Weihnachten im kleinen Laden am Strand - Julia Rogasch - E-Book

Weihnachten im kleinen Laden am Strand E-Book

Julia Rogasch

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Beschreibung

Die schönste Zeit des Jahres auf Sylt Die Weihnachtszeit steht im kleinen Laden auf Sylt vor der Tür. Kaum Touristen sind auf der Insel und Ebba und Magnus bereiten mit Hingabe den anstehenden Weihnachtsmarkt vor. Doch in die Kälte und Ruhe vor dem turbulenten Weihnachtsgeschäft platzt eine junge Frau, die einen Job sucht. Ebba und Magnus überlegen nicht lange und stellen Lene May als Aushilfe ein. Zwischen Plätzchen, Glitzerkugeln und Leuchtsternen freunden Ebba und Lene sich an und bald schon wird klar: Lene ist nicht nur wegen einer dringend benötigten Auszeit auf der Insel. Sie ist schwer krank und außerdem auf der Suche nach ihrer Zwillingsschwester, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Doch obwohl ihre Schwester scheinbar auf Sylt lebt, ist sie auf einmal unauffindbar. Lene ahnt nicht, wie weit die Spuren ihrer Familiengeschichte sie in die Vergangenheit führen werden…

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Weihnachten im kleinen Laden am Strand

Die Autorin

Julia Rogasch, geboren 1983, lebt mit ihrem Ehemann und ihren Töchtern in Hannover. Seit 2010 sorgt ihr Leben als Mama mit Job täglich für Inspirationen.Ihr großes Glück ist die Familie, welche sie nun mit der Arbeit und der Leidenschaft fürs Schreiben vereinbaren kann, da man ihr die Chance bot, im Marketing via Homeoffice für das Autohaus ihre Kreativität auszuleben, für das sie bis 2010 Autos verkaufte. Wann immer der Familientrubel es zulässt, widmet sie sich privat dem Schreiben.

Das Buch

Die Weihnachtszeit steht im kleinen Laden auf Sylt vor der Tür. Kaum Touristen sind auf der Insel und Ebba und Magnus bereiten mit Hingabe den anstehenden Weihnachtsmarkt vor. Doch in die Kälte und Ruhe vor dem turbulenten Weihnachtsgeschäft platzt eine junge Frau, die einen Job sucht. Ebba und Magnus überlegen nicht lange und stellen Lene May als Aushilfe ein. Zwischen Plätzchen, Glitzerkugeln und Leuchtsternen freunden Ebba und Lene sich an und bald schon wird klar: Lene ist nicht nur wegen einer dringend benötigten Auszeit auf der Insel. Sie ist schwer krank und außerdem auf der Suche nach ihrer Zwillingsschwester, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Doch obwohl ihre Schwester scheinbar auf Sylt lebt, ist sie auf einmal unauffindbar. Lene ahnt nicht, wie weit die Spuren ihrer Familiengeschichte sie in die Vergangenheit führen werden…

Von Julia Rogasch sind bei Forever erschienen:HonigmilchtageMit dir am HorizontDas Geheimnis vom StrandhausDer kleine Laden am StrandDas kleine Haus in den DünenDas Glück zwischen den DünenWeihnachten im kleinen Laden am Strand

Julia Rogasch

Weihnachten im kleinen Laden am Strand

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinNovember 2020 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-551-7

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Das Geheimnis vom Strandhaus

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Widmung

Meinen Herzensmenschen.Meinen wundervollen Lesern.All jenen, die an ihre Träume glauben.Dir, denn mein Traum lebt durch dich.

Prolog

Das Rauschen des Meeres klang ähnlich wie das, was gerade in ihrem Kopf geschah. Für einen Moment schloss Lene die Augen. Sie versuchte sich vorzustellen, dass es gar nicht die Wucht der Worte des Arztes war, die in ihrem Kopf wütete, sondern die tobenden Wellen am Strand vor Kampen, einem ihrer Lieblingsorte auf Sylt. Sie trafen massig und unermüdlich an Land, als würde alles ewig so weitergehen. Weit über ein Leben hinaus. Wir Menschen glichen nur einem Wimpernschlag mit unserem verschwindend kurzen Dasein in diesem niemals enden wollenden Universum.

Wenn sie am Meer war, kam Lene dieser Gedanke so oft. Aber sie war jung. Ihr Leben lag vor ihr. Daran, dass sie einmal sterben würde, müsste sie noch lange nicht denken. Sie fühlte den nassen Sand unter den Füßen, der ihr mit jeder Welle, die ihn umspülte, weniger Halt bot. Ihr Blick wanderte zur Sonne. Sie stand strahlend hell über dem weißen Strand und tauchte die Insel bis spät in die Abendstunden in ein prachtvolles Farbenspiel. Mit ihren Strahlen strömten immer Millionen von Endorphinen gemeinsam mit der salzigen Luft, die sie mit jedem Atemzug einsog, in ihren Körper. Lene versuchte, sich stets in Richtung der Sonne zu orientieren, denn sie war schon immer ein positiver Mensch gewesen, selbst wenn das Leben es manchmal weniger gut mit ihr gemeint hatte. Der Gedanke an Sylt war dann oft wie eine kurze Reise an den Ort, an dem sie Kraft tanken und ihren Optimismus stärken konnte.

Heute fiel es ihr schwer, diese Eigenschaft aufrechtzuerhalten. Mit einem Mal verschwammen die Bilder ihrer Herzensinsel. Das Rauschen und die langen Schatten der Strandkörbe, die die Sonne am Abend in den hügeligen Sand malte, verschwanden hinterm Horizont, an dem es soeben dunkel wurde.

Es waren die Worte des Arztes, die nun wieder zu ihr vordrangen und sie aus ihrem Tagtraum zurück in das Sprechzimmer rissen.

»Das wäre die einzige Chance, wie wir Ihre Gesundheit langfristig aufrechterhalten könnten. Sie sind jung, erst 27 Jahre alt. Der Weg zunächst die Werte im Auge zu behalten war gut, aber nun, wo sie sich verschlechtert haben, müssen wir weiterüberlegen. Dass Ihre Eltern als Spender einer Niere nicht in Frage kommen, bedeutet ja nicht, dass wir nicht anderweitig eine geeignete Person finden. Überlegen Sie ganz in Ruhe und machen Sie sich Gedanken, wie Sie das Thema mit Ihrer Familie besprechen können und wollen. Dann melden Sie sich bei mir und gemeinsam gehen wir alle Schritte, die dann notwendig sind.«

Die zierliche, in diesem Moment eher zerbrechlich wirkende Frau, nickte zögerlich. Ihre Unterlippe zitterte und ihr war die Anspannung, vermischt mit Verzweiflung, deutlich anzumerken.

»Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?« Mitfühlend legte der Arzt die Hand auf Lenes Schulter. Diese rang sich ein gequältes Lächeln ab und schüttelte den Kopf.

»Ein paar Schritte zu laufen tut mir jetzt ganz gut«, sagte sie dann und stand auf.

Der Arzt trat um seinen Schreibtisch herum und reichte Lene die Hand. Wie zur Beruhigung umschloss er ihre Hand mit seiner.

»Es wird alles gut werden, Frau May.«

Lenes Nicken gelang ihr nur schwach. Er hatte ja keine Ahnung, was in Wirklichkeit noch alles im Argen lag und wie utopisch seine Prognose daher war.

Sie hatte ihr Studium gerade abgeschlossen. Ihr Plan war, ganz bald schon Bewerbungen zu schreiben, um endlich ihren Traum zu leben und einen Beruf zu beginnen, in dem sie mit Kindern, die sie so liebte, arbeiten würde. Sie hatte sich nichts mehr gewünscht, erst recht, weil sie sich für ihre Zukunft so bald wie möglich auch Kinder gewünscht hatte. Würde es jetzt überhaupt jemals möglich sein, schwanger zu werden? Oder wäre es nun verantwortungslos, weil sie nicht gesund war?

Wie sollte da alles gut werden, wenn doch niemand sagen konnte, wie es gesundheitlich für sie weiterging? Kein Mensch würde jemanden einstellen, der krank war und womöglich immer wieder wochenlang ausfiel. Die Mühen des Studiums, das in den letzten Jahren ihr Lebensinhalt gewesen war, sollten umsonst gewesen sein? Der Gedanke an ihre beruflichen Träume war wie eine Seifenblase, die gerade erst in den schillerndsten Farben zu leuchten und aufzusteigen begonnen hatte, von einer heftigen Sturmbö erfasst worden und geplatzt. Zurück blieben nur Schlieren am Boden und eine bedrückende Leere. Jedes bunte Leuchten, wenn Lene an ihre Zukunft dachte, war verschwunden. So hatten sich die letzten Monate angefühlt, in denen sie mit der Diagnose und Krankheit gelebt hatte. Die heutigen Worte des Arztes zerschlugen den Gedanken daran, ihre Träume irgendwann weiter zu verfolgen, endgültig. Sie hatte so sehr gehofft, dass ihre Eltern als Spender in Frage kämen und dass der Arzt ihr bei diesem Termin sagen würde, dass ihre Werte besser seien. Jedoch konnte der Arzt ihr weder eine Eignung der Eltern als Spender noch bessere Werte zusagen. Und was er ihr riet, nämlich dass sie das Thema einer möglichen Spende mit ihrer Familie besprechen sollte, klang so einfach. Er meinte damit, dass sie ihre Schwester mit ins Boot holen sollte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr helfen könnte, sei hoch. Er konnte ja nicht ahnen, dass sie so weit voneinander entfernt waren, dass es vollkommen abwegig war, dass Anni Lene helfen würde.

