Honigmilchtage - Julia Rogasch - E-Book
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Honigmilchtage E-Book

Julia Rogasch

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Beschreibung

Ist man wirklich seines Glückes Schmied? Carla ist eigentlich zufrieden mit ihrem Leben, aber ihr Job als Außendienstlerin ist wenig erfüllend. Und was soll sie auch sonst tun? Kündigen und den Sprung ins Ungewisse wagen? Immerhin läuft es mit ihrem Mann Julius sehr gut. Auch wenn die beiden wegen der Jobs eigentlich viel zu wenig Zeit füreinander haben, sind sie glücklich miteinander. Doch dann verliert sie ihren Job und alles gerät plötzlich gehörig aus den Fugen. Carla fragt sich was Glück eigentlich bedeutet. Von Julia Rogasch sind bei Forever erschienen: Honigmilchtage Mit dir am Horizont Das Geheimnis vom Strandhaus Der kleine Laden am Strand Das kleine Haus in den Dünen

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Die AutorinJulia Rogasch, geboren 1983, lebt mit ihrem Ehemann und ihren Töchtern in Hannover. Seit 2010 sorgt ihr Leben als Mama mit Job täglich für Inspirationen. Ihr großes Glück ist die Familie, welche sie nun mit der Arbeit und der Leidenschaft fürs Schreiben vereinbaren kann, da man ihr die Chance bot, im Marketing via Homeoffice für das Autohaus ihre Kreativität auszuleben, für das sie bis 2010 Autos verkaufte. Wann immer der Familientrubel es zulässt und sie nicht gerade ihr Rentner-Pferd besucht, widmet sie sich privat dem Schreiben.

Das Buch

Ist man wirklich seines Glückes Schmied? Carla ist eigentlich zufrieden mit ihrem Leben, aber ihr Job als Außendienstlerin ist wenig erfüllend. Und was soll sie auch sonst tun? Kündigen und den Sprung ins Ungewisse wagen? Immerhin läuft es mit ihrem Mann Julius sehr gut. Auch wenn die beiden wegen der Jobs eigentlich viel zu wenig Zeit füreinander haben, sind sie glücklich miteinander. Doch dann verliert sie ihren Job und alles gerät plötzlich gehörig aus den Fugen. Carla fragt sich was Glück eigentlich bedeutet.

Julia Rogasch

Honigmilchtage

Ein Nordseeroman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

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Kapitel 1

»Es gibt keine Zufälle. Es fällt einem zu, was fällig ist.«

(Sophokles)

Ich war wach, wobei der Zustand »Ich schlief nicht mehr« noch eher zutraf. Hätte ein Arzt mich so aufgefunden, hätte er vermutlich sofort mit diversen Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen. Eine E-Mail, die auf meinem Display erschien, ließ mich jedoch schlagartig hellwach werden, jedenfalls was meinen Puls anging.

Absender: Vorstand

Betreff: Vertrauliche Personalangelegenheit.

Mir wurde endgültig schlecht. Bis gerade eben hatte ich noch gedacht, mir könnte gar nicht schlechter werden. Aber leider hatte ich in letzter Zeit beruflich nichts besonders Glorreiches auf die Beine gestellt, was Potenzial gehabt hätte, den Vorstand zu erreichen. Eine positive Nachricht konnte ich daher leider nahezu ausschließen. Wenn ich es mir recht überlegte, waren meine letzten Auftritte im Job sogar so wenig glorreich gewesen, dass es sich abzeichnete, jetzt auf jeden Fall unangenehm für mich zu werden.

Sehr geehrte Frau Lewalder,

den eher unglücklichen Verlauf des gestrigen Personalentwicklungsgespräches zwischen Ihnen und Ihrer Vorgesetzten Frau Hofmann nehme ich zum Anlass, Ihnen Gelegenheit zu geben, Grundlegendes zu überdenken. Gravierende Differenzen hinsichtlich unserer Vorstellungen von Loyalität und Zusammenarbeit lassen mich zweifeln, ob eine für beide Seiten erbauliche Kooperation weiterhin möglich ist.

Wir fahren mit der von Ihnen mehr als unmissverständlich kritisierten Strategie des Wettbewerbs der Mitarbeiter untereinander seit einiger Zeit sehr gut, weshalb wir auch nichts an dieser Strategie verändern werden.

Bitte überlegen Sie sich, ob Sie bereit sind, gewisse Strukturen zu akzeptieren oder ob Sie sich unter diesen Umständen beruflich umorientieren möchten. Wir stünden Ihren Plänen im zweiten Fall nicht im Wege. Bitte teilen Sie Ihrer Vorgesetzten umgehend Ihre Entscheidung mit.

Mit freundlichen Grüßen

Mecklenburg

-Vorstand-

Warum um alles in der Welt drehte sich mein Sofa gerade eigentlich so merkwürdig? Ich hielt mich lieber fest. Eigentlich war ich noch gar nicht soweit, den Tag zu starten. Nach dieser E-Mail wäre ich mit diesem Tag dann aber jetzt auch schon wieder durch.

Mein äußeres und inneres Erscheinungsbild, von dem ich mich eigentlich mit einem Blick in meinen E-Mail-Account hatte ablenken wollen, waren gleichermaßen besorgniserregend. Ein Tag zum im Bett bleiben. Weil mein Bett an diesem Morgen aber eher einer schlecht gewarteten Achterbahn glich, war dies aber auch nicht der Ort, an dem ich mich länger aufhalten wollte.

Eine weitere E-Mail poppte auf. Sie kam von meiner kleinen Schwester und allein diese Tatsache weckte in mir die leise Hoffnung auf ein wenig Seelenbalsam. Mühsam würgte ich einen großen Schluck Wasser herunter, mit dessen Hilfe ich drei Kopfschmerztabletten einnahm.

Dir geht es gerade so richtig schlecht. Du siehst elendig gruselig aus, hast fiese, dunkle Augenringe wie nach zehn Nächten Vollmond und dazu noch schlechten Atem. Dein Kopf dröhnt und der eh schon drei Größen zu kleine Helm auf deinem Kopf wird von Sekunde zu Sekunde immer enger. Dein Magen fährt Achterbahn und du hast dich und diesen Zombie im Spiegel bereits mehrfach gefragt, warum dich keiner vor dir selbst beschützt hat. Falls du dich überhaupt getraut hast, mit diesem Spiegelbild Kontakt aufzunehmen.

Ich schaute mich um. Hatte Marie heimlich eine Kamera installiert? Ich hatte leider Pech, denn auch meine Schwester schüttete eifrig Salz in meine Wunden.

So hart das klingt, mein kleines, großes Schwesterlein, leider bist du selbst für deine Situation verantwortlich. Und damit meine ich weniger deinen derzeitigen desolaten Körperzustand, das wird schon wieder. Such dir lieber einen neuen Job, der keinerlei durchzechte Nächte und Regenerationstage wie heute erforderlich macht – denn das hast du absolut nicht nötig und es würde dir diesen Anblick im Spiegel ersparen!

Wenn dir das mit dem Job nicht gelingt – gar kein Thema! Dann mach mich meinetwegen einfach zur Tante – wäre auch super! Aber please change something!

Deine kleine Schwester!

PS: Iss mal die Pizza, die ich dir ins Kühlfach gelegt hab‹. Tut gut! Und vergiss nicht, dass ich dich alten, verkaterten Jammerlappen trotzdem unglaublich doll lieb hab‹ und immer für dich da bin!

Das war in der Tat die erste gute Nachricht an diesem Morgen. Doch »Morgen« war nicht ganz richtig, denn es war eher Mittagszeit und ich hatte bei Weitem schon repräsentativere Exemplare eines Starts in den Tag erlebt.

Die Pizza aber war in der Tat ein rettender Hinweis! Vielleicht würde die wenigstens meinen Magen wieder versöhnlich stimmen und auf dieser Basis könnte vielleicht eine friedliche Einigung zwischen meinem Kopf und dem Rest meines Körpers eingeläutet werden. Ich schob sie direkt in den Ofen. Ein gesundes Frühstück wurde ja auch absolut überbewertet.

Marie und meine Freundin Nele hatten mich am Vorabend als Häufchen Elend auf dem Sofa gefunden. Kauernd hinter einer Familien-Box Taschentüchern und einer riesigen Schale Chips wollte ich mich nur noch meinem Weltschmerz hingeben. Nach dem wenig erbaulichen Gespräch mit meiner Chefin war ich zutiefst frustriert auf meiner Couch gestrandet.

Passenderweise war mein Mann zu diesem Zeitpunkt noch auf Dienstreise. Gut, dass wenigstens die Chips-, Schokoladen- und Weinvorräte aufgefüllt waren, hatte ich mir gedacht. So war ich nicht ganz alleine.

Wahrscheinlich wäre ich nach ein paar Stunden unter einem Berg aus feuchten Taschentüchern, leeren Weingummitüten und ebenso leeren Flaschen mit Alkoholika ins Koma gefallen. Aber zu meinem Glück spürten Marie und Nele meistens bereits intuitiv, wenn sich in meinem Gefühlshaushalt eine Katastrophe ankündigte, und konnten wenigstens noch Schlimmeres verhindern als das, was sich mir nun im Spiegel bot. Das war auch so schon gruselig genug.

