Im Bann der Diatori - Calin Noell - E-Book

Im Bann der Diatori E-Book

Calin Noell

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Beschreibung

"Sie ist bloß ein Mensch!"   Gregory MacDonald ist mit sich und seiner Welt zufrieden, bis er der jungen Arcana begegnet. Ohne seine Beweggründe selbst zu verstehen, überlässt er ihr seine Unterkunft in Schottland, nichtsahnend, welch schicksalhafte Wendung ihr aller Leben dadurch nimmt.   Unfähig, diese Menschenfrau zu vergessen, gesteht er sich seine Gefühle für sie ein und offenbart, wer er ist – und damit eine Wahrheit, die in dem folgenden Kampf auf Leben und Tod, alles entscheiden könnte.     Im Bann der Diatori ist ein packender Urban Fantasy-Roman um die Macht einer Liebe, geheimnisvoll, unerwartet und unglaublich spannend.

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Calin Noell

Im Bann der Diatori

Impressum:

Erstauflage 2018

2. Auflage 2019

Calin Noell

c/o Papyrus Autoren-Club

R.O.M. Logicware GmbH

Pettenkoferstr. 16-18

10247 Berlin

www.calin-noell.com

Texte © 2018 Copyright by Calin Noell

Bilder © 2018 Copyright by Calin Noell

Coverdesign: Saskia Lackner

www.saskia-illustration.de/

Lektorat: Roland Blümel

www.rolandbluemel.de/lektorat/

Alle Rechte vorbehalten

Danksagung

Ein großer Dank geht wie immer an meine Familie und all Jene, die mich unermüdlich unterstützen, mir zur Seite stehen und nie müde werden, mir zu helfen, sei es mit einem offenen Ohr, einem Kaffee oder einem gemütlichen Abend, um auf andere Gedanken zu kommen. DANKE!

Auch diesmal hat Saskia Lackner das Cover für mich gezaubert. Ich finde, es ist etwas ganz Besonderes geworden und hat Schottlands Charme, so wie ich ihn erlebte, wundervoll eingefangen. Ich liebe es!

Mein Lektor Roland Blümel – die Zusammenarbeit hat mich so oft zum Lachen gebracht und Sätze wie: „Ich stehe seit heute Morgen vor dem Spiegel und versuche traurig zu lächeln, während ich einem Freund am Telefon beim Schmunzeln zuhöre“, bringen mich selbst jetzt noch zum Lachen! Ich bleibe dabei, dass beides geht, Du musst nur lange genug daran üben, dann klappt das schon. ;-)

Vielen Dank für die tolle Unterstützung!

Und last, but certainly not least, ein Dank an meinen neuen Beichtvater Johann. Ich fühle mich sehr viel besser, seit unserem „Gespräch“ und schmunzle bereits jetzt schon wieder, während ich diese Worte schreibe. Menschen, die einen zum Lachen bringen – einfach unbezahlbar!

Über die Autorin

»Um Wunder zu erleben, musst Du an sie glauben.«

Schon immer spielten sich etliche Geschichten in meinem Kopf ab. »Zu viel Fantasie«, dachte ich damals noch und tat es einfach als Spinnerei ab. Erst viele Jahre später kam mir überhaupt in den Sinn, dass man dieses Wirrwarr in meinem Kopf auch aufs Papier bringen könnte und wagte den Versuch. Was als diffuse Möglichkeit begann, endete etwa 450.000 Wörter später mit der Janaii-Trilogie als mein Erstlingswerk. Heute kann ich mir eine Welt ohne meine Geschichten gar nicht mehr vorstellen.

Viele liebe Grüße

Eure Calin

Schaut auch gerne auf meine anderen Seiten, dort gibt es weitere Infos, zu meinen Büchern, aber auch zu meiner Person:

www.calin-noell.com

www.facebook.com/calin.noell.Autorin

www.instagram.com/calinnoell_autorin/

Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Buchbeschreibung

»Sie ist bloß ein Mensch!«

Gregory MacDonald ist mit sich und seiner Welt zufrieden, bis er der jungen Arcana begegnet. Ohne seine Beweggründe selbst zu verstehen, überlässt er ihr seine Unterkunft in Schottland, nichtsahnend, welch schicksalhafte Wendung ihr aller Leben dadurch nimmt.

Unfähig, diese Menschenfrau zu vergessen, gesteht er sich seine Gefühle für sie ein und offenbart, wer er ist – und damit eine Wahrheit, die in dem folgenden Kampf auf Leben und Tod, alles entscheiden könnte.

Im Bann der Diatori ist ein packender Urban Fantasy-Roman um die Macht einer Liebe, geheimnisvoll, unerwartet und unglaublich spannend.

Im Bann der

Diatori

von

Urban Fantasy-Roman

R.I.P. Dad

Sei frei

von allem

Inhaltsverzeichnis

1

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7

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Epilog

Glossar

 

1

Arcana

Sooft hatte ich seine Einladungen bereits abgelehnt, dass mir diesmal einfach keine Wahl blieb. Wenn ich Jay als besten Freund nicht verlieren wollte, musste ich zu dieser Geburtstagsparty, gleichgültig ob es mir nun passte oder nicht. Und eines wusste ich ganz sicher: Eine Welt ohne Jay konnte ich mir nicht vorstellen. Er war einer der wenigen Menschen, die noch Verständnis zeigten, wo andere längst keines mehr besaßen.

Inzwischen waren beinahe drei Jahre seit dem Tod meines Mannes und meiner Tochter vergangen, doch noch immer schien ich in einer Wolke aus Verlorenheit und Trauer zu vergehen, nicht imstande, sie zu durchbrechen. Manche Tage empfand ich als besonders schlimm, so auch den kommenden, an dem ich mich mit Menschen umgeben sollte, die sicherlich Interesse an meinem Leben zeigen würden. Auf einer privaten Party wie dieser unterhielt man sich schließlich auch und genau davor graute es mir.

In eine Großdiskothek, in der ich anonym untertauchen konnte, oder mal ins Kino zu gehen, war nicht so sehr das Problem. Doch Treffen mit Freunden und Bekannten, die ständig Fragen stellten, wissen wollten, wie es mir ging – das fiel mir noch immer unglaublich schwer.

