Janaii: Die Erwartete - Calin Noell - E-Book

Janaii: Die Erwartete E-Book

Calin Noell

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Beschreibung

Wenn alle Welt glaubt, Dein Schicksal bereits zu kennen, Dein Herz jedoch etwas vollkommen anderes verlangt – Was tust Du dann?   Nach dem Sturz vor einem Restaurant folgt ein böses Erwachen, irgendwo im Nirgendwo und zwingt Dilahr plötzlich dazu, an Dinge zu glauben, die sie niemals zuvor für möglich hielt. Eine abenteuerliche Reise beginnt, die nicht nur ihren Mut und Glauben mehrfach auf eine harte Probe stellen, sondern auch ihr geschundenes Herz. Als sich dann noch ihre Magie entfaltet, scheint plötzlich nicht einmal mehr das Schicksal zu wissen, wohin ihr Weg sie führen wird ...

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Calin Noell

Janaii - Die Erwartete

Band I

Eine magische Reise

Impressum:

Erstauflage 2015

3. Auflage 2019

Calin Noell

c/o Papyrus Autoren-Club

R.O.M. Logicware GmbH

Pettenkoferstr. 16-18

10247 Berlin

www.calin-noell.com

Texte © 2015 Copyright by Calin Noell

Bilder © 2015 Copyright by Calin Noell

Coverdesign: Saskia Lackner

www.saskia-illustration.de/

Lektorat: Roland Blümel

www.rolandbluemel.de/lektorat/

Alle Rechte vorbehalten

Buchbeschreibung

Wenn alle Welt glaubt, Dein Schicksal bereits zu kennen, Dein Herz jedoch etwas vollkommen anderes verlangt – Was tust Du dann?

Nach dem Sturz vor einem Restaurant folgt ein böses Erwachen, irgendwo im Nirgendwo und zwingt Dilahr plötzlich dazu, an Dinge zu glauben, die sie niemals zuvor für möglich hielt.

Eine abenteuerliche Reise beginnt, die nicht nur ihren Mut und Glauben mehrfach auf eine harte Probe stellen, sondern auch ihr geschundenes Herz.

Als sich dann noch ihre Magie entfaltet, scheint plötzlich nicht einmal mehr das Schicksal zu wissen, wohin ihr Weg sie führen wird ...

Band 1 der magischen Janaii-Trilogie

Danksagung

Ich danke all meinen fleißigen Test-Lesern, ihr habt mich ernst genommen, als andere noch gezweifelt haben.

Ein ganz herzlicher Dank geht an meine beiden Special-Leser Manu und Gerd, denn ihr seid die Allerersten gewesen. Eure Begeisterung und unsere Gespräche habe ich wirklich unglaublich genossen. Ich werde euren Antrieb nie vergessen, das Drängeln, wann endlich die nächsten 100 Buchseiten fertig sind. Ihr habt schon sehr bald stets schneller gelesen, als ich mit dem Schreiben hinterherkam ;o) - das war ein unglaublicher Ansporn.

Außerdem danke ich meiner ganzen Familie, auch wenn ihr manchmal wirklich nervt, möchte ich euch alle niemals missen.

Mum, ich hab dich lieb. Dich auch Dad.

Ein ganz besonderer Dank jedoch geht natürlich an meine zwei Männer. Ihr habt viel erdulden müssen und es meist klaglos hingenommen. Ich verspreche hoch und heilig, dass ich für das neue Projekt meine Music-Playlist ändere ;o)

Danke. Ich liebe euch beide.

Janaii -

Die Erwartete

Band 1

Eine magische Reise

Für Lauschi

Inhaltsverzeichnis

 

Glossar

Prolog

Ankunft

Entführung

Aufbruch

Obhut

Marktbesuch

Die Auswahl

Verwicklungen

Gegensätze

Konsequenzen

Frust und Lust

Schlagkraft

Kopfweh

Donaij

Hilflos

Flucht

Erkenntnis

Bekanntschaften

Weggefährten

Glaube

Vertrauen

Die Suche

Haim der Weisen

Misstrauen

Möglichkeiten

Magie ohne Grenzen

Eigensinn

Verwirrung

Mut

 