Nele, Marie und diverse Weinschorlen und Süßigkeiten konnten mich gestern, jedenfalls für den Moment, wieder in einen einigermaßen erträglichen Gefühlszustand befördern. Leider hatte ich diesen Zustand nach dem Aufwachen direkt wieder verlassen und ich fand den Weg dorthin gerade beim besten Willen nicht mehr zurück. Er war eher bedenklich.

Fazit meiner Freundin und meiner Schwester ob meines seelischen Zustandes vom Vorabend und schon vieler Wochen zuvor war: Ich musste mir dringend einen neuen Wirkungskreis suchen.

Mein Mann Julius war hinsichtlich seines Jobs derzeit selbst sehr gestresst, auch wenn er das nicht gerne zugab. Bevor ich ihn nun auch noch mit meinen Problemen belasten würde, wollte ich selber erst einmal wieder einen klaren Kopf bekommen. Ich hatte sowieso gerade das Gefühl, dass ich kein wirklich repräsentatives Bild einer Person abgab, die als Vorbild in Sachen Zufriedenheit im Job fungieren könnte. Im Moment war ich schon froh darüber, dass es mir trotz des noch immer aggressiv hämmernden und schmerzmittelresistenten Kopfschmerzes gelungen war, überhaupt die E-Mails zu lesen.

Immer wieder musste ich kurz aus dem Fenster schauen. Die kleinen Buchstaben dachten nicht daran, einfach mal ein paar Minuten brav und still nebeneinander in der Reihe zu stehen, sondern tanzten wild durcheinander und schlugen abwechselnd Purzelbäume. Es schien, als habe sich an diesem Morgen alles gegen mich verschworen.

Ich lehnte mich vorsichtig zurück in meine Sofakissen und versuchte, die Gedanken in meinem Kopf zu sortieren. Die taten es aber leider den Buchstaben gleich und spielten Jahrmarkt. Der erste Bissen Pizza schien jedoch ein akzeptables Friedensangebot für meinen Magen zu sein und auch mein Kopf beruhigte sich langsam. Je weniger wuselig es sich in meinem Kopf anfühlte, desto klarer wurde mir aber, warum ich mich überhaupt in diesem jämmerlichen Zustand befand, und sicherheitshalber nestelte ich schon wieder nach der Big-Box Taschentücher.

Dabei fiel mir ein Buch vom Couchtisch. Meine Freundin und Kollegin Nele hatte es mir gestern mitgebracht. In meinem Kopf hatte sich ein riesiger Wattebausch unangenehm weit ausgebreitet, mit viel Mühe konnte ich mich aber an den Klappentext erinnern. Es war ein Ratgeber. Das war typisch für Nele. Nele strebte permanent nach Veränderung, war konsequent und ebenso erfolglos auf der Suche nach Mr. Right und dem Glück im Leben, und ein großer Fan von Ratgeberlektüre, die sie allen interessierten und weniger interessierten Mitmenschen in ihrem Umfeld aufzudrücken versuchte. Bisher hatte ich solche Lektüre immer weit von mir gewiesen. Viele Jahre lang ging es mir sehr gut und solche Bücher hatte ich natürlich nie nötig.

Wenn ich aber so an mir und den immer kleiner werdenden Beständen an Taschentüchern entlangschaute, sah es leider so aus, als hätte ich einen Ratgeber mittlerweile bitter nötig. Ich griff nach dem Buch und eine Karte fiel heraus.

Für meine Carla,

»Glück ist Talent für das Schicksal.« (Novalis)

Deine Nele.

Ein einigermaßen passables äußeres Erscheinungsbild und irgendein milder Grund mal wieder zu lächeln, würden mir ehrlich gesagt gerade schon reichen. An das ganz große Glück wagte ich noch nicht einmal zu denken. Ebenso wenig daran, ob ich dafür gerade Talent hatte.

Ich nahm das Buch und las in Anbetracht meiner aussichtslosen Situation die ersten Sätze. Die Buchstaben gaben sich mittlerweile etwas mehr Mühe, in einer Reihe stehen zu bleiben, und auch der Kopfschmerz verschwand allmählich. Mein Magen schien den Rest meines Körpers motiviert zu haben, wieder lieb zu mir zu sein.

Wir sagen immer: »Irgendwann bin ich reich, irgendwann mache ich mich selbständig, irgendwann habe ich Familie. Und irgendwann bin ich schlank, durchtrainiert und braungebrannt.« Doch das Leben ist zu kurz für »irgendwann«.

Warum sagen wir nicht »jetzt«?

Ja, warum eigentlich nicht? Bis auf den Satz, dass ich irgendwann mal schlank und durchtrainiert sein würde, kam mir das bekannt vor. So etwas vollends Unrealistisches prophezeite ich erst gar nicht mehr. Ich peilte es aber auch in meinem tiefsten Innern nur noch sporadisch an, nur um dann doch wieder von meiner fehlenden Disziplin übermannt zu werden.

In der Tat ertappte auch ich mich aber immer wieder selbst bei dieser »Irgendwann-ändere-ich-irgendwie-mal-irgendetwas«-Denkweise. Insgeheim wusste ich das ja auch, fand es aber natürlich auch am bequemsten, einfach damit weiterzumachen. Mein ungeliebter Job brachte mir ja immerhin monatlich ein gewisses Einkommen, von dem ich ja bisher mehr recht als schlecht gelebt hatte. Hatte ich also überhaupt ein Recht darauf zu jammern? Irgendwann würde sich schon alles von selbst regeln.

Klar. Ich gebe zu, dass ein relativ feiges »irgendwann« einfach beruhigend unverbindlich wirkte – und niemand konnte einen später darauf festnageln.

Der gestrige Abend im von Kopfschmerzen durchzogenen Resümee hatte mir aber leider deutlich gezeigt, dass auch ich mich selbst so nicht länger ertragen konnte. Und mein Spiegelbild, welches mir heute schief aus roten Augen und tiefen Augenringen entgegen starrte, war mir dann endgültig vorgekommen wie die letzte Mahnung, bevor etwas ganz Schlimmes passiert. Genau genommen, ermahnte es mich noch immer vehement, wenn ich versehentlich am Spiegel vorbeikroch.

Aber ob so ein Ratgeber mir da tatsächlich helfen konnte? Glücksgestalter war der Titel des Buches. Ich hatte mich gestern eher in einer gegenteiligen Disziplin mit Ruhm bekleckert, nämlich als persönlichen Unglücksgestalter. Meine Kritik war, wie mir per E-Mail bestätigt wurde, wohl eher nicht so gut bei meinem Arbeitgeber angekommen.

Seit drei Jahren waren Nele und ich Kolleginnen und seitdem haderte ich mit dem Job. Sie kannte mich also nur so. Ein Wunder, dass sie trotzdem meine Freundin geworden war und es sogar bis heute war. Als ich in der Firma anfing, war Nele krank, ich hatte sie damals vertreten. Auf die Frage, was sie für eine Krankheit gehabt hatte, hatte sie mir zunächst nicht geantwortet, sondern mich nur gebeten, mit ihr abends eine Weißweinschorle trinken zu gehen. Wir haben uns dann die ganze Nacht unterhalten, als würden wir uns Jahre kennen. Nele erzählte mir damals unter Tränen, dass sie an der Gebärmutter operiert worden war mit der Folge, dass sie niemals Kinder bekommen könnte. Ihr damaliger Freund hatte von einer Familie geträumt. Die Liebe hatte leider der Situation nicht standgehalten und war daran zerbrochen.

Seitdem war Nele auf der bisher erfolglosen Suche nach ihrem Traummann. Sie hatte bei jedem der nachfolgenden Traumprinz-Anwärter Angst, dass die Männer sie verließen, wenn herauskam, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Leider war die Angst meist berechtigt, es sei denn, es handelte sich um Typen, die es nur auf eine Nacht anlegten und danach ohnehin verschwunden waren.

Ich arbeitete im Außendienst einer Arzneimittelfirma in Norddeutschland. Noch jedenfalls. Derzeit war ich mir nicht ganz sicher, ob ich mein Arbeitsverhältnis noch unmittelbar in der Hand hatte, oder wie lange es überhaupt noch so bleiben sollte.

Der Zeitaufwand im Auto oder am Schreibtisch war enorm, der Konkurrenzdruck und das Arbeitsklima gleichermaßen unerträglich. Erklärtes Tagesziel meiner Kollegen für jeden Tag war, sich gegenseitig das Leben möglichst schwer zu machen, einschließlich meiner Person. Nicht selten fuhr ich morgens direkt auf meine Touren im Außendienst, so dass ich niemandem begegnen musste. Wenn ich aber doch einmal im Büro etwas zu erledigen hatte, war es unerträglich. Es wurden lauthals und angeberisch Statistiken über alle Schreibtische hinweg diskutiert und alle möglichen Rankings plakativ ausgehängt. Normalerweise nicht nennenswerte Erfolge wurden flächendeckend kundgetan und übertrieben gefeiert, als sei man just zum neuen Bundespräsidenten erkoren worden und habe parallel das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten, während man nebenbei noch lässig die Nationalmannschaft zum WM-Sieg gecoacht hatte.

Sie prahlten mit ihren sensationellen Abschlüssen und löcherten mich mit suggestiven Fragen, was denn los sei, wenn ich ohne Aufträge zurück in mein Büro kam oder die Listen der Verkaufsstatistiken ausgehängt wurden, auf denen ich eher im unteren Mittelfeld agierte. Hinter vorgehaltener Hand entstanden bezüglich meiner diagnostizierten Erfolglosigkeit Theorien über psychische Probleme oder dramatische Erzählungen, was meine Ehe anging, die sich unschön verselbständigten und am Ende ein fatal falsches Bild meiner Person ergaben.