Lene war dankbar, als sie die Praxis verließ und an der frischen Luft endlich durchatmen konnte. Es war ein kühler Morgen Anfang November. Die Sonne schien und es war trocken, aber kalt. Wenigstens das Wetter zeigte sich heute versöhnlich. Einen Novembertag mit grauen Wolken, Regen und eisigem Wind hätte sie nicht ertragen.

Lene sog die Luft tief ein und entschied, an der Alster entlang nach Hause zu laufen. Dieser Ort, der beruhigende Blick aufs Wasser und der seichte Wind, der darüber hinwegzog und Geräusche wie am Meer zauberte, erinnerten sie an Sylt. Sie schloss die Augen, horchte dem sanften Plätschern des Flusses und dem Klappern der Fahnen, die an den Masten unweit des Wassers standen. Es klang wie am Hafen oder im Garten eines alten Kapitänshauses in Keitum und ließ sie gedanklich auf Reisen gehen. Sie war an ihrem Sehnsuchtsort. Floh weit weg von den Sorgen in Hamburg. Aber es gelang ihr trotz der beruhigenden Umgebung kaum, aus dem Hier und Jetzt auszubrechen.

Vor ihrem Auge tauchte immer wieder dieses Bild auf. Es zeigte die Person, die ihre einzige Chance war, diese Zeit zu meistern. Ihre Zwillingsschwester Anni, die sie seit diesem schrecklichen Streit vor bald zwei Jahren nicht mehr wiedergesehen hatte. Sie wäre die Person, die ihr mit einer Spende helfen könnte. Aber unabhängig davon war das Zerwürfnis mit ihr etwas, was Lene endlich aus dem Weg räumen wollte. Sie brauchte ihre Schwester, die einzige »echte« Verwandte einfach wieder an ihrer Seite. Das wurde ihr mehr und mehr bewusst.

Lene kam auf dem Nachhauseweg vom Arzt an einem kleinen Laden mit dem klangvollen Namen Vanilla domani vorbei.

Angelockt vom süßen Duft nach Vanille, der hinaus auf die Straße zog, blieb sie stehen. Liebevoll dekorierte Seifen, Kosmetik und weihnachtliche Dekoartikel in allen erdenklichen Pastelltönen zierten die Auslage und luden zu einem Besuch ein. Lene entschied, dass der Tag danach verlangte, sich selbst etwas Gutes zu tun, und trat ein.

Eine freundlich lächelnde Frau nahm sie in Empfang.

»Herzlich willkommen! Möchten Sie sich erst einmal umschauen oder darf ich Ihnen schon etwas Schönes zeigen?«

»Danke, ich habe gerade Ihren zauberhaften Laden entdeckt und überlege nun, was ich mir selbst schenken könnte. Es gibt so Tage, da muss das einfach sein«, erwiderte Lene, hob nachdenklich die Augenbrauen und lächelte. »Ich schaue mich einmal um.«

»Sehr gerne! Und sich selbst ein Geschenk zu machen, ist immer eine hervorragende Idee! Schauen Sie ganz in Ruhe. Ich bin da, wenn Sie mich brauchen.« Die freundliche Art der Verkäuferin gefiel Lene sofort. Die Frau ließ keinen Zweifel daran, dass sie mit dem Laden in ihrem Element war. Ihr fröhliches Auftreten und ihre unaufdringlich herzliche Art strahlten eine tiefe Zufriedenheit aus.

Lene schaute sich in dem mit viel Liebe gestalteten Raum um und konnte sich kaum entscheiden. Sie blieb an einem Regal stehen, in dem ausschließlich Produkte zum Thema »Honig & Milch« angeboten wurden. Sofort verselbstständigten sich warme Kindheitserinnerungen in ihrem Kopf und ließen ihre Gedanken zu den Tagen reisen, an denen ihre Tante Emma ihr eine Honigmilch zubereitet hatte. Sie seufzte, weil sie sich in dem Moment unwahrscheinlich nach der wohltuenden Wärme und Geborgenheit sehnte, die dieses Getränk für sie bis heute verströmte.

Lene entschied sich für eine Kerze mit dem süßen Duft sowie eine Seife in Form einer Honig-Milch-Schokoladentafel. Dazu griff sie noch nach einer Tüte mit Vanille-Marshmallow-Herzen.

»Eine tolle Wahl«, bestätigte die Frau an der Kasse Lene in ihrer Entscheidung.

»Danke. Ich liebe diesen Duft«, erklärte Lene und deutete auf die Kerze. »Er zaubert sofort die allerschönsten Assoziationen in meinem Kopf. Wie Glücksgefühle auf Knopfdruck. Das geht gar nicht anders, wenn ich an Honigmilch denke. Herzlichen Dank dafür!«

Erfreut lächelte die Verkäuferin. »Genau so soll das sein!«

Lenes Blick fiel auf zwei Kästchen mit Visitenkarten.

Auf der einen Karte stand auch »Honigmilch«. Lene griff nach einer der Karten. »Schon wieder dieser zauberhafte Begriff.«

»Das ist die Agentur meiner Schwester. Sie hilft Menschen, die sich im Leben verändern wollen, und begleitet sie auf ihrem Weg zu einem gelungenen Neustart. So eine Art Glücksagentur.« Stolz lächelte sie.

»Das klingt hervorragend! Wer kann das nicht irgendwann im Leben gebrauchen?«, stellte Lene anerkennend fest. Sie hatte noch nie von einer solchen Agentur gehört und war begeistert.

»Und Zum kleinen Glück klingt auch klasse! Das könnte ich grad gut gebrauchen.« Lene lächelte schief. Dieser Name stand auf der zweiten Visitenkarte, die offenbar zu einem Laden gehörte. Es waren die Namen einiger Produkte aufgeführt und ein kleines Foto eines Geschäftes in einem Friesenhaus war abgebildet. Das Design verriet, dass sich dieser Laden auf Sylt befinden musste. Die Silhouette der Insel und mehrere maritime Symbole zierten das Kärtchen. Auf der Rückseite stand eine Adresse in Keitum auf Sylt. Lene kannte den Ort in- und auswendig. Die Adresse lag unweit des Hauses ihrer Tante Emma. Noch ehe ihre Gedanken wieder abdriften konnten, lenkte die freundliche Stimme der Verkäuferin sie davon ab.

»Das ist der Laden einer lieben Freundin, die es tatsächlich in die Hand genommen hat und heute ihren Traum von einem kleinen Laden auf Sylt lebt. Kennen Sie die Insel?« Die Frau klang ähnlich begeistert wie Lene selbst, wenn sie früher von ihrer Herzensinsel sprach. Lene nickte schweigend. Zumindest ein zartes Lächeln gelang ihr, vorbei am Kloß, der sich in ihrem Hals gebildet hatte.

»Wenn Sie einmal wieder dort sind, sollten sie diesem Geschäft unbedingt einen Besuch abstatten. Wir kooperieren in verschiedenen Bereichen. Wenn Ihnen mein Laden gefällt, mögen Sie das Kleine Glück ganz bestimmt.«

»Sylt ist ein wunderschöner Ort. Leider war ich lange nicht mehr da«, bemerkte Lene. »Aber wenn ich mich mal wieder auf die Reise mache, nehme ich das fest mit in meine Route auf.«

Die Verkäuferin lächelte. Sie geriet richtig ins Schwärmen. »Wir werden über die Feiertage erstmalig auf der Insel sein und ich kann es kaum erwarten. Unsere Freundin nimmt in diesem Jahr an einem Weihnachtsmarkt teil, der zu einem guten Zweck stattfindet. Ein paar Hamburger Läden und nahezu alle Geschäfte und Cafés in Keitum haben sich an der Aktion beteiligt und wir unterstützen sie natürlich auch. Es wird sicher super – obwohl Sylt so oder so eine Reise wert ist. Auch ohne den ganzen Weihnachtstrubel.« Die strahlend blauen Auge der Frau leuchteten, als sie von der Nordseeinsel sprach, die auch Lene faszinierte.

»Das verstehe ich«, sagte Lene. »Ich liebe Sylt, seit ich denken kann. Meine Herzensheimat sozusagen. Und gerade zur Weihnachtszeit ist es einfach wunderschön dort. Ich war viele Jahre immer dort in diesen dunklen und dennoch unheimlich gemütlichen Tagen.«

Lene steckte die Kärtchen in ihr Portemonnaie und griff nach ihrer Tüte. Der Aufenthalt in diesem zauberhaften Laden hatte ihre Akkus mit Zuversicht aufgeladen. Sogar das Gespräch über Sylt schmerzte nicht so, wie sie es erwartet hatte. Eher wirkte es wie ein Wink des Schicksals. Sie beschloss, dass sie etwas aus dieser Begegnung machen wollte.

