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Peter Longerich

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Beschreibung

Die große Hitler-Biographie. Eine Darstellung, die neue Maßstäbe setzt

Tyrann, Psychopath, Vollstrecker eines rassenideologischen »Programms« – oder gar charismatischer »Führer«, dem seine Anhänger »entgegengearbeitet« haben? Peter Longerich geht in seiner neuen Biographie über die bisherigen Hitler-Deutungen hinaus: Er entwirft das Bild eines Diktators, der weit mehr und viel aktiver als bisher angenommen in die unterschiedlichsten Politikbereiche persönlich eingriff. Und dabei nicht selten überraschend flexibel handelte.

Ob Außenpolitik und Kriegführung, Terror und Massenmord, Kirchenpolitik, Kulturfragen oder Alltagsleben der Deutschen – überall bestimmte Hitler, bis in Details hinein, die Politik des Regimes. Durch seine persönlichen Entscheidungen prägte er es auf eine Weise, die bislang unterschätzt wird. Konsequent zerschlug er Machtstrukturen, die ihn behinderten, und schuf stattdessen eine Führerdiktatur – in seiner schließlich fast grenzenlosen Macht war er auf die Zustimmung der Bevölkerung nicht mehr angewiesen.

Diese Biographie rückt die Person Hitler und ihr Handeln in das Zentrum der Geschichte des Nationalsozialismus: Denn erst das Zusammenspiel der Kräfte, die Hitler bewegten, mit jenen, die er selbst in Bewegung setzte, lässt uns erkennen, was das »Dritte Reich« im Innersten zusammenhielt.

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Seitenzahl: 2379

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Peter Longerich

Hitler

Biographie

Siedler

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Erste AuflageCopyright © 2015 by Peter LongerichAll rights reservedCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2015 by Siedler Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: Rothfos + Gabler, HamburgLektorat: Andrea Böltken, BerlinRegister: Christoph Nettersheim, NürnbergBildredaktion und Satz: Ditta Ahmadi, BerlinISBN 978-3-641-11405-3www.siedler-verlag.de

