald wie möglich online gehen muss, dachte Sadie, während sie sich die größte Mühe gab, sich nicht entmutigen zu lassen. Sie wollte Cat auf keinen Fall hängen lassen, nicht wenn der Zeitplan so knapp war. Sie würde das hinbekommen – immerhin hatte sie die Designs zigfach auf Pergamentpapier vorgezeichnet.

»Kein Problem«, sagte sie und straffte die Schultern. »Ich fange an, sobald ich zu Hause bin. Dann schaffe ich schon einen Teil, bevor ich Lissy von der Schule abholen muss.«

»Wunderbar.« Cat schenkte ihr ein warmes Lächeln. »Danke.«

Nachdem sie wieder ins Erdgeschoss hinaufgegangen waren, diskutierten sie, wie sie die Produkte auf den verschiedenen Tischen und Regalen präsentieren wollten. Augenblicklich spürte Sadie, wie sie sich entspannte. Sie war zurück in ihrem Element. Design and Ästhetik waren die Gebiete, auf denen sie sich schon immer am wohlsten gefühlt hatte. Hier lag ihr wahres Talent.

»Bei der Bestellung der Lichterketten und Wimpel habe ich es vielleicht ein bisschen übertrieben«, sagte Cat und schürzte die Lippen. »Aber ich denke trotzdem, dass wir bei der Deko in die Vollen gehen sollten. Tannenbaum, Lametta, das ganze Programm. Die Schaufenster müssen auch richtig festlich aussehen.«

Sofort meldete sich Sadies kreativer Instinkt. »Wir könnten ein winterliches Miniaturdorf bauen. Mit einem Weihnachtsmann, der im Rentierschlitten darüber fliegt, und leuchtend gelben Sternen-Keksen am Nachthimmel.«

»Das würde toll aussehen«, stimmte Cat mit glänzenden Augen zu. »Die Häuser würde ich aus Lebkuchen machen. Damit könnten wir unsere Talente unter Beweis stellen und außerdem gleich einen Haufen weihnachtsbegeisterter Kunden an Land ziehen.«

»In der Zwischenzeit könnte ich die Schaufenster bemalen«, schlug Sadie vor und betrachtete die kahlen Glasscheiben. »Damit die Leute eine Idee davon bekommen, was wir hier bald alles anbieten.« Sie zog ihr Skizzenbuch aus der Handtasche und begann darauf herumzukritzeln, während sich Cat wieder der Tabelle auf ihrem Tablet widmete.

Sadie war so in ihre Zeichnung versunken, dass sie gar nicht mitbekam, als die Glocke über der Tür klingelte. Erst als sie eine männliche Stimme hörte, sah sie auf.

»Hallo, Nachbarinnen.« Der Mann beugte sich durch den Spalt der halb geöffneten Tür, als ob er sich nicht entscheiden könnte, ob er reinkommen sollte oder nicht.

Das Erste, was Sadie an ihm auffiel, waren seine zerzausten dunklen Haare, seine blitzenden braunen Augen und das breite Lächeln. Er trug eine schwarze Lederjacke über einem weißen T-Shirt und eine eng anliegende schwarze Jeans, die in schweren Doc-Martens-Stiefeln verschwand.

Wow, dachte Sadie und zwang sich, ihm wieder ins Gesicht zu sehen, der Typ ist die Art Nachbar, an die ich mich gewöhnen könnte. Und so wie Cat ihn anstarrte, schien sie etwas Ähnliches zu denken.

Amüsiert bemühte sich Sadie um ein möglichst neutrales Lächeln. »Hi. Wie können wir behilflich sein?«

Das Grinsen ihres Nachbarn wurde noch breiter. »Seit Wochen gehen hier die Handwerker ein und aus«, sagte er und nickte Cat zu. »Und ich dachte, jetzt, wo es so aussieht, als wären sie fast fertig, ist es an der Zeit, vorbeizuschauen und Hallo zu sagen.«

In seiner Stimme schwang ein leichter Akzent mit, der jedes Wort zum Ende hin ein wenig höher als normal und damit sofort sehr viel interessanter klingen ließ. Französisch, überlegte Sadie und hoffte gleichzeitig, dass sie sich irrte. Auch wenn Cat sehr gerne in Paris gelebt hatte, war ihre Abreise von dunklen Wolken überschattet gewesen. Das Letzte, was sie brauchte, war eine ständige Erinnerung an das, was sie als ihr Scheitern betrachtete.

Cat hatte noch immer kein Wort gesagt, also legte Sadie ihren Bleistift beiseite und streckte ihrem Besucher die Hand entgegen. »Ich bin Sadie Smart, die kreative Hälfte von Smart Cookies.«

Der Mann schüttelte ihr die Hand. »Großartiger Name für ein Keksgeschäft. Ich bin Jaren Smit. Mir gehört das holländische Pfannkuchenrestaurant gegenüber.«

Das erklärt auf jeden Fall den Akzent, entschied Sadie, und spähte an der alten Eiche, die in der Mitte des Platzes stand, vorbei in Richtung des orange-grünen Schildes, das über der doppelflügeligen Eingangstür des Let’s Go Dutch hing. Dann wandte sie sich mit einem vielsagenden Blick zu Cat um. »Und das ist das Hirn hinter der ganzen Operation. Cat Garcia.«

Ihren Namen laut ausgesprochen zu hören, schien Cat aus ihrem Tagtraum zu reißen. Ihre Wangen färbten sich leicht rosa, als sie vortrat, um Jarens ausgestreckte Hand zu ergreifen. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite«, sagte er mit einem Lächeln. »Allerdings sollte ich Sie warnen, dass ich vermutlich nur der Erste einer Reihe von neugierigen Ladeninhabern hier in Castle Court bin, die in nächster Zeit an Ihre Tür klopfen werden. Ihr Geschäft ist schon seit einiger Zeit Anlass für die wildesten Spekulationen um unseren kleinen Platz, und jeder hier ist wahnsinnig scharf darauf, Sie endlich kennenzulernen.«

Cat und Sadie tauschten einen Blick.

»Wir freuen uns auch schon darauf, alle zu treffen«, sagte Sadie vorsichtig. »Wir probieren mit unserer Keksbäckerei etwas vollkommen Neues aus. Da ist es schön zu wissen, dass wir freundliche Nachbarn haben.«

Jaren nickte. »Castle Court ist ein ganz besonderer Ort. Wir passen hier alle aufeinander auf. Was natürlich nicht heißt, dass sich jeder mit jedem gleich gut versteht, aber wir sind ein bisschen so etwas wie eine Familie. Wir versuchen uns gegenseitig zu helfen, wann immer es nötig ist. Sie müssen nur Bescheid geben.«

Als Jaren abermals sein charmantes Lächeln zeigte, fragte sich Sadie unwillkürlich, ob es denselben Effekt auf Cat hatte wie auf sie selbst. Es sah nämlich ganz so aus, als ob sich ihre Freundin gerade Gedanken über ihren neuen Nachbarn machen würde, die weit über das hinausgingen, was man in der Regel unter familiär verstand.

