Hohlbein Classics - Schwingen des Todes - Wolfgang Hohlbein - E-Book

Hohlbein Classics - Schwingen des Todes E-Book

Wolfgang Hohlbein

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Beschreibung

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe "Hohlbein Classics" versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.


Die Story: Goldsmith blieb abrupt stehen. Fassungslos starrte er auf seine Tauben. Der Eimer mit dem Körnerfutter entglitt seinen kraftlos gewordenen Fingern und polterte zu Boden. Doch selbst bei diesem Geräusch zeigten die Vögel keine Regung. Starr wie Puppen hockten sie auf ihren Stangen und stierten auf Goldsmith herab. Und in ihren kleinen, schwarzen Augen flammte plötzlich ein Höllenfeuer auf ... Ein Taubenschlag, von Moron infiziert, wird zum Hort des Schreckens. In den Vögeln wächst etwas heran, das zur tödlichen Bedrohung werden soll. Unter dem grauen Gefieder regen sich Wesen, die nur auf ein Ziel abgerichtet sind: zu töten!

"Schwingen des Todes" erschien erstmals am 04.09.1984 unter dem Pseudonym Henry Wolf als Teil der "Damona-King"-Serie in der Reihe "Gespenster-Krimi".


Der Autor: Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.


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Inhalt

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Hohlbein Classics

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe »Hohlbein Classics« versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Über diese Folge

Schwingen des Todes

Ein Gespenster-Krimi

Goldsmith blieb abrupt stehen. Fassungslos starrte er auf seine Tauben. Der Eimer mit dem Körnerfutter entglitt seinen kraftlos gewordenen Fingern und polterte zu Boden. Doch selbst bei diesem Geräusch zeigten die Vögel keine Regung. Starr wie Puppen hockten sie auf ihren Stangen und stierten auf Goldsmith herab. Und in ihren kleinen, schwarzen Augen flammte plötzlich ein Höllenfeuer auf ... Ein Taubenschlag, von Moron infiziert, wird zum Hort des Schreckens. In den Vögeln wächst etwas heran, das zur tödlichen Bedrohung werden soll. Unter dem grauen Gefieder regen sich Wesen, die nur auf ein Ziel abgerichtet sind: zu töten!

»Schwingen des Todes« erschien erstmals am 04.09.1984 unter dem Pseudonym Henry Wolf als Teil der »Damona-King«-Serie in der Reihe »Gespenster-Krimi«.

Über den Autor

Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

WOLFGANG

HOHLBEIN

Schwingen des Todes

Ein Gespenster-Krimi Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Aktualisierte Neuausgabe der im Bastei Lübbe Verlag erschienenen Romanhefte aus der Reihe Gespenster-Krimi

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Esther Madaler

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von © shutterstock/Natykach Nataliia; shutterstock/Dmitry Natashin

E-Book-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-7325-1429-8

Schwingen des Todes

von Henry Wolf

Die weiße Hexe ist eine begehrenswerte Frau. Doch Dämonen haben keinen Sinn für Schönheit. Ihre Ziele sind Chaos und Verderben. DAMONA stellt sich auf die Seite der Menschen, kämpft in fernen Zeiten und Dimensionen für das Licht. Ihre Waffen sind ein HEXENHERZ – und ihre Weiblichkeit ..,

Etwas war anders als sonst. Goldsmith konnte das Gefühl nicht in Worte kleiden, aber er spürte deutlich, dass irgendetwas nicht so war, wie es sein sollte, als er an diesem Morgen den Taubenschlag betrat.

Verwirrt sah er sich um. Durch die rechteckigen Plexiglasplatten im Dach strömte helles Sonnenlicht herein und ließ den Staub, den er bei seinem Eintreten aufgewirbelt hatte, in allen Farben des Regenbogens leuchten. Nichts schien sich verändert zu haben, nicht sichtlich, und doch ...

Es dauerte einen Moment, bis Goldsmith spürte, was es war: Es war zu still!

Goldsmith sah mit einer abrupten Bewegung auf. Die Tauben saßen, säuberlich aufgereiht, nebeneinander auf ihren Stangen, alle achtundvierzig Tiere. Aber nicht ein einziges von ihnen gab auch nur den geringsten Laut von sich. Stumm, reglos, wie mitten in der Bewegung erstarrte Puppen hockten sie auf ihren Stangen und stierten aus brennenden Augen auf ihn herab ...