Glossar

Ahanu

Zauberer vom Stamm der Pujiany, Zauberer und Meister im Haim der Weisen

Alya

Frau von Samo, Seherin mit großer Gabe

amadán

Dummkopf / Narr

amadáin

Dummköpfe / Narren

Amu

2. Soca des Magisters, Bruder von Puja, Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany

anam

Seele, Geist – Bewusstsein

Anli

Vater von Cam, im gehört ein Wirtshaus

Asuhs

Entführer, Muskelpaket vom Stamm der Rough

Àtair

Vater

Bàn

Hexe

Bock

Geldgeber, Beleidigung für jemanden, der sich aushalten lässt gegen Gefälligkeiten

Bràhær

Bruder

Bruder

Bràhær

Bugja

Alkohol, ähnlich wie Bier, aber sehr bitter und sehr berauschend (stark)

Cam

Sohn von Anli und Váre – Wirtsleute einer Herberge

Cari

Verstorbene Schwester von Cam

Castara

Kampfplatz / Arena – Übungsgelände, besonders geschützt, damit keine Magie entweichen kann

clach

Ort / Dorf

clachain

Orte / Dörfer

Dahar

Vater von Dahir und Jarin (verstorben)

Dahir

Erster Sohn des Dahar, Prinz von Tolor, Bruder von Jarin

Dilahr

Bedeutung: Feuer im Herzen, aus unbekanntem Land

Dogmor

Entführer aus Gadh

Donaij

Herrscherin von Tolor, Mutter von Dahir und Jarin

Dorf / Dörfer

clach / clachain

droch

Fluch

dùin

Städte

Dummkopf

amadán

Dummköpfe

amadáin

dùn

Stadt

Ehmeer

Schüler im Haim der Weisen vom Stamm der Pujiany

Einfache

Geschöpfe von niederer Geburt

Eltern

Pàratan

Esthell

Frau von Thal, Tochter von Athiny vom Stamm der Badr al Din – Vollmond des Glaubens

Familie

Teaglah

féill

Jahrmarkt

Frouwa

Form der außerordentlichen Verehrung, aus tiefstem Herzen, für eine hohe Frau

Gadh

Name eines Landes

Gadhas

Volk von Gadh

Galo

Oberster Einfacher auf dem Gut von Tolor

Geist

sgáile

Geister

sgáilean

Gelass

Zimmer / Schlafraum

Göttin

Taalie (Göttin von Naoufel)

Haim

Zuhause / Heim

Haimat

Heimat

Haim der Weisen

Schule, ähnlich einem College, allerdings für alle Wesen dieser Welt – es gibt nichts, was hier nicht gelehrt wird

Hamir

2. Sohn von Tax aus Tolor

Hause

Harem aus Einfachen Mädchen

Hearna

Höchste Frau vor Ort, Herrscherin

Iain

Zauberer vom Stamm der Pujiany, Zauberer im Haim der Weisen, stärkste Form der Visionen der Gegenwart, unterrichtet nicht, da seine Visionen zu unkontrolliert sind

Jalah

Armband aus Leder mit einem Magiestein – zeigt die verbleibende Kraft an

Janaii

Die Erwartete, die Ankommende

Jarin

2. Sohn des Dahar, Bruder von Dahir - Bedeutung: Beschützer

Jarjog

Schüler im Haim der Weisen

Jolo

Entführer, der Hagere, der Kopf, vom Stamm der Rough

Katall

4. Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany, Zauberer und Meister im Haim der Weisen, Oberster Meister des Sehens, Meister in Magie u. Kampfkunst, Meister der Runen und Meister der Sigillen

Kosenamen

Werden hier immer kleingeschrieben

lestær anman

Lichtung der Seelenvereinigung

lethon

Zwilling

lethonan

Zwillinge

Lichtung der Seelenvereinigung

lestær anman

Loerd

Schüler im Haim der Weisen, sympathischer Typ

Măalt

Welt

Magister

Namenstitel, den nur der 1. Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany tragen darf