Der Arbeitsalltag im Kreise meiner Kollegen war demnach geprägt von Lügen und Intrigen. Wagte man es, sich gegen diesen Zustand auszusprechen, brauchte man ein dickes Fell und ein starkes Selbstbewusstsein, oder am besten gleich einen guten Anwalt.

Die Reaktion auf meine Kritik im gestrigen Gespräch mit meiner Chefin sprach ja Bände. Eigentlich konnte ich direkt meine sieben Sachen zusammenklauben und meinen Schreibtisch räumen. Und wenn ich es mir so überlegte, war dies die einzige erträgliche Vorstellung meines Alltags.

Meist fuhr ich, um dem Arbeitsalltag im Büro zu entfliehen, in ausgedehnter Form meine Tour ab, um möglichst wenig Zeit in meinem Großraumbüro zu verbringen, wo man bereits gegen 15 Uhr die Konfiguration des nächsten 6-Zylinder-Kraftpaketes in Form eines Dienstwagens in Angriff nahm, weil man mal wieder so erfolgreich war und das selbstverständlich direkt allen zeigen musste.

Irgendwie klang das ja alles so, als sollte ich froh sein, wenn ich meinen Job los wäre. Aber er war bis dato immer mein Ersatz gewesen für den noch nicht erfüllten Kinderwunsch und daher warf mich das alles aus der Bahn, zumal sich der Familienzuwachs leider noch nicht unmittelbar ankündigte.

Ein Job, der einem Spaß macht und der es einem langfristig auch erlaubt, für eine Familie da zu sein. War das denn unmöglich?

Nele wünschte sich, vielleicht irgendwann einmal Kinder zu adoptieren und auch einmal eine richtige Familie zu haben. Was die Realität betraf, waren wir aktuell beide noch Lichtjahre von unseren Träumen entfernt.

Ich sah meinen Mann allenfalls im Halbdunkel, wenn wir beide von einem Marathon-Tag erschöpft nebeneinander ins Bett fielen. »Sehen« war dann auch maßlos übertrieben. Ich ahnte eher in groben Zügen, dass das große, gut riechende und weiche Wesen, das sich neben mir ins Bett fallen ließ und unmittelbar darauf in einen komatösen Schlaf verfiel, wohl mein Mann sein musste. Die Schattenbilder, die kurz vorher noch im Bad herumschwirrten, kamen mir nämlich bekannt vor.

Blieb man mal einen Tag komplett im Homeoffice, war es für den Moment zwar herrlich, es war aber kaum möglich, ohne dass einem postwendend das schlechte Gewissen in Form von höhnisch lachenden Kollegen durch die Albträume verfolgte.

Heute war ich allerdings ohne Zweifel lieber daheim geblieben, an Arbeit war nicht zu denken.

Das mit der Familienplanung hatte leider noch nicht sein sollen, es war aber mein größter Traum. Der Ratgeber, den Nele mir geschenkt hatte, hieb genau in diese Kerbe. »Was bedeutet Glück?«, stand da auf der ersten Seite.

Eine Perspektive für die nähere Zukunft wäre fürs Erste einfach schon mal ein Job, mit dem man wenigstens im Großen und Ganzen zufrieden wäre. Ein Job, an dem man Freude hatte und der einem nebenbei auch noch so etwas wie ein Privatleben ermöglichte. Und meine Schwester Marie hatte Recht, Veränderung musste man selbst in die Hand nehmen.

Irgendwann.

Ich hatte mir eine Honigmilch gemacht, die mir ein Stück Wohlbefinden zurückgab, und schaute aus dem Fenster. Unersetzlich war das wohlig, warme Gefühl von Geborgenheit, welches eine heiße Milch mit Honig bei mir auslöste. Sie war Seelenbalsam in purer Form, mein Allheilmittel in nahezu allen Lebenssituationen. Die Honigmilch half irgendwie immer, egal wie schlecht es mir gerade ging.

Ich nahm wieder den Ratgeber zur Hand. In dem Buch waren einige Definitionen des Wortes Erfolg aufgeführt, der laut der Autorin oft mit Glück in Verbindung gebracht wird. Die Thesen zum Erfolg wurden von verschiedenen Menschen aufgestellt:

»Erfolg ist Geld und Macht.« Joachim, Manager, 45 Jahre

Wahrscheinlich war Joachim in Wirklichkeit einer meiner Kollegen.

»Erfolg ist dann da, wenn das Herz glücklich und zufrieden im Takt schlägt, während man etwas tut.«

Jana, 33, selbständig

Wie philosophisch, wie romantisch! Das gefiel mir besser. Ich blätterte weiter in meinem Buch und stieß auf die Beschreibung der Autorin.

»Carola Klaus, 39 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder. Wohnhaft in München, dort als freiberufliche Schriftstellerin tätig.«

Sie war also Schriftstellerin und Mutter. Ihr war es anscheinend gelungen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Darunter stand eine E-Mail-Adresse mit dem Hinweis: »Und wenn Sie einmal keine Lösung in diesem Büchlein finden oder keine Lust haben, alles zu lesen, freue ich mich auf Ihre E-Mail!«

Das fand ich außergewöhnlich und beschloss, ihr Angebot anzunehmen. Ich wollte gerne wissen, ob sie denn tat, was ihr Herz mit ihrem Tun in Gleichklang schlagen ließ und vor Allem, wie sie dies erreicht hat. Also nahm ich meinen Laptop zur Hand.

Sehr geehrte Frau Klaus,

ich beginne gerade, Ihren Ratgeber Glücksgestalter zu lesen. Ich bin eigentlich kein großer Freund von Ratgebern. Gleich einer der ersten Sätze hat mich allerdings neugierig gemacht:

»Erfolg ist dann da, wenn das Herz glücklich und zufrieden im Takt schlägt, während man etwas tut.«

Ich bewundere diese Haltung und würde gerne wissen, ob auch Sie diesen Zustand bereits gefunden haben, und was zuerst da war, das Glück oder der Erfolg?

Mit besten Grüßen in den Süden aus der Hansestadt Hamburg

Carla Lewalder

Das Buch weckte eine Neugier in mir, die mir Spaß zu machen begann. War es eigentlich ungewöhnlich, schon mit 29 in eine Midlifecrisis zu geraten? Ich klappte den Laptop zu und machte mir eine weitere heiße Milch mit Honig.

Gerade wollte ich mich wieder mit meinem Buch in meinen Lesesessel kuscheln und weiter in Sachen Rehabilitation an mir arbeiten, als es an der Tür klingelte.

Da ich mein Chill-Outfit trug, was aus einer schlabbrigen Jogginghose, rosaroten Hausschuhen, einem mehr oder weniger ausrangierten Cashmere-Pulli und meiner Lesebrille, die wirklich auch nur darauf ausgerichtet war, bestand, guckte ich sicherheitshalber erst einmal vorsichtig durch den Spion. Ich wollte wirklich nicht vielen Menschen in diesem Outfit begegnen, falls es überhaupt jemanden geben sollte, der mich so sehen durfte. Erleichtert öffnete ich die Tür, als ich hinter dem Guckloch meine kleine Schwester Marie entdeckte.

Kapitel 2

»Hey, du arbeitest gar nicht?«, begrüßte ich sie.

Ein weicher, süßer Duft aus Vanille und Aprikose, der nach Sommer roch, umhüllte sie. Sie sah wahnsinnig gut aus. Wie immer. Betroffen schaute ich an mir herunter. Wahnsinnig gut traf mein eigenes Aussehen nicht ganz.

»Ich habe mir freigenommen! War nichts los. Du auch, wie ich sehe?« Ein fast mitleidiger Blick ging einmal von meinen strubbeligen Haaren hinab zu meinen ausgenudelten Hauspuschen, vorbei an der bereits erwähnten Sehhilfe.

»Genau. Ich hatte das Gefühl, dass das die bessere Alternative war für heute«, lächelte ich schief.

Sie gab mir nur einen Kuss auf die Wange und kuschelte sich auf mein Sofa. Mich traf ein mahnender Blick, den ich sofort verstand.

»Ok, ok. Ich jammere ja gar nicht.«

»Ich bitte darum. Das ändert gar nichts! Von deinem Gejammer wird es niemals besser werden. Change it!«

»Das sagst du so einfach.«

»Ich sage das nicht so einfach. Ich hab's probiert.«

Sie hatte Recht. Das führte mir meine Problemzone ja auch immer wieder vor Augen. Sie war mit ihren 27 Jahren zwei Jahre jünger als ich und ein absoluter Sonnenschein, immer auf direktem Kurs gen Licht am Ende des Tunnels.

Meine Jammereien und die Schockstarre, was den Job anging, standen im direkten Gegensatz zu ihrer optimistischen Art. Meine kleine Schwester hatte den Mut gehabt, sich mit einem kleinen Laden – »Velvet Senses« – selbständig zu machen. Sie verkaufte dort Raumdüfte, Cremes und Parfums, leider bis jetzt noch ohne viel Gewinn. Sie selbst und meine Person waren bislang noch die besten Kundinnen. Marie hatte sich dennoch dafür entschieden, weil sie Spaß daran hatte und den festen Glauben, dass es einmal hervorragend laufen würde. Vor dem Hintergrund meines neuen Ratgebers war sie also ein sehr erfolgreicher Mensch. Marie hatte das getan, was ihrem Herzenswunsch entsprach. Und ich beneidete sie dafür.