»Ich danke Ihnen für Ihren Besuch. Auf bald!« Mit einem freundlichen Lächeln verabschiedete sich die Verkäuferin.

»Da nicht für. Ich habe zu danken! Auf Wiedersehen«, erwiderte Lene.

In den folgenden Wochen machte Lene sich im Internet auf die Suche nach ihrer Schwester Anni. Das Foto, das Lene fand, als sie nach ihrem Namen gesucht hatte, verriet, dass Anni auf Sylt war. In einem Moment war Lene voller Tatendrang. Sie würde sich auf den Weg machen und nichts unversucht lassen, sie zu finden. Eine andere Möglichkeit blieb ihr nicht, um endlich wieder zur Ruhe zu kommen und gesund und glücklich zu werden. Das, was ihre Eltern ihr wenige Tage nach dem Besuch beim Arzt, als es um die mögliche Spende von Anni ging, erzählt hatten, nämlich, dass Anni den Kontakt gesucht hatte, hatte sie erschüttert, und sie musste Anni die Wahrheit sagen.

Dann schoben sich andere Bilder vor ihr inneres Auge. Wie er Lene lächelnd im Arm hielt. Wie sie sich küssten, lachten und Anni sich so selbstverständlich an ihren Platz drängte, als hätte es sie nie gegeben. In Lene begannen Kopf und Herz ihre jeweiligen Plädoyers. Der Kopf preschte mit Argumenten für eine Aussprache voran, während das Herz, welches noch unsicher war, weil es tief enttäuscht worden war, sich noch schwer tat mit den nächsten Schritten. Dabei wusste auch das Herz, wie dringend notwendig sie waren.

Kapitel 1

»Moin, mein Weihnachtsengel.« Mit einem blechernen Scheppern krachte der Eimer, den Ebba zwischen ihren Füßen balanciert hatte, auf den Holzboden.

»Nein!« Begleitet von einem Schrei fuhr Ebba sich durch die Haare. Wie ein ergiebiger Nieselregen aus feinsten Glitzerkörnern rieselte ein goldschimmernder Schleier an Ebbas Beinen vorbei und bedeckte schon bald die Dielen um den umgestürzten Eimer herum, aus dem Glasscherben verschiedenster Farben herausragten. Ebba seufzte und stieß einen jaulenden Laut aus.

»So ein blöder Mist! Das glaub ich doch jetzt nicht!« Schimpfend stieg sie die wackelige Holzleiter herunter. Als wäre es nicht ärgerlich genug, dass die extra ausgesuchten Weihnachtskugeln nun als farbenfroher Scherbenhaufen mit Goldglitzer garniert auf dem Boden lagen, knarzte die letzte Stufe der Leiter bedenklich, als Ebba darauf trat. Mit einem ächzenden Bersten gab das altersschwache Holz dann unter ihrem Fuß nach und Ebba rauschte unsanft zu Boden. Gerade noch rechtzeitig fing sie der Verursacher dieses Chaos auf.

»Magnus!« Wütend rappelte Ebba sich aus dem Arm ihres Freundes, der sie mit sorgenvoll in Falten gelegter Stirn anschaute. Seine Augen musterten schuldbewusst das Unheil, das sein Anschleichen bewirkt hatte.

»Dabei wollte ich nur meine Freundin sanft umarmen. Dass du so in Gedanken vertieft warst, habe ich nicht geahnt«, bemerkte er zerknirscht.

Sanft zog Magnus Ebba wieder an sich, wischte ihr vorsichtig ein wenig Glitzer von der Wange und hauchte ihr dann einen Kuss auf die schon wieder lächelnden Lippen, den sie zärtlich erwiderte.

»Du hast mich erschreckt«, mahnte sie ihn und sah ihn gespielt ernst an. Dann deutete sie auf den Fußboden.

»Sag nicht, das sind die Kugeln, deren Auswahl mich rund zwei Stunden meiner Lebenszeit gekostet hat?« Magnus riss erschrocken die Augen auf, konnte sich dann aber ein ironisches Grinsen nicht verkneifen.

»Idiot«, zischte Ebba und knuffte ihn liebevoll in die Seite. »Es wird dich mindestens doppelt so viel Zeit kosten, einen Ersatz mit mir auszuwählen!« Mit einem diabolischen Grinsen hob Ebba die Schultern, ging zum Schrank in der kleinen Küche neben dem Verkaufsraum und holte Besen und Kehrblech.

»Ein Eimer zum Aufsammeln ist ja bereits vorhanden.« Sie streckte Magnus die Utensilien entgegen und grinste.

»Scherben bringen ja bekanntlich Glück«, stellte Magnus fest und nahm Ebba den Besen aus der Hand. »Und du sagst doch selbst immer, dass ein bisschen Glitzer nie schaden kann.« Beiläufig zuckte er mit den Schultern und hatte innerhalb kurzer Zeit die bunten Glassplitter und das Glitzergold beseitigt. Er stellte den Eimer beiseite.

Dann sah er sich im Raum um, der auch ohne diese Kugeln prachtvoll geschmückt war. »Es sieht wunderschön aus«, staunte er. »So, wie ich das aus meiner Kindheit in Erinnerung habe, wenn Ida zu Weihnachten dekoriert hatte.«

Stolz lächelte Ebba. »Du weißt schon, wie du gleich wieder für gute Stimmung sorgst.«

»Ich meine das ernst! Es wurde wirklich Zeit, dass es hier in der Vorweihnachtszeit endlich auch danach aussieht, dass Weihnachten vor der Tür steht. Das ist mir nie so gut gelungen wie dir jetzt.« Dankbar legte Magnus den Arm um Ebba und drückte sie an sich. Ebba lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Es freut mich, dass es dir gefällt. Fehlt nur noch der Jöölboom.«

Magnus schürzte staunend die Lippen. »Ich merke, du bist schon bestens informiert über die Sylter Weihnachtsbräuche.« Magnus schmunzelte und küsste seine Freundin auf die Wange. »Seit ich denken kann, stellen wir diesen kleinen Friesenbaum zu Weihnachten ins Fenster. Ida hat mir viel darüber erzählt und wunderschöne Kränze gebunden dafür. Früher galt er wohl als Ersatz für den Weihnachtsbaum, weil es hier so wenig Tannen gab. Ida hat noch einige der Bäume bei sich im Haus.«

»Paula und ich haben mit Louis sogar schon aus Salzteig ein paar Tiere geformt, die wir daran aufhängen wollen.« Magnus' Gesichtsausdruck war schlagartig erschrocken. »Die waren aber nicht etwa mit in dem Eimer? Das würde mir Louis nicht verzeihen!« Der Sohn seiner Freundin würde todunglücklich sein, wenn Magnus seine Kunstwerke zerstört hätte.

»Wir werden sie heute Abend wohl in mühevoller Kleinarbeit wiederaufbereiten müssen«, sagte Ebba betont beiläufig und Magnus starrte panisch in den Eimer voller Scherben, den er noch immer in der Hand hielt. Ebba lächelte und drückte Magnus einen beruhigenden Kuss auf die Wange. »Keine Sorge, nein. Sie trocknen gerade noch auf Paulas Fensterbank. Sofern Louis nicht doch davon probiert und sie angeknabbert hat.« Ebba zwinkerte. »Paula und ich konnten ihn nur mit Mühe davon abhalten.«

Magnus verzog den Mund. »Das testet er definitiv nur einmal.« Beide mussten lachen.

Ebbas Blick fiel auf einen Brief, den Magnus in der Hand hielt.

»Ist das die Planung zum Weihnachtsmarkt?« Fragend schaute Ebba ihren Freund an. Es war Anfang Dezember. In zweieinhalb Wochen würde der Weihnachtsmarkt starten, der an dem Wochenende vor Heiligabend stattfinden sollte.

»Ja, genau.« Magnus faltete den Brief auseinander und gab ihn Ebba. Diese überflog die Zeilen. »Da haben wir uns ganz schön was vorgenommen, aber ich freue mich drauf!« In ihren blauen Augen blitzte die Vorfreude darüber, mit ihrem kleinen Laden am lebendigen Weihnachtsmarkt des Ortes teilzunehmen. Geplant waren im Kapitänsdorf Keitum regionale Stände mit allerlei Köstlichkeiten und handgemachten Besonderheiten nach traditionellem Handwerk. Vom selbstgebackenen Lebkuchenherz bis hin zum Eierpunsch in Flaschen in Tannenbaumform oder winterliche Dekoration aus Strandgut war viel Kreatives dabei, was die Keitumer Geschäftsleute sich für dieses Event ausgedacht hatten. Magnus erzählte, dass seit Jahren liebevolle Aktionen auf die Beine gestellt wurden, die die Weihnachtsmarktbesucher begeistern sollten. Ebba konnte den Duft von frisch gebackenen Plätzchen und Waffeln schon riechen und ihr Herz vollführte bei dieser Vorstellung einen vorfreudigen Luftsprung. In diesem Jahr stand der Markt unter einem ganz besonderen Stern.