Mansarde

Arbeitszimmer

Mari

Einfache, willig Dahir zu gefallen zu sein

Màtair

Mutter

Meister

Titel, den Zauberer nach abgeschlossener Ausbildung erhalten

Milda

Höchstes Weib im Hause

Mondgang

Abendstunden, wenn der Mond aufgeht - Nacht

Mondlauf

Entspricht etwa einem Tag

Mondphase

Entspricht etwa vier Tagen

Mondphase, vollständige

Die Dauer entspricht etwa einem Monat – hier: von Vollmond bis Vollmond

Mutter

Màtair

Nale

Neue im Haim der Weisen

Naoufel

Welt, in der sie gelandet ist – der ferne Stern

nighean

Jungfrau / Mädchen, hier: Mädchen in Obhut

Òhar

Onkel

opala

Kosename: außergewöhnliche Kostbarkeit, Juwel

Ori

Wohlwollender Herr, der jemanden in Obhut nimmt und für Erziehung und (Aus-) Bildung verantwortlich ist. Den Höheren ist es auferlegt, diese Schuld im Leben mind. einmal zu begleichen

Ort / Orte

clach / clachain

Papilo

5. Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany, Zauberer und Meister im Haim der Weisen, Oberster Meister der Astralmagie und Meister in Heilkunde, Vertrauter und bester Freund von Thalahs

Pàratan

Eltern / Vormund

Parsch

Hengst von Dahir

Pàthar

Schwester

Pohy

Entführer, Vogelgesicht, sturmgraue Augen, vom Stamm der Rough

Polahs

Schülerin im Haim der Weisen vom Volk der Thangao

Puja

Wächter des Magisters, Bruder von Amu, Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany, 1. Soca

Pujiany

Wanderer ohne Spuren, Stamm des Magisters

Rakji

Herr des Hauses, Der Sumi

reachd

Fühlen / Spüren

Rogou

Dilahrs Entführer, Volk der Händler, handeln gewissenlos mit allem

Rough

Stamm der Händler

Samo

Etwas kleinwüchsiger Mann, Zauberer vom Stamm der Pujiany, Frischling mit bisher unbekannten Kräften

Schavan

Schüler im Haim der Weisen, nett u. zurückhaltend

Schwester

Pàthar

Seele

anam

Seelen

anman

sgáile

Geist

sgáilean

Geister

Sirisie

Wurde ebenfalls entführt, kommt aus dem verfluchten Land, dessen Sprache im Hause niemand versteht

Soca

Titel der Wächter im Dienste des Rates

Sohl

Neuer Einfacher, wurde auf dem Markt gekauft

Sohn / Söhne

Uhl

Somar

Nachbarland von Tolor, Reich der Rogou, Landesteil, indem der Markt und das Hause des Sumi liegt

Sumi

Oberhändler am Markt, Besitzer des Hauses

Taalie

Göttin von Naoufel

Tarlo u. Marla

Zwillinge von Samo u. Alya

Teaglah

Familie

Thal

Aus dem Heime Braack, 3. Sohn des Kalil, vom Stamm der Pujiany. Verstoßen nach dem Gesetz der Wahl

Thalahs

2. Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany, 1. Uhl aus dem Haim Bradok, Uhl von Paroh und Zartha, Oberster Zauberer und Meister des Haim der Weisen, Oberster Meister in Magie u. Kampfkunst, Oberster Meister der Legenden, Meister der Sigillenmagie u. Meister des Sehens

Thangao

Volk von Wesen, grüne Haut, Flügel, können fliegen, Vegetarier

Thangees

Sprache der Thangao

Thangharas

Sümpfe vom Volk der Thangao

talamh

Land (Oberbegriff)

