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Horst Weymar Hübner

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Beschreibung

Ich verzeih’ dir nie: Dr. Florian Winter Arztroman 7 von Horst Weymar Hübner Der begabte Mediziner Dr. Manfred Bücken arbeitet als Assistenzarzt von Professor Winter in der Paul-Ehrlich-Klinik. Eine exzellente berufliche Zukunft scheint ihm sicher. Doch mit seinem Privatleben steht es nicht zum Besten: Seine Frau Marietta, eine selbstbezogene, oberflächliche Person, treib sich mit den falschen Leuten herum und wirft sein Geld zum Fenster raus, was zur Folge hat, dass sich das Ehepaar auseinanderlebt. Da lernt Bücken die attraktive Susanne Wilde kennen und lässt sich auf eine Affäre mit ihr ein. Als er bemerkt, dass seine Geliebte medikamentenabhängig ist, scheint es fast zu spät - sein Ruf als Arzt ist gefährdet …

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Horst Weymar Hübner

Ich verzeih’ dir nie: Dr. Florian Winter Arztroman 7

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Inhaltsverzeichnis

Ich verzeih’ dir nie: Dr. Florian Winter Arztroman 7

Copyright

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Ich verzeih’ dir nie: Dr. Florian Winter Arztroman 7

von Horst Weymar Hübner

Der begabte Mediziner Dr. Manfred Bücken arbeitet als Assistenzarzt von Professor Winter in der Paul-Ehrlich-Klinik. Eine exzellente berufliche Zukunft scheint ihm sicher. Doch mit seinem Privatleben steht es nicht zum Besten: Seine Frau Marietta, eine selbstbezogene, oberflächliche Person, treib sich mit den falschen Leuten herum und wirft sein Geld zum Fenster raus, was zur Folge hat, dass sich das Ehepaar auseinanderlebt. Da lernt Bücken die attraktive Susanne Wilde kennen und lässt sich auf eine Affäre mit ihr ein. Als er bemerkt, dass seine Geliebte medikamentenabhängig ist, scheint es fast zu spät - sein Ruf als Arzt ist gefährdet …

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

1

Ein gellender Schrei drang vom Ende des Ganges. Zwar durch eine Tür gedämpft, aber laut genug, um die Patientinnen der gynäkologischen Station aus dem Schlaf zu reißen.

Und zu laut für sechs Uhr früh.

Darum lief Schwester Ellen, kaum dass sie ihren Schrecken überwunden hatte, einen Schlag schneller zum Schwesternzimmer.

Dabei stellte sie wilde Überlegungen an.

Sie hatten hier auf der 3 b doch keine Wöchnerinnen. Die lagen drüben im anderen Flügel.

Gut, wenn blitzartige Wehen einsetzten, schrie eine werdende Mutter schon mal auf, dass es durch Türen und Wände zu hören war. Aber so doch nicht!

Auf dem Gang brannte noch die Nachtbeleuchtung.

Hinter den Türen der Krankenzimmer wurde es laut. Die Mehrzahl der Patientinnen war munter geworden. Da und dort wurde eine Tür geöffnet, und Lichtbalken fielen in den Bettenvorraum und auf den Flur.

Eine nörgelnde Frauenstimme verbat sich die rücksichtslose Ruhestörung.

Schwester Ellen rüttelte vergeblich an der Tür vom Schwesternzimmer.

Drinnen brannte die ganze Festbeleuchtung. Sie drückte sich die Nase an der Glaswand breit, um zu sehen, ob der Schlüssel von innen auf dem Schloss steckte.

Das war nicht der Fall.

Die Tür vom Giftschränkchen war zu. Aus dem Steckkasten über dem Schreibtisch fehlte der Pieper.

Schwester Ellen verrenkte sich noch etwas den Hals, um einen Blick in die Kaffee-Ecke ganz hinten werfen zu können.

Da war Schwester Ingrid auch nicht. Die hatte Nachtdienst.

Wird wohl bei der Patientin sein, dachte die Stationsschwester. Da haben sie uns aber einen Neuzugang verpasst!

Wieder schrie die Frau gellend. Es kam einwandfrei hinten aus dem letzten Zimmer.