»Das ist doch toll, Cat, oder?«

»Auf jeden Fall. Wirklich toll. Wir freuen uns darauf, ein Teil der Castle-Court-Familie zu werden.«

Jaren sah zwischen ihnen hin und her, und Sadie hatte das Gefühl, dass sein Blick den Bruchteil einer Sekunde länger auf Cat ruhte, bevor er sagte: »Also dann, ich möchte Sie gar nicht länger aufhalten. Sie haben sicher noch jede Menge zu tun.« Er hob die Hand zum Abschied. »Wir sehen uns.«

Sadie und Cat winkten und sahen Jaren nach, wie er den Hof überquerte.

Bedeutungsschwere Stille senkte sich über den Laden.

»Tja«, brach Cat nach einem Moment das Schweigen, »wenn alle unsere Nachbarn so aussehen wie er, wird es mir sehr viel leichterfallen, morgens aufzustehen, um zur Arbeit zu gehen.«

Sadie lachte. »Ja, schlecht sieht er nicht aus. Allerdings mehr dein Typ als meiner.«

»Kann schon sein. Aber wahrscheinlich ist er eh schon vergeben.« Cat seufzte. »Das sind die gut aussehenden Typen immer.«

»Wer weiß. Zumindest wird es nicht schwer werden, das herauszufinden.«

Cats Gesicht hellte sich augenblicklich auf. »Stimmt.« Als sie Sadie ansah, war ein Leuchten in ihre Augen getreten. »Vielleicht hat er einen netten Freund für dich. Falls er doch Single ist, könnten wir auf ein Vierer-Date gehen.«

Sadie schüttelte heftig den Kopf. »Oh nein, da ziehst du mich nicht mit rein. Unser letztes Doppel-Date hatten wir beim Abschlussball, und da saß ich am Ende in einem Brunnen.«

»Nicht meine Schuld, dass dein Typ so ein Idiot war«, konterte Cat. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie Sadie flehend an. »Komm schon. Daniel und du, ihr seid inzwischen seit Monaten getrennt. Wird Zeit, dass du mal wieder ein bisschen Spaß hast.«

»Den habe ich doch.« Sadie verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. »Ich gehe mit Lissy in den Park, spiele Fußball mit ihr und baue Lego-Burgen. Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen.«

Cat blieb stur. »Du weißt genau, was ich meine. Das Kribbeln im Bauch, wenn du jemanden attraktiv findest, die Gänsehaut beim ersten Kuss. Erwachsenen-Spaß.«

Nervös verlagerte Sadie das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Sie fühlte sich zunehmend unwohl in ihrer Haut und hoffte, dass ihre Wangen nicht so rot angelaufen waren, wie sie sich anfühlten. »Cat, ich …«

Ihre Freundin hob in einer übertriebenen Geste beide Hände. »Ich weiß, ich weiß, du bist noch nicht bereit. Aber im Gegensatz zu dir hat Daniel absolut keine Zeit vergeudet, um über dich hinwegzukommen. Ich begreife einfach nicht, warum du sie dir nehmen solltest.«

Cat meinte es nur gut, das wusste Sadie, aber das änderte nichts daran, dass ihre Worte wehtaten. Daniel hatte tatsächlich keine Zeit vergeudet. Vielmehr war seine Affäre sogar der Auslöser dafür gewesen, warum sie mit Lissy aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen war. Soweit sie wusste, war Daniel noch immer mit dieser anderen Frau zusammen. Aber inzwischen war das natürlich sein gutes Recht.

»So einfach ist das nicht«, sagte sie leise. »Und abgesehen davon habe ich mit Lissy und alldem hier im Moment genug zu tun, meinst du nicht auch?«

»Okay, da hast du natürlich nicht ganz unrecht«, gab sich Cat geschlagen. »Aber glaub bloß nicht, dass du dich für immer dahinter verstecken kannst, Sadie Smart. Irgendwann wird dir jemand gefallen, und dann werde ich zur Stelle sein und dafür sorgen, dass du ihn nicht entwischen lässt.«

Sadie musste ein Grinsen unterdrücken, als sie Cats Blick bemerkte, der während ihrer kleinen Ansprache unwillkürlich zum Pfannkuchenrestaurant hinübergewandert war. Ihre Ankunft in Castle Court war gerade noch einmal sehr viel interessanter geworden.

Kapitel zwei

Lissy riss erstaunt die Augen auf, als sie nach der Schule die Küche betrat. »Mummy«, rief sie, einen vorwurfsvollen Ausdruck im Gesicht, »du hast eine Riesenschweinerei gemacht.«

Sadie konnte ihrer Tochter schlecht widersprechen – sie hatte tatsächlich ein ziemlich großes Chaos angerichtet.

Spritztüten gefüllt mit Zuckerguss in allen Farben des Regenbogens wuchsen auf der Arbeitsfläche wie Blüten aus Schüsseln. Jede Oberfläche war mit Backpapier bedeckt. Selbst die Küchenstühle hatte sie in eine provisorische Arbeitsfläche verwandelt. An den cremefarbenen Wandregalen klebten Abbildungen der Designs, und der Esstisch war von einem Ende bis zum anderen mit Backrosten beladen, auf denen die bemalten Plätzchen trockneten. Lissy hatte sie noch nicht entdeckt, da war sich Sadie sicher. Sonst hätte sie längst verkündet, dass sie unter einer akuten Hungerattacke litt.

»Das ist Mummys neue Arbeit«, erklärte Sadie. »Erinnerst du dich, dass ich dir erzählt habe, dass Tante Cat und ich einen Laden zusammen aufmachen? Und meine Aufgabe ist es, die Kekse, die wir dort verkaufen, besonders hübsch und lecker aussehen zu lassen. Dafür brauche ich den ganzen Zuckerguss.«

Lissys Gesicht hellte sich auf. Ihre rostbraunen Locken wippten fröhlich auf und ab, als ihr eine Idee kam. »Darf ich helfen? Ich habe heute in der Schule einen Triceratops ausgemalt, und meine Lehrerin hat gesagt, dass ich es ganz toll gemacht habe.«

»Ich bin mir sicher, er war wunderhübsch«, sagte Sadie und sah sich suchend nach etwas um, das Lissy dekorieren konnte, ohne ihre Plätzchen in Gefahr zu bringen. Ihr Blick blieb an einer geöffneten Packung Vollkornkekse hängen. »Möchtest du ein paar von denen hier bemalen?«

Lissy nickte begeistert.

Sadie band ihrer Tochter eine Küchenschürze um, bevor sie ihre eigene vom Haken an der Tür nahm. »Zuerst musst du dich entscheiden, was du gerne malen möchtest«, erklärte sie, legte einen Keks auf die Arbeitsfläche und zog den kleinen Plastikhocker heran, den Lissy normalerweise benutzte, um zum Händewaschen an das Spülbecken heranzukommen. »Am besten, du fängst mit etwas ganz Einfachem an. Einer Blume zum Beispiel. Dann musst du dich für eine Farbe entscheiden, mit der du die Kontur zeichnen möchtest.«

Lissy kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Ein Gänseblümchen. Aber es soll gelb sein, wie eine Butterblume.«

Sadie zog eine Spritztüte, die mit Zuckerguss in Sonnenblumengelb gefüllt war, das für feine Linien verwendet wurde, aus einer der Schüsseln. Sobald der Zuckerguss leicht angetrocknet war, konnte man das Innere mit etwas flüssigerem Zuckerguss füllen und das ein oder andere Detail hinzufügen.

