Hohlbein Classics - Merlins böses Ich - Wolfgang Hohlbein - E-Book

Hohlbein Classics - Merlins böses Ich E-Book

Wolfgang Hohlbein

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe "Hohlbein Classics" versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Die Story: Anderthalb Jahrtausende waren vergangen, seit der Magier zum letzten Schlaf niedergelegt worden war, doch nun war etwas geschehen, das den Bann der keltischen Magie, die seinen Körper vor dem Verfall bewahrt hatte, zerbrach. Weit entfernt und von unbefugter Zunge gesprochen, war uralte Magie zum Leben erweckt worden. Der Spruch, wenn auch zur falschen Zeit und am falschen Ort und nur unvollständig aufgesagt, zeriss den unsichtbaren Schirm, der den Körper des Toten mit magischer Kraft eingehüllt hatte. MERLIN ERWACHTE! Und mit ihm ein Wesen, dessen Wirken die Welt in ihren Grundfesten erschüttern sollte.

"Merlins böses Ich" erschien erstmals am 15.11.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe "Gespenster-Krimi".

Der Autor: Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 151

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverHohlbein ClassicsÜber diese FolgeÜber den AutorTitelImpressumMerlins böses IchVorschau

Hohlbein Classics

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe »Hohlbein Classics« versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Über diese Folge

Merlins böses Ich

Ein Gespenster-Krimi

Anderthalb Jahrtausende waren vergangen, seit der Magier zum letzten Schlaf niedergelegt worden war, doch nun war etwas geschehen, das den Bann der keltischen Magie, die seinen Körper vor dem Verfall bewahrt hatte, zerbrach. Weit entfernt und von unbefugter Zunge gesprochen, war uralte Magie zum Leben erweckt worden. Der Spruch, wenn auch zur falschen Zeit und am falschen Ort und nur unvollständig aufgesagt, zeriss den unsichtbaren Schirm, der den Körper des Toten mit magischer Kraft eingehüllt hatte. MERLIN ERWACHTE! Und mit ihm ein Wesen, dessen Wirken die Welt in ihren Grundfesten erschüttern sollte.

»Die Merlins böses Ich« erschien erstmals am 15.11.1982 unter dem Pseudonym Henry Wolf in der Reihe »Gespenster-Krimi«.

Über den Autor

Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

WOLFGANG

HOHLBEIN

Merlins böses Ich

Ein Gespenster-Krimi Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Aktualisierte Neuausgabe der im Bastei Lübbe Verlag erschienenen Romanhefte aus der Reihe Gespenster-Krimi

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Esther Madaler

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von © shutterstock/Natykach Nataliia; shutterstock/Dmitry Natashin

E-Book-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-7325-1417-5

Merlins böses Ich

Ein Gespenster-Krimi von Henry Wolf

Der Raum lag tief unter der Erde, zugedeckt von der zeitlosen Stille der schottischen Hochmoore, ein gleichmäßig geformter Würfel mit etwas mehr als sechs Metern Kantenlänge und fünf Meter tief. Mehr als anderthalb Jahrtausende waren vergangen, seit die schwere, steinerne Deckplatte das Grab verschlossen hatte, und seit dieser Zeit hatten kein Laut, kein Lichtschimmer den ewigen Schlaf des Toten gestört. Der Raum war leer bis auf einen niedrigen grauen Block aus poliertem Basalt. Die Wände waren sonderbar glatt und ebenmäßig, als wären sie geschliffen und mit einer hauchdünnen Schicht aus unsichtbarem Glas überzogen. Er war nicht nur Grab, sondern gleichzeitig Zuflucht, eine Trutzburg, in der der schmale, sorgfältig aufgebahrte Leichnam selbst dem Ansturm der Jahrtausende unbeschadet trotzen konnte. Sein Körper war unbeschädigt wie am ersten Tag, und das asketische, von Falten und Linien durchzogene Gesicht vermittelte eher den Eindruck eines Schlafenden als den eines Toten. Eine schwarze, eng anliegende Metallkappe bedeckte seinen Schädel und zog sich in einer dreieckigen Spitze bis tief in die Stirn, was den ansonsten sanften Zügen ein leicht diabolisches Aussehen verlieh. Die Hände waren auf der Brust gefaltet, und der Körper steckte in einem einfachen, sackähnlichen Gewand, das so schmucklos wie der Rest des Grabes war.