Seufzend wandte sich Schwester Ellen ab, um ihrem Zimmer zuzustreben und sich für den Dienst einzukleiden.

Sie hörte eine Tür aufgehen und einen Mann etwas unwirsch sagen: „Etwas Morphium kann ich noch verantworten, Schwester. Alles andere muss der Chef entscheiden.“

Die Stimme kannte sie. Sie gehörte Doktor Bücken, einem der Assistenzärzte, die im Rotationsverfahren alle Abteilungen der Klinik durchliefen.

Er hatte Nachtbereitschaft gehabt. Und er hatte sie noch. Bis acht Uhr jedenfalls.

„Was nehmen wir?“, fragte Schwester Ingrid korrekt.

„Etwas Morphium“, war eine zu vage Angabe.

„Dilaudid stark, einen Milliliter. Ziehen Sie es auf eine Tuberkulin-Spritze, ich muss es sehr langsam geben.“

Schwester Ingrid kam den Flur entlang und fischte den Schlüssel zum Schwesternzimmer aus der Kitteltasche. Am Aufschlag hatte sie den Pieper angeklemmt.

Sie sah ihre Stationsschwester.

„Guten Morgen, Schwester Ellen. Gut, dass Sie da sind. Ich habe vielleicht eine Nacht hinter mir!“

Die Stationsschwester sah es ihr an. Ingrid wirkte sonst auch nach einer Nachtwache wie das blühende Leben. Jetzt war ihr Gesicht grau, die Augen waren gerötet, aus jeder Hautpore guckte die Müdigkeit.

„Machen Sie erst die Injektion fertig, Ingrid. Ich gehe Ihnen gleich zur Hand.“

In Windeseile zog sich Schwester Ellen um und ging ins Dienstzimmer. Ein wimmernder Schrei aus dem letzten Zimmer begleitete sie. Er war nicht mehr so laut.

„Wen haben wir da bekommen, Ingrid?“

Die schwarzhaarige junge Schwester hatte die Spritze vorbereitet und auf ein Tablett gelegt, die Kanüle in die Ampulle geschoben, damit Dr. Bücken eine letzte Kontrolle vornehmen konnte, bevor er die Injektion machte.

„Eine Frau Strube. Sie wurde gegen Mitternacht eingeliefert, Doktor Bücken wurde zur Aufnahme runtergerufen und hat sie mitgebracht, weil die Intensivstation bis auf die letzte Box besetzt ist.“

Das letzte Zimmer war die 18. Schwester Else griff sich die Patientenkurve Strube heraus und las.

„Oh Gott!“, murmelte sie.

Die Patientin Gerda Strube war erst sechsundzwanzig. Aus dem Einweisungsbrief ihres behandelnden Arztes ging hervor, dass er sie ein Jahr lang wegen fortschreitender Auszehrung, der Anorexia mentalis, behandelt und zwei Klinikeinweisungen veranlasst hatte. Ohne Erfolg. Sie war immer hinfälliger geworden, Folge einer schweren Hormonstörung, die auf einer Gehirnerkrankung beruhte.

Dann waren die Wundliegeerscheinungen dazugekommen, eine schwere Infektion hatte sich aufgepflanzt. Der acht Wochen alte gesicherte Befund lautete auf Rückenmarkstumoren mit Lähmung der unteren Extremitäten.

Dazu Lymphknotenkrebs, weiträumig metastasiert, im letzten Stadium.

Die Patientin war zum Sterben in die Klinik gekommen.

„Die Kurve, bitte!“, sagte Schwester Ingrid. „Doktor Bücken hat drei Stunden bei ihr gewacht. Er hat ihr noch in der Aufnahme Dolantin gegeben, aber die Wirkung hält nicht mehr vor, Sie hören es ja.“

„Da, nehmen Sie.“ Schwester Ellen gab ihr die Kurve und ließ sie gehen.

Durch die offene Tür hörte sie Ingrid mit dem Arzt reden. Die Schritte der beiden verloren sich.

Schwester Ellen bereitete die Frühschicht vor und schrieb die Zettel für die Nüchternpatienten und für die Frauen, die zum Eingriff rasiert werden mussten.