»Okay, zuerst musst du dir ein Gänseblümchen vorstellen«, erklärte Sadie. »Kannst du dich erinnern, wie sie aussehen?«

Lissy zeigte auf ein Bild mit Blumen, das sie gemalt hatte, als sie noch in den Kindergarten gegangen war, und das Sadie mit einem Magneten an der Kühlschranktür befestigt hatte. »So wie die da.«

»Genau. Und jetzt zeige ich dir, wie du die Spritztüte halten musst, damit der Zuckerguss keine dicken Kleckse macht.« Sadie stellte sich hinter ihre Tochter und drehte das obere Ende der Tüte so ein, dass es geschlossen war. »Der Trick ist, dass du ganz vorsichtig drückst und zwischendurch nicht loslässt. So.« Sie positionierte Lissys kleine Hand unterhalb des eingedrehten oberen Teils um den weichen Beutel. »Tipp mit der Spitze auf das Plätzchen, zieh die Tüte wieder hoch und lass die Linie in die Form fallen, die du dir wünschst.« Sadie führte Lissys Hand, während sie mit dem dünnen gelben Zuckerguss-Strahl eine Art Blume malte. Beim letzten Blütenblatt berührte sie mit der Spitze noch einmal kurz den Keks, um die Zuckerguss-Linie zu unterbrechen. »Da! Fertig.«

Enttäuscht betrachtete Lissy ihr Werk. »Aber das sieht ganz verwackelt aus.«

»Keine Sorge«, sagte Sadie mit einem ermutigenden Lächeln. »Sobald die Kontur angetrocknet ist, malen wir die Blume mit mehr Zuckerguss aus, und schon sieht es aus wie ein echtes gelbes Gänseblümchen. Warum versuchst du es nicht noch mit einem anderen Keks, während wir warten, dass dieses hier trocknet?«

Lissy nahm sich einen neuen aus der Packung und startete einen weiteren Versuch, wobei sie konzentriert die Zungenspitze zwischen den rosafarbenen Lippen aufblitzen ließ. Beim dritten Mal war die Linie bereits sehr viel weniger verwackelt, und sie lächelte.

»Toll gemacht«, lobte Sadie und drückte leicht ihre Schulter. »Bist du bereit, dein erstes Gänseblümchen auszumalen?«

»Ja.«

Sadie griff nach einer zweiten Spritztüte, die in einer anderen Schüssel steckte. Sie war mit flüssigerem Zuckerguss gefüllt, der eine ähnliche Konsistenz wie Vanillesoße hatte, wodurch es sich leichter auf der Keksoberfläche verteilen ließ. Der Trick beim Ausmalen war, nicht zu viel Guss zu verwenden, damit die Konturen nicht verwischten.

»Gut gemacht«, sagte Sadie, nachdem Lissy das letzte Blütenblatt ausgemalt hatte. »Jetzt musst du noch die ganzen kleinen Bläschen im Guss aufstechen. Dafür kannst du den Zahnstocher hier benutzen.«

Nachdem Lissy alle Gänseblümchen fertig ausgemalt hatte, schob Sadie sie in den vorgewärmten Backofen, um sie zu trocknen. Anschließend wandte sie sich zu ihrer Tochter um. »Möchtest du es allein ausprobieren, während ich mit meinen Keksen weitermache?«

Lissy nickte und nahm sich einen weiteren Vollkornkeks aus der Packung. »Jetzt male ich einen Schmetterling«, verkündete sie selbstbewusst.

Sie arbeiteten eine halbe Stunde Seite an Seite, bis Lissy sich erinnerte, dass Plätzchen vor allem auch dazu da waren, gegessen zu werden.

Sadie holte das Backblech mit den Gänseblümchen-Keksen aus dem Ofen und ließ sie zum Abkühlen auf ein Rost gleiten. »Sie brauchen noch ein paar Minuten, bis du sie essen kannst. Möchtest du noch mehr verzieren?«

Energisch schüttelte Lissy den Kopf. »Nein. Jetzt will ich mit meinen Dinosauriern spielen.«

Sadie warf einen Blick auf die Tupperboxen mit den Keksen, die noch darauf warteten, bemalt zu werden. Sie hatte noch nicht mal die Hälfte geschafft. »Warum holst du deine Spielsachen nicht hierher? Dann kann ich dir zusehen, während ich arbeite.«

Doch es dauerte nicht lange, bevor Sadie selbst mit auf dem Boden saß mit der Aufgabe, eine Herde vegetarischer Dinos vor einer Invasion ihrer fleischfressenden Artgenossen zu beschützen. Lissy hatte schon immer eine lebhafte Fantasie besessen, und Sadie musste sich ein Lachen verkneifen, als ihre Tochter jedem einzelnen Dinosaurier ein spezifisches Knurren verpasste.

Nach einer Weile ließ Lissy den T-Rex fallen und rieb sich mit einer Hand den Bauch. »Ich habe Hunger.«

Sadie sah sich in der chaotischen Küche um. Bevor sie ihrer Tochter in dem Durcheinander etwas zu essen kochen konnte, musste sie aufräumen. Sie würde erst wieder zum Arbeiten kommen, nachdem Lissy ihr Abendbrot gegessen hatte, in der Badewanne gewesen war und Sadie sie ins Bett gebracht hatte. Wie es aussah, war es heute an ihr, sich für Smart Cookies die Nacht um die Ohren zu schlagen.

Sadie unterdrückte ein ergebenes Seufzen und wandte sich wieder Lissy zu. »Okay, worauf hast du Lust?« Doch bevor ihre Tochter antworten konnte, hob sie warnend einen Finger. »Und sag jetzt nicht Kekse.«

Es war beinahe halb acht, als Cat den Rücken streckte und beschloss, es für diesen Abend gut sein zu lassen. Sie hatte eigentlich nicht vorgehabt, so lange zu bleiben, aber dann hatte sie der Versuchung, die neuen Backöfen auszuprobieren, doch nicht widerstehen können. Bisher hatte sie alle Plätzchen für den Laden bei sich zu Hause gebacken – sie hatte sich dafür extra eine Erlaubnis vom örtlichen Umwelt- und Gesundheitsamt besorgt –, aber in Zukunft wollte sie den Großteil in der Küche von Smart Cookies herstellen. Die Inspektion durch die Gesundheitsbehörde stand erst in einer Woche an, was bedeutete, dass Cat streng genommen keines der Plätzchen, das sie bis dahin hier herstellte, weiterverkaufen durfte, aber da sie bisher noch nicht eröffnet hatten, war es auch nicht besonders wahrscheinlich, dass sie es tun würden. Das hier waren ihre Testläufe, um herauszufinden, ob die Öfen gleichmäßig heiß wurden und ob sie irgendwelche Schwachstellen hatten. Gleich zu Anfang ihrer Karriere hatte sie festgestellt, dass jeder Backofen seine eigene Persönlichkeit hatte, und ein guter Koch machte sich damit vertraut.