Tochter / Töchter

Uhe

Uhe

Tochter / Töchter

Uhl

Sohn / Söhne

Vagaté

Wesen, das Geister rufen u. beherrschen kann

Vagous

verrücktes Weibsstück

Vater

Àtair

Vinzh

Stallbursche im Haim der Weisen

vollständige Mondphase

entspricht etwa einem Monat, Dauer von Vollmond bis Vollmond

Váre

Mutter von Cam, betreibt mit ihrem Gemahl das Wirtshaus

Vormund

Pàratan

Wachtu

Münzhändler, wechselt Münzen, zuverlässig

Welt

Măalt – hier: Naoufel

Zarin

Name einer großen Stadt – Standort Haim der Weisen

Zauberer

Jeder, der Magie wirken kann

Zwilling / Zwillinge

lethon / lethonan

Prolog

Vollkommen abgehetzt lief ich über den Asphalt. Noch zwei Seitenstraßen, dann würde ich das Restaurant immerhin schon mal sehen können. Ich war mal wieder zu spät, natürlich, wie eigentlich zu jedem Familienessen. Egal was ich versuchte, irgendwo gab es einen Stau, einen Defekt an der Linie U1, irgendetwas, immer. So kam ich jedes Mal vollkommen genervt an, bis mich allein der Gedanke daran bereits stresste. Je älter ich wurde, je nervenaufreibender empfand ich es, als würde uns mit jedem einzelnen Tag, der verging, mehr voneinander trennen.

Ob ich wohl nach einer Stunde wieder gehen kann?

Mein Handy klingelte und ich warf einen schnellen Blick aufs Display.

Meine Ma.

Ständig machte sie sich Sorgen, mehr noch, als sie es früher getan hatte, doch ich war dem längst entwachsen und mit zweiundzwanzig Jahren wohl kaum noch ein Kind. Ich zwang mich, nicht weiter darüber nachzudenken.

Früher, das ist Vergangenheit, eingeschlossen in der hintersten Ecke meines Bewusstseins.

Denn eines wusste ich mit absoluter Sicherheit: Die Vergangenheit, die Erinnerungen daran, ich musste sie hinter mir lassen, vergessen. Seit dem Unfall hielt ich diese Tür fest verschlossen, hatte sozusagen den Schlüssel zweimal umgedreht und weggeworfen.

Immerhin funktionierte das die letzten Jahre auch einigermaßen gut.

Ich wartete eine Lücke im Verkehr ab und überquerte eilig die Straße. Direkt vor der Tür des Restaurants blieb ich stehen und schaltete mein Handy aus.

Puh, geschafft!

Ich atmete tief durch, als auf einmal Gelächter erklang. Nicht bösartig, sondern fröhlich, ausgelassen, doch irgendwie ... fremdartig. Die Tür öffnete sich, obwohl ich sie noch gar nicht berührt hatte. Den Arm hielt ich ausgestreckt, ja, aber meine Finger befanden sich gerade erst auf dem Weg zum Türknauf.

Komisch ...

Plötzlich schien es, als dehnte sich die Zeit aus, verlangsamte sich. Die Tür schwang auf mich zu, wie in Zeitlupe, ohne dass ich jemanden hinter der klaren Glasscheibe sehen konnte. Ich war unfähig, mich zu bewegen. Kleine verschwommene Schatten flitzten hin und her, um mich herum, doch ich bekam sie mit meinem Blick einfach nicht zu fassen. Erneut nahm ich dieses etwas verzerrt klingende Gelächter wahr, als ich plötzlich einen stechenden Schmerz an meiner Stirn spürte. Langsam fasste ich mit meinen Fingern an die Stelle.

Blut ...

Ich fiel zu Boden, hörte noch das Hupen eines Autos, während mich nichts als Schwärze umfing ...

Ankunft

Dilahr

Mein Kopf dröhnte.

Verdammt!

Behutsam berührten meine Finger meine Stirn, ertasteten angetrocknetes Blut und eine kleine Beule. Vorsichtig versuchte ich, die Augen zu öffnen, sah jedoch nur verschwommen. Augenblicklich folgte ein stechender Schmerz, der wie eine Messerklinge durch mein Hirn schnitt. Hastig schloss ich sie wieder und konzentrierte mich stattdessen auf meine Umgebung. Das Gelächter hörte ich noch immer. Es schien, als schwirrte es um mich herum, mal näher am Ohr, mal weiter weg. Ich versuchte, mich zu beruhigen, atmete bewusst ein und aus, während ich überlegte, was geschehen war.

Ich stand vor dem Restaurant und wollte reingehen, als die Tür plötzlich aufschwang und mich am Kopf erwischte. Ich habe sie weder berührt, noch befand sich jemand auf der anderen Seite, der sie hätte öffnen können, da bin ich mir absolut sicher.