Von den Aufzügen näherten sich Stimmen. Die Schwestern und Schülerinnen des Frühdienstes trafen ein.

Nachdenklich starrte Schwester Ellen auf die Glaswand, an die sie die Zettel geklebt hatte.

Die Patientin Strube auf achtzehn gehörte auf die Innere, wenn auf der Intensivstation im Moment kein Platz war. Was bewog denn den Bücken, sich so zu engagieren?

Das hatte sie seit einem halben Jahr nicht mehr gehört, dass ein Arzt der Nachtbereitschaft drei Stunden bei einer Patientin gewacht hatte.

Es gefiel ihr dennoch. Sie brummte anerkennend. Früher hatte das der Chef auch fertiggebracht. Das rechnete sie ihm heute noch hoch an.

Das Pflegepersonal trat ein, laute Geschäftigkeit erfüllte das Schwesternzimmer.

„Etwas mehr Beeilung, meine Damen!“, trieb Schwester Ellen das Team an. „Fünf Patientinnen müssen gewaschen werden.“ Sie teilte die Waschkommandos ein.

Fünf Minuten später kehrte Schwester Ingrid zurück. Dr. Bücken kam mit, um den Schein für die Betäubungsmittelinjektion zu unterschreiben. Die Bürokratie hatte ihre eigenen unerbittlichen Gesetze. Auch in einem solchen Falle.

Er füllte das Formular aus und zeichnete den Eintrag in der Kurve ab. Müde wischte er sich über die Augen. Die Bewegung drückte Resignation aus.

Dann erst nahm er die Stationsschwester wahr.

„Guten Morgen, Schwester Ellen. Ich mache Ihrer Station Ungelegenheiten.“

Sie wäre ihm böse gewesen, wenn er sich dafür entschuldigt hätte. Sie war froh, dass er es nicht tat.

„Es ist auch Ihre Station. Für das nächste halbe Jahr. Und Sie werden schon Ihre Gründe gehabt haben.“

Er nickte und rieb über das Kinn. In der Nacht war sein Bart gewachsen, die Stoppeln knisterten.

„Massives Weißbluten, als sie gebracht wurde. Ich konnte doch nicht dabeistehen, ein paar verlogene Worte sagen und die Achseln zucken. Eine Bekannte habe ich so grausam sterben sehen. Sie war meine erste Patientin als Praktikant.“

Schwester Ellen nickte. Sie verstand.

„Sie brauchen mir nichts zu erklären. Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit? Sie sehen aus, als könnten Sie auch zwei vertragen.“ Seine Zustimmung wartete sie gar nicht ab.

Sie stellte eine Schwesternschülerin zum Kaffeekochen ab und zog sich einen Rollhocker heran.

Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Dr. Bücken ein Gespräch suchte. Der hoffnungslose Fall der Patientin Strube bedrückte ihn.

„Reden Sie frisch von der Leber weg, Herr Doktor“, ermunterte sie ihn.

In seinen grauen Augen blitzte scheuer Humor auf. Diese hübsche Schwester Ellen hatte Humor. Schade, dachte er, dass sie mit dem Kollegen Erlen verheiratet ist ...

„So hochoffiziell soll es nicht werden, Schwester, und mit meinen spärlichen Sünden komme ich vorerst noch alleine zurecht. Aber ich frage Sie, ob man hier schon mal eine Schmerzausschaltung vorgenommen hat. Ich informiere mich vorher lieber bei Ihnen, als beim Professor ins Fettnäpfchen zu treten.“

„Treten Sie ruhig mal rein, das hat er gern. Zeugt von Persönlichkeit und Individualismus, sagt er. Was verstehen Sie unter Schmerzausschaltung?“

„Das Anspritzen bestimmter Nervenbahnen mit Alkohol. Das würde ihr die bestialischen Schmerzen nehmen, sie würde es befreit und vielleicht sogar glücklich hinter sich bringen.“

Das Leben, ja, dachte Schwester Ellen. Es ist doch gar kein Leben mehr! Das Ende wäre eine Erlösung für sie!