Cat stöhnte leise auf, als ihre Nackenmuskeln protestierten, während sie die Schultern kreisen ließ. Ein weiterer Vierzehnstundentag, den sie größtenteils im Stehen verbracht hatte. War das nicht genau der Grund gewesen, aus dem sie Paris verlassen hatte? Das und der immense Druck, jeden Abend hundert und mehr Michelin-Stern-würdige Essen zuzubereiten. Nur dass sie hier bisher die Einzige war, die die Qualität ihrer Arbeit beurteilte, einmal abgesehen von Sadie vielleicht, für den Fall, dass sich die Kekse nicht so gut mit dem Zuckerguss vertrugen, wie sie es sollten. Aber es gab niemanden mehr, der sie vor versammelter Mannschaft zusammenstauchte, wenn auch nur der winzigste Aspekt eines Produkts nicht den hohen Anforderungen des Restaurantleiters entsprach. Ab sofort wäre sie nicht mehr jeden Abend den Tränen nahe – der Grund dafür, dass sie Paris und den Beruf, den sie einmal so geliebt hatte, hinter sich gelassen hatte; das und ein Mann, der geglaubt hatte, sich alles erlauben zu können.

Als Cat auf den Platz trat und die Ladentür der Keksbäckerei hinter sich abschloss, prickelte die Kälte auf ihrer Haut wie tausend kleine Nadelstiche. Um sie herum zeichneten sich die Fachwerkfassaden der Gebäude, die den Platz einschlossen, vor dem dunklen Nachthimmel ab. Doch Cats Aufmerksamkeit wurde von der alten Eiche im Zentrum des Platzes gefesselt. Sie musste mindestens ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel haben und hatte vielleicht schon hier gestanden, bevor die Gebäude im Tudorstil um sie herum errichtet worden waren. Der Stamm und die Äste waren mit winzigen glitzernden Lichtern geschmückt, bei deren Anblick sie sich fragte, ob nicht vielleicht eine kleine Fee in dem Baum lebte. Im Sommer war der Platz mit Tischen und Stühlen gefüllt, an denen Menschen im Freien aßen, aber an diesem Abend war es viel zu kalt dafür. Hier und da standen ein paar vereinzelte Tische im Schein glühender Wärmelampen, aber bis auf ein paar Raucher saßen kaum Gäste daran. Die Läden und Restaurants rund um den Platz dagegen waren gut gefüllt. Selbst im Let’s Go Dutch herrschte Hochbetrieb, obwohl Cat davon ausgegangen war, dass für die meisten Bewohner hier Pfannkuchen eher etwas waren, das man zum Frühstück aß. Andererseits wusste sie, dass die Holländer nicht nur für ihre süßen, sondern auch für ihre herzhaften Pfannkuchen bekannt waren, die durchaus als vollwertige Mahlzeit durchgingen. Vielleicht waren die Einwohner Chesters zu demselben Schluss gekommen. Sobald sich die Gelegenheit ergab, wollte sie unbedingt einen Blick in die Speisekarte werfen, um zu sehen, was Jaren im Angebot hatte. Seine Küche musste hervorragend sein, wenn sein Restaurant an einem kalten Mittwoch im November so gut besucht war.

Trotzdem war das Pfannkuchenrestaurant an diesem Abend nicht das vollste Lokal in Castle Court. Das französische Bistro am anderen Ende des Platzes schien noch besser zu laufen, und die Cocktailbar im ersten Stock desselben Gebäudes war dem Anschein nach mindestens genauso gut besucht. Doch keines der Lokale konnte es mit dem kitschigen Charme des Bus Stop Diner aufnehmen, der mit der Front eines gelben US-Schulbusses verkleidet war. Durch eines der länglichen, rechteckigen Fenster konnte Cat eine Kellnerin in einem rot-weiß gestreiften Hemd und mit einem zierlichen Hütchen erkennen, die mit einem mit Milchshakes beladenen Tablett zwischen den Tischen hin- und herlief. Die Schlange der wartenden Gäste reichte bis auf den Platz hinaus und führte an einer Patisserie und einer Chocolaterie vorbei, die beide bereits seit Stunden geschlossen hatten.

Nicht alle benachbarten Läden hatten sich dem leiblichen Wohl verschrieben. In einer Ecke lag eine Papeterie, die hochwertige Schreibwaren verkaufte, und den Großteil der Geschäfte, die sich auf der ersten Etage befanden, hatte Cat sich noch gar nicht angesehen. Trotzdem wurde Castle Court seinem Ruf als Gourmet-Hochburg gerecht. Immerhin war das auch der Grund, aus dem Cat die Keksbäckerei unbedingt hier hatte eröffnen wollen.

»Ich wüsste zu gern, was Sie gerade denken.«

Erschrocken fuhr Cat zusammen. Vor ihr stand Jaren. »Oh! Hi.«

Er schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln. »Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken. Sie wirkten nur so versunken, dass ich neugierig geworden bin, was Ihr Stirnrunzeln zu bedeuten hat.« Er beschrieb eine ausladende Geste mit der Hand. »Gefällt Ihnen das, was Sie sehen, etwa nicht?«

Cat schüttelte den Kopf. »Doch, natürlich. Ich habe nur alles in mich aufgenommen. Es ist lange her, dass ich abends hier gewesen bin, und vermutlich bin ich einfach ein wenig überrascht, welche Menschenmengen sich um diese Zeit hier tummeln.«

»Oh ja, stimmt, die Menschenmengen.« Jaren machte ein übertrieben ernstes Gesicht. »Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie das überrascht. Den Gerüchten nach wurde Chester zur Partnerstadt von New York auserkoren, weil dieser Ort genauso wenig schläft wie Manhattan. Um ehrlich zu sein, würde es mich nicht wundern, wenn New York seinen Spitznamen von Castle Court geklaut hat – die Party endet hier oft erst in den frühen Morgenstunden.«

Als Cat die feinen Lachfältchen um seine Augen bemerkte, konnte sie nicht anders, als zurückzulächeln. »Irgendetwas sagt mir, dass es mir hier gefallen wird.«

Jaren legte den Kopf schief und grinste. »Das will ich doch hoffen. Und wo wir gerade von langen Nächten sprechen … Ich habe Sie eigentlich abgefangen, um Ihnen Bescheid zu sagen, dass sich ein paar von uns am Samstagabend nach der Sperrstunde auf eine Runde Drinks in Seb’s Bar im zweiten Stock treffen. Vielleicht haben Sie und Sadie ja Lust dazuzustoßen? Die meisten Ladeninhaber aus Castle Court werden da sein, auf jeden Fall die Gourmetliebhaber. Das wäre doch eine gute Gelegenheit für Sie, alle kennenzulernen.« Er reichte ihr eine Visitenkarte mit demselben Logo, das in Neonfarben über der Bar blinkte.

»Danke.« Cat nahm die Karte entgegen. »Ich bin mir nicht sicher, ob Sadie kommen kann, aber ich frage sie. Ich werde auf jeden Fall da sein.«

»Das will ich doch hoffen«, wiederholte Jaren und fing dabei ihren Blick auf. »Ich freue mich schon darauf, Sie besser kennenzulernen.«

Cat sah ihm in die dunkelbraunen Augen, die in der Dunkelheit beinahe schwarz wirkten. Flirtete er mit ihr, oder war er einfach nur nett?

»Vielen Dank für die Einladung«, sagte sie mit warmer Stimme. »Es ist wirklich nett von Ihnen, uns das Gefühl zu geben, hier so willkommen zu sein.«

Jaren lächelte. »Glauben Sie mir, die Freude ist ganz auf meiner Seite.«

Als Sadie am nächsten Morgen die kurze Strecke von ihrem Cottage zu Lissys Schule im nahe gelegenen Christleton fuhr, hatte sie das Gefühl, jemand hätte ihr Sand in die Augen gestreut.