Alle Stände, die Sylter Familien, Geschäfte und Hotels präsentieren wollten, sammelten mit dem Weihnachtsmarkt Jahr für Jahr Geld für einen guten Zweck. Mit den Erlösen aus Keksverkauf, Kakao- und Glühweinausschank sollte in diesem Jahr ein Projekt unterstützt werden, welches den Ausbau einer Einrichtung für junge Familien in Keitum vorsah. Dort würden werdende Mütter Unterstützung freiwilliger Helfer finden, die ihnen in der Zeit der Schwangerschaft und den ersten Wochen mit Baby unter die Arme griffen. Leihomas konnten sich anmelden und ihr Engagement anbieten, wenn die Großeltern nicht auf der Insel lebten. Auch ein Netz erfahrener Mütter, die Tipps geben konnten, wenn im eigenen Umfeld solche wertvollen Ratgeber fehlten, sollte entstehen. Das Konzept war als Ergänzung zur Arbeit der Hebammen in Rufbereitschaft gedacht, zu denen auch Ebba seit einigen Monaten zählte. Das Projekt war entstanden, weil die Zahl der Hebammen auf Sylt mittlerweile sehr begrenzt war. Darauf, dass sie die Initiatoren des Weihnachtsmarktes für ihre Idee gewinnen konnten, war Ebba besonders stolz. Sie wollten deshalb alles geben, den Beitrag ihres Ladens zu diesem Event so besonders wie möglich zu gestalten. Sie hatten schon jetzt viel Zeit in die Vorbereitungen gesteckt und so manche Nachtschicht eingelegt und einige Sponsoren an Land gezogen, die jetzt schon Geld zur Verfügung gestellt hatten. Sogar Ebbas Freundinnen Carla und Marie aus Hamburg hatten verschiedene Hamburger Geschäftsleute aktiviert, die mit Sach- und Geldspenden die Aktion unterstützten.

Magnus sah seine Freundin an und strich ihr sanft eine Strähne aus dem Gesicht. »Wir werden glänzen!« Ebba nickte schwach und gab ihm einen Kuss.

»Selbstverständlich werden wir das«, sagte sie und gab sich Mühe zu lächeln. Denn in diesem Moment gingen ihre Gedanken kurz zu den letzten Tagen, die nach vielen zauberhaften Monaten auf ihrer neuen Heimatinsel Sylt für beschwerliche Stunden gesorgt hatten.

Die meisten Leute, denen das Paar begegnete, freuten sich mit den beiden darüber, dass Ebba und Magnus sich wiedergefunden hatten. Aber wie einen rauen Ostwind hatte sie in letzter Zeit auch zu spüren bekommen, dass es Menschen gab, die noch immer Profit schlagen wollten aus der Geschichte, wie Ebba wieder nach Sylt gekommen war. Ebba kam damals dem auf der Insel anerkannten Hotelier Lenzen auf die Spur, der auf skrupellose Art alles daransetzte, an das Grundstück von Ida, Magnus Tante, zu gelangen und nicht einmal davor zurückschreckte, Idas Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Magnus stand immer hinter seiner Freundin und ihre Liebe stärkte ihr den Rücken. Dennoch war es einer Frau gelungen, Ebbas Glück ins Wanken zu bringen.

»Meinst du, diese Journalistin wird sich beim Weihnachtsmarkt auch blicken lassen?« Ebbas Blick war besorgt. Sanft hob Magnus einen Mundwinkel und schüttelte zaghaft den Kopf. »Sie wird es nicht wagen«, flüsterte er und zog seine Freundin an sich. Ebba lehnte ihren Kopf an seine Brust und seufzte. »Da bin ich mir leider nicht ganz so sicher«, stellte sie dann fest. »Aber ich hoffe, du behältst Recht.«

Eine Reporterin war auf der Insel aufgetaucht und hatte sich unter falschem Vorwand Ebbas Vertrauen erwirkt. Sie hatte freundlich im Laden angefragt, weil sie verschiedene Dinge benötigte. Ebba hatte ihr diese besorgt und sie der Frau verkauft, die zunächst dankbar schien. In diesem Zuge hatte sie Ebba einen Bericht in der Zeitung angeboten, für die sie schrieb. Das sollte ihrem kleinen Laden zu noch mehr Bekanntheit verhelfen. Ebba hatte sich gefreut und begeistert eingewilligt. Sie hatte der interessiert wirkenden Dame, die zuvorkommend auftrat, Rede und Antwort gestanden. Auch, als es darum ging, ihre eigene Geschichte als Hintergrundinformation zu erzählen. Dazu gehörte die Angelegenheit um den Hotelier Lenzen, dessen perfide Machenschaften sie aufgedeckt hatte. Ebba war es von Anfang an wichtig gewesen, offen damit umzugehen, um den Menschen keinen Grund für Gerüchte zu geben. Sie hatte jedoch ausdrücklich darum gebeten, dass ihr Leben vor Sylt in diesem Artikel keine Rolle spielen sollte. Im Nachhinein konnte Ebba selbst nicht fassen, wie naiv sie an die Sache herangegangen war. An dem Tag, als das Getuschel und die prüfenden Blicke einiger Kunden losgingen, hatte sie sofort geahnt, dass der Artikel, der erst viel später erscheinen sollte, bereits veröffentlicht worden war. Und dies war nicht in der Form geschehen, wie sie es mit der Journalistin besprochen hatte. Anfangs waren es mitleidige Blicke gewesen, denen Ebba möglichst wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte, so schwer ihr das fiel. Immer öfter hatte man sie dann direkt darauf angesprochen und sich auf ihre Seite gestellt. Die Sylter hatten schnell erkannt, dass Ebba ja vollständig im Sinne der Insel und ihres Freundes gehandelt und ihnen die Augen geöffnet hatte, indem sie ihnen die Skrupellosigkeit des Hoteliers und seiner perfiden Machenschaften aufgezeigt hatte. Aber die Art, wie das Schicksal ihres ungeborenen Babys ausgeschlachtet worden war, war widerlich. Ebba hatte nie gewollt, dass diese Geschichte für Mitleid sorgte. Sie gehörte zu ihr, aber nicht in die Öffentlichkeit. Ebba hatte unterschätzt, wie groß das Interesse einiger Leute daran war, zu erfahren, wer die Person war, die es gewagt hatte, sich mit einem der einflussreichsten Hoteliers der Insel anzulegen und diesen letztlich sogar zu Fall zu bringen.

Die Journalistin hatte die große Story darin gesehen, zu berichten, wie Ebba es in die Wege geleitet hatte, den Hotelier Lenzen zu enttarnen. Weil das allein aber womöglich irgendwann langweilig geworden wäre, hatte sie alles daran gesetzt, mehr über die Frau zu verraten, die auf die Insel gekommen war und für Furore gesorgt hatte.

In diesem Zuge waren dann Informationen nach außen gelangt, die Ebba nicht in der Zeitung hatte sehen wollen. Es war dabei um das verlorene Kind und ihre Flucht von der Insel gegangen, ihre Tätigkeit im Hamburger Krankenhaus und die Unterstellung, als zurückgezogene Einsiedlerin in Hamburg zu leben, seit ihre Mutter und damit ihre einzige Verbündete gestorben war. Auch wenn es so war, dass sie oft allein gewesen war, war dies keine bewusste Entscheidung gewesen und Ebba hatte sich nie als Opfer gesehen. Es schmerzte, dass der Artikel das suggerierte. Ebba hatte aber selbst in der anstrengenden Zeit, in der der Artikel erschienen war, so viel Loyalität seitens der Sylter erfahren, dass sie gestärkt aus der Situation herausging.

Es hatte einige Wochen gedauert, bis Ebba auf Sylt richtig angekommen war und sich ganz auf Magnus und den kleinen Laden konzentrieren konnte. Aber Ebba war schließlich zur Ruhe gekommen. Bis zu dem Tag, als die Journalistin in ihr Leben trat und es erneut in Aufruhr versetzte.

»Psst«, flüsterte Magnus und legte Ebba zärtlich den Finger auf die Lippen. Magnus sah ihr an, dass sich in ihrem Kopf ein Sorgenkarussell in Bewegung gesetzt hatte.

»Wir wollten uns jetzt keine Gedanken mehr darüber machen, sondern uns endlich auf unser Weihnachtsfest freuen, hab ich Recht?« Magnus hob fragend eine Augenbraue. Ebba legte lächelnd die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Es fühlte sich an, als flatterten in ihrem Bauch Schaaren tanzender Schmetterlinge umher, wenn Magnus sie in den Arm nahm. Es prickelte in ihrem Körper, wenn er sie anschaute mit einem Blick, der sie in seine strahlenden Augen versinken ließ, als tauche sie ein in ein blaues, klares Meer.

»Apropos freuen! Was hältst du davon, wenn wir uns für die trubelige Vorweihnachtszeit Unterstützung im Laden suchen?« Magnus' Vorschlag kam überraschend für Ebba.

Irritiert legte sie die Stirn in Falten. »Meinst du, wir schaffen das nicht zu zweit? Und Paula ist ja auch noch da«, stellte sie fest.

»Schon. Schaffen werden wir es sicherlich. Aber am Ende bleibt nicht mehr viel von der Weihnachtsstimmung übrig, fürchte ich.« Bedauernd hob Magnus die Schultern.