Das Haus lag in einem Viertel der Stadt, das in keinem Fremdenverkehrskatalog auftauchte und um das selbst Einheimische einen großen Bogen machten, wenn sie nicht unbedingt hierher mussten. Nur ein Teil der Häuser war überhaupt noch bewohnt; der andere, größere, war schon seit Jahren oder auch Jahrzehnten verlassen. Ruinen, die allmählich verfielen, weil das Leben aus ihnen geflohen war.

Ein vierstöckiger, wuchtiger Bau, der früher sicher einmal prachtvoll gewesen war, ein wuchtiger rechteckiger Klotz mit großen Fenstern und breiten, jetzt zum Teil bereits eingestürzten Balkonen, lag ein Stück von der Straße zurück, am Ende eines lang gestreckten, rechteckigen Grundstückes. Vielleicht war es früher einmal ein Vorgarten gewesen, jetzt aber, übersät mit Abfällen und Unrat, diente es den Anwohnern der Gegend als Müllkippe. Ein verrosteter Ford Transit stand schräg wie ein gestrandetes Schiff vor dem verfallenen Eingang, und in den Fenstern hatten längst Spinngewebe die Stelle der zerbrochenen Scheiben eingenommen. Wie viele Häuser in der Nachbarschaft war auch dieses verlassen.

Trotzdem war es nicht leer. Das Geräusch zahlloser hastiger Schritte und das Durcheinander dutzender von Stimmen erfüllte seine staubigen Räume und Korridore, und durch die halbdunklen Räume geisterte der Schein greller Handlampen und vertrieb die Ratten und Spinnen, die bisher hier ein ruhiges Versteck gefunden hatten. Auf dem Grundstück vor dem Haus parkte ein halbes Dutzend Polizeiwagen, und Männer in den schwarzen Uniformen der Londoner City-Police hasteten geschäftig hin und her. Die Straße war in weitem Umkreis abgesperrt, aber selbst das große Aufgebot an Männern und Fahrzeugen konnte nicht verhindern, dass immer wieder Neugierige durch die Maschen schlüpften oder sich dem Haus auf Wegen näherten, die nur ihnen bekannt waren.

Inspektor Berry runzelte unwillig die Stirn. Er fror in dem dünnen Mantel, den er sich hastig übergeworfen hatte, als ihn der Anruf aus seiner Sonntagsruhe riss, und der bisherige Erfolg der Aktion steigerte seine Laune auch nicht gerade. Sie hatten das Gebäude buchstäblich vom Dach bis zum Kellergeschoss durchsucht, ohne auf mehr als Staub und Abfälle zu treffen. Und ein paar Ratten.

»Ich glaube, das hat keinen Zweck mehr Sir.«

Berry drehte sich um, als er die Stimme hörte, schnippte seine Zigarette fort – die fünfundzwanzigste innerhalb der letzten beiden Stunden – und musterte seinen Assistenten mit einem halb zornigen, halb resignierenden Blick.

»Wir haben alles abgesucht«, fuhr Prewitt nach sekundenlangem Schweigen fort. »Das Letzte, was wir noch tun könnten, wäre, die Tapeten von den Wänden zu kratzen. Das Haus ist so leer wie meine Brieftasche.«

Berrys Gesichtsausdruck verdüsterte sich um weitere Nuancen. »Haben Sie Ihren witzigen Tag, Prewitt?«

Der dunkelhaarige Police-Sergeant lächelte gequält. »N... nein, Sir«, antwortete er stockend. »Ich wollte nur sagen, dass ...«

Berry winkte ab. »Schon gut, Prew. Entschuldigen Sie. Ich habe schlechte Laune.«

Prewitt seufzte. »Die kann man hier auch kriegen. Ich glaube, die Kleine hat uns ganz schön an der Nase herumgeführt.« Er schwieg einen Moment und fügte dann, etwas leiser, hinzu: »Wenn Sie mich fragen, Sir, dann ist sie schon lange tot.«

Berry kramte seine Zigarettenpackung aus der Manteltasche, klappte sie auf und zog eine Grimasse, als er sah, dass sie leer war. Prewitt reichte ihm schweigend seine eigene und ließ sein Feuerzeug aufschnappen. »Wird sie überleben?«