Eine Gänsehaut überzog meine Arme.

Denk nach, es gibt schließlich für alles eine vollkommen logische Erklärung.

Das Restaurant lag direkt an einer Hauptstraße, aber ich hörte – nichts.

Seltsam. Es müsste doch mittlerweile irgendjemandem aufgefallen sein, dass ich bewegungslos vor der Tür liege. Es ist ein um diese Uhrzeit gut besuchtes Lokal an einer sehr belebten Straße.

So langsam fand ich diese ganze Sache ziemlich unheimlich. Ein beklemmendes Gefühl erfasste mich. Vorsichtig öffnete ich meine Augen einen winzigen Spalt, wollte endlich sehen, wo genau ich lag. Das Licht aber blendete mich, Übelkeit stieg in mir auf und ich erkannte nur Schemenhaftes. Alles tat unfassbar weh, als wäre nicht nur mein Kopf angeschlagen, sondern als hätte man meinen gesamten Körper durch einen Mixer gedreht. Erneut holte ich tief Luft und stutzte.

Auch der Geruch ist seltsam, nicht wie in einer Großstadt, stattdessen eher ... Hm, ja wonach riecht es?

Ich kam einfach nicht drauf. Noch einmal atmete ich bewusst ein. Es roch jedenfalls kein bisschen wie in einem Krankenhaus, sondern vielmehr nach – Wald?! Hektisch tastete ich mit meinen Fingern nach einer Decke und fühlte Gras. Ein eisiger Schauer lief meinen Rücken hinab. Panisch stemmte ich mich hoch und riss die Augen auf.

Ahaaaa. Fehler, verdammt, mein Kopf.

 

 

»Sie ist endlich da, sie ist endlich da«, sangen die klein gewachsenen Wesen fröhlich und vergnügt, wie schon seit ewigen Spannen nicht mehr. Für andere Geschöpfe schwerlich zu verstehen, viel zu klein sind sie, um gehört zu werden. Nur ihr Lachen schwappt manchmal an das menschliche Ohr.

Sie hatten es geschafft. Hielten sie es kaum noch für möglich, war es ihnen dennoch gelungen. Vergangen waren bereits unzählige blühende Holler 1, in denen sie immer wieder gehofft und gebangt hatten. Nun aber war sie endlich da.

Lachend tobten sie um sie herum, warteten ganz aufgeregt, dass er kam und sie fortholte. Dann spürten sie die Anwesenheit, sahen, wie sich ein Zauberer vom Stamm der Pujiany in die Schatten vor der Lichtung kauerte, um darauf zu warten, dass sie erwachte.

Begeistert jubelten die kleinen Wesen, überwältigt von ihrer Freude, weil sie ihre Bestimmung endlich erfüllt hatten, und jagten eilig auf und davon.

Dilahr

Als ich wieder zu mir kam, schien die Sonne nicht mehr ganz so hell auf mich hinab. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und hielt automatisch den Atem an, bereitete mich auf den stechenden Schmerz vor. Er blieb aus, stattdessen spürte ich nur noch ein leichtes Pochen in meinem Kopf. Unsicher setzte ich mich auf und sah mich um, registrierte fassungslos, dass ich auf einer kleinen Lichtung in einem endlos scheinenden Wald saß. Obwohl eine angenehme Temperatur herrschte, durchströmte eine eisige Kälte meinen Körper.

Es ist April, der Schnee ist gerade erst geschmolzen, wie also kann es plötzlich so warm sein?

Zögernd erhob ich mich, drehte mich langsam einmal im Kreis, erblickte aber nur noch mehr Bäume und fremdartige Blumen. Sie sahen wunderschön aus, waren mir jedoch vollkommen unbekannt. Auch der Wald wirkte irgendwie anders, einsam ... verlassen. Nicht wie ein Park oder ein kleines Wäldchen am Rande von Hamburg.