Nun jedoch befand ich mich auf dem Weg zu Jays dreißigsten Geburtstag, den er morgen in seinem Strandhaus auf der ostfriesischen Insel Borkum feiern würde. Theoretisch hätte ich auch fliegen können, da ich von dort aus aber direkt weiterfahren wollte, entschied ich mich dafür, mit meinem Auto zu fahren. Das verschaffte mir außerdem den Vorteil, dass ich mich wesentlich unabhängiger fühlte. So könnte ich jederzeit aufbrechen, wann immer ich das Bedürfnis danach verspürte. Obwohl Jay das ganze Wochenende von Freitag bis Sonntag einforderte, damit ich mich nicht überanstrengte, behielt ich diese Möglichkeit dennoch im Kopf. Sie beruhigte mich.

Als ich das Strandhaus endlich erreichte, hörte ich erleichtert, dass niemand sonst bereits heute anreisen würde. Also saß ich mit Jay, seiner Frau Tina und seinem Sohn Sven beim Abendessen. Nachdem Tina Kopfschmerzen vorgeschoben und sich verabschiedet hatte, entwickelte es sich zu einem total entspannten Abend. Wir quatschten bis spät in die Nacht, während ich noch bei den letzten Vorbereitungen half. Am Samstag schlief ich aus, ein seltenes Vergnügen, da mich eine unbestimmte Unruhe oft früh aus dem Bett trieb, heute allerdings nicht. Ich schlummerte bis kurz vor elf Uhr. Nach einem gemütlichen Frühstück und der Versicherung, dass ich nirgendwo mehr helfen konnte, suchte ich die Einsamkeit und Ruhe an Jays Privatstrand. Es war herrlich. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel, das Thermometer zeigte etwa fünfundzwanzig Grad im Schatten, und ich döste entspannt auf einer Sonnenliege in vollkommener Abgeschiedenheit.

Irgendwann rief Jay nach mir, damit mir genügend Zeit blieb, mich für die Party fertig zu machen. Mit einem mulmigen Gefühl ging ich in sein wunderschönes Haus zurück und duschte in aller Ruhe. Das Schlimmste, was mir jetzt passieren könnte, wäre selbsterzeugte Hektik. Das würde mich noch mehr in Schieflage bringen, als es der Gedanke an das Zusammentreffen mit Jays Freunden eh schon tat.

Entsprechend angezogen, aber nur ganz leicht geschminkt, half ich ihm dabei, das Essen und die Getränke bereitzustellen, als es das erste Mal an der Tür klingelte.

Ich wusste nicht genau, was er seinen Freunden über mich erzählt hatte, irgendetwas jedoch musste er gesagt haben. Sie zeigten sich rücksichtsvoll, stellten keine unangenehmen Fragen, hielten die Gespräche oberflächlich, ohne unfreundlich zu sein, und belagerten mich nicht allzu sehr. Ich war ihnen wirklich dankbar dafür.

Zu meiner Überraschung fand ich sie alle total nett und sympathisch. Sogar die Musik gefiel mir, obwohl sie laut und dröhnend aus der Anlage schallte. Natürlich holten sie nach einer Weile ihre eigenen Musikinstrumente hervor, schlossen sie an ihre Verstärker und spielten los. Sie musizierten gut, das musste auch ich ihnen zugestehen, doch nun dröhnte es noch mehr als zuvor. Nach dem fünften Lied zog ich mich heimlich an den Strand zurück, den Blick auf das Wasser gerichtet, die Songs in einer angenehmen Lautstärke im Hintergrund – einfach perfekt.

Dieses Haus hätte ich selbst gerne besessen, mit direktem Zugang zur Nordsee, Privatstrand und sonst eine idyllische Ruhe spendend.

Seufzend legte ich mich auf eine Liege, genoss das sanfte Schimmern der Petroleumlampen und die sternenklare Nacht. Ich hörte Jay einen seiner Lieblingssongs singen und lächelte.

»Darf ich?«, erklang es plötzlich hinter mir.

Hastig wandte ich mich um und musterte den Störenfried. »Natürlich«, antwortete ich, nur der Höflichkeit halber. Schließlich stand es mir nicht zu, ihm die andere Liege zu verwehren. Ich erkannte ihn nur vage als einen langjährigen Freund von Jay wieder, erinnerte mich jedoch nicht an seinen Namen.

»Sind Sie geflohen?«, fragte er. Es gelang ihm nicht, seine Belustigung zu verbergen.

»Kann man so sagen«, entgegnete ich ausweichend und zündete mir eine Zigarette an. Eigentlich versuchte ich gerade aufzuhören, doch erfahrungsgemäß reichte den meisten Leuten zwei oder drei Züge des Qualms, natürlich nur ganz aus Versehen in ihre Richtung gepustet, und sie machten sich davon. Fehlanzeige, unbeeindruckt nahm er die Liege in Beschlag.

»Sie sind also die geheimnisvolle Freundin, die fantastische Romane schreibt und die bisher niemand von uns zu sehen bekommen hat. Ich dachte schon, er würde Sie sich nur einbilden.« Diesmal versuchte er nicht einmal mehr, seine offensichtliche Belustigung zu verbergen, sondern ließ sie aus seiner Stimme deutlich herausklingen.

»Ich bin mit Sicherheit alles andere als geheimnisvoll«, stellte ich klar. »Ich hatte nur viel zu tun«, rechtfertigte ich meine ständigen Absagen sogleich und ärgerte mich sofort über mich selbst. Was ging es ihn überhaupt an? »Und wer sind Sie? Woher kennen Sie Jay? Ich glaube, außer seinen Bandkollegen hat er mir gegenüber nie jemanden erwähnt, abgesehen von Tina und Sven natürlich.« Es interessierte mich eigentlich gar nicht, aber alles war besser, als über mich reden zu müssen.

»Ich lernte Jay vor einigen Jahren zufällig kennen, als Tina und er aufgrund einer Autopanne Hilfe benötigten. Seitdem treffen wir uns hin und wieder«, entgegnete er nicht weniger zurückhaltend als ich.

»Wie heißen Sie?«, fragte ich nun doch, einfach aus Höflichkeit.

»Gregory.« Mich beschlich das Gefühl, dass er mich ausgiebig musterte. Aufgrund der Dunkelheit sah ich es jedoch nicht deutlich genug, um dessen wirklich sicher zu sein.

»Und Sie sind Arcana«, stellte er fest.

»Ja genau, keine Einbildung, sondern Real, Live und in Farbe«, entgegnete ich und erhob mich. »Es war sehr nett mit Ihnen zu plaudern, aber jetzt werde ich mich wohl mal in die erste Reihe drängeln, damit er nicht bemerkt, dass ich geflüchtet bin«, erklärte ich, während ich mich bereits abwandte.