Inhalt

Einleitung

Prolog: Ein Niemand

TEIL I Das öffentliche Selbst

Zurück in München: Politisierung

Der Weg in die Partei

Hitler übernimmt die Führung

Der Marsch zum Hitler-Putsch

Prozess und Verbotszeit

TEIL II Inszenierung

Politischer Neubeginn

Hitler als Redner

Umorientierung

Eroberung der Massen

Strategien

Vor den Toren der Macht

TEIL III Eroberung

»Machtergreifung«

Erste außenpolitische Schritte

»Führer« und »Volk«

Ausbruch aus dem internationalen System

Errichtung der Alleindiktatur

TEIL IV Zementierung

Innenpolitische Krisenherde

Erste außenpolitische Erfolge

Der Weg zu den Nürnberger Gesetzen

Außenpolitischer Coup

»In vier Jahren kriegsfähig«

Kirchenkampf und Kulturpolitik

Hitlers Regime

TEIL V Täuschung

Außenpolitische Reorientierung

Von der Blomberg-Fritsch-Krise bis zum »Anschluss«

Sudetenkrise

Nach München

In den Krieg

TEIL VI Triumph

Kriegsbeginn

Widerstände

Krieg im Westen

Außenpolitische Sondierungen

Ausweitung des Krieges

Unternehmen Barbarossa

Eskalation der Judenpolitik

Winterkrise 1941/42

Auf dem Höhepunkt der Macht

Hitlers Imperium

TEIL VII Verfall

Kriegswende und Radikalisierung

Mit dem Rücken zur Wand

Vor dem Untergang

20. Juli 1944

Zuflucht im Totalen Krieg

Das Ende

Bilanz

Dank

ANHANG

Abkürzungen und Sigel

Bibliographie

Personen- und Ortsregister

Anmerkungen

Einleitung

In der gesamten modernen Geschichte gibt es wohl keine andere Figur, die in relativ kurzer Zeit eine solche Machtfülle auf sich vereinigt hat wie Adolf Hitler, die diese Macht so exzessiv missbraucht hat und die schließlich so zäh daran festgehalten hat wie er – bis zum völligen Zusammenbruch seiner Herrschaft und unter Preisgabe von Millionen von Menschenleben. Hitler ist somit ein extremes Beispiel für persönliche Machtentfaltung und monströsen Machtmissbrauch, ein Phänomen, das den Rahmen einer konventionellen historischen Biographie sprengt. Auch die bei Historikern übliche Gegenüberstellung von Struktur und Persönlichkeit greift in Hitlers Fall zu kurz. Denn wir haben es mit einem Herrscher zu tun, der nicht innerhalb vorgegebener, verfassungspolitischer Rahmenbedingungen und allgemein akzeptierter Spielregeln eines politischen Systems agierte, sondern der diese Rahmenbedingungen niederriss und sich neue Herrschaftsstrukturen schuf. Diese Strukturen waren unauflöslich mit seiner Person verbunden, ja seine Diktatur stellte generell ein außerordentliches Beispiel für personalisierte Herrschaft dar. Die »Strukturen« des Regimes sind nicht ohne Hitler denkbar, und Hitler ist ohne seine Ämter nichts.

Dennoch lässt sich das Phänomen dieser Herrschaft nicht auf die Person Hitlers reduzieren oder aus seiner Lebensgeschichte heraus auch nur annähernd erklären. Man muss stattdessen sehr viel weiter ausgreifen und die Geschichte der gesamten Epoche in den Blick nehmen: das Phänomen des Nationalsozialismus, seine Ursachen, seine Verwurzelung in der deutschen Geschichte, das Verhältnis »der Deutschen« zu Hitler und anderes mehr. Droht bei einer zu persönlichkeitsbezogenen Interpretation ein Rückfall in einen »Hitlerismus« mit apologetischen Vorzeichen, so lauert bei der umfassenden Erläuterung der historischen Umstände und Bedingungen die gegenteilige Gefahr, dass Hitler als handelnde Person verlorengeht und zur bloßen Marionette äußerer Umstände, zur Projektionsfläche zeitgenössischer Strömungen wird. Das hieße aber, ausgerechnet Hitler in seiner historischen Bedeutung zu marginalisieren und seine persönliche Verantwortung in einem historischen Prozess verschwinden zu lassen.

Die extreme Konzentration von Macht in den Händen einer einzelnen Person aus dem Zusammenspiel von äußeren Umständen und ihrem persönlichen Handeln zu erklären, ist somit das zentrale Problem einer Hitler-Biographie. Es geht darum, einerseits die Kräfte darzustellen, die Hitler bewegten, und andererseits die Kräfte, die Hitler in Bewegung setzte.

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht ist der Nationalsozialismus heute keineswegs vollständig oder auch nur annähernd vollständig erforscht. Im Gegenteil: Die historische Forschung zum Nationalsozialismus, mittlerweile hochgradig ausdifferenziert, fördert unablässig neue Erkenntnisse zu den verschiedensten Aspekten der NS-Bewegung und -Herrschaft zutage. Zieht man einen Querschnitt durch diese Forschungen, so wird eines deutlich: Hitler war in wesentlich größerem Umfang in den verschiedensten Politikbereichen aktiv tätig, als dies bisher vielfach angenommen wurde. Die Bedingungen dafür schuf er sich selbst: Er ließ den traditionellen staatlichen Machtapparat Schritt für Schritt in seine Bestandteile zerfallen, sorgte dafür, dass sich keine neuen, übersichtlichen Machtstrukturen herausbildeten, und vergab stattdessen weitgesteckte Aufträge an Personen, die ihm persönlich verantwortlich waren. Diese konsequent personalistische Führung erlaubte es ihm, in den unterschiedlichsten Bereichen weitgehend willkürlich zu intervenieren, und diese Möglichkeiten hat er in seiner Regierungspraxis ausgiebig genutzt, wie gerade die Forschung der letzten beiden Jahrzehnte herausgearbeitet hat. Da es aber, entsprechend der unübersichtlichen Struktur seiner Herrschaft, keine zentral gebündelte und umfassende Quellenüberlieferung von Hitlers Herrschaftsausübung gibt, entsteht erst aus den zahlreichen Detailforschungen das Mosaik einer vielfältigen, häufig informellen Entscheidungsbildung des Diktators; er hielt, dies wird immer deutlicher, in einer ganzen Reihe von zentralen Politikbereichen tatsächlich die Zügel in der Hand und kümmerte sich (wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Bereichen mit unterschiedlicher Intensität) um Detailfragen sowie um das politische Tagesgeschäft. Dies wird im Folgenden nicht nur für die Außenpolitik gezeigt, sondern insbesondere für die Judenverfolgung und die »Erbgesundheitspolitik« des NS-Staates, aber auch für verfassungsrechtliche Fragen, für die Aufrüstung und die Versuche, ihre volkswirtschaftlichen Folgen auszubalancieren, für die Kirchen- und Kulturpolitik, die Propaganda sowie den Komplex der Parteiführung; hinzu kamen während des Krieges die militärische Führung der Wehrmacht und ihre Ausrüstung sowie für die »Heimatfront« wichtige Faktoren wie Ernährung oder Frauenarbeit.