Anderthalb Jahrtausende waren vergangen, seit der Magier zum letzten Schlaf niedergelegt worden war, doch nun war etwas geschehen, was den Bann der keltischen Magie, die seinen Körper vor dem Verfall bewahrt hatte, brach. Weit entfernt und von unbefugter Zunge gesprochen, war uralte Magie zum Leben erweckt worden. Der Spruch, wenn auch zur falschen Zeit und am falschen Ort und nur zum Teil aufgesagt, zerriss den unsichtbaren Schirm, der den Körper des Toten mit magischer Kraft eingehüllt hatte.

Ein fahles grünliches Licht breitete sich in der Kammer aus. Der Körper des Toten schien zu zucken, sich gegen die unsichtbaren Kräfte, die aus einer anderen Dimension in ihn hineinflossen, zu wehren, dann flackerten seine Augenlider, und der Blick seiner schmalen grauen Augen wanderte unsicher und verwirrt über die polierte Steinplatte, die die Decke seines Grabes bildete. Erinnerungen zuckten in seinem Bewusstsein auf, Schemen und Bilder aus einem Leben, das anderthalb Jahrtausende zurücklag. Aber die Erinnerungen waren unvollständig, bruchstückhaft, so unvollständig wie der Spruch, der ihn geweckt hatte.

Er stöhnte, ein leiser, qualvoller Laut, der von den schimmernden Wänden auf bizarre Weise gebrochen und zurückgeworfen wurde. Seine Hände zuckten, ballten sich zu Fäusten und öffneten sich wieder.

Das grüne Licht verstärkte sich, flackerte, und auf den vorher noch glatten Wänden erschien plötzlich ein verwirrendes Muster kabbalistischer Linien und Zeichen. Aber auch dieses Muster war unvollständig, zerstört und verwischt.

Der Magier richtete sich auf seinem steinernen Bett auf und betrachtete seine Hände. Die Haut war alt und runzelig, aber noch zeichnete sich der Tod, der sich bereits in seinem Körper eingenistet hatte, nicht darauf ab.

Noch ...

Doch er spürte, wie die Zeit verrann, unerbittlich und stetig. Eintausendfünfhundert Jahre lang hatte ihn der Mantel der Magie vor dem Weg alles Sterblichen beschützt, doch nun war dieser unsichtbare Schild geborsten, zerbrochen aus Leichtsinn oder Unwissenheit. Und so, wie der Spruch nur einen Teil seiner Lebensgeister erweckt hatte, hatte er auch nur einen Teil seines Bewusstseins aus den Tiefen des Todes emporgerissen. Er war erwacht, aber er war nicht viel mehr als ein Schatten seines früheren Ichs, ein negativer, böser Abklatsch des weisen und gütigen Magiers, der er einmal gewesen war, einzig beseelt von dem Wunsch, den Menschen zu finden, der die Beschwörungsformel gesprochen hatte, und den Schaden wiedergutzumachen. Bereits jetzt spürte er, wie der Tod seine knöcherne Hand nach ihm ausstreckte, um ihn endgültig in sein lichtloses Reich zu zerren.

Aber er hatte eine Chance. Eine winzige Chance nur, wenige Tage oder auch nur Stunden, in denen seine Kraft noch reichen mochte, dem Drängen des Knochenmannes zu trotzen. Und wenn er auch nur noch einen Teil seiner Erinnerungen besaß und seine Kraft auf eine Winzigkeit dessen zusammengeschrumpft war, worüber er früher verfügt hatte, so besaß er noch immer genügend Macht, den zu suchen, der ihn erweckt hatte, und alles wieder in Ordnung zu bringen.

