Hohlbein Classics - Das Phantom der U-Bahn - Wolfgang Hohlbein - E-Book

Hohlbein Classics - Das Phantom der U-Bahn E-Book

Wolfgang Hohlbein

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Beschreibung

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe "Hohlbein Classics" versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Die Story: Wohl kaum einem Benutzer der Londoner Untergrundbahn ist bekannt, dass sich noch unter den Tunnels und Röhren, durch die im Minutenabstand die Züge mit ihrer lebenden Fracht hindurchdonnern, ein labyrinthartig verschlungenes und verwinkeltes Gangsystem befindet. Und die, die es wissen, sprechen nicht darüber. Denn was sie erzählen könnten, würde eine Panik auslösen. Das Gewirr der Gänge und Nebengänge ist nämlich eine Welt für sich, eine Welt die bewohnt ist von einer Kreatur, die schrecklicher ist, als das schlimmste Alptraumwesen. Es ist das Phantom der U-Bahn.

"Das Phantom der U-Bahn" erschien erstmals am 18.04.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe "Gespenster-Krimi":

Der Autor: Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

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Seitenzahl: 141

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Inhalt

CoverHohlbein ClassicsÜber diese FolgeÜber den AutorTitelImpressumDas Phantom der U-BahnVorschau

Hohlbein Classics

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe »Hohlbein Classics« versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Über diese Folge

Das Phantom der U-Bahn

Ein Gespenster-Krimi

Wohl kaum einem Benutzer der Londoner Untergrundbahn ist bekannt, dass sich noch unter den Tunnels und Röhren, durch die im Minutenabstand die Züge mit ihrer lebenden Fracht hindurchdonnern, ein labyrinthartig verschlungenes und verwinkeltes Gangsystem befindet. Und die, die es wissen, sprechen nicht darüber. Denn was sie erzählen könnten, würde eine Panik auslösen. Das Gewirr der Gänge und Nebengänge ist nämlich eine Welt für sich, eine Welt die bewohnt ist von einer Kreatur, die schrecklicher ist, als das schlimmste Alptraumwesen. Es ist das Phantom der U-Bahn.

»Das Phantom der U-Bahn« erschien erstmals am 18.04.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe »Gespenster-Krimi«.

Über den Autor

Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

WOLFGANG

HOHLBEIN

Das Phantom der U-Bahn

Ein Gespenster-Krimi Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Aktualisierte Neuausgabe der im Bastei Lübbe Verlag erschienenen Romanhefte aus der Reihe Gespenster-Krimi

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Esther Madaler

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von © shutterstock/Natykach Nataliia; shutterstock/Dmitry Natashin

E-Book-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-7325-1418-2

Das Phantom der U-Bahn

Ein Gespenster-Krimi von Henry Wolf

Der Himmel war mit grauen Wolken verhangen. Es war nicht kalt, aber die Straßen glänzten vor Nässe, und die gurgelnden Ströme in den Rinnsteinen schwollen langsam, aber beharrlich an. Die Abflüsse hatten es längst aufgegeben, das unablässig vom Himmel nachstürzende Wasser aufnehmen zu wollen. London schien allmählich in einem grauen, nebeligen Ozean zu versinken.

Lady Cynthia Gifford schüttelte entschieden den Kopf und hob rasch die Hand, als ihre Tochter den Arm nach dem Türgriff ausstrecken und aussteigen wollte. »Kind«, sagte sie geduldig, »du kannst doch unmöglich dort hinausgehen wollen.«

Zwischen Hillarys hübschen blonden Brauen entstand für den Bruchteil einer Sekunde eine missbilligende Falte. Natürlich wusste sie, was sich für eine Tochter aus so gutem Haus wie dem ihrer Eltern gehörte, und natürlich wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, ihrer Mutter in Gegenwart eines Dienstboten offen zu widersprechen, aber sie wusste auch genauso gut, dass Coco hinter der ersten Treppe auf sie warten und stinksauer werden würde, wenn sie ihn versetzte.