Im Laufe der Zeit schuf sich Hitler einen enormen persönlichen Handlungsspielraum, ja auf einigen Politikfeldern geradezu eine Handlungsautonomie. Er war in der Lage, über Krieg oder Frieden zu entscheiden, er legte die Grundlagen für die »Neuordnung« des europäischen Kontinents nach eigenem Gutdünken fest, er entschied über Genozid und andere Massenmorde willkürlich aufgrund »rassischer« Gesichtspunkte. Dieser in der modernen europäischen Geschichte wohl einzigartige Handlungsspielraum des Diktators beruhte indessen auf historischen Voraussetzungen, und er war auch keineswegs grenzenlos.

Voraussetzungen für Hitlers Herrschaft waren insbesondere eine rechtsextreme Massenbewegung als Reaktion auf Kriegsniederlage, Revolution und den Versailler Vertrag, auf die Weltwirtschaftskrise und das Versagen der Demokratie bei der Bekämpfung dieser Krise. Ferner sind die erheblichen Potenziale an Nationalismus, Autoritarismus, Rassismus, Militarismus, außenpolitischem Revisionismus und Imperialismus in der deutschen Gesellschaft und vor allem in den Eliten zu nennen, die sich diese Massenbewegung, einmal an die Macht gelangt, zunutze machen konnte. Und nicht zuletzt zählt zu den historischen Faktoren, die Hitlers Weg begünstigten, die Tatsache, dass Gegenkräfte – zunächst innerhalb Deutschlands, dann im europäischen Rahmen – nur unzureichend zu Widerstand fähig waren, gänzlich fehlten oder versagten. So war Hitler tatsächlich in der Lage, 1933/34 erst in Deutschland und 1938–41 in Europa Tabula rasa zu machen und in dem Machtvakuum, das durch die Zerstörung etablierter Ordnungen entstand, seine Vorstellungen in hohem Maße durchzusetzen.

Hitler wirkte nicht nur als »Katalysator« oder »Medium« historischer Prozesse,1 die unabhängig von seiner Person existierten. Vielmehr formte er diese auf eine äußerst eigenständige und sehr persönliche Art und Weise, indem er vorhandene Kräfte und Energien kanalisierte, verstärkte und bündelte, brachliegende Potenziale mobilisierte, auf brutale Weise die Schwäche oder Passivität seiner Gegner ausnutzte und diese zu vernichten trachtete. Obwohl er dabei taktische Rücksichtnahmen walten ließ, waren die Prioritäten seiner Politik eindeutig: Im Zentrum stand seit Beginn seiner Karriere die Vorstellung eines nach rassistischen Gesichtspunkten geordneten »Reiches«. Daran hielt er zweieinhalb Jahrzehnte unverrückbar fest. Hinsichtlich der äußeren Grenzen und der Struktur dieses Imperiums, des Zeitraums und der Mittel zur Erreichung dieses Ziels erwies er sich hingegen als außerordentlich flexibel. Das Konstrukt eines »Programms« oder eines »Stufenplanes«, das verpflichtend für die ältere, »intentionalistische« Historikerschule war,2 kann Hitlers Politik daher genauso wenig erklären wie die Vorstellung eines hemmungslosen Opportunismus.3 Stattdessen geht es darum, die besondere Kombination aus absoluter Fixierung auf ein utopisches Ziel und zum Teil skrupelloser Flexibilität zu erklären; Letztere konnte bis an eine Vertauschung von Ziel und Mitteln heranreichen. Weniger ein Programmatiker oder Ideologe als vielmehr ein primär skrupelloser und aktiver Politiker tritt dabei zutage. Zu diesem Gesamtbild gehört die Einsicht, dass entscheidende Weichenstellungen in Hitlers Politik nicht auf äußere Zwangslagen und strukturelle Bedingungen zurückzuführen sind, sondern auf Entscheidungen, die er gegen Widerstände und erhebliche retardierende Elemente durchgesetzt hat.