Sie zögerte lange. Endlich nickte sie. „Es ist schon einige Jahre her, aber es wurde schon gemacht. Sprechen Sie mit dem Professor. Gleich nachher.“

„Die Spritze wirkt bestenfalls vier Stunden“, sagte Dr. Bücken mehr zu sich selbst. „Die Frau wiegt gerade noch achtundzwanzig Kilo. Vielleicht geht es noch ein paar Stunden, vielleicht auch zwei Tage.“

Diese ehrliche Betroffenheit, die aus seinen Worten sprach, machte ihn mit einem Male so menschlich.

Sie erfasste sein Problem. Sie kannte es zur Genüge, denn es stellte sich in jeder Klinik immer wieder neu.

Die Ärzte durften kein Leben verkürzen.

Aber nirgendwo stand geschrieben, dass sie einen Menschen auch quälen mussten, wenn sie schon mit allen ärztlichen Mitteln sein Leben verlängern sollten.

Die Schwesternschülerin brachte zwei Tassen Kaffee an den Schreibtisch.

„Ohne Milch und Zucker, danke!“, wehrte Dr. Bücken ab, als sie ihm einen Löffel Zucker in die schwarze Brühe hineinzittern wollte und ein Milchdöschen aufriss.

„Gießen Sie mir das Produkt einer glücklichen Kuh in die Tasse, Birgit“, meinte Schwester Ellen trocken. Sie fixierte den Arzt. „Schwarz aus Überzeugung oder wollen Sie der schönste Mann der Klinik werden?“

„Gewohnheit, Schwester Ellen. Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, habe ich es gerade geschafft, so einen Pott voll schwarzer Brühe zu brauen. Bis ich den Rest zusammengesucht hätte, wäre der halbe Vormittag um.“

„Ich denke, Sie sind verheiratet?“

Schwester Ellen hielt erschrocken den Mund. Aber es war zu spät, die Worte waren gesagt. Bücken wurde also morgens nicht von seiner Frau versorgt.

„Bin ich“, antwortete der Arzt. Die Art, wie er es sagte, gab Schwester Ellen den Gedanken ein, dass er wünschte, es nicht zu sein.

Sie enthielt sich einer Meinung. Private Dinge mussten draußen vor der Klinik bleiben.

Sie trank genießerisch ihren Kaffee und ermahnte Dr. Bücken: „Vergessen Sie nicht, sich zu renovieren. Stoppelbärte kann der Chef auf den Tod nicht ausstehen, aber sonst fast alles.“

2

Professor Dr. Florian Winter war schon durch jenes, geheimnisvolle Informationssystem vorgewarnt, das in jeder Klinik der Welt anzutreffen ist.

„Aha, Sie also waren letzte Nacht der Samariter vom Dienst, Herr Kollege“, empfing er Dr. Bücken. „Sie wissen sich zu helfen, das freut mich.“

„Hoffentlich denken Sie gleich auch noch so, Herr Professor“, sagte Bücken. „Die Prognose ist aussichtslos, die Aussicht erstreckt sich auf maximal acht bis achtundvierzig Stunden. Ich schlage eine konsularische Visite unter Hinzuziehung der Neurologen vor.“

Florian Winter betrachtete seinen Assistenzarzt. Bücken hatte eine Nachtbereitschaft hinter sich und einen vollen Tagesdienst vor sich. Selbst sanftmütige Naturen waren da leicht gereizt.

Nicht so Bücken. Er sah müde aus, aber er trug seinen Vorschlag sicher, klar und überzeugend vor.

„Keine Einwände, Herr Bücken“, sagte er. „Und was schwebt Ihnen als letzte Therapie vor?“

„Nervenparalyse durch lokale Alkoholinjektion, Herr Professor.“

„So? Und haben Sie das schon einmal gemacht?“

„Nein, nur zugesehen. Da war ich Praktikant. Ich werde es nie vergessen, und wenn ich tausend Jahre alt würde. Das Verfahren hat mich überzeugt.“

Florian Winter wog das Für und Wider ab. Bücken war von der Chirurgie und der Inneren, wo er zuvor gewesen war, überaus gut beurteilt worden. Ein Mann, der mitdachte und nicht andere für sich denken ließ.