Damit hatte sie zweifelsohne das Recht, mich darauf hinzuweisen, dass jeder für sein eigenes Leben zuständig und verantwortlich war und auch mal andere Wege gehen sollte. Ich war bisher aber leider zu feige gewesen. Soviel stand fest.

»Hmmm, wie diese Milch duftet! Bekomme ich auch so eine?« Marie rollte genießerisch mit den Augen und reckte ihre Nase in Richtung meiner Tasse.

Bei ihrem Anblick musste ich lächeln. Ich war stolz auf meine Schwester. Marie hatte mittelblondes, halblanges Haar, die meiner Meinung nach schönsten blauen Augen der Welt, und war immer klassisch und sehr ausgesucht gekleidet. Sie hatte einfach eine tolle Ausstrahlung. Wenn ich sie jemandem beschreiben sollte, würde ich sagen, sie sei eine glamourös wirkende Persönlichkeit mit einem Hauch von Gemütlichkeit. Auch wenn man ihr am Sonntagmorgen beim Brötchen holen begegneten, sah sie super aus. Und wenn man nachts bei ihr klingeln würde, weil man sich nach einer Party ausgesperrt hatte, würde sie einen im neusten Schlaf-Dress empfangen, den die Durchschnittsfrau durchaus als taugliches Tagesoutfit für besondere Anlässe verwenden würde.

Ich bemühte mich zwar auch, immer klassisch und halbwegs schick auszusehen, hatte aber das Gefühl, ich müsste mich mindestens zwei Stunden ernsthaft mit meinem Kleiderschrank auseinandersetzen und anschließend einen Friseurtermin samt Kosmetiker-Date wahrnehmen, wenn ich einmal so perfekt ausschauen wollte wie Marie, wenn sie sich nur mal eben kurz was übergeworfen hatte.

So wie ich gerade hatte sie jedenfalls in meiner Gegenwart noch nie ausgesehen. Ein bisschen frustrierend war das schon. Gerade in meinem derzeitigen Gemütszustand nagte das sehr an mir.

Marie griff nach dem Buch und zog erstaunt eine Augenbraue hoch.

»Oh, studiert mein Schwesterherz jetzt das Leben als Glückspilz?«

»Ach, du kennst ja Nele. Das ist ein Geschenk von ihr.«

»Na, dann mal los. Recht hat sie! Dein Gejammer ist wirklich kaum noch auszuhalten. Und schau dich mal an!«

»Danke. Es tut immer gut, was Nettes gesagt zu bekommen, wenn es einem bescheiden geht.«

»Ach, meine Süße, so war das doch nicht gemeint!« Marie gab mir ein Küsschen auf die Stirn. »Diese Carola Klaus schreibt gute Ratgeber. Hab' einen Bericht über sie im Fernsehen gesehen. Sehr sympathisch.«

»Tatsächlich? Ja, die ersten Seiten waren schon mal ganz interessant …«

Sie klappte das Buch zu und legte es zur Seite.

»Aber wenn nicht, hast du ja noch mich. Ich bin sowieso der allerbeste Ratgeber in allen Lebenskrisen!«

»Ja, schau mich an … du hast ganze Arbeit geleistet. Bin quasi ein Meisterstück deiner Kunst«, bestätigte ich schief lächelnd, machte einen Knicks vor ihr als Zeichen meiner dankbaren Anerkennung und war schon auf dem Weg in die Küche. Ein Sofakissen flog hinter mir her und Marie kuschelte sich zwischen die großen, flauschigen Kissen auf mein Sofa.

Ich kam mit einem großen Becher heißer Milch mit Honig zurück.

Es kam selten vor, dass Marie und ich beide einmal frei hatten, um es uns so richtig gemütlich zu machen in unserem Zuhause. Julius und ich wohnten in einer modern ausgestatteten Wohnung in einem Altbau in Hamburg. Diese Wohnung mit ihren modernen Elementen hinter der wunderschönen Altbaufassade war unsere Traumwohnung. Und meinen Traummann hatte ich dankenswerter Weise ja auch schon gefunden. Das gelang manchen Leuten ihr Leben lang ja nicht.

Aber rundherum glücklich zu sein, fühlte sich bestimmt anders an. Definitiv konnte das hier nicht das Gesamtpaket sein. Man opfert dem Job einfach so viel Zeit im Leben. Keinen einzigen Taler würde man so unbedacht ausgeben und verschwenden, wie man es mit der Lebenszeit handhabte, die man einfach so hergab für einen Job, der zum größten Teil fürchterlich war.

Aber ich hatte ja Julius. Mit ihm war ich seit zwei Jahren verheiratet. Er war Rechtsanwalt und normalerweise mein ganz besonderer persönlicher Lebensberater und Rückhalt. Wenn ich mal wieder mit mir selbst haderte und mir die verworrensten Gedanken machte, holte er mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und öffnete mir die Augen. Er glaubte stets an mich und es war ihm das Wichtigste, dass ich glücklich war. Er wusste natürlich, dass ich das im Job leider nicht war und sagte dann oft, dass er nur so viel arbeitete, damit ich einmal zu Hause bleiben konnte und mich nicht mehr ärgern müsste. Ich fand das sehr rührend. Leider machte ihm der Job gesundheitlich derzeit sehr zu schaffen. Das bereitete mir noch größeren Kummer als meine eigene Situation, die ich letzlich ja selbt in der Hand hatte.

Mein Handy klingelte. Julius rief an.

»Na, mein Engel, ist wieder alles gut bei dir?« Ein Schmunzeln im Unterton ließ sich nicht überhören.

»Aber klar. War was? Wieso fragst du?«, gab ich das Unschuldslamm.

Julius ging zum Glück nicht weiter drauf ein. Er war erst nach Hause gekommen, als Nele und Marie mich bereits in mein Bett gebracht und sich diskret und wahrscheinlich auch dankbar zurückgezogen hatten.

»Karl und ich sind zum Italiener gegangen und lassen es uns gut gehen.«

Im Hintergrund hörte ich das Klirren zweier Gläser.

»Das freut mich sehr für euch! Geht doch!«

Leises widerwilliges Grummeln am anderen Ende der Leitung. Karl war sein Partner in der Kanzlei, sie waren außerdem beste Freunde.

»Wir haben uns überlegt, ob wir nicht heute Abend mal bei Karl zu Abend essen. Er kocht für uns! Was hältst du davon?«, fragte Julius.

Mein Plan vom Abnehmen, welchen ich heute spontan beim Betreten unserer Luxus-Glas-High-End-Waage geschmiedet hatte, geriet ins Wanken. Da mir der gestrige Tag den Appetit verdorben hatte, hatte ich die minimale Verringerung meines Gewichts heute Morgen als guten Beginn angesehen.

Egal. Am besten, ich würde morgen anfangen mit dem Abnehmen. Morgen dann ganz bestimmt. Oder irgendwann dann halt.

Ich sah vor meinem inneren Auge mein Gewissen in Form eines Geistes, der mich würgen wollte und fasste mir an den Hals. »Ja, klar! Das hört sich gut an«, hörte ich mich dennoch sagen. Der imaginäre Geist sprang fassungslos um mich herum und hatte einen Eisbeutel in der Hand, den er sich auf den Kopf legte.

»Wie viel Uhr? Wann bist du fertig? Ich freue mich. Was gibt's denn Schönes?« Auch wenn mein Magen da sicher sein Veto einlegen wollte, Karls Gesellschaft tat mir gut.

»Schön, dann sag‹ ich zu. 20 Uhr. Lass dich überraschen.«

»Ja, mach das. Und, wie ist dein Tag? Viel Stress?«, fragte ich Julius.

»Wie immer. Alles gut.« Damit wiegelte er mich gerne ab. Aber mir fehlte auch gerade die Kraft und das überzeugende Auftreten für ein ausführliches Telefonat.

»Marie ist bei mir, wir liegen auf dem Sofa und entspannen. Ich freue mich schon auf dich! Dann mal guten Appetit und bis später! Hab‹ dich lieb!«

»Danke, ich dich auch! Grüß sie ganz lieb. Ciao Carla!«

Mit seiner knappen Antwort »Alles gut« wollte er mich davon abhalten, ihm zu sagen, dass ich mir Sorgen machte, dass er so viel arbeitete. Meine Vorträge hörte er nicht gerne, zumal er mich dann auch immer ein klein wenig mahnend auf meine eigene Situation hinweisen musste, was meistens in Streitereien endete. Erfolg war die eine Sache. Den hatte er ohne Zweifel. Irgendwann, und davor hatte ich große Angst, würde aber sein Körper streiken.

Marie rappelte sich vom Sofa hoch.

»Wollen wir irgendwo hinfahren?« Bei meinem Anblick hielt sie kurz inne.

»Willst du wirklich so irgendwo hin mit mir?«, fragte ich. Schließlich wusste ich, wie ich aussah.

»Das ist nicht das Problem. Nur dein Blick … du guckst schon wieder so nachdenklich!«

»Ja, aber … Ach, du weißt ja …« Irgendwie konnte ich es nie gut verbergen, wenn ich mir Gedanken machte. Vor Marie sowieso nicht.