Doch Hitler stieß auch an Grenzen: Dies betraf zunächst den Kern seiner Innenpolitik – den Versuch, eine totale Geschlossenheit der Bevölkerung herzustellen und sie auf Kriegsbereitschaft einzustimmen –, ferner seine Bemühungen, die »Rassenpolitik« in der breiten Bevölkerung populär zu machen, aber auch seine radikale antikirchliche Politik. Während des Krieges wiederum sollte es ihm nicht gelingen, die widersprüchlichen Ziele seiner Besatzungs- und Bündnispolitik in ein Konzept umzusetzen, das die Ressourcen des von ihm beherrschten Raums in vollem Umfang für seine Kriegführung mobilisiert hätte.

Was waren die Grundlagen der außerordentlichen Machtfülle dieses Diktators? Die Vorstellung, Hitlers Herrschaft sei primär charismatisch begründet gewesen, habe also in erster Linie auf der enthusiastischen Zustimmung der großen Mehrheit des deutschen Volkes zu seiner Politik beruht, auf der Zuschreibung übermenschlicher Fähigkeiten, greift entschieden zu kurz. Denn der Versuch, ihn als Exponenten der Sehnsüchte und Erwartungen »der Deutschen« zu interpretieren, steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass die deutsche Gesellschaft vor dem Nationalsozialismus in unterschiedliche Lager gespalten war, eine Spaltung, die auch der NS-Staat nur ganz unzureichend zu überbrücken vermochte. Die hinter dem »Führer« geeinte, geschlossene nationalsozialistische »Volksgemeinschaft« erweist sich vor allem als ein zeitgenössisches Propagandakonstrukt. Hitlers »Charisma« ist nicht vorrangig darauf zurückzuführen, dass die Massen ihm außerordentliche Fähigkeiten zugeschrieben hätten (oder er diese gar besessen hätte), sondern es ist – im Zeitalter von Massenmedien, Bürokratie und sozialer Kontrolle – vor allem das Produkt einer ausgeklügelten Herrschaftstechnik.

Dieser Ansatz hat für die hier vorgelegte Darstellung zwei Konsequenzen: Das Phänomen Hitler wird erstens nicht primär – wie dies Ian Kershaw in seiner »strukturalistisch« angelegten Hitler-Biographie getan hat – durch gesellschaftliche Kräfte und das Bedingungsgefüge des nationalsozialistischen Herrschaftssystems erklärt.4 Es gilt, sich endgültig von dem Bild eines Mannes zu verabschieden, der im Schatten seines eigenen Charismas gestanden, sich immer mehr von der Realität entfernt, »die Dinge laufen« gelassen und sich aus dem eigentlichen politischen Prozess weitgehend zurückgezogen hätte, ein Hitlerbild, das Hans Mommsen in der These von dem in mancherlei Hinsicht »schwachen Diktator« einmal pointiert zusammengefasst hat.5 Stattdessen wird die Autonomie des handelnden Politikers Hitler herausgearbeitet. Zweitens werden die häufig unterstellte weitgehende Zustimmung »der Deutschen« zu Hitlers Politik und ihre angeblich überwiegende Identifizierung mit der Person des Diktators einer Prüfung unterzogen. Dabei entsteht ein differenziertes Bild: Während der gesamten Dauer der Diktatur gab es sowohl aktive Unterstützung und Befürwortung seitens breiter Bevölkerungskreise als auch ein erhebliches Potenzial an Unmut und Reserve. Dass Hitlers Regime im Wesentlichen trotzdem mehr oder weniger reibungslos funktionierte, ist – das wird häufig unterschätzt – vor allem auf das Machtinstrumentarium der Diktatur zurückzuführen. Neben dem Repressionsapparat sind in diesem Zusammenhang die kleinräumige Kontrolle der »Volksgenossen« durch die Partei sowie die nationalsozialistische Beherrschung der »Öffentlichkeit« zu nennen.