Langsam ging ich zum Haus zurück, ein wenig verärgert, weil dieser Typ mich vom Strand vertrieben hatte. An der Veranda angekommen, gelang es mir jedoch nicht, mir das Grinsen zu verkneifen. Sie spielten noch immer, ein schnelles Lied, eine Mischung aus Pop und Rock, das ich nicht kannte. Doch selbst ich musste zugeben, dass man bei diesem Rhythmus die Füße kaum stillhalten konnte. So erging es anscheinend auch den anderen, denn alle tanzten.

»Darf ich bitten«, erklang es unvermittelt hinter mir. Ehe ich reagierte, ergriff Gregory meine Hand und zog mich an den Rand der extra für diesen Abend aufgebauten Tanzfläche. Mir entging nicht, dass er seine Worte ganz eindeutig nicht als Frage formuliert hatte. Doch da ich jetzt keine unschöne Szene provozieren wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich artig in mein Schicksal zu fügen. Also folgte ich ihm und musste bereits nach wenigen Schritten zugeben, dass er wirklich unglaublich gut tanzte. Ich mochte es schon immer, wenn ein Mann auf dem Parkett die Führung übernahm und mich nicht orientierungslos über die Bretter stolpern ließ. So dauerte es nicht lange, bis ich lachte, vollkommen gefangen in dem Sound der Musik und den sicheren Schritten und Drehungen, in die Gregory mich führte.

Bereits als Kind tanzte ich unheimlich gern, liebte es, und konnte stundenlang tanzen, ohne auch nur ein einziges Mal die Tanzfläche zu verlassen. Früher ... das war so lange her ...

»He, kommen Sie zu mir zurück«, flüsterte Gregory plötzlich dicht an meinem Ohr. Erschrocken zuckte ich zusammen. Als spürte er, dass ich mich augenblicklich von ihm lösen wollte, hielt er mich eisern fest. Überrascht von seiner Beharrlichkeit blickte ich zu ihm auf. Seine Augen funkelten unbeschreiblich und es wirkte, als gäbe es keinen Platz mehr für das Weiß seiner Augäpfel, so sehr weiteten sich die Pupillen.

»Verzeihen Sie. Ich wollte nicht unhöflich sein«, flüsterte ich und brach damit den Bann.

Offensichtlich amüsiert schüttelte er den Kopf, drehte mich von sich weg und zog mich wieder an sich heran. Augenblicklich schlich sich erneut ein Lächeln auf mein Gesicht. Ich schien nicht länger in der Lage, es zu verhindern.

»So gefallen Sie mir viel besser«, rief er, als die Lautstärke um uns herum unerwartet anschwoll. Irritiert runzelte ich die Stirn, sah mich dann jedoch um und zuckte zusammen. Das erste Getöse stammte von dem Schlagzeuger, der wohl mal beweisen wollte, dass er auch ein Solo hinlegen konnte. Anschließend begann Jay auf seiner E-Gitarre, es ihm nachzutun. Besser gesagt: Er versuchte es, bis er selbst lachte. Er hatte mittlerweile ganz offensichtlich ein wenig zu tief ins Glas geschaut und die Töne klangen grauenvoll.

»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Gregory plötzlich und ich erschrak erneut, was er jedoch scheinbar ignorierte.

Frustriert über diese ganze Situation, auch weil Jay mir das Versprechen abgenommen hatte, zu seinen Freunden äußerst nett und höflich zu sein und sie nicht vor den Kopf zu stoßen, seufzte ich stumm. Ich nickte, zwang mich zu einem Lächeln und hoffte, dass es nicht ganz so verkrampft aussah, wie es sich anfühlte.

»Was möchten Sie denn?«, rief er gegen das Dröhnen der Musik an, als würde er nichts davon bemerken. Dennoch beschlich mich das Gefühl, dass er mich sehr wohl durchschaute.

»Eine Bloody Mary und ein Wasser bitte«, antwortete ich, sah mich jedoch erneut nach Jay um. Inzwischen lief wieder eine Playlist, trotzdem war die Tanzfläche noch immer überfüllt, selbst Jay tanzte nun.

»Hier.« Gregory drückte mir eine kleine Wasserflasche in die Hand. Mit zwei Cocktailgläsern ging er voran, bis ich erkannte, dass er auf den Strandweg zusteuerte.

»Was tun Sie?«, rief ich ihm irritiert hinterher.

»Hier kann man sich nicht unterhalten«, schrie er über seine Schulter zurück. Ich runzelte die Stirn, bis mein Blick an Jay hängenblieb. Stumm flehend bat ich um Hilfe, er aber zwinkerte nur vergnügt und wirbelte Tina lachend einmal im Kreis herum.

Mit einem unbehaglichen Gefühl folgte ich ihm und schüttelte schon im nächsten Moment über mich selbst den Kopf. Schließlich war es doch vollkommen normal, dass man sich auf einer Party unterhielt. Und immerhin hatte er recht. Oben am Haus wäre ein vernünftiges Gespräch kaum möglich.

»Setzen Sie sich doch.« Er wies auf die Liegestühle. Ich legte die Wasserflasche ab und zog meine Schuhe aus.

»Haben Sie etwas dagegen, wenn wir ein Stück den Strand entlanglaufen? Ich würde mir gerne noch ein wenig die Beine vertreten.«

Überrascht warf er mir einen kurzen Blick zu, schüttelte dann aber schließlich den Kopf. »Nein, ganz im Gegenteil. Moment.« Er stellte die Gläser auf dem Tisch ab und entledigte sich nun ebenfalls seiner Schuhe und Socken, bevor er die Hosenbeine ein wenig nach oben krempelte. Plötzlich grinste er wie ein kleines Kind. »Wenn schon, denn schon.« Er lachte.

Ich nahm mir meine Bloody Mary und schlenderte zum Wasser. Seufzend blieb ich stehen und trank einen Schluck. »O Mann, wenn ich könnte, würde ich dieses Haus sofort kaufen. Ich denke mir einfach die dröhnende Musik weg, erinnere mich an die absolute Stille, die hier sonst herrscht. Hier zu leben wäre wirklich herrlich.«

Gregory gesellte sich zu mir und grinste. Ich sah von meinen Füßen auf und musterte ihn. Er blickte über den Horizont, wandte sich mir nun aber langsam zu. »Mögen Sie etwa keine Musik?« Neugierig betrachtete er mich.