»Du nervst. Jetzt freu dich, heute hast du frei! Wenn du morgen gegen einen Baum fährst, ärgerst du dich im Himmel, den heutigen Tag mit Grübeln vergeudet zu haben!«

»Jajaja …« Obwohl sie ja prinzipiell Recht hatte, wollte ich das nicht hören. Eigentlich war ich da keinen Deut besser als mein Mann.

»Lass uns etwas trinken gehen. Also einen Kaffee oder so.«

Marie lachte. Wahrscheinlich hatte mein Gesicht einen panischen Blick aufgesetzt, um mein Gegenüber davon abzuhalten, den Rest meines Körpers wieder zum Alkohol zu verführen.

»Ich fahre kurz zu Hause vorbei und komme dann in die Stadt«, schlug Marie vor und war auch schon auf dem Weg zur Tür.

»Klasse, also bis gleich im ›Ti amo‹?«

»Super!«

Bevor ich mich auch auf den Weg machte, schaute ich noch schnell nach, ob mir Frau Klaus bereits geschrieben hatte. Die erste Mail in meinem Postfach hatte im Betreff bereits solch gruselige Kraftausdrücke, dass ich mich gar nicht traute, sie zu öffnen. Sie veranlassten mich sofort zu einem kompromisslosen Löschen.

Die zweite Mail war von einem Schulkollegen, der uns ehemalige Abiturienten immer wieder anschrieb wegen meiner Meinung nach absolut überflüssiger Klassentreffen. Die Krux daran war, dass ich mich nicht im Entferntesten an diesen Typen erinnern konnte. Lag das an meinen vielen Fehlstunden? Bis heute war ich mir nicht sicher, ob er sich nicht vielleicht einen Künstlernamen zugelegt hatte, unter dem er jetzt agierte. Wie sonst wäre ein Mann mit dem Namen Waldemar Eichelkraut mir nicht wenigstens ein klitzekleines bisschen im Gedächtnis geblieben? Einen solchen Namen hätte ich mir bis an das Ende meiner Tage merken können. Andererseits konnte sich aber auch niemand diesen Namen ernsthaft als Künstlernamen ausdenken.

Ich hatte bisher noch nie auf seine Mails geantwortet, weil ich es nicht erstrebenswert fand, eine Gruppe von Menschen wiederzutreffen, bei denen ich mindestens drei Kreuze gemacht hatte, als es bei der Abiturienten-Verabschiedung hieß: »Wir verabschieden uns nun voneinander und wünschen einander einen erfolgreichen Start ins Berufsleben!« Das sprach mir zwar damals nicht ganz aus der Seele, ich hätte eher etwas in Richtung »Guten Tag und guten Weg! Auf Nimmerwiedersehen und hoffentlich wenige Berührungspunkte in unseren weiteren Werdegängen!« ausformuliert, war aber aufgrund der Tatsache, dass es das jetzt gewesen sein sollte, nahezu euphorisch gut drauf und verzichtete damals darauf.

In der Schule war es bereits dasselbe Thema gewesen, welches mich um den Verstand gebracht hatte: Das dumme Gerede der Anderen. Dieses »Ohh … ich hab' ja soo wenig gelernt … ich hab‹ nix getan! Ob das mal gut geht …« vor jeder Klausur. Meistens war einzig und allein ich diejenige, die dies hätte von sich behaupten dürfen, kein anderer. Wenn die Klausur zurückgegeben wurde, hatten diese Wundermenschen plötzlich ihr insgeheimes »Null-Fehler-Ziel« wieder ohne Einschränkungen erreicht. »Hab' ich ein Glück!« Ganz ohne Lernen – ist klar! Eingehakt mit den anderen Lügnern gingen sie dann von dannen, um sich direkt wieder an den Schreibtisch zu setzen, um für die Klausur in vier Wochen zu lernen.

Es war genau wie jetzt im Job. Schlauer, besser, verlogener. Ein roter Faden, der sich durch mein Leben zog. Ich dachte wieder an mein Buch. Mein Interesse, diese Leute wiederzusehen, ging gen Null. Also löschte ich auch diese Nachricht.

Die dritte Mail hatte den viel versprechenden Betreff »Was war zuerst da? Das Huhn oder das Ei?« Absender: Carola Klaus. Mein Herz machte einen kleinen Freudensprung.

Liebe Frau Lewalder,

ich habe mich sehr über Ihre E-Mail gefreut. Hamburg? Eine tolle Stadt! Ich habe Verwandtschaft dort, die ich leider viel zu selten sehe!

Aber nun zu Ihrer Frage: Ich denke, bevor der Erfolg kam, war das Glück da. Mit Glück meine ich aber vielmehr das Glück, welches wir selbst gestalten. Die Realität, in der wir leben möchten, ist unser Glück, darin fühlen wir uns wohl. Es liegt also an uns, eine Welt der Gedanken und Gefühle zu gestalten, um allen Erfolg auf uns zu lenken.

Seien Sie glücklich – Sie werden sehen, wie erfolgreich es Sie macht.

Ihnen wünsche ich viel Glück auf Ihrem Weg! Und wenn Sie keine Lust haben, das Buch zu lesen – Sie schreiben, dass Sie kein Fan von Ratgebern sind –, schreiben Sie mir doch einfach weiterhin direkt! Darüber freue ich mich umso mehr!

Ihre Carola

Das war ja eine interessante Sicht der Dinge. Vorstellen konnte ich es mir in der Tat, dass ein alter, zweifelnder und murrender Griesgram niemals ein erfolgreicher Manager werden konnte. Das lag auf der Hand. Aber ein Mensch, der grundsätzlich einfach nur bedingungslos glücklich durch die Welt stiefelte, war auch der Typ Neandertaler, der direkt beim Verlassen der Höhle von einem Säbelzahntiger verspeist wurde, weil die Welt ja ach so herrlich liebevoll ist.

Eine interessante Sichtweise, die es mal näher zu beleuchten galt. Sehr sympathisch diese Frau Klaus.

Zufrieden und voller Zuversicht machte ich mich auf den Weg in die Stadt. Ich war schon viel zu spät dran. Ich stieg ins Auto und hielt kurze Zeit später an einer Ampel. An einer Bushaltestelle sah ich einen jungen Mann, der einer schwer behinderten Frau liebevoll über die Wange streichelte. Sie war sehr hübsch, konnte sich allerdings nahezu gar nicht bewegen und saß in einem elektrischen Rollstuhl. Ich überlegte, ob die beiden mal ein Paar gewesen waren, das vollkommen gesund all das genießen konnte, was für einen selbst so selbstverständlich war. Vielleicht hatte nur ein Schicksalsschlag sie in diese Situation gebracht, in der die Frau so wenig am normalen Leben teilnehmen konnte? Der Mann war so lieb und sprach lächelnd mit ihr. Sie konnte kaum reagieren, er schien aber – vielleicht an ihrem Blick – zu erkennen, dass es ihr gut tat.

Ich dachte an die E-Mail von Frau Klaus und befand, dass man für ein erfolgreiches Leben tatsächlich eine gewisse Portion Glück im Herzen tragen musste. Andernfalls konnte man nicht in Momenten Glück weitergeben, die für einen selbst so schwierig waren wie für diesen jungen Mann. Er schien sehr glücklich damit, für seine Freundin da zu sein.

Ich war sehr gerührt von dieser Szene und stimmte Carola Klaus gedanklich zu, dass erst das Glück im Herzen da sein musste, um erfolgreich zu leben, erfolgreich im Sinne von persönlicher Zufriedenheit. Wenn man mit Freude an den Job gehen könnte, würde sich sicherlich auch dort Einiges zum Positiven wenden.

Kapitel 3

Schon von Weitem sah ich Maries Auto, das mal wieder mitten auf dem Gehweg vor dem Ti amo stand. Marie stand lässig daneben, hatte gerade ein Telefongespräch beendet und kam mir strahlend entgegen.

»Ich bin nachher noch mit Jan verabredet. Wir wollen noch einen Film gucken. Klingt jetzt noch nicht so spannend, aber mal sehen, was noch draus wird«, sagte Marie und zwinkerte mir frech zu.

Jan war ein sehr guter Freund von Marie. Ihre Beziehung war eher platonisch, aber relativ ausdauernd. Wir wunderten uns seit geraumer Zeit, warum die beiden mittlerweile nicht schon glücklich in einem Einfamilienhaus mit zwei Kindern am Rande der Stadt wohnten. Jan war der klassische Ernährertyp. Er sah gut aus, war immer da, wenn es hieß, Mariechen brauchte einen männlichen Begleiter, und vor allem war er sehr, sehr lieb und fürsorglich. Das war aber nicht das, was ein Mann für Marie sein musste – »noch nicht, so alt werde ich erst!«, pflegte sie auf diese Überlegung hin immer zu sagen. Sie sah in ihm den männlichen besten Freund. Ich wunderte mich, wie er es mit einer so niedlichen besten Freundin aushielt, ohne sich zu verlieben.