Christleton wurde häufig als eines der hübschesten Dörfer von Cheshire bezeichnet und war sieben Jahre lang Sadies Zuhause gewesen. Als sie Daniel verlassen hatte, war es Sadie wichtig gewesen, die Welt ihrer Tochter mit einem Schulwechsel nicht noch mehr aus den Angeln zu heben. Deswegen besuchte Lissy noch immer die Grundschule in dem kleinen Ort. Unglücklicherweise musste Sadie deswegen allerdings jeden Tag an dem Haus in der Windmill Lane vorbeifahren, in dem sie mit Daniel gelebt hatte. Eine tägliche Erinnerung daran, was sie einmal gehabt hatten – was Sadie jedoch als vergleichsweise geringen Preis für das Glück ihrer Tochter betrachtete. Es war schließlich nicht so, dass sie ihren Ex jemals sah, wenn sie vorbeifuhren. Sein Job als Investmentbanker brachte es mit sich, dass er morgens sehr früh zur Arbeit musste und häufig erst in den späten Abendstunden nach Hause kam. Eine Tatsache, die nicht zuletzt zu den Problemen in ihrer Ehe beigetragen hatte.

Nachdem Sadie ihren Wagen im Parkhaus, das unterhalb von Cats Apartment lag, abgestellt hatte und die frostüberzogene Eastgate Street bis zum Boot Inn entlanggelaufen war, sehnte sie sich schon beinahe verzweifelt nach Koffein. Hastig bog sie in die schmale, überdachte Gasse, die neben einem Pub abzweigte und auf den Platz Castle Court führte. Das Gesicht gegen die Kälte bis zur Nase in ihrem breiten Schal vergraben, übersah sie prompt den Mann, der ihr entgegengeeilt kam. In der Mitte der Gasse stießen sie zusammen.

Überrascht schrie Sadie auf und drückte die gefährlich schwankende Tasche mit ihrem wertvollen Inhalt aus verzierten Plätzchen fest an die Brust. Cat würde sie umbringen, wenn sie nicht in absolut makellosem Zustand bei Smart Cookies ankamen.

Der Mann, in den sie ungebremst hineingerannt war, hatte weniger Glück. Die Kiste, die er getragen hatte, landete mit einem dumpfen Poltern auf dem Boden.

»Entschuldigung«, keuchte Sadie, als er eine Hand ausstreckte, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor.

Der Mann musterte sie besorgt. Er trug eine Strickmütze, die er tief in die Stirn gezogen hatte, und einen dicken Schal. Seine Augen waren haselnussbraun. »Alles in Ordnung?« Zum Sprechen zog er den Schal so weit nach unten, dass Sadie erkennen konnte, dass er einen Bart trug.

»Ja, mir geht’s gut«, sagte Sadie und blickte hilflos auf die Straße, über die der Rosenkohl gekullert war. »Aber Ihr Gemüse …«

Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Rosenkohl ist ziemlich robust. Einmal unters Wasser gehalten, und er sieht wieder aus wie neu.« Er ging in die Knie, um die verstreuten Röschen zurück in die Kisten zu legen.

Sadie bückte sich ebenfalls, um ihm zu helfen. »Es tut mir wirklich leid. Ich war vollkommen in Gedanken.«

»Mir tut es auch leid. Aber es ist ja nichts passiert. Oder haben Sie sich verletzt?« Er musterte sie, und Sadie spürte, wie ihr unwillkürlich ein Schauer über den Rücken lief, als sie ihm in die Augen sah.

Schnell senkte sie den Blick, froh, dass ihre inzwischen sicherlich rot gefärbten Wangen genauso gut auf die frostigen Temperaturen zurückgeführt werden konnten. »Es geht mir gut, wirklich. Machen Sie sich deswegen bitte keine Gedanken.«

Er ließ das letzte Rosenkohlröschen in die Kiste fallen und schloss den Deckel. »Okay. Entschuldigen Sie trotzdem noch einmal.« Mit einem bedauernden Lächeln richtete er sich auf und streckte den Rücken durch. »Nett, in Sie hineingelaufen zu sein – wenn ich das so sagen darf.« Er lachte verlegen.

Jetzt war es an ihm, rot zu werden, und Sadie konnte sich das Lächeln, das an ihren Mundwinkeln zerrte, nicht verkneifen. Sie stand ebenfalls auf. »Kein Problem. Ich hoffe, der Tag läuft ab sofort besser für Sie.«

Er öffnete den Mund, als wollte er noch etwas sagen, schloss ihn jedoch sofort wieder.

Einen Moment lang standen sie sich schweigend gegenüber, beide ein Lächeln auf den Lippen.

Dann schien der Mann aus seiner Trance zu erwachen und trat einen Schritt beiseite. »Also … bis dahin. Auf Wiedersehen.«

»Auf Wiedersehen«, echote Sadie, als er sich in Bewegung setzte. »Und lassen Sie sich Ihren Rosenkohl schmecken.« Dann zwang sie sich, ebenfalls ihre Beine zu bewegen.

Als sie auf den Platz hinaustrat und sich noch einmal umdrehte, war er verschwunden. Sie stöhnte auf. Hatte sie wirklich gerade einem fremden Mann zum Abschied gesagt, er solle sich seinen Rosenkohl schmecken lassen? Das war vermutlich die lahmste Verabschiedung in der Geschichte der Menschheit. Sie schüttelte den Kopf und hastete weiter, um sich in ihrem Laden in Sicherheit zu bringen. Und dieses Mal achtete sie darauf, wo sie hinlief.

»Du siehst so aus, wie ich mich fühle«, bemerkte Cat, als sie von dem Teig aufsah, den sie gerade ausrollte, während Sadie ihren Mantel in einen der Schränke im Untergeschoss hängte. »Lange Nacht?«

Sadie stellte die Tasche mit den Keksen auf der Arbeitsfläche ab und beschloss, ihre Begegnung mit dem entlaufenen Gemüse vorerst für sich zu behalten. »Früher Morgen.« Sie verzog das Gesicht. »Erst sah es danach aus, dass ich alles fertig bekommen würde, ohne eine Nachtschicht einlegen zu müssen. Aber der Zuckerguss ist hart geworden, während ich Lissy gebadet habe, deswegen musste ich noch mal von vorne anfangen, als sie dann im Bett war.«

Cat schenkte ihr einen mitfühlenden Blick. »Du musstest den ganzen Zuckerguss noch mal neu anrühren?«

»Jepp. Als ich endlich alle Kekse fertig hatte, war es nach eins.«

Cat machte ein schuldbewusstes Gesicht. »Das tut mir leid. Wann ist Lissy aufgestanden?«

»Halb sechs.« Sadie seufzte erschöpft. »Ich hoffe, wir haben ein paar Kaffeepads hier, sonst kann ich nicht dafür garantieren, dass ich während der Arbeit nicht gleich wieder einschlafe.«

»Kaffee. Kommt sofort«, rief Cat geschäftig und klopfte sich die mehligen Hände an der Schürze ab. »Und dann will ich deine Meisterwerke bewundern. Ich kann’s kaum erwarten, die fertigen Plätzchen zu sehen.«

Nachdem sie sich einen Kaffee gemacht hatten, öffnete Cat die erste Keksdose.