»Oh, ich liebe Musik, oft jedoch die stillen Momente ebenso. Und momentan sind es eher die, die ich irgendwie benötige.«

»Sie könnten doch jederzeit hier Urlaub machen. So wie ich Jay kenne, würde er Ihnen das Haus sofort zur Verfügung stellen.«

»Ja«, schnaubte ich verärgert. Erneut wirkte er von meiner Reaktion überrascht. »Und kein Geld von mir annehmen, gleichgültig was ich versuche. Dabei weiß ich genau, wie dringend sie auf die Einnahmen für die Vermietung angewiesen sind. Seit Tinas Eltern nicht mehr allein zurechtkommen und finanzielle Unterstützung von ihnen benötigen, fällt es Jay schwer genug, dieses Haus überhaupt zu halten. Er hat ganze drei Monate nicht mit mir gesprochen, weil ich ihm für ein verlängertes Wochenende, das ich hier verbrachte, dennoch Geld hingelegt habe. Erst als ich es nach dem besagten Zeitraum zurücknahm, hat er sich wieder eingekriegt.«

»Vielleicht weil er weiß, dass Sie das Geld ebenso brauchen«, warf er vorsichtig ein.

Ich erstarrte. Natürlich war mir bereits vorher klar, dass Jay mit seinen Freunden über mich redete, wie man das eben so tut, wenn man sich sorgt. Und Jay war kein Tratschmaul, deswegen machten mich die Worte nicht einmal wütend.

»Ja, das mag ja sein, doch wenn ich mir einen Urlaub gönne, dann tue ich das, weil ich es durchkalkuliert habe und mir eben auch mal leisten kann. Mir hängt die Knete mit Sicherheit nicht quer aus den Ohren, trotzdem muss er mir nichts schenken. Niemand zwingt mich schließlich dazu, Urlaub zu machen. Aber egal. Jedenfalls frage ich ihn seitdem nicht mehr, ob er mir das Haus vermietet, so schwer es mir auch fällt. Es würde nur in einer Katastrophe enden, sobald es um die Bezahlung ginge.«

»Wo machen Sie denn dann Urlaub? Jay erzählte, dass Sie quasi direkt im Anschluss losfahren.«

»In Schottland.«

»Schottland? Wieso das?«

Ich zuckte mit den Schultern, dann lächelte ich, konnte wieder nichts dagegen tun. »Ich war noch nie dort, doch ich habe so unendlich viele Bücher gelesen, zugegeben, fast ausschließlich schnulzige Romane, und bin dem beschriebenen Charme bereits erlegen. Trotzdem will ich mir endlich selbst ein Bild machen. Und ich liebe diese unberührte Weite, die Schottland verspricht.«

Gregory lachte und mir fiel nicht das erste Mal auf, dass es ein angenehmes Gefühl in mir auslöste. »Und hoffen Sie auch, von einem schottischen Helden entführt und auf seine Burg verfrachtet zu werden?«

»Nein, natürlich nicht.« Ich lachte nun ebenfalls – und seufzte. Denn eigentlich hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich war eine hoffnungslose Romantikerin und wünschte mir insgeheim genau das: Einen rauen Schotten, der mein Herz im Sturm eroberte ...

Wir schlenderten am Wasser entlang. Ich genoss die Ruhe und sog die frische Luft tief ein. Einfach herrlich.

Das Klingeln meines Handys unterbrach diese wunderschöne Atmosphäre jedoch. Überrascht zog ich es aus meiner Jackentasche. »Entschuldige bitte, aber da muss ich kurz ran«, sagte ich an Gregory gewandt und nahm stirnrunzelnd das Gespräch entgegen. »Hey Kia, was ist los? Sind die Schotten in den Streik getreten?«, begrüßte ich meine beste Freundin, die ein Reisebüro führte und mir diese Reise gebucht hatte.

»Hey meine Süße, ich ... es tut mir total leid, ich weiß gar nicht, wie ich dir das schonend beibringen kann«, stotterte sie ins Telefon. Mein Stirnrunzeln vertiefte sich noch mehr, weil das so gar nicht ihre Art war.

»Kia, jetzt mal Butter bei die Fische, was ist los?«

»Wasserrohrbruch. Verdammt, es tut mir so leid«, jammerte sie. Ich verstand jedoch noch immer nur Bahnhof.

»Wer hat ’nen Wasserrohrbruch?«, fragte ich zögernd, ahnte schon Böses und nun gab auch Gregory sein scheinbares Desinteresse auf. Fragend blickte er mich an. Erstmal zuckte ich nur mit den Schultern, wusste ja selbst noch nichts Genaues.

»In deinem Bed & Breakfast House gab es heute einen Rohrbruch und das gesamte Erdgeschoss steht unter Wasser. Es ist zurzeit unbewohnbar.«

Eine Weile starrte ich nur das Telefon an, bis ich sie mehrmals meinen Spitznamen rufen hörte. »Arca, hörst du mich noch? Arca?«

»Sag mir, dass das nicht wahr ist, Kia, bitte! Das kann unmöglich dein Ernst sein«, jammerte ich. So lange hatte ich auf diese Reise gespart, mich so sehr darauf gefreut.

»Es tut mir leid, ehrlich. Ich habe dir natürlich Ersatz rausgesucht, allerdings ... nicht in den Highlands. Na ja, also das eine schon, aber wohl anders, als du es dir vorstellst. Es ist eine ungünstige Zeit, weil die Highland Games stattfinden.«

»Kia, was genau willst du mir damit jetzt sagen?«, fragte ich vorsichtig und hielt den Atem an.

»Ich hätte zwei Alternativen. Entweder in Edinburgh oder in Orkney.« Ich hörte, wie sie die Luft anhielt und stöhnte auf.

»Kia, das ist, als würde ich nach Schottland wollen und du schlägst mir stattdessen vor, ich könnte doch auch nach Irland fahren.« Ich atmete tief durch, wusste ja, dass sie nichts dafürkonnte. »Es tut mir leid, Kia. Ich muss da einen Moment drüber nachdenken. Wie viel Zeit bleibt mir?«, fragte ich resigniert.