»Also das Singlesein scheint dir ja geradezu hervorragend zu gefallen. Ich bin froh, dass du nicht trauernd und schluchzend zu Hause sitzt und dich selbst bemitleidest.«

»Ach Carla, dann könnte ich dir ja gar nicht mehr vorwerfen, endlich aus der Selbstmitleidsecke hervorzukriechen.« Sie knuffte mich in die Seite. »Auch für mich schrägen Topf gibt's schon irgendwo 'nen Deckel. Meinst du nicht?«

Ich umarmte sie. Während wir zufrieden in unserem favorisierten Heißgetränk, heiße Milch mit Honig, rührten, quatschten wir über das Leben im Allgemeinen und unser Leben im Einzelnen.

»Was macht denn dein Laden, meine Liebe?«, fragte ich meine kleine Schwester.

»Es macht so viel Spaß! Gerade habe ich einen Vertreter in Empfang genommen, der hatte einfach sensationelle Düfte dabei. Eine ganz neue Linie: Vanilla domani. Findest du nicht, dass sich das schon wundervoll anhört?«

Marie geriet richtig ins Schwärmen und mir wurde ganz warm ums Herz, als ich sie so reden hörte.

»Das hört sich sogar sehr gut an, ja. Und, bezahlbar?«

Sie kramte in ihrer Tasche und fand nach langem Suchen eine kleine Cremeprobe, die sie auf meiner Hand auftrug. Ein süßer Vanilleduft mit einem Hauch Honig drang in meine Nase.

»Hmmm … Riecht lecker! Wie unsere Milch!«

»Ja, aber wenn ich ehrlich bin: nicht bezahlbar. Aber ich werde es wohl dennoch als ganz neues Konzept mit aufnehmen. Meiner Meinung nach geht der Trend absolut in Richtung solcher Raumdüfte. Düfte machen Menschen glücklich. Das ist bewiesen. Und wenn man schon die vielen Düfte oder eher Gerüche der anderen Menschen nicht ändern kann, kann man doch wenigstens den Raumduft verschönern, und alle haben gute Laune! Das ist mein Plan. Weißt du noch früher, wenn Oma immer die leckeren Schokoladentorten gebacken hat? Den Duft werde ich nie vergessen! Ich habe nicht einen schlecht gelaunten Menschen erlebt, wenn Oma diese Kuchen gebacken hat. Da muss doch was dran sein! Wenn wir etwas riechen, was wir mit positiven Erinnerungen verbinden, hebt das unsere Stimmung. Wir fühlen uns glücklicher, in die Jugend versetzt und zufrieden. Das ist Teil meines Konzeptes.«

»So gesehen hast du Recht«, murmelte ich. Maries Art erinnerte mich manchmal an Pippi Langstrumpf. Sie malte sich die Welt in so bunten Farben aus, das machte mir immer wieder besonders Freude. Sie schien mit ihrer Arbeit so glücklich und das passte zu dem, was Carola Klaus geschrieben hatte. Wenn mir eine Verkäuferin wie Marie gegenüberstünde und mir mit diesem strahlenden Lachen verkündete, dass ihre neuen Raumdüfte das Nonplusultra überhaupt waren, würde ich den halben Laden leer kaufen. Da steckte so viel Herzblut drin, damit konnte sie auf Dauer nur Erfolg haben.

Sie war aber so oder so auch einfach der Typ Mensch, der im Kopf bereits einen Businessplan erstellte, wenn der Rest Ihrer Umwelt unter größtem Zweifel ein Veto einlegen würde.

»Wenn die Düfte da sind, bitte ich dich, mir mal einen Schwung mitzubringen, damit ich den bei uns in allen Gängen versprühen oder ihn am besten gleich als Blumenwasser verwenden kann und diese miesepetrigen Gesichter endlich nicht mehr allgegenwärtig sind«, sagte ich ironisch.

Wir mussten lachen. Als ich jedoch wieder an meine Arbeit dachte, verging mir sogar der Appetit auf meine heiße Milch. Und das sollte schon etwas heißen.

»Ach, es ist alles so blöd. Was soll ich denn machen? Ich habe echt keine Lust mehr auf diesen Job. Das ist es alles nicht.«

»Du brauchst Urlaub!« Marie hatte meine Stimmung sofort richtig erkannt und legte ihre Hand auf meinen Arm.

»Ach … Julius muss so viel arbeiten. Und irgendwie hab‹ ich gar nicht den Kopf dafür. Mal schauen, das machen wir bestimmt irgendwann. Sonst könnten wir beide ja auch mal wegfahren, aber du musst ja auch erstmal ordentlich Gas geben!«

»Ja, aber irgendwann bin ich so erfolgreich, dann betteln alle darum, auch einen der exklusiven Velvet Senses-Shops eröffnen zu dürfen. Und dann kann ich beruhigt Urlaub machen und das Geschäft meinen zahlreichen Mitarbeitern überlassen.«

Vor dem Hintergrund meines Ratgebers und Maries Selbstständigkeit, wurde ich nachdenklich, was meine Person anging. Sie war so optimistisch und positiv, was man von mir nicht behaupten konnte.

»Warum tust du nicht auch das, was du dir wünschst? Worauf wartest du? Kündige! Such dir was anderes! Es gibt doch nicht nur diese eine Firma.« Marie hatte meine Gedanken sofort erkannt.

Ich zog die Schultern hoch und rührte in meiner heißen Milch.

»Es muss doch weitergehen. Und außerdem, was soll ich denn tun? Ich weiß ja gar nicht, was ich gerne machen will.«

»Weitergehen muss es, ja, aber doch so nicht! Das kann es doch nicht sein!«

Sie hatte ja Recht. Ich war zu ängstlich. Und ich wusste auch leider überhaupt nicht, was als Alternative zu meinem derzeitigen Job in Frage käme. Alles erschien mir so schwierig, so unrealistisch. Es war zum Verzweifeln. Ich fühlte mich wie gelähmt. Ich spürte, wie ich unruhig wurde und verschwand, mehr aus Verlegenheit und Ratlosigkeit, kurz zur Toilette.

Als ich wieder zurück in Richtung unseres Tisches ging, hielt mich plötzlich jemand an der Schulter fest.

»Mensch! Carla- immer noch die alte Verplantheit von früher … Steht dir gut, die Fahne!«

Markus Hohweg. Mein Schwarm aus frühester Jugend, den ich auch seitdem nie wieder gesehen hatte. Er war derjenige, der mich mit sechzehn mit meiner Freundin betrogen hatte. Das war damals mein ganz persönliches Waterloo. Vor unserer kurzen Liaison hatte ich täglich alles daran gesetzt, immer top auszusehen, immer trug ich perfekte Kleidung, tolles Make-up. Wenn ich wusste, ich hatte eine Stunde mit ihm zusammen Sportunterricht, hatte ich vor Aufregung Tage zuvor nicht ordentlich essen können, mir die Beine stündlich rasiert, Make-up, welches laut Werbung sportfest war, aufgetragen und alles gegeben, um, auch wenn ich nahe einem Kreislaufkollaps war, auch die letzten fünfzig Liegestütze zu absolvieren.

Alle wohl gemeinten Ratschläge meiner besten Freundin, die immer wieder bemerkte, dass seine Freundinnen – er hatte etliche – deutlich schlanker, durchgestylter und cooler waren als ich, und er noch dazu absolut verliebt in sie war, perlten an mir ab, weil ich mir einbildete, sie sei nur neidisch und er wüsste nur noch nicht, dass ich seine Traumfrau bin. Das hatte erst meine Freundschaft zerstört, später dann auch mein Selbstbewusstsein, als ich feststellen musste, dass meine Freundin Recht hatte. Sie war dann auch diejenige, die ihn nicht von der Bettkante stieß und mich in tiefe Selbstzweifel verfallen ließ.

Was meinte er wohl mit »Steht dir gut, die Fahne?« Was für eine Unverschämtheit! Ich meinte, einen Unterton herauszuhören, schließlich kannte ich ja mein heutiges Spiegelbild und meinen ungefähren Alkoholpegel vom vorherigen Abend. Kurz schaute ich an mir herunter, hatte aber nichts Erwähnenswertes festzustellen.

Er lachte mit diesem schäbigen Lachen von früher und deutete hinter mich. Die Schamesröte stieg mir ins Gesicht. An meinem Gürtel hing eine lange Fahne Toilettenpapier.

»Boden, tu dich auf, und lass mich einfach nur in dir versinken«, schoss es mir durch den Kopf. Oh, mein Gott, wie peinlich war das denn? Das konnte nicht wirklich wahr sein.

Er lachte mich mit genau demselben abwertenden Blick aus, den er bereits zu damaligen Zeiten mir gegenüber an den Tag gelegt hatte, und ich zog es vor, wortlos meinen Weg zu Marie fortzusetzen. Vorher hatte ich noch meinen Anhang entfernt.

Er rief noch: »Hey, wie sieht's aus mit dem Klassentreffen? Sieht man sich dort?«

Ich stammelte nur ein kurzes »Nein, geschäftlicher Termin geht vor …« und zog von dannen.

»Süße, wer war der gutaussehende Typ da gerade?«

»Ach, vergiss es, nicht der Rede wert.« Ich war gefrustet, dass es mir noch nicht mal nach dreizehn Jahren gelungen war, einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Weil Marie natürlich nicht locker ließ, erzählte ich ihr von dieser desaströsen Fügung, was sie mit einem schallenden Lachen quittierte. Markus prostete ihr zwinkernd zu.

»Danke, Marie«, zischte ich leicht angesäuert.