Sadie hielt gebannt den Atem an. Aus Angst, dass die Prachtstücke durch den Transport aneinanderreiben und die empfindliche Verzierung Schaden nehmen könnte, hatte sie jedes einzelne Plätzchen mit einem Klecks Zuckerguss an dem darunterliegenden Pergamentpapier festgeklebt. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob die Vorsichtsmaßnahme ausgereicht hatte, um sie die Kollision mit dem Rosenkohl-Mann unbeschadet überstehen zu lassen.

Cat sagte keinen Ton, während sie jeden einzelnen Keks musterte.

Sadies Handflächen wurden feucht und begannen zu jucken. War dies der Moment ihres ersten geschäftlichen Streits?

Doch als Cat endlich aufsah und Sadies Blick suchte, lächelte sie. »Hat dir schon mal jemand gesagt, wie absolut genial du bist?«

Sadie stieß erleichtert den Atem aus. Bei Cats Lob waren ihre Wangen ganz warm geworden. »Heute noch nicht.«

»Du bist genial!« Cat klatschte begeistert in die Hände. »Genauso hatte ich sie mir vorgestellt – von höchster Qualität, ungewöhnlich und absolut begehrenswert. Ich liebe sie, und unsere Kunden werden es genauso tun. Toll gemacht!«

»Gute Teamarbeit, würde ich sagen. Wenn du nicht so eine perfekte Grundlage für den Zuckerguss geschaffen hättest, wäre ich niemals in der Lage gewesen, sie so zu verzieren.«

»Ich kann es kaum erwarten, die Fotos zu sehen«, sagte Cat und hielt vorsichtig einen silber-pinkfarbenen Schmetterling auf dunklem Schokoladenteig in die Höhe. Dann neigte sie ihn leicht zur Seite, bis die zarten Flügel das Licht der Deckenleuchten einfingen. »Die Website wird absolut umwerfend.«

Sadie nahm einen Schluck von dem Espresso, den Cat ihr gemacht hatte, und hätte beinahe vor Befriedigung aufgestöhnt, als die köstlich bittere Flüssigkeit ihre Kehle hinabrann. »Dann gehst du auf jeden Fall heute noch damit zum Fotografen?«

Cat nickte. »Das ist der Plan. Ich habe dir doch von dem Freund erzählt, der mir angeboten hat, sein Studio zu benutzen, solange ich nicht allzu lange brauche. Außerdem hoffe ich, dass er mir ein paar Tipps geben kann. Die wenigen Dinge, die ich über Food-Fotografie weiß, passen auf einen Bierdeckel.«

»Wenn du willst, komme ich mit«, bot Sadie an. »Ich habe das ein oder andere über Bildkomposition gelernt.«

»Super«, rief Cat begeistert, doch im nächsten Moment machte sie ein zweifelndes Gesicht. »Aber wolltest du heute nicht eigentlich die Schaufenster bemalen? Ich glaube, das ist wichtig, um die Leute neugierig auf unsere kleine Keksbäckerei zu machen.«

»Stimmt. Okay, dann mache ich das. Und wenn noch Zeit bleibt, bevor ich Lissy abholen muss, drehe ich vielleicht eine Runde über den Platz, um mir die anderen Geschäfte anzusehen.« Und um zu schauen, ob ich nicht noch einen gut aussehenden Fremden finde, mit dem ich zusammenstoßen könnte, fügte Sadie in Gedanken hinzu, bevor sie sich schnell zusammenriss. Hatte sie nicht erst gestern zu Cat gesagt, dass sie keine Zeit hatte, sich Tagträumen über irgendwelche Männer hinzugeben?

Cat griff in ihre Hosentasche und zog eine Visitenkarte daraus hervor. »Wo du gerade davon sprichst – hast du Samstagabend schon was vor?«

»Äh, nein«, antwortete Sadie, noch immer damit beschäftigt, den Gedanken an den Fremden mit den haselnussbraunen Augen in die hinterste Ecke ihres Gehirns zu verbannen. »Wieso, gibt es eine weitere dringende Ladung Kekse zu verzieren?«

»Nein.« Cat hielt ihr die Karte hin. »Die anderen Ladenbesitzer aus Castle Court treffen sich am Samstagabend nach der Sperrstunde auf ein paar Drinks, und wir sind eingeladen. Lust, hinzugehen?«

Sadie überlegte schnell. Das kommende Wochenende sollte Lissy eigentlich bei Daniel verbringen, aber in den vergangenen Monaten war er alles andere als verlässlich gewesen, was die Verabredungen mit seiner Tochter anging. Deswegen blieb sie mit ihrer Abendplanung vorsichtig.

»Theoretisch ja. Und du?« Eine vollkommen überflüssige Frage. Natürlich hatte Cat Lust. Sie liebte es, neue Leute kennenzulernen, und sie ging gerne aus.

»Ich denke, es wäre gut, sich dort blicken zu lassen und ein paar Kontakte zu knüpfen«, sagte Cat langsam. »Jaren meinte auch, dass es nicht schaden kann, gleich zu Anfang das Eis zu brechen.«

»Aha, daher weht also der Wind«, sagte Sadie und hob vielsagend eine Augenbraue. »Ich habe mich schon gefragt, woher du von dem Treffen weißt.«

»Ich habe ihn gestern Abend vor der Tür getroffen, als ich gerade nach Hause gehen wollte«, erklärte Cat in neutralem Ton. »Da hat er es erwähnt.«

Sadie verkniff sich ein wissendes Grinsen. »Dann wäre es natürlich extrem unhöflich, die Einladung auszuschlagen. Immerhin hat er uns persönlich gebeten, zu kommen.«

»Das dachte ich mir auch«, beeilte sich Cat zu sagen. »Und außerdem ist es wirklich eine gute Gelegenheit, den Rest der Castle-Court-Gemeinschaft kennenzulernen.«

»Du meinst, die Konkurrenz abzuchecken?«, erkundigte sich Sadie unschuldig.

Cat schenkte ihr ein entwaffnendes Lächeln. »Genau. Aber vor allem möchte ich herausfinden, ob die Cocktails bei Seb’s genauso gut schmecken, wie sie sich anhören. Außerdem waren wir ewig nicht mehr zusammen unterwegs. Es wird uns guttun, mal wieder rauszukommen.«

»Mhm«, murmelte Sadie und machte sich in Gedanken eine Notiz, am Samstag auf jeden Fall bei Wasser zu bleiben. Das Letzte, was sie gebrauchen konnten, war, dass sie zu viel tranken und gleich in der ersten Woche zum Klatschthema Nummer eins von Castle Court wurden. Schnell wechselte sie das Thema, bevor Cat ihre Entschlossenheit mit einer Aufzählung der Drinks von Seb’s Karte ins Wanken bringen konnte. »Also, was soll ich auf die Schaufenster malen?«

Kapitel drei

Nachdem Cat losgezogen war, um die Plätzchen zu fotografieren, ging Sadie zum Schreibwarenladen von Castle Court hinüber und sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie dort Glasmalfarbe vorrätig hatten. Wie sich herausstellte, war ihre Sorge jedoch vollkommen unbegründet. Der Laden war gut sortiert und hatte alle Utensilien, die sie für das Fensterbild brauchte.

Sie gönnte sich einen Moment, um die große Auswahl wunderschöner Skizzenblöcke zu betrachten und mit dem Finger über die Zeichenstifte in allen Farben des Regenbogens zu fahren, bevor sie sich mit dem Versprechen an sich selbst, bald einmal wiederzukommen, zwang, nach den Materialien Ausschau zu halten, die sie wirklich benötigte.