»Das bisschen Regen wird mich schon nicht gleich umbringen«, sagte sie ruhig. »Es sind doch nur ein paar Schritte.«

Lady Cynthia seufzte hörbar, wandte den Kopf und sah durch den strömenden Regen zu der breiten, steil in die Tiefe führenden Treppe hinunter. Das blaue Schild mit dem großen weißen »U« und der stilisierten Treppe darauf war hinter den schräg vor dem Wind treibenden Regenschleiern kaum zu erkennen. »Es geht nicht um den Regen«, antwortete sie, wenn auch in einem Tonfall, der deutlich machte, dass sie um die Nutzlosigkeit ihrer Bemühungen wusste, »sondern um diese schreckliche Untergrundbahn.« So, wie sie das Wort aussprach, hätte man denken können, es handele sich um etwas Anstößiges. »Überleg doch, Kind«, sagte sie geduldig. »All diese Leute dort unten! Und all der Schmutz und die schlechte Luft. Wie leicht kann dir etwas zustoßen! Außerdem ist die Vorstellung, dass eine Tochter des Hauses Gifford …«

»Sich unter den gemeinen Pöbel mischen und mit ihm U-Bahn fahren könnte, schrecklich?«, vollendete Hillary den Satz.

Ihrer Mutter entging der sarkastische Unterton in ihrer Stimme keineswegs, aber sie zog es vor, nicht darauf zu antworten. »Du könntest den jungen Mann herholen und ihn bitten, mit uns zu fahren. George wird euch gerne zu dieser Party chauffieren.«

Auf Hillarys Gesicht erschien ein Ausdruck, als hätte ihre Mutter allen Ernstes von ihr verlangt, an einem Sonntagvormittag nackt in den Buckingham-Palast zu stolzieren (obwohl sie das vielleicht noch eher getan hätte). Sie schluckte. »Coco?«, keuchte sie. »Coco und in einen Bentley steigen? Das meinst du doch nicht wirklich, wie? Ausgerechnet Coco, der die Attribute der aristokratischen Ausbeuterklasse hasst wie kein anderer?« Der Satz hörte sich ein wenig auswendig gelernt an, und tatsächlich war er es auch. Zum Entsetzen ihrer Eltern lernte Hillary in letzter Zeit mehr und mehr solcher Sätze auswendig.

»Papperlapapp«, machte ihre Mutter. »George wird hinübergehen und den jungen Mann rufen. Und auch, wenn er Bentleys nicht mag, wird er dieses kleine Opfer in Kauf nehmen, wenn er dich wirklich liebt.«

Diesmal war das Entsetzen auf Hillarys Zügen nicht mehr gespielt. »Liebt?«, wiederholte sie.

»Aber ich nehme doch an, dass ...«, begann Lady Cynthia, kam aber nicht mehr dazu, den Satz zu vollenden.

»Wie kommst du auf die Idee, dass er mich liebt?«, fragte Hillary schockiert.

»Aber ihr werdet doch darüber gesprochen haben, oder?«

»Darüber gesprochen?«, keuchte Hillary. »Ich bin doch nicht verrückt – Coco ist ein irrer Typ, und er steht auf mich, aber er würde doch glatt denken, ich wäre stoned, wenn ich plötzlich anfangen würde, von Liebe zu quatschen. Herrgott, Mutter, wir leben doch nicht mehr im achtzehnten Jahrhundert!« Sie schüttelte noch einmal den Kopf, öffnete die Tür und stieg ohne viel Federlesens aus dem Wagen. Regen peitschte in ihr Gesicht und begann ihr schwarzes schulterlanges Haar zu nassen Strähnen zu verkleben. »Mach dir bloß keine Sorgen um mich«, sagte sie zum Abschied. »Ich kann ganz gut auf mich allein aufpassen. Außerdem ist Coco ja bei mir. Er wird mich schon beschützen.« Sie nickte, warf die Tür ins Schloss und lief mit gesenktem Kopf zur U-Bahn-Station hinüber.

Lady Cynthia sah ihr wortlos nach, bis sie in der Tiefe verschwunden war. Dann seufzte sie, beugte sich im Sitz vor und tippte gegen die Trennscheibe, die die hinteren Sitzbänke des Wagens von der Chauffeurkabine trennte. »Schalten Sie die Heizung ein, George«, sagte sie. »Es ist kalt geworden.«

George nickte gehorsam, streckte die Hand nach dem Armaturenbrett aus und schaltete nacheinander Heizung, Scheibenwischer und Motor des Bentley ein. Aber er fuhr noch nicht los.

»Coco«, murmelte sie kopfschüttelnd. »Und was bedeutet überhaupt dieses Wort? Stoned? Wissen Sie, was dieses Wort bedeutet, George?«

George wusste es sehr gut, aber er hütete sich, dies zuzugeben. »Ich fürchte, nein, Mylady«, antwortete er.