Oder sich an ihm zu rächen ...

Er stand auf, schwankte einen Moment und verharrte dann reglos. Worte fielen ihm ein, die letzten Worte, die er in seinem früheren Leben zu Lancelot gesprochen hatte.

»Ich bin nicht mehr als ein Traum«, hatte er gesagt.

»Für die einen ein Traum, doch für die, die sich mir in den Weg stellen, werde ich zum Albtraum!«

Aber selbst er ahnte in diesem Moment noch nicht, wie sehr sich diese Worte bewahrheiten sollten.

Einen Moment lang verharrte sein Körper reglos neben dem Basaltblock, dann flimmerte die Luft in der Kammer, als würde sie plötzlich erhitzt, und der Körper verschwand.

Wieder breiteten sich Stille und Dunkelheit in der Grabkammer aus. Und doch hatte sich etwas verändert. Etwas, das ungeheure Konsequenzen haben konnte, obwohl es auf der ganzen Welt nicht einen Menschen gab, der davon wusste ...

MERLIN WAR ERWACHT!

***

Es begann bereits zu dämmern, und das Licht, das durch die schmalen, im Laufe der Jahre blind gewordenen Scheiben hineinsickerte, war grau und trübe geworden, sodass das Zimmer von huschenden Schatten und einem Gefühl von Kälte und Feuchtigkeit erfüllt zu sein schien. Unten auf dem Hof, acht Stockwerke unter der schäbigen Zweizimmerwohnung, lärmten noch einige Kinder. Ihre Stimmen vermischten sich mit dem Verkehrslärm und den Geräuschen der langsam erwachenden Bars und Nachtklubs auf der anderen Seite des Straßenzuges und drangen gedämpft durch die Scheiben.

Wilburn sah von seinem Buch auf, blinzelte aus müden, geröteten Augen zum Fenster und stand dann auf, um zur Tür zu schlurfen und das Licht einzuschalten. Unter der Decke glomm eine schwache Glühbirne auf und kämpfte vergeblich gegen die hereindrängenden Schatten an. Wilburn sah auf die Uhr, schüttelte mit einem bedauernden Blick auf das aufgeschlagene Buch auf dem Tisch den Kopf und schlich mit hängenden Schultern in die Küche. Um sein Abendessen zuzubereiten. Wie auch in den beiden anderen Räumen der winzigen Dachwohnung war hier jeder freie Quadratzentimeter der Wände mit Regalbrettern voller Bücher und Papiere vollgestopft, und ein muffiger Bibliotheksgeruch hing in der Luft. Wilburns Leben bestand nur aus Büchern. Er war Angestellter in der Staatlichen Bibliothek, aber auch zu Hause verbrachte er jede freie Sekunde mit seinen geliebten Büchern und trennte sich nur äußerst widerwillig davon, um sich etwas zu essen zu machen oder zu schlafen. Selbst wenn er nicht las, stöberte er fast ununterbrochen darin herum, sortierte seine im Laufe der Jahrzehnte auf gewaltige Ausmaße angewachsene Sammlung nach immer wieder neuen Systemen um und außer, um zur Arbeit zu gehen oder einzukaufen, verließ er seine Wohnung praktisch nur, um in irgendwelchen Antiquariaten nach Schätzen zu fahnden, die in seiner Sammlung noch fehlten. Und selbst jetzt, als er den Gasherd einschaltete, Fett in die Pfanne tat und sorgfältig zwei Eier aufschlug, weilten seine Gedanken beim Inhalt des Buches, in dem er gerade gelesen hatte. Er rührte die Eier in die Pfanne und starrte sekundenlang in die blaue Gasflamme, ehe er mit umständlichen Bewegungen nach dem Salzstreuer griff, der auf einem kleinen Bord direkt über dem Herd neben einer schweren Keramiktasse, einem in eine Plastikserviette eingedrehten Essbesteck und einem bemalten Porzellanteller stand; sein gesamter Bestand an Essbesteck. Er brauchte nicht mehr. Er bekam nie Besuch, da er keine Freunde hatte und auch sonst niemanden kannte.