Zurück bei Smart Cookies begann Sadie sofort mit dem Bemalen der Schaufenster. Cat und sie hatten sich darauf verständigt, dass sie eine Auswahl der Plätzchen zeigen wollten, die sie im Angebot haben würden, jedoch ohne zu viele Details der geplanten Designs preiszugeben. Am Ende hatten sie sich auf ein Lebkuchen-Thema geeinigt: Kinder, die Schmetterlingen hinterherjagen, Familien beim Picknick mit einem Baby im Kinderwagen, während ein paar Hunde durchs Gras stromern und Vögel über den Himmel ziehen. Sadie hatte außerdem vorgeschlagen, mit einigen schneebedeckten Dächern und geschmückten Weihnachtsbäumen hier und da auch auf die bevorstehenden Festtage anzuspielen.

Ein paar Stunden später betrachtete sie zufrieden ihr Werk. Während die Glasmalfarbe trocknete, unternahm sie einen Spaziergang über den Platz. Die Wettervorhersage hatte Schnee versprochen, was Lissy bereits in freudige Aufregung versetzt hatte. Bisher ließ die weiße Pracht noch auf sich warten, aber Sadie würde sich nicht wundern, wenn schon bald die ein oder andere Flocke vom Himmel fiel. Es herrschte diese ganz bestimmte eisige Stille, die häufig vor dem ersten Schnee zu spüren war, und seit dem Morgen war das Thermometer noch nicht über den Gefrierpunkt hinaus geklettert.

Ihr Atem stieg in kleinen Wolken auf, als sie an den Läden auf dem obersten Stockwerk entlangschlenderte, in Schaufenster spähte und die festlichen Dekorationen bewunderte. Sie war eindeutig im Gourmet-Himmel gelandet, entschied sie, als sie an einem trendigen Bioladen und einem altmodischen Süßwarengeschäft vorbeikam, bei dem Lissy die Augen übergegangen wären. Vor Weihnachten musste sie unbedingt ihre Süßigkeitenvorräte hier aufstocken.

Doch es gab nicht nur Lebensmittelgeschäfte. In einer Ecke befand sich eine Dessous-Boutique, von der sich Sadie nicht vorstellen konnte, dort jemals etwas einzukaufen. Daneben lag ein Geschäft für Designer-Handtaschen, von dem sie sich definitiv würde fernhalten müssen, wenn sie am Ende des Monats nicht all ihr Geld für vollkommen unnötige, aber dafür umso begehrenswertere Stücke verschleudert haben wollte. Und dann war da noch das Seb’s. Ganz am Ende der ersten Etage gelegen, bot die Bar einen Blick über den gesamten Platz.

Sadie nahm sich einen Moment, um die Karte zu studieren, von der Cat so geschwärmt hatte. Sie musste zugeben, dass die Drinks wirklich gut klangen. Selbst die nichtalkoholischen, was nicht selbstverständlich war.

Die Plätze am Fenster eignen sich hervorragend, um Leute zu gucken, dachte Sadie, während sie der Versuchung widerstand, hineinzugehen. Ein andermal, entschied sie. In den kommenden Monaten würde es genug Gelegenheiten geben vorbeizuschauen.

Auf der ersten Ebene, die ebenfalls rund um Castle Court führte, gab es einen Juwelier, eine Maßschneiderei für Anzüge, die Daniel geliebt hätte, ein Delikatessen- und ein Käsegeschäft, aus dem es verführerisch duftete. Und auf Höhe des Platzes bewunderte Sadie die glänzenden und mit Sicherheit köstlichen Kreationen im Schaufenster von Elin’s Chocolaterie und der Patisserie Cherie.

Alle Geschäfte waren von einer gewissen zurückhaltenden Eleganz, entschied Sadie, während sie in der Schlange bei Cherie anstand, um Eclairs mit Himbeeren und weißer Schokolade zu kaufen. Besser als jemals zuvor verstand sie, warum Cat so hartnäckig darauf bestanden hatte, dass Castle Court der einzig richtige Ort für die Eröffnung von Smart Cookies war, auch wenn ihr der Mietpreis noch immer Tränen in die Augen trieb. Von Hand verzierte Plätzchen waren ein kleines Luxusprodukt, das perfekt in die Nachbarschaft der bereits existierenden Läden passte. Während sie die fröhliche, aber ziemlich einfache Dekoration in den Fenstern des Let’s Go Dutch betrachtete, entschied sie, Cat vorzuschlagen, auch eine Produktlinie mit Leckereien zu entwerfen, die für kleineres Geld zu haben waren. Immerhin konnte sich nicht jeder Mensch eine ganze Schachtel mit kunstvoll gestalteten Keksen für dreißig Pfund leisten. Und sie sollten einen Vorrat an Probierexemplaren an der Kasse bereithalten, die sie den Kindern zustecken konnten. Vielleicht war es sogar möglich, eine Kooperation mit dem Zoo von Chester einzugehen. Individuell gestaltete Kekse in der Form bestimmter Zootiere, die über den Souvenirshop verkauft wurden. Die Spielräume, die sich ihnen mit ihrem Produkt boten, waren noch lange nicht ausgeschöpft, entschied Sadie und eilte mit den Eclairs zurück in den Laden, um ihre Ideen sofort aufzuschreiben.

Als sie die Keksbäckerei betrat, wartete Cat bereits auf sie. Sie stand hinter der Kassentheke über ihren Laptop gebeugt und starrte mit nachdenklich gerunzelter Stirn auf den Bildschirm.

»Gibt es ein Problem?«, erkundigte sich Sadie.

»Nein, ganz im Gegenteil. Ich bewundere gerade unsere Website«, antwortete Cat und drehte den Laptop so, dass Sadie ebenfalls etwas erkennen konnte. »Sieht gut aus, oder?«

Die Homepage war im selben Blau- und Golddesign gehalten, das Sadie für ihren Laden entworfen hatte, und sie spürte ein freudiges Flattern im Bauch, als sie die Fotografien der Kekse sah, die sie verziert hatte. Sie hatte das kreative Arbeiten wirklich vermisst. Das war ihr sofort klar geworden, als sie angefangen hatten, an der Idee zu Smart Cookies zu feilen.

»Das ging aber schnell.«

Cat zuckte mit den Schultern. »Der Fotograf hat die Bilder direkt an den Webdesigner geschickt, und der hat sie sofort auf die Seite hochgeladen. Bisher sind wir allerdings noch nicht online. Falls dir also irgendetwas nicht gefällt, können wir es noch ganz leicht ändern.«

Sadie griff nach der Maus und klickte sich durch die Homepage, die übersichtlich aufgebaut war. Keine Seite war mehr als wenige Klicks von der Hauptseite entfernt, das Layout war sowohl intuitiv als auch logisch aufgebaut und das Design ansprechend. Sie konnten durchaus darauf hoffen, dass die Website zu vielen Online-Bestellungen führen würde.

»Sieht gut aus.« Sadie ließ die Maus los und schob sie Cat hin.