Sie küsste mich auf die Wange und schüttelte nur schmunzelnd den Kopf. Ich war ganz froh darüber, als Marie den Aufbruch anpeilte. Mich ärgerte es, dass ich mich vor meinen Schulkameraden mal wieder lächerlich gemacht hatte. Und dass es mich überhaupt ärgerte, ärgerte mich umso mehr. Es war wie im Job. Immer war ich der Idiot.

»Süße, ich muss los, Jan wartet bestimmt schon.« Marie umarmte mich und mir war in meiner derzeitigen Gemütslage gerade danach, mich einfach in ihren weichen Cashmere-Pullover zu kuscheln und ich wurde neidisch auf Jan, der das nun gleich eventuell genießen durfte.

»Klar, meine Kleine. Ich muss auch los. Wir sind bei Karl eingeladen. Er kocht irgendetwas Italienisches. Sicher super! Diätpläne adieu! Ab morgen wieder!«

»Natürlich!« Marie zwinkerte. »Grüß Karl mal von mir. Sag ihm mal danke von mir für den riesigen Blumenstrauß.«

»Blumenstrauß?«

»Er schickt mir jetzt jeden Mittwoch einen riesigen Strauß Blumen. Weil ich meinen Laden an einem Mittwoch eröffnet habe und er der Meinung ist, ich sollte das Jubiläum jede Woche feiern.«

Sie schüttelte lachend den Kopf.

»Hört, hört! Na, wenn das mal … Hmm, verschweigst du mir was?«

»Du fragst mich ja nicht danach. Ich wünsch' euch einen schönen Abend! Guten Appetit!« Marie ging gar nicht weiter darauf ein, sondern warf mir über die Schulter hinweg eine Kusshand zu.

»Und wenn du Lust hast, meld dich doch noch bei mir. Vielleicht gehen wir ja noch mit den Männern was trinken später?«, rief ich ihr hinterher.

»Na klar! Mach ich ganz sicher! Freu' mich, Karl mal wieder zu sehen! Ciao, meine Liebe!«

»Ciao!«

War da wohl irgendwas im Busch mit Karl und Marie? Das wäre ja spannend. Marie hatte tatsächlich Recht, ich fragte viel zu wenig danach, wie es in ihrem Gefühlshaushalt so aussah, ständig hatte ich nur meine Job-Jammerei im Kopf. Ich fühlte mich schrecklich egoistisch. Dieser blöde Job ärgerte mich immer mehr. Er nahm einen viel zu hohen Stellenwert ein und vernebelte mir schon den Blick aufs Wesentliche.

Hatte ich tatsächlich nicht bemerkt, dass sich bei meiner Schwester und unserem besten Freund etwas anbahnte? Hatte Julius irgendetwas erwähnt und ich hatte ihm gedankenverloren mal wieder einfach nicht richtig zugehört? So ging das definitiv nicht weiter.

Kapitel 4

Als ich in unserer Wohnung angekommen war, schüttete es in Strömen, dazu wehte ein kalter Wind. Jetzt ein herrliches Bad! Das würde meiner Seele gut tun, gerade am heutigen Tage. Ich hatte noch Zeit, um mich fertig zu machen, denn Julius war auch noch nicht da, daher schrieb ich vorher noch schnell eine Mail an Carola Klaus.

Liebe Carola,

ich hoffe, es ist ok, wenn ich Sie so nenne? Danke für Ihr Angebot!

Ich bin Ihnen für Ihre Worte so dankbar! Sie haben vollkommen Recht. In vielen Dingen habe ich Ihre Aussage sacken lassen, Sie haben wirklich etwas Wahres gesagt. Es gibt mir viel Zuversicht, mit Ihnen zu schreiben und ich bin gespannt. Ich wünsche Ihnen alles Gute!

Mit bestem Dank

Ihre Carla

Ich zog meine Jeans und die Bluse aus, streifte meinen flauschigen Bademantel und meine Hausschuhe über und machte mich an die Vorbereitungen für ein Wohlfühl-Bad. Es bestand aus einem süß duftenden Vanille-Himbeer-Öl und Duftkerzen, die ebenso einen leichten Vanilleduft in den Raum zauberten. Es waren alles Kostbarkeiten aus Maries Laden. Dazu machte ich entspannende Musik an. Um mich herum die Düfte der neusten Kreationen aus Maries Repertoire, dazu das warme, weiche Wasser – ein wahrer Genuss für die Sinne.

Bei der Musik erinnerte ich mich an das Kennenlernen mit Julius. Sehr präsent sind die Bilder, wie ich damals aufgeregt und unbeholfen auf seinem Junggesellensofa saß und nicht wusste, was man sich denn nun mal erzählen könnte. Wenn dann Julius zu meiner Erleichterung etwas erzählt hatte, hatte ich meistens zu laut und an den falschen Stellen gelacht und war ständig darauf bedacht, dass das Make-up saß und ich gerade keine Nudel im Gesicht kleben hatte oder so.

Auch schön war die Erinnerung daran, als Julius nach unserem ersten gemeinsamen Tag unter der Dusche nach einem Handtuch gerufen hatte. Es war mir so unangenehm, dass ich ihn nach so kurzer Zeit schon nackt sehen sollte, dass ich mir überlegte, wie ich dies umgehen konnte. Ich entschied mich dafür, rückwärts ins Bad zu gehen, ihm ganz lässig durch die Duschkabinentür das Handtuch zu reichen und dann schnell wieder die Flucht nach vorne anzutreten.

Das klappte aber nur bedingt. Bis zur Handtuchabgabe an der Duschkabine gelang mir mein Plan hervorragend, dann allerdings stolperte ich über einen von Julius‘ Flip-Flops, geriet ins Straucheln, konnte mich nicht mehr halten und plumpste bäuchlings auf den Fußabtreter vor dem Waschbecken. Julius sprang erschrocken unter der Dusche hervor, um mir zur Hilfe zu eilen. Ganz Gentleman kommentierte er meinen Fall nicht, sondern kniete sich neben mich, gab mir ganz zärtlich einen Kuss und zog mich hoch. Knallrot hatte ich versucht, seinem Blick auszuweichen, was er natürlich nicht zuließ. Er nahm mich kurzerhand auf den Arm und trug mich wieder zurück Richtung Sofa. Die blauen Flecken an Knien und Ellenbogen haben mich noch lange daran erinnert.

Mit diesen Bildern im Kopf schloss ich im warmen Wasser die Augen und hörte dem Wasserrauschen und der Musik zu. Einzelne Sätze und Bilder flogen nur so durch meinen Kopf und ich lächelte vermutlich leise vor mich hin, als mich plötzlich ein vorsichtiges Streicheln an meiner Schulter aufweckte. Es kam mir so realistisch vor: Julius und ich auf dem Sofa, Musik im Hintergrund, ein Streicheln, Wassergeräusche …

»Hase, leider muss ich dich aus deinen Träumen holen.«

Ich zuckte zusammen, wobei mir eine große Welle Wasser übers Gesicht schwappte. Ich gluckerte unter Wasser, schnappte panisch nach Luft und ruderte mit beiden Armen gen Wasseroberfläche. Julius zog mich belustigt wieder an die Oberfläche.

»Hey, nicht ertrinken! Wir müssen in einer Dreiviertelstunde bei Karl sein. Du musst also deinen Schönheitsschlaf, den ich nebenbei bemerkt für völlig unnötig halte, relativ bald beenden.« Er küsste mich auf die Stirn und ließ mich wieder los.

Weil ich noch ein wenig schlaftrunken war, tauchte ich vor Schreck noch einmal mit dem Kopf unter, als er mich losließ, was diesmal leider ein sofortiges Davonschwimmen meiner Kontaktlinsen zur Folge hatte. Benommen rappelte ich mich wieder auf und guckte Julius aus meinen wimperntuscheverschmierten Augen kurzsichtig an. Nur schemenhaft konnte ich ihn ohne meine Sehhilfen erahnen.

Julius rührte hilflos im Wasser herum und fahndete nach meinen Linsen. »Die Linsen sind weg. Kannst du abhaken.«

Es lief irgendwie unrund bei mir.

»Mach lieber langsam, bevor noch was passiert.«

»Nee, ich bin jetzt vorsichtig!«, sagte ich und rutschte aus, nachdem ich zwar ein Bein bereits auf dem Handtuch hatte, das andere jedoch noch auf dem feuchten Wannenboden balancierte.

Zum Glück konnte Julius noch schnell genug wieder zur Badewanne eilen, hielt mich gerade noch fest und konnte so Schlimmeres verhindern. Es war wohl nicht mein Tag heute. Der Ausflug in die Vergangenheit hatte sich gut angefühlt, so viel besser als dieses Alltagsdilemma gerade.

»Oh, oh. Ich bin mir langsam nicht mehr so sicher, ob man dich wirklich zehn Stunden am Tag dir selbst überlassen kann. Ein Wunder, dass dir so selten was Ernsthaftes passiert!« Damit er mich sehen konnte, ging er rückwärts wieder in Richtung Tür.

Ich stand ja nun auf beiden Beinen, eigentlich konnte jetzt nicht mehr viel passieren.

»Ich wundere mich auch. Aber habe ich nicht einen wundervollen Mann, der immer in der richtigen Minute zur Stelle ist? Wir ergänzen uns doch prima: Perfektionist mit Hang zur Inkonsequenz gerät an stets bemühte, aber dennoch hoffnungslose Chaotin zwecks Leben zu zweit. Das kann ja nur gut gehen!«, lächelte ich ihn schief an und machte mich daran, fertig zu werden.