Ein leises Geräusch ließ ihn aufblicken. Wilburn runzelte die Stirn, wandte sich halb um und blickte eine Sekunde lang zum Wohnzimmer hinüber. Das Geräusch wiederholte sich nicht, aber er war sicher, es gehört zu haben: ein Schleifen und Schaben, als würde ein schwerer Gegenstand über den nackten Holzboden gezogen. Er überlegte einen Augenblick lang, sah dann auf seine Pfanne hinab – die Eier begannen bereits fest zu werden, aber für einen Moment konnte er sie schon ohne Aufsicht lassen – und ging dann langsam zur Tür. Misstrauisch blickte er sich in dem kleinen, mit Regalen und Papierstapeln vollgestopften Raum um. Es war niemand da, natürlich nicht. Er schloss stets hinter sich ab, wenn er die Wohnung betrat, und selbst wenn er es einmal vergessen sollte, würde nichts geschehen. Das Haus lag in einem der schäbigsten Viertel Londons, aber sogar die Gassenjungen unten auf der Straße wussten, dass bei ihm nichts zu holen war. Im Laufe der Jahrzehnte, die er jetzt hier lebte, hatte er sich einen gewissen Ruf als Sonderling eingehandelt. Er wusste davon, aber es störte ihn nicht. Im Gegenteil; es half ihm, seine geliebte Einsamkeit zu erhalten.

Er zuckte die Achseln, drehte sich erneut um und ging zum Herd zurück. Die Eier waren fertig. Er drehte das Gas ab, ruckelte ein bisschen am Pfannenstiel, damit die Eier nicht ansetzten, und begann, mit umständlichen, sorgfältigen Bewegungen Teeblätter in das Sieb zu zählen.

Das Geräusch wiederholte sich.

Wilburn fuhr wie von der Tarantel gestochen herum. Diesmal war er absolut sicher, sich nicht getäuscht zu haben. Und diesmal hatte er das Geräusch auch deutlich identifiziert.

Es waren Schritte ...

Aber er war doch allein in der Wohnung.

Er zögerte, schluckte ein paarmal und ging dann, mit einem schartigen Küchenmesser zum Schutz gegen eventuelle Einbrecher bewaffnet, aus der Küche.

Das Wohnzimmer war – leer wie beim ersten Mal, aber Wilburn spürte einfach, dass er nicht allein war. Mit dem gleichen sicheren Empfinden, das einen Blinden spüren lässt, wenn ein anderer Mensch in seiner Nähe ist, merkte Wilburn, dass außer ihm noch jemand im Zimmer war.

Jemand – oder etwas.

Wilburns Herz begann, schnell und schmerzhaft zu pochen. Er war ein ängstlicher Mensch, und allein der Gedanke an Gewalt bereitete ihm Übelkeit. Aber er spürte einfach, dass da irgendetwas war, das sich ihm näherte, unsichtbar, langsam, aber unaufhaltsam, und irgendwoher nahm er auch die Gewissheit, dass er nicht weglaufen konnte. Die Tür war nur ein paar Schritte entfernt, aber er wusste, dass er sie nicht erreichen würde.

Irgendetwas geschah mit dem Licht. Der gelbe Schein der Glühlampe schien mit einem Mal zu verblassen, und vor den Fenstern zog eine Dunkelheit auf, die keines natürlichen Ursprunges mehr war. Die Schatten im Zimmer wurden dunkler und massiger und schienen sich zusammenzuballen, ungewisse Formen und Umrisse anzunehmen.