»Prima. Dann muss der Webdesigner jetzt nur noch den Warenkorb und das Zahlungssystem anlegen, und wir können loslegen.« Sie sah auf. »Und, was hast du so getrieben? Das Schaufenster ist übrigens großartig geworden.«

»Ich fühle mich ziemlich eingerostet«, gab Sadie zu und wurde rot. »Besser bekomme ich es im Moment noch nicht hin.«

Cat hob tadelnd eine Augenbraue. »Wenn du das als ›eingerostet‹ bezeichnest, kann ich nicht erwarten, das Ergebnis zu sehen, wenn du wieder voll da bist.« Sie schüttelte den Kopf. »Du musst endlich anfangen, auf deine Talente zu vertrauen.«

Sadie senkte den Blick und starrte auf ihre Füße in der Hoffnung, ihre Freundin würde die Tränen, die in ihren Augenwinkeln lauerten, nicht bemerken. Es war leicht für Cat, so etwas zu sagen, immerhin hatte sie in ihrem Leben niemals an sich gezweifelt. Ganz im Gegenteil, seit ihrem Abschluss als Jahrgangsbeste am College für Gastronomie, der ihr gleich zu einem Job als Hilfsköchin in einem von Londons In-Restaurants verholfen hatte, schien sie ein vom Glück verwöhntes Leben geführt zu haben. Und auch wenn Cat es im letzten Jahr ebenfalls nicht leicht gehabt hatte, ihrem Selbstbewusstsein schien es nicht geschadet zu haben. Sie würde niemals nachvollziehen können, wie minderwertig Sadie sich gefühlt hatte, nachdem sie hinter Daniels Affäre gekommen war; die Angst, dass sie selbst für ihren eigenen Ehemann zu langweilig und farblos geworden war. Doch die Wahrheit war, dass ihr Selbstbewusstsein schon lange vor seiner Affäre begonnen hatte, sich langsam, aber sicher in Luft aufzulösen. In ihrer Beziehung zu Daniel hatte sie sich immer kleiner, bedeutungsloser und weniger selbstsicher gefühlt, bis sie nur noch ein Schatten der Frau gewesen war, die Cat zu Beginn ihrer Freundschaft kennengelernt hatte. Erst nachdem ihre Ehe gescheitert war, hatte Sadie gemerkt, wie sehr sie sich verändert hatte, und der Weg zurück zu der Person, die sie vor Daniel gewesen war, war nicht so einfach, wie sie erwartet hatte. Trotzdem wusste sie, dass Cat recht hatte – sie verfügte über ein sehr ausgeprägtes künstlerisches Gespür, und die bemalten Schaufenster waren toll geworden. Sie musste sich selbst wirklich mehr zutrauen.

»Okay«, sagte sie und sah mit einem dünnen Lächeln auf. »Ich werde es versuchen.«

»Gut.« Cat nickte, offenbar vorerst zufriedengestellt. Dann griff sie unter den Tresen und zog eine blassrosafarbene Schachtel mit einer Schleife darum hervor. »Auf dem Rückweg habe ich bei der Patisserie vorbeigeschaut. Schließlich müssen wir herausfinden, was unsere Konkurrenz so im Angebot hat.«

Mit einem Grinsen hielt Sadie die Schachtel mit den Eclairs in die Höhe. »Zwei Dumme, ein Gedanke. Ich stelle den Wasserkocher an.«

Sadie hatte mit Daniel verabredet, dass er Lissy am Samstagmorgen um zehn Uhr abholen sollte, und das kleine Mädchen hüpfte vor Aufregung auf und ab, während sie auf ihn wartete. Normalerweise bestand Sadie darauf, Lissy bei ihrem Vater vorbeizubringen, da sie ihren Ex so weit wie nur möglich von ihrem neuen Zuhause fernhalten wollte. Aber am vergangenen Abend war es wieder einmal spät geworden, weil sie weitere Plätzchen verziert hatte, deswegen war es nur vernünftig, dass sie sein Angebot, Lissy bei ihr abzuholen, angenommen hatte. Nur dieses eine Mal, redete sie sich selbst ein, während sie mit einem Scheuerschwamm die Küchenoberflächen bearbeitete, die von einer dicken, klebrigen Schicht Zuckerguss überzogen waren.

»Probierst du ein neues Make-up aus?«, war die erste Frage, die Daniel ihr stellte, als sie ihm die Tür öffnete und er in den chaotischen Flur ihres kleinen Cottages trat.

Irritiert runzelte sie die Stirn. Es war Jahre her, dass er in irgendeiner Weise ihr Aussehen wahrgenommen, geschweige denn kommentiert hatte. »Nein. Warum?«

Er streckte einen Finger aus und strich ihr damit über die Nasenspitze. »Du hast Puderreste im Gesicht.«

Sadies Wangen wurden heiß, als sie einen Blick in den Spiegel im Flur warf. Ihre Nase und Stirn waren mit feinem Puderzuckerstaub bedeckt. Das Zeug hatte es sogar bis in ihre kupferroten Locken geschafft.

Verärgert, dass er sie so sah, rieb sie sich mit dem Ärmel über das Gesicht. »Sorry, ich habe den ganzen Morgen gearbeitet.« Als Daniel sie mit einem merkwürdigen Blick musterte, revidierte sie ihre Aussage jedoch rasch. »Nur als Lissy ferngesehen hat. Ich hatte sie natürlich die ganze Zeit über im Auge.«

»Entspann dich. Ich mache dir keine Vorwürfe«, sagte Daniel. »So wie ich Cat kenne, setzt sie dich bestimmt ganz schön unter Druck. Um ehrlich zu sein, bin ich sogar ein wenig überrascht, dass sie nicht hier ist, um deine Arbeit zu überwachen.«

Er hatte einen vollkommen neutralen Ton angeschlagen, aber Sadie ließ sich davon nicht täuschen. Daniel und ihre beste Freundin waren nie besonders gut miteinander ausgekommen. Cat war es von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen, dass Daniel sie scheinbar zu einem Leben zwischen Haushalt und Mutterschaft verdonnerte, und er wiederum hatte nicht viel von Cats Bemühungen gehalten, seine Frau aus ihrem gemütlichen und glücklichen Zuhause zu locken. Allerdings musste Sadie Cat zugutehalten, dass sie sie niemals mit einem »Ich habe es dir doch gesagt« genervt hatte, nachdem Daniels Affäre ans Licht gekommen war. Obwohl sich Sadie sicher war, dass sie es garantiert mehr als einmal gedacht hatte.

»Cat ist fürs Backen zuständig, nicht für die Dekoration«, sagte Sadie kühl. »Und nur fürs Protokoll, bisher ist sie mit meiner Arbeit sehr zufrieden.«

Daniel hob entschuldigend die Hände. »Ich habe nichts anderes erwartet. Aber du hast gerade viel um die Ohren. Wenn du mehr Zeit zum Arbeiten brauchst, nehme ich Lissy gerne öfter. Du musst mir nur Bescheid geben.«

Sadie spürte einen Anflug von Wut in sich aufsteigen. Es war nicht das erste Mal, dass er andeutete, dass sie mit dem Leben als alleinerziehende Mutter überfordert war. »Das wird nicht nötig sein. Ich bin sehr wohl in der Lage …«

»Daddy!« Lissy stürzte in den Flur und schlang die Arme um Daniels Knie.

»Hey, meine Prinzessin«, begrüßte er sie und hob sie hoch.

Angewidert kräuselte Lissy die Nase. »Ich bin keine Prinzessin. Ich bin eine Dinosaurier-Trainerin und rette die Welt vor den bösen Fleischfressern.«