Julius ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an.

Ich setzte meine Brille auf und schaute mich im Spiegel an. Man sah mir nicht mehr so viel an vom gestrigen Desaster. So langsam ließen sich aber doch die ersten kleinen Fältchen nicht mehr verleugnen, ganz zu schweigen von unschönen Augenringen, die ich leider auch aufwies, wenn ich nicht die halbe Nacht getrunken hatte. Ob das wohl auch Julius aufgefallen war? Der Stress und die Unzufriedenheit gingen leider nicht spurlos an mir vorbei. Ich legte eine Extraladung Creme und Make-up auf, heute brauchte ich das. Damit hatte ich mir fast wieder so etwas wie ein Selbstbewusstsein zusammengekleistert.

Bevor wir losfuhren, verfasste ich noch schnell eine Ergänzung zu meiner Mail an meine neue private Lieblingsratgeberin.

Liebe Carola,

ich bin's schon wieder.

Wenn das mit dem Herz und dem Einklang doch nur immer funktionieren würde. Ein Tag wie heute, an dem ich viel Zeit mit meiner Schwester, meinem Mann und den besten Freunden verbringen darf, das ist Glück. Persönlicher Erfolg. In der Realität verbringt man leider viel zu viele Stunden mit Dingen, die einen von diesem Glück fernhalten.

Könnte man nicht also sagen, Zeit zu haben, bedeutet, Erfolg den bestmöglichsten Wirkungsgrad einzuräumen?

Mit besten Grüßen!

Carla

Kapitel 5

»Carla! Was ist denn mit dir passiert?«, begrüßte mich Karl zu meinem Entsetzen, als er uns an der Tür in Empfang nahm.

»Hallooo? Was sollte denn deiner Meinung nach mit mir passiert sein?« Abgesehen davon, dass ich schon charmantere Begrüßungen entgegengenommen hatte, war ich irritiert, hatte ich doch alles gegeben bei meinen Restaurierungsarbeiten im Bad.

»Du hast abgenommen!«

Ich war nette Menschen einfach nicht mehr gewohnt.

»Hey, Karl! Wohin willst du heute Abend noch gehen? Ich lade dich überall hin ein!« Ich umarmte ihn. Manche Lügen sind doch einfach Balsam für die Seele.

Karl war gutaussehend. Er hatte blonde, kurze Haare und braune Augen. Er war mehr der sportliche Typ im Gegensatz zu Julius, der absolut klassisch und konservativ war. Karl trug heute Abend Flip-Flops und hellgrüne Shorts, dazu ein rosafarbenes Polohemd, während Julius eine beigefarbene Chino und ein hellblaues Hemd trug.

»Mach meine Frau nicht an, okay?«, kam es böse aus dem Hintergrund. Julius zog mich besitzergreifend an sich.

»Mein Lieber«, Karl klopfte auf Julius Schulter, »und du siehst wie immer gestresst aus. Hey, du hast Feierabend!«

»Du siehst aus, als wärst du auf dem Weg nach Hawaii«, spottete Julius.

Karl ging nicht weiter darauf ein. »Lass uns erst einmal 'nen guten Roten trinken, oder wonach steht euch der Sinn? Carla, warum hast du deine entzückende Schwester nicht mitgebracht? Das Essen hätte gereicht, ich hab‹ extra viel gekocht …«

»Sie kommt eventuell später noch auf ein Glas mit ins ›FernW‹, wenn ihr auch noch Lust habt, rauszugehen?«

»Aber immer doch!«, entgegnete Karl »Super! Aber wie gesagt, ruf sie an und lad sie auch zum Essen ein. Ich freu‹ mich.«

»Jan ist bei ihr. Aber danach vielleicht. Und ich soll noch ›Danke für die Blumen‹ sagen.« Erwartungsvoll schaute ich ihn an.

»Oha.« Karls Miene verdunkelte sich merklich. Über die Blumen ging er völlig hinweg. »Dann braucht sie definitiv danach so einige Gläser Weißwein, um wieder in Stimmung zu kommen. Ich stelle schon mal zwei, drei Flaschen kalt.«

Ein Hauch von Eifersucht war herauszuhören. Jan war ihm wohl ein Dorn im Auge. Und so ganz geklärt war die Situation zwischen Jan und Marie ja auch wirklich nicht.

»Sei vorsichtig, Karl. Diese Familie ist gemeingefährlich. Einmal in ihren Bann gezogen, kommst du da nicht mehr raus«, schaltete sich Julius mit einem warnenden Unterton ein.

»Das Risiko nehme ich gerne in Kauf.«

»Sag bloß nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«

Ich musste schlucken, es schien in der Tat so, dass ich die Einzige war, die nicht mitbekommen hatte, dass sich da was anbahnte. Wie traurig.

Ich hatte die Küche schon inspiziert. Herrliche Dinge hatte Karl dort gezaubert. Tomaten mit feinen Mozzarella-Scheiben und Basilikumblättern drapiert lagen schon auf jedem Teller, dazu feinste Balsamico-Creme und ein Teller voll mit edlem Parmaschinken und Parmesan-Scheiben. Wie schön das war, wenn man so ein Faible fürs Kochen hatte. Ich hatte leider nur die Liebe zum Essen mit auf den Weg bekommen. Mein Herz machte einen Luftsprung beim Anblick des Nachtisches – Tiramisu und Pannacotta – und mein Gewissen schien meinem Herzen direkt einen Schlag mit dem Holzhammer zu verabreichen.

»Naa, meine Liebe … Lass uns gleich einmal starten, oder?« Karl legte seinen Arm um meine Hüften und ich gab mir Mühe, den Bauch schnell noch einzuziehen. Aber dafür war es bei diesem Spontanangriff schon zu spät.

»Aber gerne doch, mein Meisterkoch! Mit größtem Vergnügen! Ich habe schon einmal geschaut … Ich denke: You made my day!«, strahlte ich.

Julius und ich waren beide keine Kochkünstler, eher im Gegenteil. Wir waren zwar sehr dankbare Esser und hatten nur selten was zu meckern, aber unser Umfeld musste sich leider damit arrangieren, dass wir sie alle selten zum selbstgekochten Essen einluden. Das hatte wiederum den Vorteil, dass wir sie immer mal in das ein oder andere Restaurant einluden. Das kann ja auch eine ganz nette Alternative sein. In unserem Fall war es sicher die weitaus bessere Option.

»Was trinkst du, Carla? Weißweinschorle?«

»Ja, mit wenig Wasser bitte!« Ich grinste wie ein Honigkuchenpferd. Es machte mir riesig viel Spaß, mich über mein spielverderberisches Gewissen und meinen rebellierenden Magen hinwegzusetzen.

Karl öffnete eine Flasche Wein.

»Danke dir. Das nenne ich Lebensqualität!«, schwärmte ich, schaute auf den sich mittlerweile wunderschön aufgehellten Abendhimmel und genoss den leckeren Vino. Mein Magen hatte resigniert aufgegeben und war still.

»Carla, meine Liebe, was macht der Job?«

»Das ist alles nichts, aber mir fehlt derzeit die Alternative. Ich habe keine Idee, was ich tun könnte, das mich glücklicher macht. Eigentlich sollte ich kündigen.«

Julius schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber ich winkte erstmal ab.

»Lasst uns das jetzt mal vergessen. Ich will nix mehr von der Arbeit hören! Auch nicht von eurer Arbeit, meine Herren.«

Minutenlang sagte daraufhin keiner etwas. Während ich aber schon wieder meinen Gedanken nachhing, schlürften die Männer an ihrem Getränk und machten ansonsten keine Anstalten, ein Gesprächsthema in den Raum zu werfen. Wahrscheinlich verbrachten sie einfach zu viel Zeit miteinander. Es war alles gesagt. Das konnte ich mir mit Marie nicht vorstellen. Auch wenn wir stundenlang im Auto mit einem defekten Radio von München nach Kiel gefahren waren, würden auch dann noch neue Stories aus uns heraussprudeln, wenn wir auf dem Rückweg über Aachen fahren müssten.

Gerade hatte ich eine Hilferuf-SMS von Marie bekommen:

Tut das Not?? Jan schläft in meinem Schoß!! Komme gleich!!! Kriege den nur nicht hoch!

Kurz überlegte ich schadenfroh, diese Mail Karl zu zeigen, was sicher für eine unterhaltsame Unterbrechung des Schweigens sorgen würde, verkniff es mir dann aber doch. Er war auch auf der Suche nach der wirklich großen Liebe, die womöglich sogar fürs Leben halten sollte, Kinder, ein kleines Haus im Grünen und ein oder zwei Hunde sowie ein Pferd inklusive. Wir alle hofften, er würde die Richtige auch bald finden. Die derzeitige Situation war nicht immer ganz einfach für uns. Mir fiel es immer wieder schwer, mich an die ständig wechselnden Begleitungen zu gewöhnen und mich auf sie einzustellen. Ich bin ja für gewöhnlich nett, daher versuche ich es wenigstens! Aber es kam nicht so gut, Carolina plötzlich mit Sophie anzusprechen oder Maren nach ihrer Blasenentzündung zu fragen, während Maren sich als Janna vorstellt, die allenfalls unter Migräne leidet.