»Das mag sein.« Nachdenklich rückte Ebba ein paar Windlichter zurecht und stellte eine Reihe von Kerzen wieder ordentlich nebeneinander.

»Eine junge Frau war vorhin hier und hat sich vorgestellt. Deshalb komme ich darauf«, gab Magnus dann zu.

Ebba warf ihm einen skeptischen Blick zu. Auch ihre Bekanntschaft zu der Journalistin hatte mit einer solch direkten Ansprache begonnen.

»Sie hat mir ein bisschen was von sich erzählt. Aktuell macht sie Urlaub auf Sylt, würde aber gerne länger hierbleiben. Sogar die Weihnachtszeit würde sie am liebsten hier auf der Insel verbringen und sich nebenbei ein paar Taler hinzuverdienen. Sie hat halb ernst, halb scherzhaft gesagt, sie wolle mal Weihnachten ganz anders als unterm heimischen Tannenbaum verbringen und sich lieber in eine Arbeit stürzen. Ihr wäre mal nach Weihnachten auf andere Art zumute.« Magnus zuckte die Schultern.

Ebbas Blick wurde interessierter. Sie kannte diesen Gedanken, dass man sich über die Feiertage lieber in die Arbeit kniete. Wusste, was es bedeutete, wenn einem an Festtagen wie Weihnachten die Decke auf den Kopf fiel und das ganze Drumherum einen ermüdete. Wie oft hatte sie darum gebeten, die Nachtschicht in der Klinik, in der sie in Hamburg gearbeitet hatte, an genau diesen Tagen zu übernehmen und den Frauen als Hebamme zur Seite zu stehen, die um die Weihnachtsfeiertage herum ihr Kind zur Welt brachten. Die Kolleginnen, die Familie hatten, freute es, dass Ebba sich anbot, und Ebba war gleichermaßen froh, der kalten Stille in ihrer Wohnung zu entkommen, in der in dieser Zeit noch nicht einmal ein Hauch von Weihnachtsdeko zu finden war.

Lächelnd drehte sie einen kleinen Engel in der Hand, den sie von einem der Weihnachtstische genommen hatte. Ihr Blick ging zu Magnus und sofort spürte sie, wie glücklich sie heute war. Zum allerersten Mal hatte Ebba wieder Weihnachtsdeko aufgestellt, sogar außerhalb des Ladens. Sie hatte die gemeinsame Wohnung so hyggelig gestaltet, dass das Nachhausekommen besonders schön war in diesen Tagen.

Magnus gab Ebba einen zärtlichen Kuss in den Nacken und Ebba wanderte ein wohliger Schauer über den Rücken. »Lass es dir doch einfach mal durch den Kopf gehen. Wenn du auch die ein oder andere Stunde mit mir allein vor Weihnachten einplanen magst, sind wir sicher dankbar, wenn irgendjemand hier die Stellung hält. Und wir tun der Frau vielleicht sogar auch einen Gefallen.«

Schmunzelnd zog Ebba einen Mundwinkel hoch. »Mehr Zeit mit dir wäre natürlich wundervoll«, stellte sie fest und strich ihm sanft über die Wange.

Ebba ging zum Verkaufstresen. »Vielleicht sollten wir uns das wirklich überlegen.« Sie lächelte und zeigte auf die halbfertige Dekoration. »Lass uns noch mal die andere Leiter holen. Ich wollte da noch ein paar Sterne aufhängen.« Entschlossen deutete sie über die Ladentür. Magnus griff nach der Holzleiter, brachte sie ins Lager, holte eine andere und rückte diese an die Tür. Er rüttelte daran und sein Gesichtsausdruck sprach Bände. »Die hat ihre besten Tage aber auch schon erlebt.« Beide mussten schmunzeln. »Lass mich draufsteigen und du hältst sie fest. Dann kann nix passieren.«

Gemeinsam brachten sie zwei leuchtende Sterne über der Tür an und bestaunten zufrieden ihr Werk, als die Tür aufging.

Paula, die beste Freundin von Magnus und mittlerweile auch gute Freundin von Ebba, kam herein. »Oh, das sieht wunderschön aus! Hier weihnachtet es ja schon so richtig – wie toll«, geriet sie ins Schwärmen und schritt jedes der Regale einzeln ab.

»Ihr seid das Deko-Dreamteam, wie mir scheint«, stellte sie fest.

»Nicht uneingeschränkt!« Zerknirscht deutete Magnus auf den Eimer mit den Scherben.

»Oh!« Paula schaute hinein. »Sag nicht, das sind die neuen Kugeln gewesen?« Paula stemmte empört die Hände in die Hüften und konnte ihr Grinsen nicht verbergen. Auch sie dachte sofort daran, wie viel Zeit sich Ebba genommen hatte, um genau diese Auswahl zu treffen. Magnus war noch verliebt genug, um die nötige Geduld aufzubringen und dieses Weihnachtskugel-Casting auszusitzen. Paula hatte der Aktion nur schmunzelnd beigewohnt.

Betroffen hob Magnus die Schultern und nickte.

»Ojemine!« Paula setzte einen gespielt bestürzten Blick auf und Ebba knuffte sie liebevoll in die Seite. »Macht ihr euch nur weiter lustig! Na wartet!« Mit diesen Worten kramte sie einen dicken Katalog unter dem Verkaufstresen hervor und blätterte darin. »Ich werde eine gigantische Auswahl bestellen und die, die ich nicht zur Dekoration benötige, verkaufen wir einfach.«

»Perfekter Plan! Vorausgesetzt deine Bestellung ruiniert mich nicht komplett?« Magnus legte den Kopf schief.

»Ich habe eine bessere Idee. Hältst du hier die Stellung? Dann fahre ich mit Ebba noch mal los und wir besorgen Ersatz.« Paula schaute fragend von Ebba zu Magnus.

»Klasse Vorschlag. Ich bin da.« Magnus konnte die Erleichterung darüber, dass er nicht noch einmal zu dem Händler für Weihnachtsartikel mitfahren musste, kaum verbergen.

»Dann lass uns gleich starten und danach gönnen wir uns noch ein feines Stück Kuchen auf Magnus' Kosten«, freute sich Ebba mit einem Augenzwinkern.

»Nur, wenn ihr mir auch eins mitbringt«, warf Magnus ein und Ebba und Paula versprachen ihm, an ihn zu denken.

Die Freundinnen verließen den Laden und machten sich auf den Weg zu dem Händler, der seine Halle in der Nähe des Flughafens der Insel hatte.

Kapitel 2

Die Glocke an der Ladentür gab ein leises Läuten von sich. Magnus, der gerade einen Lieferschein abglich, hob den Blick und schaute erwartungsvoll in Richtung Eingang.

»Magnus, grüß dich.« Inge Martens trat ein. Sie organisierte den Weihnachtsmarkt in Keitum und war in den letzten Tagen schon ein paarmal wegen der Gestaltung des Events im Laden gewesen.

»Moin Inge, was kann ich für dich tun?« Magnus ging ihr freundlich lächelnd entgegen.

»Ich dachte ja, wir haben in unserer Planung nun alles berücksichtigt. Leider habe ich nicht bedacht, dass es in diesem Jahr keinen Stand mit den berühmten, beliebten Herzwaffeln gibt. Das war bisher immer der Part des Hotels von Lenzen.« Vielsagend hob sie die Augenbrauen. »Nun suche ich jemanden, der das stattdessen übernimmt. Den anderen Läden fehlt dafür der Platz. Ihr habt hier den Parkplatz direkt am Haus. Da wollte ich euch fragen, ob ihr meint, dass ihr den Besuchern von dort aus Waffeln oder Ähnliches anbieten könnt?«

Magnus überlegte kurz, stellte sich vor, wie man einen separaten Stand aufbauen könnte, und ihm kam die Idee, die junge Frau einzustellen, erst recht sinnvoll vor.

»Inge, mach dir keine Gedanken. Ich bespreche alles mit Ebba. Wir denken uns was Schönes aus.«

»Magnus, das freut mich! Ich wusste, dass ich auf euch zählen kann. Grüß Ebba ganz lieb von mir.« Sie verließ den Laden wieder und Magnus entschied, gleich am Abend mit Ebba zu sprechen. Sie könnten so schnell wie möglich die junge Frau informieren, dass sie ihr Angebot gerne annehmen und sie als Aushilfe einstellen würden, wenn sie sich vorstellen könnte, sie beim Weihnachtsmarkt zu unterstützen.

Im Laden war es heute ruhig und Magnus hatte Zeit, einige Dinge für die Buchhaltung zu erledigen.