»Ich brauche deine Antwort so schnell wie möglich, immerhin willst du in zwei Tagen anreisen.«

»In Ordnung, ich melde mich bei dir. Und Kia, mach dir keinen Kopf. Ich weiß ja, dass es nicht deine Schuld ist. Sorry, dass ich dich so angefahren hab.«

»Es tut mir wirklich unglaublich leid.«

»Mir auch. Mach’s gut, bis später.«

»Du auch.«

2

Gregory

Scheinbar abwesend blickte ich über das Wasser, während ich dem Telefonat lauschte. Aufgrund meines exzellenten Gehörs verstand ich selbst ihre Freundin problemlos. Während Arcana das Gespräch beendete, sackte sie sichtbar in sich zusammen und starrte regungslos vor sich hin. Es schien, als würde das ganze Elend der Menschheit auf ihren Schultern lasten und eine seltsame Schwere erfasste mich.

»Was ist geschehen?«, fragte ich, ehe ich die Worte verhindern konnte. Weshalb interessierte es mich überhaupt? Es ging mich doch gar nichts an!

»Ach, nicht so wichtig«, stieß sie seufzend hervor und ein spürbarer Ruck durchfuhr sie. Zaghaft lächelnd blickte sie auf. Wirkte sie vor wenigen Augenblicken noch, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen, hatte sie sich nun anscheinend gefangen. Trotzdem nahm ich ihre Traurigkeit weiterhin deutlich wahr.

Sie leerte ihr Cocktailglas in einem Zug. »Dann eben nicht«, sagte sie plötzlich und sah mich an. »Ich möchte gern zurückgehen.« Schon drehte sie sich um und eilte zu den Liegen. Dort angekommen zündete sie sich eine Zigarette an, griff nach der Wasserflasche und lief den Weg zum Haus hinauf, ohne sich noch einmal nach mir umzusehen. Ich hastete ihr hinterher. Sie steuerte direkt den Tresen an, stellte ihr Glas ab und wies den Barkeeper an, es wieder aufzufüllen. Als ich sie erreichte, gesellte sich auch Jay zu uns.

»Hey meine Kleine, hat er dich geärgert? Du siehst so aus und wenn das so sein sollte, musst du es mir sagen. Dann hau ich ihm auf die Nase.« Er grinste. Sie reagierte jedoch überhaupt nicht, kippte ihren Drink in einem Zug hinunter und sah erst danach zu Jay.

Als hätte sie seine Worte nur zeitverzögert vernommen, lächelte sie schwach. »Was? Ach so, nein, er war ganz nett. Ich bin müde und hau mich hin. Sorry, feiert noch schön.«

Sie küsste seine Wange und ging ins Haus. Stirnrunzelnd betrachtete mich Jay, woraufhin ich hastig meine Hände hob, als müsste ich seinen stummen Vorwurf abwehren. »Sie bekam einen Anruf. Ich habe damit nichts zu tun. Sie wollte mir nicht sagen, was los ist.«

»Sie muss dir doch irgendetwas erzählt haben?«, fuhr Jay auf.

Ich zuckte mit den Schultern. »Eine Kia hat sie angerufen und irgendwas von wegen Wasserrohrbruch gesagt. Daraufhin antwortete sie, dass sie ihr genauso gut vorschlagen könnte, statt nach Schottland nach Irland zu fahren.«

»O nein«, stieß Jay sichtbar betroffen aus und fasste hektisch in seine Taschen, bis er sein Telefon in Händen hielt.

Beschwichtigend klopfte ich ihm auf die Schulter und wandte mich dem Haus zu. Der einzig interessante Gast war ins Bett gegangen, also konnte ich das ebenfalls tun.

In meinem Zimmer angekommen legte ich meine Sachen für den nächsten Tag zurecht und packte dann alles ein, was ich nicht mehr benötigte. Plötzlich klingelte mein Handy, und als ich den Namen meines Stellvertreters las, nahm ich das Gespräch ohne zu zögern an.

»Was gibt es, Michael?«

»Hallo Mister MacDonald. Es tut mir sehr leid, dass ich Sie behellige, aber es gibt ein Problem hier. Leider wurde Ron bei einem Autounfall schwer verletzt. Also er schwebt nicht in Lebensgefahr, doch er kann den Termin mit Mister Bardour nicht wahrnehmen, da er einige Wochen im Krankenhaus bleiben muss. Wir haben keinen gleichwertigen Ersatz und da dachte ich, dass Sie bestimmt selbst kommen wollen.«

»Ich verstehe. Ja, das ist richtig. Ich bin Montag im Büro.« Verärgert drückte ich ihn weg. Ausgerechnet jetzt, wo ich mir eine Woche freigeschaufelt hatte. Verdammt! Doch bei diesem Abschluss ging es um Millionen. Auch wenn ich die nicht mehr nötig hatte, wollte ich sie mir dennoch unter keinen Umständen entgehen lassen. Ich musste morgen unbedingt meinen Butler informieren, damit er die Termine wahrnahm. Seufzend betrat ich das Badezimmer und legte mich schließlich ins Bett, fand aber einfach keine Ruhe.

3

Arcana

Nachdem ich zwei Stunden lang vergeblich versuchte einzuschlafen, stand ich genervt wieder auf. Da mein Zimmer nach vorn raus lag, war die Lautstärke der Party eigentlich nicht das Problem, dennoch fand ich einfach keine Ruhe. Ich schlüpfte in eine leichte Hose und ein kurzärmliges Shirt, bevor ich über die Hintertür nach draußen lief. Es war Ende Juli und selbst nachts angenehm warm.

Unbemerkt schlich ich über einen Nebenweg zum Strand hinunter, zog meine Hosenbeine ein wenig hoch und lief direkt am Wasser entlang, sodass meine Füße durchgehend umspült wurden. Noch immer war ich zu keinem Ergebnis gekommen. Sollte ich die ganze Reise einfach absagen? Sowohl Edinburgh als auch Orkney lagen zu weit von Isle of Skye entfernt, denn dort befand sich mein eigentliches Ziel. Dass die Highland Games ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt in den Highlands stattfanden, war reiner Zufall, den ich schließlich jedoch begeistert als Fügung des Schicksals angesehen hatte. Was also sollte ich tun?

»Verfolgst du mich?«, hörte ich plötzlich neben mir eine Stimme und fuhr erschrocken herum.

»Gregory? Was um Himmels willen machen Sie denn hier?«, fragte ich stirnrunzelnd.

»Oh, schon wieder so förmlich? Habe ich etwas verbrochen? Dabei hatte ich mich so gefreut, dass du zum du übergegangen bist.«

»Wann das?« Irritiert betrachtete ich ihn, und obwohl es dunkel war, reichte der sternenklare Nachthimmel, um seine enorme Erscheinung ausreichend zur Geltung zu bringen.