Biographien über Politiker, die komplexe Machtapparate steuern und beherrschen, eröffnen über die Besonderheiten der Lebensgeschichte hinaus Einsichten in die Spezifika von Herrschaftsstrukturen und Entscheidungsabläufen – zumal dann, wenn diese wie in unserem Fall ganz wesentlich von dem Protagonisten geschaffen wurden. Durch seine Präsenz auf unterschiedlichen Politikfeldern, so zeigt sich dabei, war Hitler immer wieder in der Lage, komplexe und verfahrene Situationen durch überraschende »Paukenschläge« in seinem Sinne neu zu ordnen. Mehr noch: Die Geschichte der NS-Diktatur aus der Perspektive des Mannes, der an der Spitze dieses Konstrukts stand, lässt Zusammenhänge zwischen den einzelnen Politikbereichen des sogenannten Dritten Reiches erkennen und eröffnet die Chance, die verschiedenen Spezialdiskurse der Historiker wieder zu einem an einer chronologischen Hauptachse orientierten Gesamtbild zusammenzufügen. So entsteht aus der Lebensgeschichte Hitlers die Geschichte seines Regimes.

Joachim Fests Diktum, Hitler sei im Grunde eine »Unperson« gewesen,6 ist charakteristisch für die weit verbreitete Neigung der Historiker, Hitler möglichst nicht auf einer »menschlichen« Ebene zu begegnen. Diese Biographie fußt stattdessen auf dem Ansatz, dass Hitler wie jeder Mensch eine Persönlichkeit besaß, dass diese Persönlichkeit bestimmte Konstanten, Entwicklungslinien und Brüche aufweist, die sich beschreiben und analysieren lassen, und dass diese Analyse der Persönlichkeit für eine Erklärung seiner politischen Karriere fruchtbar gemacht werden kann. Dieses persönliche Element spielte nicht nur bei wichtigen politischen Entscheidungen eine nicht zu unterschätzende Rolle, sondern bestimmte seine Politik insgesamt wesentlich mit. So mussten der tief in seiner Persönlichkeit angelegte Hang zu megalomanen Plänen und Projekten, aber auch seine Unfähigkeit, Demütigungen und Niederlagen zu akzeptieren, und sein daraus resultierender Reflex, auf befürchtete Hemmnisse und Widerstände mit einer Vernichtungsstrategie zu reagieren, die Verhaltensweisen des mit absoluter Macht ausgestatteten Diktators in verhängnisvoller Weise mitprägen. Dies ist, wenn es um Hitlers Ausübung dieser Macht geht, jeweils in angemessener Weise zu berücksichtigen, ohne seine Entscheidungsbildung und Politik auf diese persönlichen Faktoren zu verengen. Hitlers Psyche, sein Gefühlsleben, seine körperliche Existenz, sein Lebensstil, sein Umgang mit anderen etc. – diese Aspekte können die Analyse komplexer historischer Sachverhalte nicht ersetzen, aber auch nicht in voyeuristischer Perspektive in einem Sonderkapitel »Hitler privat« dargelegt werden. Vielmehr gilt es, sie als integralen Bestandteil dieser Persönlichkeit zu betrachten und da, wo es fruchtbar ist, in die Darstellung einzubeziehen.7