Als er zwischendurch eine Pause machte, ließ er den Blick durch den Verkaufsraum schweifen. Noch immer war es unwirklich für ihn, dass das, was er sich so lange gewünscht hatte, tatsächlich in Erfüllung gegangen war. Seine große Liebe Ebba war zurückgekehrt und mit ihr das Strahlen in seinen Augen, ein ganz neues Gefühl von Zukunft und eine nie dagewesene Behaglichkeit in seinem Geschäft. Er konnte sich schon jetzt kaum noch vorstellen, wie der Laden ausgesehen hatte, bevor Ebba zurückgekommen war. Seine Augen blieben an der Ecke mit den Babyutensilien haften. Die Liebe, mit der Ebba diesen Bereich des Ladens eingerichtet hatte, versetzte Magnus einen Stich. Die liebevoll arrangierten Kissen und Kuscheltiere zeugten von viel Herzblut. Ebba hätte ihrem Kind ein wunderschönes Zuhause bereitet, hätte das Schicksal es nicht so böse mit ihr gemeint. Oft dachte Magnus daran, wie sein Sohn oder seine Tochter heute aussehen würde und wie sein Leben dann verlaufen wäre. Aber Ebba, seine Freundin Paula und vor allem seine Tante Ida bestärkten ihn mit ihrem unerschütterlichen Löwenmut immer wieder aufs Neue darin, dass er nicht haderte, sondern nur nach vorne schaute und das Glück zuließ.

Magnus seufzte, als in diesem Moment die Tür aufging. Herein kam die junge Frau, die sich als Aushilfe beworben hatte.

»Hi! Sorry, ich will nicht nerven«, entschuldigte sich die zierliche blonde Frau mit dem Pferdeschwanz und den kugelrunden braunen Augen. Sie lächelte schief. »Es gibt da nur so ein kleines Problem.« Nervös knabberte sie an ihrer Unterlippe.

»Hallo, Frau May«, begrüßte Magnus sie freundlich. »Kein Thema - Sie nerven doch nicht! Im Gegenteil! Ich hatte nur noch nicht so recht Gelegenheit, mit meiner Freundin zu besprechen, ob wir den Job anbieten können. Was gibt's denn für ein Problem? Haben Sie etwa schon etwas anderes gefunden?« In Magnus' Stimme lag Bedauern. Für ihn war die Entscheidung gefallen. Jetzt ging es eigentlich nur noch darum, ob es auch finanziell möglich war, Lene May einzustellen und dass Ebba ihr Okay dazu gab.

»Das Zimmer in der Wohnung, in der ich wohne, kann ich wohl so lange nicht mehr zu dem Preis bewohnen, den ich jetzt zahle. Ich hatte es nur für ein paar Tage angemietet und nun wird es wohl doch über die Feiertage unerschwinglich für mich. Nach wie vor will ich gerne bei Ihnen arbeiten. Ich muss nur erst mal eine Bleibe finden. Kann ja schlecht im Strandkorb schlafen.« Ihr Lächeln wirkte traurig und die junge Frau ernsthaft geknickt.

»Verstehe. Und haben Sie denn schon eine Idee, wo sie nach einer günstigen Wohnung fragen können? Kurz vor den Feiertagen wird es nicht ganz leicht werden, was zu finden«, bemerkte Magnus.

Die junge Frau nickte. »Ich weiß. Ich kümmere mich gerade darum. Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich nun selbst erst mal schauen muss, wie es weitergeht und ob ich hierbleiben kann und wenn ja, wo.«

»Alles klar. Ich spreche mit meiner Freundin und melde mich bei Ihnen. Vielleicht höre ich ja auch irgendwo von einem Zimmer für Sie. Und Sie sagen mir Bescheid, wenn Sie etwas Neues wissen, ok?«

Die junge Frau nickte dankbar und schaute sich im Laden um.

»Vielen Dank! Es ist zauberhaft schön dekoriert hier«, staunte sie.

»Es freut mich, dass es Ihnen gefällt.« Magnus lächelte.

»Es duftet so wie früher, wenn ich zu Weihnachten hier bei meiner Tante Emma auf Sylt war. Nur diese Dekoration ist viel moderner.« Der Blick der Frau ging für einen Moment ins Leere.

»Sie haben also Verwandtschaft auf der Insel?« Magnus überlegte, ob die Tante wohl noch immer auf Sylt lebte, vermutete aber, dass dem nicht so war, sonst würde Frau May sicher bei ihr wohnen können.

Noch bevor er sie danach fragen konnte, erzählte sie von sich aus. »Emma Dierksen war wie eine Oma für mich. In Wirklichkeit waren wir gar nicht verwandt. Meine Eltern hatten sie in einem unserer allerersten Urlaube hier auf Sylt kennengelernt, weil wir irgendwann mal eine Werbung von einer Ferienwohnung in ihrem Haus bekamen. Das stellte sich im Rückblick als riesengroßes Glück heraus! Wir verbrachten von da an etliche Urlaube unserer Kindheit in ihrem Friesenhaus. Leider ist sie vor einigen Jahren gestorben. Sie hat hier in Keitum gelebt. Für mich war es schon als Kind das Größte, wenn endlich die Weihnachtsferien begonnen und ich für zwei Wochen zu ihr fahren konnte. Das war, mit den Sommerferien hier auf der Insel, die schönste Zeit des Jahres. Als Jugendliche haben wir dann so manchen Sommer hier genossen. Zum ersten Mal seit Langem bin ich nun wieder über Weihnachten hier. Also vielleicht.« Ihre hellblauen Augen bekamen einen hoffnungsvollen und dabei nachdenklichen Ausdruck und Magnus sah ihr an, dass es sie bewegte, über diese Frau und ihre Erinnerung an Sylt zu sprechen.

Magnus überlegte, ob Ida Emma Dierksen kennen könnte. Er konnte sich vorstellen, dass sie ein Bild vor Augen hatte von der alten Dame. Vorausgesetzt ihr Gedächtnis würde nicht die Erinnerung an frühere Sylter Weggefährten vernebeln. Aber eigentlich war Ida zum Glück längst wieder die Alte. Er seufzte ungewollt, als er an die Zeit dachte, in der das nicht so gewesen war. Der Gedanke an die Wochen, in denen der Hotelier Lenzen und sein Partner sie mit Medikamenten außer Gefecht gesetzt hatten, um an ihr Haus zu gelangen, schmerzte noch immer.

Ein mitfühlender Blick aus tiefdunkelbraunen Augen traf ihn. Fragend schaute Lene May ihn an. »Alles ok?«, fragte sie ganz unverblümt. Magnus meinte in diesem Moment, die Frau mit den hellblonden Haaren und den dunkelbraunen Augen schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Er war sich aber nicht sicher, ob er sich das nur einbildete.

»Danke«, entgegnete Magnus mit einem schiefen Grinsen. »Ich war kurz in Gedanken.«

»Darf ich mich noch ein wenig umschauen?«

Magnus nickte. »Selbstverständlich!«

»Lassen Sie sich durch mich gar nicht stören.« Mit diesen Worten ging sie lächelnd zu einem der Regale, in dem duftende Kerzen und Windlichter standen. Ebba hatte auf kleine Täfelchen mit Kreidestiften die jeweiligen Aromen handschriftlich notiert, die Lene nun eingehend studierte. Mit begeistertem Blick ging sie an den Produkten entlang. Die hübsche junge Frau in Jeans, weißer Bluse und mit wippendem Pferdeschwanz wirkte auf Magnus einerseits so strahlend und auf der anderen Seite seltsam bedrückt. Sie strich über die Windlichter, deren Oberfläche aus glitzernden kleinen Steinchen bestand. Verzückt betrachtete sie sie, nahm manchmal eins in die Hand, roch daran und schloss genießerisch die Augen.

Weitere Kunden betraten den Laden und Magnus war zwischenzeitlich so beschäftigt, dass ihm erst nach einiger Zeit auffiel, dass die junge Frau nicht mehr da war. Sicher hatte sie nicht stören wollen und war unauffällig gegangen, dachte er sich.

Als er in den zweiten Raum des Ladens trat, erschrak er jedoch. Auf dem Sofa unter dem Fenster lag die junge Frau. Sie hatte die Augen geschlossen und ihre rechte Hand ruhte auf ihrem Bauch. Unsicher trat Magnus auf sie zu.

Kapitel 3

Ebba und Paula schlenderten durch die Regale des Großhändlers. Sie hatten diesmal schnell gefunden, was sie suchten. Was Dekoration anging, sprachen sie dieselbe Sprache. Sie lachten viel und fanden noch einige schöne Dinge, die sie spontan mitnahmen. Auch ein Jöölboom war dabei.

Auf dem Rückweg machten sie Halt in einem Café in Keitum.

»Hier gibt es Tee-Mischungen, die individuell zusammengestellt werden. Bisher hat alles wunderbar geschmeckt, ich kann dir also eigentlich alles empfehlen«, sagte Paula. Eine freundlich lächelnde Bedienung kam an den Tisch.

»Was darf ich Ihnen denn Schönes zum Aufwärmen anbieten?«

»Ich nehme einen Kräuter-Chai«, erklärte Paula. »Sie hatten mir letztes Mal eine Sorte mit Pfeffer und Kardamom empfohlen.« Wissend nickte die Frau und notierte sich Paulas Wunsch.

»Dann nehme ich dasselbe«, erklärte Ebba.

»Dazu passt ein leckeres Stück Himbeerkuchen«, freute sich Paula und Ebba schloss sich auch hier nickend an.

»Wie geht es dir, Liebes?« Ebba legte die Hand auf Paulas. Ihr fiel auf, wie schmal und zerbrechlich die langen Finger ihrer Freundin noch immer wirkten, die vor einigen Monaten eine vielversprechende Operation zur Behandlung ihrer Krebserkrankung über sich hatte ergehen lassen müssen. Sie musste sich noch schonen und in vielen Dingen äußerst vorsichtig sein.