»Diese Doppelgängerin?« Berry nahm einen tiefen Zug, stieß eine Rauchwolke in Prewitts Richtung und zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Ich war nicht dabei, Prew. Aber nach allem, was ich gehört habe, liegt sie auf Leben und Tod. Lungendurchschuss. Wenn sie überhaupt noch einmal vernehmungsfähig ist, dann frühestens in ein paar Wochen.«

Prewitt sah sich schaudernd um. Es wurde allmählich dunkel, und die hereinbrechende Dämmerung ließ die grauen Häuser in ihrer Umgebung noch finsterer erscheinen. »Wenn sie wirklich irgendwo hier in dieser Gegend gefangen gehalten wird, dann stirbt sie bis dahin.«

Berry wollte antworten, aber in diesem Augenblick erschien unter der Haustür die Gestalt eines Polizisten, und der Strahl einer Taschenlampe stach durch die Dämmerung zu Prewitt und ihm hinüber. »Sir? Wir haben sie.«

Berry fuhr wie von der Tarantel gestochen herum, schleuderte seine Zigarette fort und rannte ohne ein einziges Wort los.

»Dort hinunter. Im Keller.« Der Lichtstrahl der Taschenlampe deutete auf eine schmale, baufällige Holztreppe, die hinter einem verfallenen Bretterverschlag steil in die Tiefe führte. Stimmengewirr und dumpfe, polternde Laute drangen durch den Treppenschacht nach oben, und als die beiden Scotland-Yard-Beamten die wackeligen Holzstufen hinunterliefen, schlug ihnen ein bestialischer Gestank entgegen.

Der Keller war rissig, wie man es oft bei alten Gebäuden antrifft. Unter dem gewaltigen Ziegelsteingewölbe stapelten sich Abfälle und Haufen mit zerbrochenen Möbeln, und in einem kleinen Verschlag ganz am Ende des Raumes hatten die Beamten – so ganz nebenbei – gleich ein halbes Dutzend Kisten mit Diebesgut gefunden, aber all das beachtete Berry in diesem Moment nicht.

Die Polizisten umstanden in einer dicht gedrängten Gruppe eine graue, rechteckige Metallplatte, die unter einem beiseitegeräumten Abfallstapel zum Vorschein gekommen war. Es war der Deckel eines Schachtes, der unter dem Kellergewölbe weiter in die Tiefe führte. Die ersten Stufen einer zerbröckelnden Betontreppe wurden im Licht der Taschenlampen sichtbar.

»Winters und Blackwood sind unten«, sagte einer der Polizisten. »Sie haben Schreie gehört und den ganzen Kram zur Seite geräumt. Darunter kam der Deckel zum Vorschein. Da hat sich jemand verdammt viel Mühe gegeben, Sir.«

Berry nickte abwesend, drehte sich herum und begann rückwärtsgehend die steile Treppe hinabzusteigen. Prewitt folgte ihm in geringem Abstand. Die Treppe endete in einer rechteckigen, aus nacktem Beton bestehenden Kammer, unter deren Decke sich ein Gewirr verrosteter Rohre und Leitungen dahinzog. An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine nur anderthalb Meter hohe Metalltür.

Berry trat gebückt hindurch – und blieb erstaunt stehen. Hinter der Tür verbarg sich ein fast zehn mal zehn Meter messender Raum. Unter der Decke brannte eine nackte Neonröhre und erfüllte ihn mit hellem, schattenlosen Licht. Der Raum war leer bis auf einen Campingtisch, auf dem sich ein Gaskocher, Töpfe und ein Sammelsurium leerer Konservendosen, Mineralwasserflaschen und schmutziger Pappteller drängelten, eine chemische Toilette und eine niedrige Campingliege.

Und auf dieser Liege lag ein Mensch.

Barry trat wortlos an den beiden Polizeibeamten, die mit ratlosen Gesichtern vor der Liege standen und auf die offenbar schlafende Frau hinunterblickten, vorbei, ließ sich auf ein Knie herabsinken und beugte sich vor.

»Ist sie es?«, fragte Prewitt hinter ihm.

Berry nickte, aber als er antworten wollte, konnte er es nicht. In seinem Hals war plötzlich ein harter, bitterer Kloß. Er hatte das schmale, von glattem dunklem Haar eingerahmte Gesicht oft genug auf Fotografien und Steckbriefen gesehen, um es sofort wiederzuerkennen. Und trotzdem weigerte er sich für einen Moment, wirklich zu glauben, dass diese Frau mit der identisch sein sollte, die sie suchten.