Am liebsten hätte ich laut um Hilfe gerufen, doch ein unbestimmtes, bedrohlich wirkendes Gefühl hielt mich davon ab. Irgendetwas störte mich zusätzlich, ich kam nur nicht darauf, was, bis ich geräuschvoll ausatmete, um mich wieder zu beruhigen. Ich hielt die Luft an und lauschte – nichts. Alles war still, viel zu still!

Meine Nackenhaare stellten sich auf, während ich mich ein weiteres Mal verstohlen umsah. Die Sonne ging langsam unter, oder auf?

Wir waren um achtzehn Uhr zum Essen verabredet und ich kam nur wenige Minuten später am Restaurant an. Als ich das erste Mal erwacht war, schien die Sonne blendend hell auf mich hinab. Also machte es Sinn, dass sie bald unterging. Allerdings wären dann bereits knapp vierundzwanzig Stunden vergangen.

Bin ich tatsächlich so lange ohnmächtig gewesen? Und wie komme ich hierher? Irgendjemand muss mich doch hergebracht haben. Aber wer und vor allem, warum? Oder vielleicht viel wichtiger: Wo ist dieser Jemand jetzt?

Mein Unbehagen wuchs, trieb mich an, schnell von hier zu verschwinden. Unauffällig sah ich mich noch einmal um, fühlte mich beobachtet. Mein Gefühl, dass dieser Wald gefährlich war, wurde größer, drängender. Also schlich ich von der Lichtung herunter und entschied mich dazu, gegen den leicht wehenden Wind auf die Sonne zuzulaufen, dachte die ganze Zeit an Wölfe, Bären, wilde Tiere, die mich nicht wittern sollten.

Lächerlich!Schließlich muss ich ja noch immer in der Nähe von Hamburg sein. Hier gibt es rein gar nichts, vor dem ich mich zu fürchten brauche.

All dessen war ich mir vollkommen bewusst und konnte dennoch nichts gegen dieses allumfassende Angstgefühl tun. Es war einfach da und wuchs mit jeder Minute.

Leise, zumindest so leise, wie es einem Stadtkind wie mir möglich war, lief ich zwischen den Bäumen hindurch, Ewigkeiten, ohne dass der Wald ein Ende nahm. Erst das fröhliche Gezwitscher der Vögel sorgte dafür, dass ein Teil meiner Angst langsam von mir abfiel.

Sollte Gefahr im Verzug sein, wären sie doch stumm, oder nicht?

Als ich ein gedämpftes Rauschen vernahm, überlegte ich, wie lange ich eigentlich nichts mehr getrunken hatte. Plötzlich fühlte sich mein Mund elendig trocken an und ich wandte mich in die Richtung, in der ich den Fluss vermutete.

Erleichtert, endlich ein Ziel vor Augen zu haben, machte ich mich auf den Weg. Nach einer Weile kam tatsächlich ein Fluss in Sicht. Zögernd schlich ich mich an den Rand der Bäume, stand reglos dort und horchte auf jedes Geräusch in meiner Umgebung. Um an das Wasser zu gelangen, musste ich meine Deckung vollständig verlassen und das behagte mir ganz und gar nicht.

Hektisch sah ich mich um, bemerkte jedoch nichts Ungewöhnliches. Das Gefühl, beobachtet zu werden, blieb allerdings. Ich blickte in den Himmel.

Die Sonne geht definitiv unter und nicht auf. Wenn ich nicht im Dunkeln zum Wasser runterklettern will, muss ich es jetzt tun, schlechtes Gefühl hin oder her.

Zögernd trat ich aus dem Schatten der Bäume und ging ein paar Schritte. Mein Herz raste vor Unbehagen. Immer wieder sah ich mich um. Meine Anspannung ließ einfach nicht nach, im Gegenteil, je näher ich dem Fluss kam, desto nervöser wurde ich. Durch das Rauschen des Wassers hörte ich inzwischen selbst den Gesang der Vögel nicht mehr und mein Angstgefühl wuchs wieder. Vorsichtig stieg ich die Böschung hinab, die zu einer kleinen Einbuchtung führte, an der ein Stück des Ufers flach auslief. Der Abhang war steil und ich lenkte meine gesamte Konzentration auf den Abstieg, um nicht zu fallen.