Paula lächelte zaghaft. »Mir geht es erstaunlich gut. So gut, dass ich mich oft daran erinnern muss, wieder einen Gang runterzufahren. Ich kann es selbst noch gar nicht recht glauben. Ein unwahrscheinliches Glück, dass es tatsächlich geklappt hat, einen geeigneten Spender für mich zu finden. Und auch, dass mein Körper mitspielt. Auch das ist ja leider nie sicher.«

Ebba nickte. »Ich freue mich von Herzen darüber. Da hat das Schicksal es in diesem Jahr am Ende echt gut mit uns gemeint. Hätte mir jemand vor einem Jahr prophezeit, dass ich Weihnachten zwölf Monate später auf Sylt an Magnus' Seite verbringen würde, hätte ich demjenigen wohl einen Vogel gezeigt.« Lachend warf Ebba ihre Haare zurück. Mit einem Blick, der so viel Verliebtsein ausstrahlte, rührte sie in ihrem Kaffee.

»Und dass Magnus ausgerechnet dir noch einmal begegnet, habe ich auch nicht für möglich gehalten. Aber offenbar ist es wirklich so, dass man sich im Leben dann begegnet, wenn die Zeit reif ist. Ein schöner Gedanke.« Paula lächelte.

Die Frauen nahmen dankbar ihr Stück Kuchen entgegen, welches gerade an den Tisch gebracht wurde. Die Kannen mit dem würzigen Tee verbreiteten einen warmen weihnachtlichen Duft aus Zimt und Ingwer. Es passte wunderbar dazu, dass draußen eisige Kälte herrschte, während sie drinnen die Wärme der Tees auf sich wirken lassen konnten.

Ebba fiel auf, dass Paula, bevor sie begann zu essen, versonnen in ihrer Teetasse rührte und ein verklärtes Lächeln ihre Lippen umspielte.

»Da gebe ich dir recht«, stimmte Ebba ihr zu.

»Wie bitte?« Offenbar war Paula mit den Gedanken abgeschweift.

Ebba schmunzelte. »Ich habe nur gesagt, dass ich es auch so sehe, dass man sich im Leben immer dann begegnet, wenn es an der Zeit dafür ist.« Paula nickte versonnen.

»Täusche ich mich, oder sehe ich da einen verräterischen Glanz in deinen Augen?« Ebba legte fragend den Kopf schief und nun errötete Paula sichtbar.

»Ach, nicht der Rede wert«, sagte sie und winkte ab.

»Das sieht irgendwie anders aus«, bemerkte Ebba.

»Es ist jedenfalls nicht so, wie du denkst«, erklärte Paula. »Aber es gibt da durchaus jemanden, bei dem ich hoffen würde, dass wir uns aus einem bestimmten Grund noch mal begegnet sind. Ob es nun die richtige Zeit ist, sei dahingestellt.« Sie hob beiläufig die Schultern und konnte ein verklärtes Grinsen nicht verbergen.

»Ist nicht wahr. Wie toll«, freute sich Ebba. »Erzähl!« Aufgeregt rieb sich Paula die Hände. Diese streckte den Rücken durch, warf den Kopf in den Nacken und lachte.

»Also gut. Es begann in Hamburg während meines Klinikaufenthaltes«, sagte Paula und machte eine Pause.

Paula war für den rettenden Eingriff einige Zeit nach Hamburg gegangen.

In dieser Zeit hatten Ebba und Magnus sich gemeinsam mit Ida um Paulas Kinder gekümmert.

»Als ich im Krankenhaus war, kam jemand vorbei, um seine Mutter zu besuchen. Es fiel auf, dass er nie allein kam, sondern immer ein kleines Mädchen dabeihatte. Ich fand es rührend, wie aufopfernd er sich um seine Mutter kümmerte und da ich viel Zeit hatte, in der ich immer wieder über den Flur spazierte, begegneten wir uns dann einige Male auf dem Gang. Irgendwann bot er an, mir einen Kaffee mitzubringen.«

Gespannt schaute Ebba ihre Freundin an.

»Leider ist so viel mehr auch gar nicht passiert«, fuhr Paula achselzuckend fort. Ein verschmitztes Grinsen verriet aber, dass das doch nicht alles war.

»Wir haben uns unterhalten, kamen über seine Tochter ins Gespräch. Ich erzählte, dass ich auch zwei Kinder habe und auf Sylt lebe. Das fand er lustig, weil auch er in einem Urlaubsgebiet lebt. Er kommt aus Timmendorf und reiste jeden Tag nach Hamburg, um bei seiner Mutter zu sein.«

Paulas Blick wurde für einen Moment betrübt. »Ich erzählte ihm, dass meine Kinder bei euch waren, und ich sie sehr vermisste. Ich habe, ohne mir was dabei zu denken, gefragt, ob das Krankenhaus denn der richtige Ort für ein so kleines Mädchen sei und gesagt, dass ich mir das schwer für die Kleine vorstelle, ihre Großmutter so zu sehen. Und obwohl wir uns ja eigentlich fremd waren, erzählte er mir ganz offen, dass es für das Mädchen neben ihm wohl keinen wichtigeren Menschen gäbe als seine Oma. Und dass es seine Mama nie kennengelernt habe. Ich hab mich furchtbar geschämt, überhaupt so eine unbedachte Aussage getroffen zu haben. Aber er hat sie mir irgendwie gar nicht übel genommen, sondern war sehr aufgeschlossen mir gegenüber.«

»Du konntest es ja nicht ahnen und ich bin mir ganz sicher, dass du das nicht vorwurfsvoll gesagt hast.« Ebba lächelte mild und Paula nickte. »Ich finde es legitim zu hinterfragen, ob ein Kind auf einer Krebsstation als Besucher gut aufgehoben ist«, gab Ebba Paula recht.

»Ja, für mich war es so selbstverständlich, dass die Kinder bei dir und Magnus blieben und in dieser Zeit ein Videoanruf ausreichen musste. Dabei sollte ich ja eigentlich wissen, welche Schwierigkeiten das Leben als Alleinerziehende mit sich bringt. Jedenfalls tranken wir noch einen Kaffee an dem Tag meiner Entlassung und ich erzählte ihm, wie sehr ich mich auf meine Kinder freute. Als Magnus mich abgeholt hat, hab ich ihn aus der Ferne noch mal gesehen, aber als ich zu ihm gehen wollte, um mich zu verabschieden, stieg er schon ins Auto.« Resigniert hob Paula die Schultern. »Dann habe ich ihn auch erst mal wieder vergessen. Ich war einfach nur dankbar, wie es mit mir weiterging und dass ich wieder ein halbwegs normales Leben führen konnte. Deshalb hab ich auch nie was von dieser Begegnung erzählt.«

»Hast du irgendwie versucht, Kontakt aufzunehmen?« Ebbas Neugier war geweckt. Paula schüttelte jedoch den Kopf.

»Nein, habe ich nicht. Ich hatte ja auch bis auf den Vornamen Hinnerk keinerlei Informationen.« Sie machte eine Pause »Aber stell dir vor: Gestern, als ich in Kampen am Strand spazieren ging, sah ich plötzlich einen Mann mit einem Kind am Wasser, der ihm verblüffend ähnlich sah. Ich habe ihn einige Zeit aus der Entfernung beobachtet und irgendwann war ich mir sicher, dass er es war. Dann hab ich all meinen Mut zusammengenommen und bin zu ihm gegangen.«

»Wie spannend!« Ebba freute sich mit Paula und rutschte aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her. »Und dann?«

»Ich hatte den Eindruck, er hat sich wirklich gefreut, mich zu sehen. »Die Überraschung war bei uns beiden riesig. Seine Tochter spielte gerade mit einem Hund im Sand, als ich zu ihm ging. Als ich mich nach seiner Mutter erkundigte, sah ich, wie sein Blick zu dem Mädchen ging und ohne Worte sagte, dass das das falsche Thema wäre. Irgendwie nehme ich ihm gegenüber jedes Fettnäpfchen mit.« Bedauernd zog Paula die Mundwinkel nach unten. »Er sagte dann, er nutze diesen Urlaub gerade, um seine Tochter auf andere Gedanken zu bringen. Auf Sylt ginge es ihr gut. Als Ablenkung nach dem Tod seiner Mutter habe er dem Kind den Welpen gekauft. Er sei nun ihr Ein und Alles.«

»Wie süß«, fand Ebba und dachte an Magnus und das Bild, als er mit ihrem Hund Lotta, die eine Überraschung für sie gewesen war, nachdem sie ewig von einem Hund geträumt hatte, auf sie zukam.