Ihr Gesicht war eingefallen und grau, wie das eines Menschen, der seit Tagen mit dem Tod ringt. Tiefe Linien hatten sich hineingegraben, und die Haut war – obwohl sie bleich wie die einer Toten war – überall wund gescheuert und entzündet. Hässliche schwarze Flecke verunzierten ihre Wangen, und das Haar war strähnig und verklebt, als wäre es seit Monaten nicht mehr gewaschen worden. Sie war ohne Bewusstsein, aber die Augäpfel unter den geschlossenen Lidern bewegten sich hektisch hin und her, und ihr Atem ging stoßweise und schnell. Ein schlechter Geruch ging von ihr aus; der Geruch von Krankheit und Leid. Ihre Hände waren mit schweren eisernen Ringen an zwei knapp meterlange Ketten angeschlossen, die in einem Ring an der Wand über dem Bett endeten. Die Haut an ihren Handgelenken war wund gescheuert und blutig.

»Holen ... holen Sie Werkzeug«, sagte Berry mühsam und ohne aufzublicken. »Irgendwas, um diese verdammten Ketten aufzubrechen. Und rufen Sie einen Krankenwagen. Schnell.«

Einer der Polizisten fuhr herum und lief davon, um seinen Befehl auszuführen. Berry richtete sich schwerfällig auf.

Prewitt beugte sich ein Stück weiter vor und sah einen Moment schweigend auf die Bewusstlose herab. Auf seinen Zügen machte sich ein betroffener Ausdruck breit.

»Mein Gott«, flüsterte er. »Sie muss monatelang hier unten eingesperrt gewesen sein. Das ... das ist bestialisch ...« Er schluckte. »Sie ist es, nicht?«

Berry nickte.

»Ja«, antwortete er. Seine Stimme klang gepresst. »Sie ist es, Prew. Das ist Damona King.«

***

Goldsmith schluckte nervös. Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, hatte er Angst. Die Vögel hockten noch immer reglos auf ihren Stangen und starrten auf ihn herab, aber er spürte einfach, dass eine Veränderung mit ihnen vorgegangen war und dass es kein Zufall war, dass sie ihn anstarrten.

Nervös fuhr er sich mit der Zungenspitze über die Lippen, strich mit dem Handrücken über sein Kinn und versuchte das bedrückende Gefühl abzuschütteln.

»Mach dich nicht selbst verrückt, alter Junge«, murmelte er.

Einer der Vögel hob beim Klang seiner Stimme ruckartig den Kopf und stieß einen hellen, fiependen Laut aus. Goldsmith zuckte zusammen.

»Was ... was ist los mit euch, Freunde?«, fragte er. »Ihr ... ihr seid doch wohl nicht krank, oder?« Er versuchte zu lachen, aber es misslang. Er sprach oft mit seinen Vögeln, und viele von ihnen reagierten normalerweise auf den Klang seiner Stimme und kamen gurrend heran, weil sie wussten, dass er oft eine Extraration Futter in der Tasche hatte.

Heute nicht.

Die Tauben hockten weiter starr auf ihren Stangen und blickten ihn aus ihren winzigen dunklen Augen an. Und etwas im Blick dieser Augen hatte sich verändert. Etwas war darin, das nicht hineingehörte. Ihr Blick wirkte feindselig ...

»Verdammt, was geht hier vor?«, murmelte Goldsmith. Mit einem Ruck fuhr er herum, machte einen Schritt auf die Tür zu und blieb wieder stehen. Ein leises, nervöses Lachen kam über seine Lippen.

Wieder wandte er sich um, ging zurück und trat dicht an die Sitzstange heran. Die Tauben rührten sich noch immer nicht. Ab und zu bewegte eine von ihnen mit den schnellen, für sie charakteristischen Rucken den Kopf oder blinzelte, aber ansonsten saßen sie still. Unnatürlich still.

Goldsmith streckte zögernd die Hand aus, atmete hörbar ein und griff nach Sir Winterborg, seiner preisgekrönten Lieblingstaube. Das Tier war handzahm; er nahm es oft herunter und streichelte es oder unterhielt sich mit ihm.

Die Taube wartete, bis Goldsmiths Finger wenige Zentimeter vor ihr waren, breitete die Flügel aus – und hackte mit ihrem nadelspitzen Schnabel nach seinem Handrücken!