»Wer ... wer ist da?«, keuchte Wilburn. Seine Stimme zitterte, und in seiner Brust machte sich ein scharfer, stechender Schmerz bemerkbar. Die Atemzüge brannten plötzlich in seiner Kehle, und auf seiner Zunge lag ein bitterer Geschmack. »Ist ... ist da jemand?«, fragte er noch einmal. Sein Blick sog sich an der dunklen Erscheinung in der Zimmermitte fest. Sie wirkte wie eine Wolke, ein schwarzes Nichts, lebendig gewordene Schatten, die sich allmählich zu menschenähnlichen Umrissen zusammenzuballen begannen. Wilburn keuchte, ließ das Messer fallen und wich entsetzt zur Küchentür zurück. Die Schatten verdichteten sich weiter, wurden dunkler und schwärzer.

»Mein Gott ...«, stöhnte Wilburn. »Was ... was ist das?« Er wich weiter zurück, halb wahnsinnig vor Angst und Entsetzen und unfähig, den Blick von der nachtschwarzen Gestalt zu nehmen.

»Wilburn!«, dröhnte eine tiefe, vibrierende Stimme. »Du bist es, den ich gesucht habe! Komm zu mir!«

Wilburn stöhnte. Eine unsichtbare Gewalt schien nach seinem Körper zu greifen. Gegen seinen Willen begann er, sich mit steifen, mechanischen Schritten in Bewegung zu setzen, und trabte auf die Erscheinung zu. Die Wolke hatte inzwischen die Umrisse eines Menschen angenommen, und während er näher kam, erkannte er mehr Einzelheiten. Es war ein Mann – klein, schmalschultrig und von undefinierbarem Alter. Er trug ein langes, bis auf die Knöchel herabfallendes Gewand, das von einem dünnen Gürtel aus silbernen Fäden zusammengehalten wurde, und auf seinem Kopf saß eine schwarze dreieckige Metallkappe. Wilburn keuchte, als ihn der Blick der dunklen, durchdringenden Augen des Mannes traf. Ein ganzes Kaleidoskop der verschiedenartigsten Empfindungen schien sich in diesem Blick zu spiegeln: Hass, Angst, Wut, aber auch Weisheit und Güte, so widersprüchlich dies schien. Und noch etwas, etwas, was Wilburn einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Ein Hauch von Ewigkeit. Diese Augen waren alt, unglaublich alt.

Wilburn raffte all seinen Mut zusammen und versuchte, eine einigermaßen sichere Haltung einzunehmen, als er vor dem Mann stehen blieb. Es misslang kläglich.

»Wer ... wer sind Sie?«, stotterte er.

Der Mann lächelte, aber es war ein eigenartiges Lächeln, bei dem sich nur die Züge seines Gesichts veränderten. Seine Augen blieben hart.

»Du weißt es nicht?«

Diesmal sah Wilburn deutlich, dass sich die Lippen des Mannes beim Sprechen nicht bewegten. Die Stimme schien direkt in seinem Bewusstsein zu entstehen,

»Du weißt es wirklich nicht, Wilburn? Du warst es doch, der mich rief.«

»Ich?«, keuchte Wilburn entsetzt. »Aber ... ich ... ich verstehe nicht ... was ...«

»Deine Stimme war es, die den uralten Bannspruch brach und mich aus meinem ewigen Schlaf erweckte«, fuhr die geisterhafte Stimme hinter seiner Stirn fort.

Wilburns Gedanken überschlugen sich. Eine vage Ahnung stieg in ihm empor, aber der Gedanke entschlüpfte ihm, bevor er ihn fassen konnte.

»Ich werde dir helfen, dich zu erinnern«, sagte die Stimme. »Es ist schon lange her, jedenfalls in euren Zeitmaßstäben gemessen. Jemand gab dir ein Buch. Ein Buch, das nicht in die Hände Unwissender gehört. Erinnerst du dich?«

Wilburn schüttelte verzweifelt den Kopf. Er spürte, wie sich tief in ihm eine Erinnerung regte, aber in seinem Bewusstsein herrschte ein heilloses Chaos. »Ich ... ich weiß nicht ...«, sagte er unsicher. »Wer ... wer sind Sie? Und was wollen Sie von mir?«

Die Lippen der Erscheinung verzogen sich zu einem halb spöttischen, halb ungeduldigen Lächeln.