Hitler selbst hat durch sein autobiographisches Buch »Mein Kampf«, später mithilfe des nationalsozialistischen Propagandaapparates für eine erhebliche Stilisierung und Manipulation seiner eigenen Lebensgeschichte gesorgt. Hatte Hitler seine Vorkriegsjahre als Zeit des Selbststudiums beschrieben, das die Grundlagen für seine politische Karriere gelegt habe, so ist diese Version nach dem Zweiten Weltkrieg häufig umgedeutet worden in die Geschichte eines Gescheiterten, der in der provinziellen Enge von Linz, in den Elendsquartieren von Wien und in den Münchner Cafés die Ressentiments verinnerlichte, die er dann in seiner späteren Karriere ausgelebt habe. Doch auch diese Deutung unterstellt eine Konsequenz und Gradlinigkeit in Hitlers Entwicklung, für die es tatsächlich keine Evidenz gibt. Die spätere außergewöhnliche Karriere Hitlers – und dies ist hier der Fokus – lässt sich aus seinen ersten drei Lebensjahrzehnten nicht erklären. Daher gilt es, diese sorgsam gegen die späteren Umdeutungen und Überhöhungen abzugrenzen. Dann wird deutlich: Es handelt sich um nicht mehr als um die Geschichte eines Niemands.

Prolog: Ein Niemand

Ein Genie – so sah Adolf Hitler sich selbst, und so wollte er von anderen gesehen werden. Verkannt zunächst, habe er dank außergewöhnlicher Fähigkeiten, Willenskraft und Unbeirrbarkeit dennoch seinen vorgezeichneten Weg gemacht. In diese Deutung investierte Hitler ein beträchtliches Maß an Energie; sie steht im Zentrum einer Stilisierung seiner selbst, an der er und seine Anhänger sein Leben lang feilten. Zu diesen Bemühungen zählt auch Hitlers Versuch, seinen familiären Hintergrund zu verdunkeln und seine Kindheit und Jugend gleichsam als Vorschule für seine spätere Rolle als Politiker und »Führer« darzustellen. Dazu hatte er gute Gründe. Denn befreit man Hitlers frühe Lebensgeschichte von dieser nachträglichen »Sinnstiftung« und beschränkt sich auf die – relativ spärlichen – Angaben, die als gesichert gelten können, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Die Skizze, die sich aus diesen Fakten erstellen lässt, erlaubt Einblicke in die Persönlichkeitsentwicklung des jungen Hitlers; sie zeigt aber auch, dass seine ersten dreißig Lebensjahre seinen späteren Werdegang nicht einmal erahnen lassen.8

Hitlers Vorfahren stammten aus dem Waldviertel, einer land- und forstwirtschaftlich geprägten, ärmlichen Region im Nordwesten Niederösterreichs. In dem Ort Strones bei Döllersheim wurde 1837 Hitlers Vater Alois Schicklgruber als nichtehelicher Sohn der Maria Anna Schicklgruber geboren – und es mag Zufall sein oder auch nicht, dass beide Ortschaften vollkommen entsiedelt und zerstört wurden, als die Wehrmacht hier noch 1938, wenige Monate nach dem »Anschluss« Österreichs, einen großen Truppenübungsplatz anlegte.9 Ob Alois der Sohn des Müllergesellen Johann Georg Hiedler war, den Anna Schicklgruber 1842 heiratete und der 1857 starb, oder aber einer Verbindung mit dessen jüngerem Bruder, dem Bauern Johann Nepomuk Hiedler, entsprang, ist offen. Johann Nepomuk nahm jedenfalls den Jungen vermutlich schon vor dem frühen Tod der Mutter im Jahre 1847 in sein Haus in dem Dorf Spital auf und sorgte 1876 dafür, dass sein älterer Bruder in einem rechtlich äußerst zweifelhaften Verfahren mithilfe von drei Zeugen posthum zu Alois’ Vater erklärt wurde.10 Alois führte künftig den Namen Hitler, eine der in der Gegend üblichen Varianten von »Hiedler«. Die fragwürdige Legitimation (die anscheinend notwendig war, damit Alois 1888 schließlich Johann Nepomuk beerben konnte) hat immer wieder zu Spekulationen über die wahre Identität von Alois’ Vater geführt. 1932 etwa kam das Gerücht auf – und wurde als »Enthüllung« von Hitlers Gegnern gegen ihn verwendet11 –, Alois stamme eigentlich von einem jüdischen Erzeuger ab und sein Sohn Adolf sei damit nach eigenen Maßstäben mitnichten ein »reinrassiger Arier«. So hartnäckig sich diese Behauptung auch gehalten hat, sie entbehrt jeder Grundlage.12 Doch dass Hitler aufgrund dieser und anderer immer wieder auftauchenden Skandalgeschichten kein Interesse daran hatte, seine Familiengeschichte auszubreiten, lässt sich leicht nachvollziehen, zumal Johann Nepomuk auch der Großvater von Adolfs Mutter, Klara Pölzl, war. Angesichts der offenen Vaterschaftsfragen könnte Hitlers Urgroßvater mütterlicherseits demnach zugleich sein Großvater väterlicherseits gewesen sein.