»Als du das Telefonat angenommen hast, da sagtest du, ich zitiere: Entschuldige bitte, aber da muss ich kurz ran.«

4

Gregory

»Ach, der Anruf«, seufzte sie plötzlich und schien erneut in sich zusammenzusinken. Ihre Frustration war von jetzt auf gleich so offensichtlich, dass ich bedauerte, dies überhaupt angesprochen zu haben.

»Es tut mir leid, ich wollte nicht unhöflich erscheinen, natürlich können wir auch gerne bei der förmlichen Anrede bleiben, wenn Ihnen das lieber ist«, fuhr ich halbernst fort, da sie nun gar nicht mehr reagierte.

»Was? Ach nein, das ist doch Quatsch. Ich bin Arcana Miller, freut mich.« Lächelnd streckte sie mir ihre Hand entgegen, die ich pflichtschuldig ergriff.

Mit einem angedeuteten Handkuss und einer leichten Verbeugung, die sie mit einem »Oha«, quittierte, stellte ich mich vor sie. »Ich heiße Gregory MacDonald und die Freude liegt ganz auf meiner Seite.«

Sie lachte, machte einen Schritt an mir vorbei und ging weiter am Wasser entlang. »Na, komm schon, Gregory der alten Schule, nun musst du den versprochenen Strandspaziergang einlösen. Du kannst schließlich eine holde Jungfer zu dieser späten Stunde nicht ohne Beschützer hier umherschleichen lassen«, witzelte sie.

Ich lachte. »Holde Jungfer wohl kaum und ob du tatsächlich einen Beschützer bräuchtest, wage ich ebenfalls zu bezweifeln.«

»Jetzt müsste ich ja beleidigt sein, aber gut. Aufgrund meines Alters gestehe ich diese Lüge. Und selbst wenn wir die eigentliche Bedeutung betrachten, wäre es wohl eine.«

»In Bezug auf hold oder auf Jungfer?«, fragte ich lächelnd und sie schubste mich sogleich ein wenig beiseite, lachte jedoch.

»Soso, auch noch ein Kenner? Nun bin ich neugierig, wie groß dein Wissen tatsächlich ist. Was bedeuteten die Worte denn früher?«

»Hold hat einige Bedeutungen. So zum Beispiel zart oder hübsch. Würde ich also nicht wirklich als Lüge gelten lassen. Jungfer war die Ansprache für eine junge Adlige.«

»Ok, ich gebe zu, ich bin beeindruckt.«

»Aufgrund meines Wissens, oder weil ich zart und hübsch nicht als Lüge gelten lasse?«

»Bist du immer so direkt?«, fragte sie, lächelte jedoch noch immer.

»Nein, eigentlich nicht. Die meisten Menschen interessieren mich nicht genug, um mich näher mit ihnen zu beschäftigen.«

»Aha. Das wiederum könnte dich auch ein wenig unsympathisch erscheinen lassen.«

»Wieso?«, fragte ich neugierig.

»Das hört sich für meine Begriffe viel zu versnobt an.«

»Sollte ich lieber lügen und Zeit mit Menschen verbringen, die ich gar nicht mag?«

»Nein, natürlich nicht, aber ... Ach, ich weiß auch nicht ...«

»Lässt du dich immer so schnell einschüchtern?« Interessiert betrachtete ich sie erneut. Eigentlich machte sie auf mich nicht den Eindruck, dass sie sich mit halben Dingen zufriedengab.

»Nein, aber es ist zu spät, um sich jetzt noch über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen. Außerdem habe ich zu viel Alkohol getrunken und müsste schon längst schlafen. Vor mir liegt ein langer Weg, also zumindest, wenn ich ...«

Sie stockte erneut und ich betrachtete sie verstohlen. »Du brichst ziemlich viele Sätze einfach ab.«

Seufzend blickte sie über das Wasser. »Ich muss eine Entscheidung treffen und weiß nicht, was ich will.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, so stimmt das nicht. Ich weiß sehr wohl, was ich will. Nur dass genau das jetzt nicht mehr geht, und ich die Alternativen wirklich furchtbar finde, weil sie eben nicht das sind, was ich wollte.«

»Könntest du mir das näher erklären, damit ich verstehe, was du mir eigentlich sagen möchtest?«

Erneut erklang ihr Seufzen. »Seit Monaten plane ich eine Reise und habe mich unglaublich darauf gefreut. Nun aber teilte mein Reisebüro mir mit, dass das Bed & Breakfast House, in dem ich für vier Wochen ein Zimmer gebucht habe, einen Wasserschaden erlitten hat und derzeit unbewohnbar ist. Die Alternativen, die sie mir anbietet, sind für mich aber genau das eben nicht. Keine Alternativen, weil sie viel zu weit von dem Ort entfernt liegen, wo ich eigentlich hinwollte. Doch aufgrund einiger Veranstaltungen in diesem Zeitraum ist alles andere ausgebucht.«

»Wohin wolltest du denn? Also Schottland weiß ich ja bereits, aber wohin genau?«

»Isle of Skye. Mein Bed & Breakfast House lag nur eine halbe Stunde Fußmarsch von den Mealt Falls entfernt. Ein absoluter Traum. Jetzt hat sie mir Edinburgh oder Orkney angeboten. Pah, dann kann ich auch gleich nach Irland.«

Irritiert musterte ich sie. »Wieso nach Irland? Das verstehe ich jetzt nicht.«

»Na ja, wenn ich zum Beispiel Urlaub in einer Almhütte direkt in den Alpen machen möchte und bekomme stattdessen ein Zimmer irgendwo am Chiemsee, ist das wohl mit Schottland und Irland vergleichbar. Das alles mag sicherlich schön sein, ist ja aber eben nicht das, was du gebucht hast. Dann kann man es lieber sein lassen.«

»Ist das jetzt nicht ein wenig überzogen?«

»Nein«, fuhr sie sofort auf. »Wenn ich in den Alpen Urlaub mache, dann will ich eine Almhütte mitten in den Bergen und nach Möglichkeit eine, in der nicht noch andere Touris sind.«

»Mhmm, also ich habe ein Haus in Schottland. Eigentlich hatte ich eine Woche Urlaub geplant, um mal wieder nach dem Rechten zu sehen. Ich war zwar erst vor einer Woche da, aber nur für eine Nacht. Nun hat mich jedoch mein Stellvertreter angerufen. Es gibt Komplikationen bei einem Vertragsabschluss. Kurzum, ich muss in die Firma nach Frankfurt fahren. Du könntest bei mir wohnen und ich wäre beruhigt, dass dort alles in Ordnung ist. Wie hört sich das an?«

Offensichtlich sprachlos betrachtete sie mich. »Und wo genau liegt dein Haus?«, fragte sie misstrauisch.