Lady Cynthia nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. »Ich werde Sir Anthony danach fragen müssen«, sagte sie. »Gleich heute Abend. Erinnern Sie mich daran, George.«

George nickte. »Sehr wohl, Mylady. Soll ich jetzt ... losfahren? Sie haben in einer halben Stunde eine Verabredung zum Tee mit dem französischen Botschafter, wenn ich Sie daran erinnern darf.«

Lady Cynthia nickte abwesend. George legte umständlich den Gang ein, sah in den Rückspiegel und fuhr los. Die U-Bahn-Station versank langsam hinter ihnen in Nebel und Regen.

»Coco«, murmelte Lady Cynthia noch einmal. »Können Sie sich einen jungen Mann vorstellen, der Coco heißt, George?«

George nickte. »Ja, Mylady«, seufzte er. »Ich fürchte, das kann ich.«

***

Der Strahl der Taschenlampe strich langsam über feucht glänzenden Stein und rostiges Metall, riss einen winzigen, kreisförmigen Ausschnitt blendender Helligkeit aus der Schwärze und verlor sich schließlich irgendwo in samtschwarzer Dunkelheit.

»Sinnlos«, murmelte Stone. Seine Stimme erzeugte in der hohen, leeren Halle ein seltsam verzerrtes Echo. »Vollkommen sinnlos. Wir finden ihn nie.«

Ein zweiter Lichtkreis erschien neben dem Schein seiner Lampe, wandelte wie ein tastender Finger über den Boden und strich für einen Moment über sein Gesicht, ehe er erlosch. Stone blinzelte.

»Wir müssen weitersuchen«, sagte Hammersmith. Seine Stimme klang ebenso verzerrt wie Stones, aber es schien ein leiser Unterton von Verzweiflung darin mitzuschwingen. Vielleicht war es auch nur Erschöpfung. Sie waren jetzt seit fast vier Stunden hier unten, aber die Dunkelheit und die klamme Kälte zehrten an ihren Kräften, sodass sie den Eindruck hatten, bereits seit Tagen durch die ewige Nacht tief unter den Straßen Londons zu kriechen. Stone hob den Kopf, blinzelte zu der unsichtbaren Decke über sich empor und unterdrückte ein Schaudern. Er hatte den Plan nicht genau genug im Kopf, um wirklich zu wissen, wie weit sie bisher in die Tiefe gestiegen waren. Aber es mussten zwanzig, dreißig Meter sein. Und Stone hatte das Gefühl, das Gewicht von Felsen und Erdreich körperlich über sich zu fühlen.

»Wir nehmen den Seitengang dort hinten«, drang Hammersmiths Stimme in seine Gedanken. »Irgendwo hier müssen sie sein. Ein kompletter Bautrupp kann doch schließlich nicht vom Erdboden verschwinden, zum Teufel noch mal!«

»Vom Erdboden nicht, aber darunter«, knurrte Stone. »In diesem verdammten Rattenloch kann eine ganze Armee verschwinden, ohne dass du jemals eine Spur von ihr findest.« Er hob seine Lampe, ließ den Strahl über den Boden vor sich gleiten und stieß einen Fluch aus. Natürlich hatte Hammersmith recht – fünf Männer konnten nicht einfach verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen. Früher oder später würden sie darauf stoßen. Aber Stone hatte in den letzten Minuten immer mehr das Gefühl, ersticken zu müssen. Zum ersten Mal in seinem Leben spürte er, was Platzangst war.

»Versuch noch mal, Kontakt mit den anderen aufzunehmen«, sagte er mit einer Kopfbewegung auf das Walkie-Talkie an Hammersmiths Gürtel. »Vielleicht haben sie etwas gefunden.«

»Dann hätten sie sich gemeldet«, antwortete Hammersmith, griff aber trotzdem an den Gürtel und löste das Gerät aus der Halterung. Er drückte ein paarmal hintereinander den roten Rufknopf, schüttelte den Kopf und sah Stone an. »Geht nicht«, sagte er. »Wahrscheinlich zu viel Felsen um uns herum. Die Dinger sind schließlich nicht dazu gedacht, eine Expedition zum Mittelpunkt der Erde mitzumachen.« Er lachte leise, aber in Stones Ohren schienen die Worte einen seltsam hämischen, drohenden Unterton zu bekommen. Er arbeitete seit mehr als fünfzehn Jahren bei der Londoner Untergrundbahngesellschaft, aber er war noch nie so tief unten gewesen. Die Gänge, die sie in den letzten Stunden untersucht hatten, lagen tief unter dem Niveau der eigentlichen U-Bahn. Natürlich hatte er gewusst, dass es diese Ebenen gab – ein ganzes Labyrinth von Stollen und Gängen, zehn und mehr Meter unter dem Bereich, der für die Fahrgäste zugänglich war, aber bisher waren sie für ihn nicht mehr als ein abstrakter Begriff gewesen, Linien und Striche auf den großen Übersichtskarten an den Wänden seines Büros. Jetzt war er hier unten. Und jetzt hatte er Angst.