Goldsmith sprang mit einem Schmerzensschrei zurück. Fassungslos starrte er abwechselnd seine Hand und den grauen Täuberich an. Zwischen den Knöcheln von Zeige- und Mittelfinger war eine tiefe, klaffende Wunde entstanden, wo ihn Sir Winterborgs Schnabel getroffen hatte. Blut lief über seinen Handrücken und tropfte auf den Boden. Der Schnabel der Taube glänzte rot.

Eine rasche, unruhige Bewegung ging durch die Reihe der Tauben. Goldsmith stolperte einen weiteren Schritt zurück, presste die verletzte Hand gegen die Brust und starrte aus ungläubig aufgerissenen Augen zu den Tieren empor. Angst, graue, schleichende Angst begann in seine Gedanken zu kriechen, aber gleichzeitig fühlte er sich gelähmt und unfähig, auch nur einen einzigen weiteren Schritt zu tun. Eine der Tauben stieß einen krächzenden Schrei aus, schwang sich auf flatternden Flügeln in die Luft – und stieß wie ein angreifender Raubvogel auf ihn herab.

Goldsmith reagierte im letzten Augenblick.

Mit einem Schrei wirbelte er herum, zog den Kopf zwischen die Schultern und riss schützend die Arme vor das Gesicht. Die ausgestreckten Krallen der Taube verfehlten seine Augen, aber sie schrammten über seine Stirn und hinterließen sechs parallel laufende Schnitte auf seiner Stirn. Goldsmith schrie vor Schmerz und Schrecken, schlug blindlings um sich und rannte los.

Hinter ihm brach die Hölle los. Die Tauben begannen zu kreischen, hoch, schrill und misstönend, gar nicht wie normale Tauben, schwangen sich wie auf ein geheimes Kommando in die Luft und stürzten hinter ihm her. Der Schlag war plötzlich vom Schwirren und Rauschen zahlloser Flügel erfüllt. Etwas Kleines, Graues tauchte vor seinem Gesicht auf, hackte mit Schnabel und Krallen nach seinen Augen und wich mit einer geschickten Bewegung aus, als Goldsmith danach zu schlagen versuchte. Eine andere Taube verkrallte sich in seinem Haar und hackte mit dem Schnabel auf seinen Schädel ein.

Und dann waren sie über ihm. Goldsmith schrie erneut. Ein heftiger Schmerz zuckte durch seinen Schädel.

Blind vor Schmerz und Angst schlug Goldsmith um sich, fiel auf die Knie und verbarg abermals das Gesicht zwischen den Armen. Die Tauben fielen in einer gewaltigen kreischenden, flatternden Wolke über ihn her, rissen an seinen Haaren und Kleidern und ritzten seine Haut. Etwas traf sein linkes Auge und blendete es. Goldsmith fiel, rollte sich instinktiv auf den Bauch und versuchte wieder hochzukommen. Eine Taube verkrallte sich in seinem Hemd, schlug mit den Flügeln nach seinem Gesicht und hackte nach seiner Kehle. Goldsmith sprang auf, schlug erneut um sich, brüllte vor Angst und blinzelte durch einen Schleier von Blut und Tränen. Er taumelte, schlug blindlings mit den Fäusten um sich und fiel halbwegs gegen die Tür.

Das dünne Sperrholz gab unter dem Gewicht seines Körpers nach und zerbrach. Goldsmith verlor das Gleichgewicht, griff mit haltlos rudernden Armen in die Luft und fiel kopfüber die Treppe hinunter.

Der Aufprall raubte ihm fast das Bewusstsein. Goldsmith blieb sekundenlang benommen liegen. Der Schmerz in seinem Kopf steigerte sich noch, und er spürte, wie Übelkeit in ihm emporstieg. Warmes Blut lief über sein Gesicht.

Stöhnend arbeitete er sich auf Hände und Knie hoch, drängte den Brechreiz, der plötzlich in seiner Kehle war, mit aller Kraft zurück und hob den Kopf.

Der Anblick ließ ihn erstarren.

Über ihm drängte eine Wolke aus grauen Flügeln und winzigen Körpern aus der Tür. Und ihre hellen, piepsenden Stimmen schrien nach Blut ...

***

Der Arzt legte die Spritze aus der Hand, drückte mit dem Daumen einen Wattebausch auf den winzigen Einstich in Damonas Armbeuge und lächelte entschuldigend. »Das war für heute das letzte Mal, dass ich Sie gequält habe«, sagte er. »Ich verspreche es.«