»Fand ich auch, ja. Dann habe ich kurz mit ihm geredet, wie es mir geht und so. Und dass ich es traurig fand, dass wir uns gar nicht mehr verabschiedet hatten. Eher scherzhaft warf ich ihm vor, dass er damals einfach ins Auto gestiegen war, als ich ihm noch ein paar Worte zum Abschied hatte sagen wollen.«

Mit einem Glitzern in den Augen schaute Paula Ebba an. »Und dann meinte er, er habe mir seine Nummer geben wollen und hatte gehofft, dass wir in Kontakt bleiben. So herzlich, wie ich Magnus aber offenbar begrüßt hatte, war er davon ausgegangen, dass Magnus mein Freund ist. Wir hatten immer nur über meine Kinder gesprochen. Ich hatte wohl auch gesagt, dass meine Kinder bei meinem Freund sind. Das Thema Beziehungsstatus hatten wir in unseren Gesprächen tatsächlich ausgeklammert und es war naheliegend, dass er vermutete, dass wir ein Paar waren, als er mich mit Magnus sah.« Paula rollte mit den Augen. »Das hat ihn dann verschreckt.«

»Okay. Ich würde lügen, wenn ich dazu keine Geschichte erzählen könnte«, stellte Ebba schuldbewusst fest. Sie hatte damals, als sie Magnus und Paula am Strand zusammen gesehen hatte, selbst eifersüchtig die Flucht ergriffen.

Paula nickte. »Magnus und ich geben offenbar ein überzeugendes Paar ab. Aber zurück zu Hinnerk. Ich kann ja dankbar sein, dass er gleich mit der Wahrheit rausrückte. Jedenfalls habe ich diesen Irrtum schnell aufgeklärt und nun sind wir tatsächlich verabredet.« Paulas Stimme flatterte und die Vorfreude war ihr anzumerken.

Ebba juchzte. »Hey, super! Ich freue mich so, so sehr, Liebes!« Sie stand auf und umarmte ihre Freundin.

»Danke dir. Drück mir mal die Daumen. Ich bin total aufgeregt. Wie ein Teenie. Es fühlt sich so unwahrscheinlich gut an, endlich wieder einmal solche Gefühle zu spüren. Ich habe aber auch schreckliche Angst vor einer Enttäuschung, schließlich war da bis auf ein bisschen Kaffee und einige wenige Gespräche ja nicht viel.«

»Klingt für mich dennoch nach einer super Basis für etwas ganz Großartiges! Jetzt bin ich mega gespannt! Hast Du Magnus schon davon erzählt?« Ebba dachte daran, dass Magnus so oft gesagt hatte, dass er Paula nichts mehr wünschen würde, als dass neben ihrer Krankheit nun auch das Alleinsein bald überstanden sei und sie sich neu verlieben würde.

Paula lachte, als sie sah, wie begeistert Ebba war und schüttelte den Kopf. »Magnus weiß noch nichts davon. Irgendwie war mir so danach, erst dir davon zu erzählen.«

»Ich freue mich sehr und halte dicht! Das sollst du ihm dann alles selbst berichten.« Ebba schmunzelte geheimnisvoll. »Hat Magnus dir schon von seiner Idee berichtet, eine Aushilfe einzustellen?«

Paula schüttelte den Kopf. »Nein, finde ich aber gut! Grad in der Weihnachtszeit ist sicher viel zu tun. Dann auch noch der Weihnachtsmarkt. Ihr habt euch ja doch eine Menge vorgenommen. Oder was sagst du dazu?«

Ebba zuckte die Schultern. »Ich hab noch gar nicht so recht eine Meinung. Klar, zusätzliche Hilfe kann nicht schaden. Ich hoffe nur, dass wir uns das auch leisten können.«

Paula nickte. »Das ist ein wichtiger Punkt, das stimmt. Aber das kann man ja alles besprechen. Hat er denn schon wen im Auge für den Job?«

»Ja, es hat sich wohl eine junge Frau direkt im Laden beworben.« Ebba lächelte.

»Sie schien recht offen mit Magnus gewesen zu sein. Ihre Beweggründe hier auf der Insel zu bleiben, erinnern mich an mein früheres Ich.«

Paula legte fragend die Stirn in Falten. »Ist sie etwa auch verliebt in Magnus?«

Ebba lachte auf und stemmte empört die Hände in die Hüfte. »Das hoffe ich nicht! Nein, sie will wohl der Weihnachtszeit entfliehen, habe ich den Verdacht, und meinte, sie wolle in diesem Jahr stattdessen lieber über die Feiertage arbeiten.« Ebbas Blick wurde nachdenklich. »Ich kenne es so gut, wenn man froh ist, wenn man was um die Ohren hat, während der Rest der Welt in familiärer Eintracht um den Weihnachtsbaum thront.« Ihr Lächeln war schief.

»Und wo wohnt die Frau? Sie wird ja sicher nicht für die Zeit in einer Ferienwohnung bleiben. So viel arbeiten kann man ja kaum, dass sich das rechnet.« Paula hatte recht, darüber hatte Ebba noch gar nicht nachgedacht.

»Stimmt. Ich frage Magnus mal. Ich weiß es tatsächlich gar nicht.«

»Rechnet das doch alles mal für euch durch, überlegt, was ihr ihr zahlen könntet und entscheidet dann. Wenn es für sie auch passt, wäre das doch klasse. Für mich klingt das nach einem guten Plan.«

Ebba nickte. Sie schaute sich um in dem Café, welches auch bereits weihnachtlich dekoriert war. In den Butzenfenstern, durch die man in den Garten sah, standen warm flackernde Windlichter. Auf den Tischen waren Tannenzweige und getrocknete Orangenscheiben um Kerzenhalter drapiert. Der schmeichelnde Duft der Zitrusfrüchte füllte den Raum und stimmte auf die Weihnachtstage ein. »So gemütlich dieses Café, findest du nicht?«, staunte sie.

Paula nickte. »Ich bin auch sehr gerne hier.«

»Es duftet unheimlich lecker aus der Küche. Apropos lecker - ich habe mir grad, als ich diesen zuckersüßen Duft bemerkt habe, überlegt, dass man zum Weihnachtsmarkt auch köstliche Waffeln anbieten sollte. Das mag doch jedes Kind, und so mancher Erwachsener, oder?«

Paula leckte sich schwärmerisch über die Lippen. »Mhm, auf jeden Fall! Die gehören absolut dazu zu einem Weihnachtsmarkt. Ich habe auch sofort den Duft des süßen Vanille-Waffelteiges in der Nase. Ida hat da ein wunderbares Rezept. Das erfrage ich unbedingt mal bei ihr.«

»Das klingt köstlich«, stellte Ebba fest. »Und dazu auch eine Honigmilch. Das muss sein.«

»Perfekt!« Paula fuhr sich mit der Zunge um die Lippen. »Und was habt ihr euch noch überlegt?«

»Wir werden kleine Tütchen vorbereiten mit Präsenten zu Weihnachten. Es werden winterliche Kerzen und Tees darin sein, Badezusätze und vielleicht ein wenig Baumschmuck. Für die Kinder gibt es Lebkuchenherzen mit ihrem Namen darauf. Eine Mutter, die ich mal bei meiner Arbeit als Hebamme kennengelernt habe, hat angeboten, die Namen mit Zuckerguss zu schreiben.« Ebba lächelte und schien voll in ihrem Element, wenn es um die Vorbereitung der Weihnachtsaktionen im kleinen Laden ging.

»Wunderbar«, freute sich Paula. »Ich helfe euch gerne, wo ich nur kann. Aber grad, wenn ihr auch Waffeln anbieten wollt, kann ein zusätzlicher Helfer sicher nicht schaden. Das müsste dann ja über einen separaten Stand laufen.«

»Das stimmt. Und danke dir. Dass wir uns auf dich verlassen können, weiß ich ja. Wir schauen mal. Nach wie vor sollst du dich ja aber auch nicht übernehmen. Wir wollen deine Gesundheit nicht überstrapazieren. Dass es dir so gut geht, soll unbedingt so bleiben. Vielleicht habt ihr Recht und ein wenig Unterstützung im Laden kann nicht schaden.« Ebba nickte. »Übrigens, Carla und Marie wollen auch nach Sylt kommen. Ausnahmsweise wird Marie über Weihnachten ihren Laden an ihre Mitarbeiterin abgeben und auch auf die Insel mitkommen. Sie waren wohl auch noch nie über die Feiertage hier. Ich bin mir sicher, es wird großartig. Ich freue mich sehr, endlich den kleinen Leonard wiederzusehen.«

»Oh, da freue ich mich auch!« Paula hatte die Schwestern zuletzt bei ihrem Aufenthalt in der Klinik gesehen, wo sie sie besucht hatten.

Ebbas Blick wanderte durch den Raum und blieb an einer Fotografie hängen. Sie zeigte ein für Sylt typisches Reetdachhaus zu verschiedenen Tageszeiten. Schimmerte auf dem ersten Bild der Himmel zartrosa, glühte er auf dem folgenden in tiefem Orange. Auf wieder einem anderen Bild überwog weißes Licht und das Haus lag im gleißend hellen Schnee.

»Schau mal, wie beeindruckend hier mit den Farben gearbeitet wurde. Findest du nicht auch?« Ebba deutete staunend auf das Bild und Paula stimmte ihr nickend zu. Sie zeigte auf die gegenüberliegende Wand. Dort hingen Fotografien eines Sonnenunterganges, die in ganz ähnlichem Stil aufgenommen und inszeniert waren, diesmal zu verschiedenen Jahreszeiten.