»Ich will dir noch weiter helfen, denn ich sehe, dass dich mein Erscheinen sehr erschreckt hat. Aber du hast nichts zu befürchten, wenn du tust, was ich von dir verlange. Du kennst mich, Wilburn. Mein Name ist Merlin.«

Der andere nickte.

»Aber ... aber das ist ... unmöglich«, stotterte Wilburn. »Du bist doch nur eine Sage ... ein Märchen, das …«, seine Stimme versagte.

»Ihr Menschen habt mich zur Sage werden lassen«, erwiderte Merlin ruhig. »Aber einst gab es eine Zeit, in der ich lebte. Ich war ein Mensch wie alle anderen auch. Bis ich mit Mächten in Kontakt kam, die so weit über den Menschen stehen wie ihr über den Ameisen. So wurde ich zum Magier und zum Wächter der Zeiten ...«

Wilburn schüttelte verwirrt den Kopf. »Dann ... dann stimmen die alten Legenden?«, keuchte er. »Die Artussage ist wahr?«

»Zum Teil, Wilburn. Was meine Person betrifft, so habe ich dafür gesorgt, dass sich Wahrheit und Legende so weit vermischt haben, dass niemand mehr zu sagen weiß, was nun stimmt und was nicht. Denn ich lebte schon lange vor Artus’ Zeiten, und es ist meine Bestimmung, auch weiter über diese Welt zu wachen.«

»Dann bist du damals nicht gestorben?«, keuchte Wilburn.

Merlin lächelte. »Nicht wirklich, Wilburn. Die Menschen hielten mich für tot, und ich hatte dafür gesorgt, dass sie meinen Körper an einen Ort brachten, an dem er die Zeiten unbeschadet überstehen konnte. Die Kräfte der Magie, die mir verliehen wurden, bewahrten ihn vor dem Verfall. In gewissem Sinne bin ich vielleicht das, was ihr Menschen unsterblich nennt, ohne dass ihr wisst, worüber ihr sprecht. Aber dieser magische Schutz ist nun erloschen. Du hast den Bannspruch, der mich vor dem Tode beschützt, zerstört, Wilburn.«

»Ich?«, keuchte Wilburn. »Aber ich habe nichts getan! Ich glaube nicht an Magie, und ich habe mich noch nie damit beschäftigt!«

Merlin unterbrach ihn mit einer unwilligen Handbewegung, und die geistige Stimme schien plötzlich schärfer zu klingen, als er fortfuhr. »Du wusstest nicht, was du tatest. Ein Mann kam zu dir und gab dir ein Buch, und du zitiertest einen Teil des Spruches, der allein in der Lage ist, mich zu erwecken. Doch nur einen Teil. Ich erwachte, aber ich erwachte als der, der ich wirklich bin — ein sterblicher Mensch, der dem Tod seit zehntausend Jahren ein Schnippchen geschlagen hat. Du musst das Buch finden und den magischen Spruch vollständig aufsagen, wenn du mich retten willst. Ich verfüge noch über einen Teil meiner Kraft, aber ich spüre bereits, wie sie versiegt. In wenigen Tagen wird es zu spät sein. Ich werde dann wirklich und endgültig sterben, Wilburn. Das allein wäre nicht schlimm, denn ich habe lange genug gelebt, und es gibt andere wie mich, die über euer Schicksal wachen werden. Doch die Beschwörungsformel, die du versehentlich zitiert hast, erweckte nun einen Teil meines Selbst zum Leben. Wenn ich sterbe, wird dieser Teil weiterexistieren, und unglaubliches Leid wird über euch und euer Land kommen.«

»Ich ... verstehe nicht, was du meinst«, stotterte Wilburn.

»Gut und b