Ich lachte. »Ich würde es niemals wagen, dir etwas anzubieten, das nicht ebenfalls in Isle of Skye liegt.« Abwehrend hob ich die Hände.

»Vermietest du dein Haus öfter?«

»Nein, bisher noch nie.«

»Und weshalb solltest du das ausgerechnet jetzt tun?«, hakte sie noch immer skeptisch nach.

»Ich gebe zu, so ganz uneigennützig wäre es nicht. Es gibt zwei Termine mit Handwerkern, die du wahrnehmen müsstest, aber du brauchst sie nur reinlassen und zur Stelle sein, sollten sie etwas benötigen.« Dass ich das auch einfach meinen Butler erledigen lassen könnte, musste sie ja nicht wissen.

»Isle of Skye sagst du?« Nun klang sie schon ein wenig interessiert.

»Ja, es liegt allerdings auf der anderen Wasserseite, in der Nähe des Tulm Bay. Mit dem Auto sind es etwa zwanzig Minuten zu den Mealt Falls.«

»Und das ist jetzt kein Scherz? Kein ... also du veräppelst mich nicht? Und es gibt keinen Haken?«

Lachend schüttelte ich den Kopf. »Nein. Ich meine das vollkommen ernst.«

»O mein Gott, das wäre ja himmlisch.« Sie begann auf der Stelle zu hopsen.

»Wie viel verlangst du?«, fragte sie plötzlich erneut voller Argwohn.

Überrascht hielt ich inne. »Wie viel?«, wiederholte ich verständnislos.

»Ja, Miete.«

»Aber du tust mir damit ja einen Gefallen.«

»Nix da. Ich zahle.«

»Nun gut ...«

»Pass auf, du erhältst dieselbe Summe, wie das B&B, wäre das in Ordnung? Ich frage Kia noch mal, wie viel es pro Tag genau gewesen wäre.«

»Klingt vernünftig«, stimmte ich schließlich zu.

Plötzlich fiel sie mir um den Hals. »Oh, ich danke dir so sehr, ehrlich. Das ist der absolute Wahnsinn. Ich war schon drauf und dran alles abzusagen. Jetzt kann ich doch noch ... äh ... ach, egal.«

Nun wieder neugierig betrachtete ich sie, während sie mich offensichtlich peinlich berührt losließ, als sei sie sich erst jetzt bewusst, dass sie mich noch immer im Arm hielt. »Dann kannst du doch noch was?«

Verlegen lächelte sie. »Ach nichts, bloß so eine dumme Vorstellung in meinem Kopf.«

»Na los, diese Antwort schuldest du mir. Spuck es schon aus. Ich brenne vor Neugierde.«

»Gott wie peinlich ... Also, ich will mit dem Auto an die Mealt Falls heranfahren, mich dicht an die Klippen stellen und 'The Sound of Silence' von Disturbed hören. In voller Lautstärke und wenn der Refrain beginnt, breite ich die Arme aus, während der Wind von vorn gegenhält ... Keine Ahnung warum, aber das ist mein Gefühl von Schottland, das ich im Kopf und in meinem Herzen trage. Ich stelle es mir atemberaubend vor.«

Sie glühte regelrecht vor Begeisterung und Aufregung. Ihre Leidenschaft, die sie mir vermittelte, und das, obwohl sie sich hörbar zurückhielt, steckte mich an. Dabei klang ihre Erklärung schon ein wenig seltsam. Schließlich hatte das Lied rein gar nichts mit Schottland zu tun, dennoch ließ sie keinerlei Zweifel daran, dass sie genau das tun würde.

»Und wenn nun Hunderte Touristen dort sind?«, fragte ich belustigt und sogleich funkelten ihre Augen vor Entschlossenheit.

»Und wenn ich mitten in der Nacht da hinfahren muss, damit ich es genau so erlebe, dann tue ich es.«

Ich glaubte ihr das sofort. Ein leichter Stich durchzuckte mich, weil ich nicht dabei sein würde, es nicht sehen könnte. »Ich gebe dir morgen früh die Schlüssel und im Auto habe ich noch eine Karte, da kann ich dir einzeichnen, wie du es findest.«

Sie betrachtete mich, während sie weiterhin am Strand entlanglief, ohne Anstalten zu machen, umzukehren. »Hättest du auch einem von Jays Freunden dein Haus angeboten?«, fragte sie plötzlich.

»Nein, wahrscheinlich nicht«, entgegnete ich aufrichtig.

»Warum dann mir?«

»Du hast so traurig gewirkt. Außerdem hält Jay große Stücke auf dich.«

»Auf seine Kumpels ebenfalls«, hielt sie dagegen.

»Ja, sicher. Aber trotzdem anders als es bei dir der Fall ist.«

»Weil ich so eine gebrochene Seele bin?« Ich hörte den leichten Hohn, dennoch wusste ich, dass sie diese Frage durchaus ernst meinte.

»Als Erstes sind sie mir zu sehr auf Partys fixiert, da hätte ich Angst um meine Einrichtung. Du hingegen wirkst wesentlich vernünftiger, vertrauensvoller.«

Sie grinste. »Und zweitens?«

Nachdenklich hielt ich ihrem Blick stand. »Erscheinst du tatsächlich wie eine verlorene Seele. Mein Angebot folgte eher spontan. Inzwischen bin ich von der Idee aber ehrlich begeistert. Es war nicht gelogen, denn du würdest mir damit wirklich helfen«, schob ich schnell hinterher.

»Verloren also? Na gut, und eigentlich ist es mir auch gleichgültig, weshalb du zugestimmt hast. Dafür freue ich mich jetzt viel zu sehr.« Sie blieb stehen und trat weiter ins Wasser hinein, wandte mir den Rücken zu. »Ich muss dringend für eine Weile fort – von allem.«

»Schreibst du gerade?«, fragte ich neugierig.