»Gehen wir weiter«, sagte Hammersmith. Er schaltete seine Lampe wieder ein und ging, die rechte Hand sichernd gegen die Wand gelegt, vor Stone den Gang hinunter. Stone folgte ihm zögernd. Er wollte nicht tiefer in dieses künstliche Labyrinth eindringen, aber der Gedanke, allein zurückzubleiben, erschien ihm unerträglich.

Sie erreichten eine Abzweigung und blieben stehen. Der hohe, halbrunde Hauptstollen verlief weiter geradeaus, aber nach rechts und links zweigten schmale, kaum anderthalb Meter hohe Seitengänge ab. Hammersmith ließ den Strahl seiner Lampe langsam über den Boden gleiten und wiegte den Kopf. Der Boden glitzerte vor Nässe. Von der Decke tropfte Wasser, und auf dem feuchten Stein wäre nicht einmal eine Spur zu entdecken gewesen, wenn vor ihnen eine ganze Armee darübergezogen wäre.

»Es bringt nichts, wenn wir ziellos herumsuchen«, sagte Stone in einem schwachen Versuch, Hammersmith zum Umkehren zu bewegen. »Wir verirren uns allerhöchstens selbst noch.«

Hammersmith sah auf und blickte ihm eine Sekunde lang fest in die Augen. »Du weißt genau, dass die Direktion nicht will, dass der Vorfall bekannt wird. Ist nicht gerade eine gute Reklame für uns, wenn rauskommt, dass ein kompletter Versorgungstrupp praktisch unter unserer Nase verschwinden kann, ohne dass wir wissen, warum, nicht?«

Stone schürzte trotzig die Lippen, aber Hammersmith fuhr unbeeindruckt fort. »Außerdem können wir nicht warten. Wenn wir Polizei und was weiß ich wen alarmieren, verlieren wir zu viel Zeit. Wenn den Jungs wirklich etwas zugestoßen ist, kommt es vielleicht auf jede Minute an.«

Stone schluckte die Antwort, die ihm auf der Zunge lag, herunter. Natürlich hatte Hammersmith recht. Die fünf Männer waren nicht irgendwelche unbekannten Namen auf einem Stück Papier, sondern ihre Kameraden, Kameraden, die Frauen und Kinder oben hatten. Wenn er selbst hier unten verschollen wäre, hätte jeder von ihnen das Gleiche für ihn getan.

Sie gingen weiter. Hammersmith blieb von Zeit zu Zeit stehen, um mit seiner Lampe in einen der regelmäßig auftauchenden Seitenstollen zu leuchten, wich aber nie vom Hauptgang ab. Selbst mit ihren Karten hätten sie sich hier unten verirren können. Die Katakomben, durch die sie sich bewegten, waren nicht auf einmal entstanden, sondern über Jahre und Jahrzehnte gewachsen. Eine große Zahl der Gänge und Schächte war auf keiner Karte mehr verzeichnet, und es mochte Teile geben, in die seit einem Jahrhundert kein Mensch mehr gekommen war.

Hammersmith blieb so abrupt stehen, dass Stone um ein Haar in ihn hineingerannt wäre.

»Was ...«, machte er, brach aber sofort ab, als Hammersmith seine Hand ergriff und schmerzhaft drückte. Im ersten Moment begriff er nicht ganz, was das für ein Ding war, das da still im Schein der Taschenlampe vor ihnen lag.

Und als er es erkannte, begann er zu schreien ...

***

Nach der Kälte und dem eisigen Wind draußen erschien ihr die Luft in der U-Bahn-Station ungewöhnlich warm. Auf dem von kaltem Neonlicht erhellten Bahnsteig drängten sich ungewöhnlich viele Menschen; mehr als sonst zu dieser Tageszeit. Wahrscheinlich hatten viele vor dem plötzlichen Regenschauer und dem schneidenden Wind hier unten Zuflucht gesucht. Der plötzliche Schlechtwettereinbruch würde der U-Bahn Rekordumsätze bescheren.