Ihm imponierte, wie er für seine Auffassung eintrat. Und dass er nicht lange herumgackerte.

„Schön, dann wollen wir die Herren Kollegen von der Neurologie um ihre geschätzte Meinung fragen“, entschied Florian Winter und griff zum Telefon.

Er beraumte ein gynäkologisch-internistisch-neurologisches Konsilium für neun Uhr an.

Als er den Hörer auflegte, dankte Bücken mit einem knappen Kopfneigen und wollte das Chefzimmer verlassen.

Der Professor rief ihn zurück.

„Sie können mir gleich assistieren, Herr Bücken. Ich muss eine Blasenhebung vorziehen, bin in Termindruck und benötige den zweiten Operateur. Der sind Sie. Kommen Sie mit.“

Manfred Bücken wäre es lieber gewesen, wenn es langsamer angegangen wäre. Aber dem Chef einen Korb zu geben, getraute er sich nicht.

Und so eine Offerte, das wusste er, bekam er auch nicht alle Tage gemacht. Vom Chef den zweiten Operateur angeboten zu bekommen, war eine Auszeichnung.

3

Um Viertel vor neun Uhr war die Blasenhebung gemacht.

Sie schafften es gerade, am Konsilium teilzunehmen.

Die ärztlichen Meinungen waren selten so einhellig wie im Falle dieser Patientin.

Dr. Bücken erhielt die Erlaubnis, die unwiderrufliche Nervenparalysierung vorzunehmen. Im Beisein der zugezogenen Kollegen der anderen medizinischen Disziplinen.

Er ließ sich von Schwester Ellen medizinisch reinen Alkohol und Injektionsmaterial bringen.

Die Patientin lag völlig apathisch und bot ein erbarmungswürdiges Bild der Hinfälligkeit.

Dieses Bündel Mensch bestand nur noch aus Haut und Knochen, aus einem wie durch ein Wunder noch etwas funktionierenden Stoffwechsel und aus großen, teilnahmslos blickenden Augen.

Die Austrocknung war so weit fortgeschritten, dass auch ein Lallen nicht mehr möglich war. Bei der Einweisung hatte die junge Frau noch deliriert. Es war aber schon abzusehen gewesen, dass sie in den komatösen Endzustand verfallen und nie mehr daraus auftauchen würde.

Die Heftigkeit, mit der sich diese dramatische Verschlechterung eingestellt hatte, war nur zur Hälfte der Grund gewesen, der Manfred Bücken drei Stunden lang am Schmerzenslager der Frau hatte ausharren lassen.

Zur anderen Hälfte war es einfach das Bedürfnis gewesen, diesem wegdämmernden Leben Hinwendung zu geben.

Man wusste außerdem ja nie, inwieweit solche Patienten noch aufnahmefähig waren. Man konnte aber getrost davon ausgehen, dass sie registrierten, ob jemand bei ihnen war oder nicht.

Und sicher war es für viele eine letzte große Erleichterung zu merken, dass man sie nicht allein ließ.

Schwester Ellen brachte den Alkohol und die Spritze.

Dr. Bücken half mit, die Patientin auf der Seite zu lagern. Er bestimmte die Injektionsorte.

Beim Anblick des Zustandes des Rückens der Frau wurde einer der Neurologen schwach. Geistesgegenwärtig schob jemand dem Arzt einen Stuhl unter.

Manfred Bücken zögerte. Feine Schweißbläschen erschienen auf seiner Oberlippe. Die Stirn wurde ihm feucht.

Jetzt war ihm mit einem Mal angst und bange. Die Verantwortung drückte wie ein Gebirge auf ihn.

Er zögerte. Noch tat die Morphiumgabe ihre Wirkung. Aber wenn sie nachließ, würde das arme Wesen erneut die Hölle erleiden.

Die Kollegen spürten, was in ihm vorging.

Spannung, die kaum noch zu ertragen war, breitete sich im Krankenzimmer aus.

Dr. Bücken verkürzte das Leben der Patientin nicht, wenn er die Injektionen machte, er verlängerte es auch nicht. Er machte es nur schmerz- und weitgehend empfindungsfrei.