»Ich schreibe immer und überall.« Ihr Lachen klang belustigt. »Niemals könnte ich ohne.«

»Was schreibst du denn?« Ich wusste es längst, hatte all ihre Bücher gelesen. Zwar entsprachen sie eigentlich nicht meinem Genre, das dachte ich bisher jedenfalls, doch überraschenderweise gefielen sie mir ausgesprochen gut. Eine Mischung aus Fantasy und Erotik, dennoch beinhalteten sie auch immer wieder durchaus gesellschaftskritische Themen, intelligent eingeflochten. Seichte Lektüre, würden viele sagen und auf den ersten Blick wirkten sie vielleicht auch so. Doch schnell stellte sich heraus, dass sie weit mehr verbargen, als vermutet. Ich las sie mit Begeisterung.

»Fantasy, meist ein wenig erotisch angehaucht«, antwortete sie entschuldigend.

»Ist das nicht gut?«

»Doch, natürlich.« Ihr Lachen klang ein wenig unsicher. »Trotzdem würde ich gerne mal ein Jugendbuch schreiben oder einen normalen Liebesroman, der ausschließlich in unserer Welt spielt. Aber irgendwie schweife ich immer ab. Und eine Liebesgeschichte funktioniert beim Schreiben für mich nicht ohne solche Szenen.«

»Wie im wahren Leben.«

»Ganz genau. Wobei, nein. Wenn ich einen Roman von Nicholas Sparks lese, meinem absoluten Lieblingsautor, dann bin ich verzaubert, hin und weg. Dort fehlt mir nichts, obwohl er es nicht in die Erotikschiene abdriften lässt. Das ist eigentlich seltsam, weil ich ja also gelesen habe, dass es durchaus funktioniert, sogar sehr gut.«

»Du bist eben eine ungewöhnlich leidenschaftliche Frau.«

»Ach, und er nicht?« Sie lachte.

»Das kann ich nicht beurteilen. Ich kenne weder seine Bücher noch ihn selbst.«

»Meine Bücher und mich aber schon?«

Unbehaglich räusperte ich mich. »Ja.«

Überrascht hielt sie inne, dann kniff sie die Augen zusammen und fixierte mich. »Ja?«

»Ja.«

»Welche?«

»Alle.«

»Alle?«

»Wiederholst du ab sofort jedes Wort, das ich sage?«

»Alle?«

»Ja, wirklich alle.«

»Welches hat dir am besten Gefallen und warum?«

»Die Mittlerin zwischen den Welten, glaube ich. Es ist schwer zu entscheiden, aber wenn ich wählen muss, dann ja, dieser Zweiteiler. Sie ist ein unglaublich starker Charakter. Und dennoch kehrt sie immer wieder zu Jandrar zurück in den Hain, leugnet ihre Gefühle für ihn nicht, wohlwissend, dass er eine unendlich scheinende Finsternis in sich trägt.«

»Was gefiel dir bei Janaii besonders?«

»Mehrere Dinge. Die Liebesgeschichte ist so facettenreich, und die Verknüpfung mit den Problemen in unserer, der realen Welt fand ich sehr gelungen. Die Frage von Thalahs, weshalb sie sich so davor fürchtet, an das Schicksal zu glauben – und ihre Antwort darauf. Bei Seelenschwingen war es der Kampf ihres Clans um sie, doch auch die Schlachten.«

»Du hast sie wirklich gelesen.« Fassungslos starrte sie mich an.

»Natürlich, warum sollte ich das sonst behaupten?«

»Menschen lügen ständig und scheinen es nicht einmal mehr zu bemerken.«

»Willst du deshalb nach Schottland? Viele Geschichten ranken sich um dieses Land.«

Sie grinste. »Ich hoffe tatsächlich auf Inspiration.«

»Also doch auf der Suche nach einem waschechten Schotten mit Plaid und Kilt, der dich entführt.«

»Mich zu entführen rate ich niemandem. Entweder ich gehe freiwillig mit oder eben nicht.«

»Was habt ihr Frauen bloß? Wenn dir hier ein Mann im Rock begegnet, du würdest ihn auslachen.«

»Es ist eher die Kombination aus der Weite und Ursprünglichkeit des Landes und ihrer Bewohner, gepaart mit den vielen Mythen natürlich. Aber so wirklich kann ich dir das erst beantworten, sollte ich zurückkehren.«

»Hast du etwa vor, dort zu bleiben?«

»Nicht unbedingt, aber vielleicht. Ich bin jedenfalls nicht sicher, ob ich zurück nach Hamburg gehe. Sollte mir Schottland nicht wie erhofft zusagen, gibt es noch viele andere Orte, die ich gerne mal sehen möchte.« Nachdenklich zuckte sie mit den Schultern. »Ich habe mich für ein Jahr von meinem Job freistellen lassen und sehr lange gespart. Wenn nicht jetzt, wann dann – nach diesem Motto lebe ich ab sofort.«

»Und vorher?«

5

Arcana

 

»Was treibst du eigentlich so? Ich finde, ich habe genug von mir erzählt.« Er stellte mir eindeutig zu viele persönliche Fragen. Er blieb stehen und betrachtete mich. »Wieso besitzt du ein Haus in den Highlands? Was machst du beruflich? Wo wohnst du?«»Alter, Maße, Umfang?«, witzelte er, ich aber lachte nicht. Mir war sehr wohl bewusst, dass er mir diese kleinen Details bisher absichtlich verschwiegen hatte.

»Ich bin zweiunddreißig Jahre, eins achtundachtzig groß, wiege achtundsiebzig Kilo und lebe im westlichsten Stadtteil von Frankfurt, in Zeilsheim, wuchs jedoch meine ersten Lebensjahre überwiegend im Frankenland auf. Ich bin Gründer einer Holdinggesellschaft, in der ich auch arbeite. Habe ich irgendetwas vergessen?« Er lächelte.

»Frankenland? Reden die da nicht so merkwürdig?«

»Das könnte ich von dir auch behaupten. Der Hamburger Schnack klingt teilweise schon sehr seltsam.«

»Von wegen.« Ich lachte. »Wie bist du zu einem Haus in Schottland gekommen?«

»Ich habe es geerbt.«

»Das tut mir leid.«

»Es tut dir leid, dass ich ein Haus geerbt habe?«

»Es tut mir leid, dass jemand sterben musste, damit du es bekommst.«

»Mein grandfaither hatte die neunzig weit überschritten und ein wundervolles und aufregendes Leben hinter sich. Aber danke.«

»Wie kommt es, dass du einen Großvater in Schottland hattest?«

»Ich selbst wurde dort geboren, aber ...«