Hillary ging mit schnellen Schritten die Treppe hinunter, blieb auf der vorletzten Stufe stehen und hielt von ihrem erhöhten Standpunkt nach Coco Ausschau. Sie war ohnehin zu spät gekommen – George chauffierte den Bentley mit der Behäbigkeit eines Pferdekutschers, und Hillary konnte sich nicht erinnern, mit dem schweren Wagen jemals schneller als fünfzig gefahren zu sein, obwohl unter der silbergrauen Motorhaube etliche Pferdestärken schlummerten – und der kurze Disput mit ihrer Mutter hatte zusätzlich Zeit gekostet. Coco würde sauer sein. Aber darüber machte sich Hillary keine Sorgen; sie kannte eine Menge Tricks, um ihn bei Laune zu halten, darunter einige, die ihrer Mutter mit größter Wahrscheinlichkeit einen Herzinfarkt beschert hätten ...

Sie entdeckte den hochgewachsenen, schlanken Farbigen in einer Nische neben dem Fahrkartenschalter, winkte ein paarmal und ging mit einem Achselzucken weiter, als er nicht reagierte. Sie musste mehr als einmal ihre Ellbogen zu Hilfe nehmen, um sich durch die Menschenmenge zu ihm durchzukämpfen, und wahrscheinlich hinterließ sie in ihrem Kielwasser Dutzende von blauen Flecken und Verwünschungen.

Coco sah auf, als sie zu ihm trat. Für einen Moment spiegelte sich Unwillen auf seinem Gesicht, dann grinste er. »Du bist zu spät, Baby«, nuschelte er, ohne die Zigarette aus dem Mundwinkel zu nehmen.

Hillary schnüffelte. Selbst in der stickigen Luft hier unten konnte sie deutlich den süßlichen, schweren Geruch ausmachen, den die Zigarette verströmte.

»Schwarzer Türke?«, fragte sie.

Cocos Grinsen wurde noch breiter. » Allerbeste Ware. «, flötete er. » Tweety hat grad gestern eine neue Lieferung reinbekommen.« Er zog die Nase hoch, nahm die Zigarette aus dem Mund und hielt sie ihr hin. »Auch ’n Zug?«

Hillary schüttelte hastig den Kopf. »Nicht hier«, sagte sie. »Meinen alten Herrn trifft glatt der Schlag, wenn ich auf offener Straße beim Kiffen erwischt werde.«

»Ist ja keine offene Straße«, grinste Coco. »Nun nimm schon. Stell dich nicht so an. Nachher auf der Party gibt’s die besseren Sachen.«

Hillary drückte seine Hand mit sanfter Gewalt beiseite, zog ihn aus der Nische heraus und hakte sich bei ihm unter. »Jetzt nicht«, sagte sie bestimmt. »Und du solltest besser auch aufhören. Die Bullen sind in letzter Zeit verdammt hinter dem Zeug her. Und denen, die es verkaufen«, fügte sie hinzu.

Coco nahm einen tiefen Zug aus seinem Joint, zog abermals die Nase hoch und sah Hillary durchdringend an. »Woher weißt du das?«, fragte er. »Von deinem Alten?«

Hillary nickte. »Ich habe erst gestern Abend gehört, wie er sich mit Mutter darüber unterhalten hat. Das Drogenunwesen hat erschreckende Ausmaße angenommen, speziell hier in London. Sie wollen ein Sonderkommando aufstellen, das sich darum kümmert. Lauter Spezialisten.«

»Wie niedlich«, grinste Coco. »Kann mir richtig vorstellen, wie sie zwei Dutzend Möchtegern-James-Bonds auf die Stadt loslassen. Die Jungs werden sich schieflachen.« Er schüttelte den Kopf, nahm einen letzten Zug aus seiner Zigarette und schnippte die Kippe dann über die Bahnsteigkante. »Aber das ist mal wieder typisch«, fuhr er in verändertem Tonfall fort. »Wenn sich ein paar von den Jungs mal einen Joint reinziehen, um dieser beschissenen Welt wenigstens ein paar Farben abzugewinnen, dann fahren sie gleich mit großem Geschütz auf. Sonderkommandos, ha! Aber die großen Bosse, die sich Millionen einstecken und andere für sich schuften lassen, die lassen sie laufen, nicht? Sieh dir nur deinen Alten an, der ist gleich das beste Beispiel. Der hat doch in seinem ganzen Leben noch keine Stunde ehrlich gearbeitet, da möcht ich wetten! All diese Bonzen, die mit ihren fetten Ärschen in fetten Autos hocken und schon allein dafür Geld kassieren, dass sie in ihren Direktionsetagen rumsitzen und nichts tun. Das sind doch die richtigen Verbrecher. Aber denen geschieht nichts. Im Gegenteil – sie werden noch dafür belohnt. Kriegen Orden und was weiß ich. Und im Fernsehen schwingen sie dann große Reden, dass es mit unserem Land bergab geht und die Jugend verkommt und ...«