Die Unübersichtlichkeit der Verwandtschaftsverhältnisse war für die ländlichen Unterschichten dieser Zeit allerdings nicht untypisch, und sie sollte sich auch in der nächsten Generation fortsetzen. Zunächst widmete Alois Hitler sich jedoch seinem beruflichen Fortkommen. Ursprünglich zum Schuhmacher ausgebildet, schaffte er den Aufstieg in den österreichischen Zolldienst und damit den Sprung in die Beamtenlaufbahn. Angesichts seiner dürftigen Bildungsvoraussetzungen absolvierte er hier eine ansehnliche Karriere, die ihn 1871 zunächst nach Braunau am Inn an der deutsch-österreichischen Grenze führte.13

Alois Hitler war insgesamt drei Mal verheiratet und hatte davor bereits außerehelich ein Kind gezeugt. Seine erste Ehe mit einer vierzehn Jahre älteren Frau scheiterte daran, dass sie hinter seine Affäre mit einer jungen Dienstmagd kam. Mit dieser lebte Alois zusammen, zeugte ein Kind – den 1882 geborenen Alois jr. –, heiratete sie nach dem Tod seiner Ehefrau und bekam mit ihr 1883 ein weiteres Kind, Tochter Angela. Im Jahr darauf erkrankte seine Frau schwer. Alois holte Klara, seine Nichte zweiten Grades, die schon einmal in seinem Haushalt als Magd gearbeitet hatte, zu Hilfe und zeugte mit ihr, noch bevor seine zweite Ehefrau starb, ebenfalls ein Kind. Im Januar 1885 wurde geheiratet – wegen der Verwandtschaft war ein päpstlicher Dispens erforderlich. Im Mai kam das erste Kind der beiden, Gustav, auf die Welt, gefolgt von Ida im nächsten Jahr und Otto im Jahr darauf. Im Winter 1887/88 verlor das Paar innerhalb kurzer Zeit alle drei der gemeinsamen Kinder. Otto verstarb kurz nach der Geburt, Gustav und Ida erlagen der Diphterie. Doch 1888 wurde Klara wieder schwanger und brachte am 20. April 1889 ihr viertes Kind zur Welt. Es erhielt den Namen Adolf.

1892 zog die Familie – Klara, Adolf und seine beiden Halbgeschwister – nach Passau, wohin Alois Hitler versetzt worden war. 1894 kam Edmund auf die Welt,14 und Klara und die Kinder blieben in Passau, als Alois 1894/95 sein letztes Dienstjahr in Linz verbrachte. Nach seiner Pensionierung zog es Alois zurück aufs Land. Er erwarb einen Hof in Hafeld bei Lambach als Alterssitz,15 verkaufte ihn jedoch bald wieder und ließ sich mit der Familie nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Lambach 1898 in einem eigenen Häuschen in Leonding bei Linz nieder.16 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Familienstruktur noch einmal verändert: 1896 war Tochter Paula geboren worden, im selben Jahr hatte aber auch der vierzehnjährige Alois jr. nach einem heftigen Streit mit dem Vater das Haus verlassen und war enterbt worden. Im Jahr 1900 starb Sohn Edmund an Masern.

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