Langsam hockte ich mich hin, völlig unpassend in meinem Hosenanzug aus Seide, der inzwischen schon ziemlich mitgenommen aussah. Ruhelos schöpfte ich Wasser in meine Hände und roch daran.

Wie stellt man fest, ob man aus einem Fluss gefahrlos trinken kann?

Ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung.

Abkochen, kam mir in den Sinn.

Hätte ich die Reportagen, in denen es um das nackte Überleben ging, aufmerksamer verfolgt, wüsste ich vielleicht, wie man ohne Feuerzeug ein Lagerfeuer entzündet, so aber hatte ich keinen blassen Schimmer.

Außerdem fehlt mir dazu wohl mindestens ein Topf oder etwas Ähnliches. Ein Feuerstein ginge natürlich auch, dazu ein Behälter und trockenes Holz.

Die ersten beiden Dinge schienen genauso unrealistisch zu sein, wie ein Feuerzeug.

Moment!

Hektisch tastete ich meine Taschen ab. Fehlanzeige, die waren alle leer. Warum hatte ich bloß mit dem Rauchen aufgehört?

Handtasche ... In meiner Handtasche befindet sich ein Feuerzeug, ebenso mein H-a-n-d-y. Mein Gott, wieso komme ich erst jetzt darauf? Lag die Tasche bei mir auf der Lichtung, als ich erwacht bin? Verdammt ... Okay, ganz ruhig, denk nach. Zuerst etwas trinken. Das Wasser sieht sauber aus. Kleine Schlucke, das wird mich wohl kaum umbringen, Austrocknung hingegen irgendwann schon.

Zögernd schöpfte ich mit meinen Händen Wasser. Es schmeckte wirklich gut, kühl und frisch. Anschließend wusch ich mir vorsichtig das Gesicht, kühlte, so gut wie eben möglich, meine angeschwollene Stirn und erhob mich. Grübelnd kletterte ich den Abhang wieder hinauf. Kaum streckte ich meinen Kopf über die Kante, wurde ich gepackt und hochgezerrt. Vor Schreck rutschte mir mein Herz fast in die Hose.

»He, was soll das, lassen Sie mich sofort los ...«

 

Samo

 

O nein. O nein, das wird ihm gar nicht gefallen.

Der Magister 2, mächtigster Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany 3, hatte mich höchstselbst mit dieser Aufgabe betraut. Sie diente als erste Prüfung. Ich sollte die Janaii unmittelbar nach ihrem Eintreffen in Empfang nehmen und sie schützen, aber als ich sie erblickte, verzauberte mich ihr Antlitz. Ich vergaß alles Bedeutsame und sie schritt ja in die zutreffende Richtung, also dachte ich: Was macht es schon, nur noch ein bisschen für mich allein ... Und dann erschienen plötzlich drei Männer vom Volk der Rogou 4 wie aus dem Nichts und brachten sie einfach fort, diese amadáin 5!

Ja, amadáin sind sie allesamt! Sie wissen nicht einmal, wen sie da eigentlich gefangen haben. Ein Glück für uns. Ich muss dem Magister davon berichten. O je, er wird nicht erfreut sein, gar nicht erfreut. Ich könnte ja beteuern, dass ich nur eine winzige Weile in den Büschen verharrt hatte, um meine kleine Notdurft zu verrichten, und dass dann alles so rasch ging ... Ach, Unfug, es ist hoffnungslos!

Ich wusste, dass er mir das sowieso niemals glauben würde. Bereits mehrmalig erklärte er mir, ich solle nicht immer so selbstsüchtig handeln. Es wäre gewiss, dass es mich irgendwann in große Schwierigkeiten brächte.

Und jetzt das! Ja, es galt als eigensüchtig von mir, aber ich verspürte den außerordentlichen Drang, sie zu beobachten, anzusehen, zu bewundern.

Es nützte nichts, ich war gezwungen, ihn zu unterrichten, umgehend, bevor Schlimmeres geschehen würde. Sorgsam besah ich mir die Stelle, an der ich stand, prägte mir jede noch so kleine Einzelheit ein. Das war sehr wichtig, wenn man genau dorthin zurückkehren wollte, ohne lästigen Marsch auf den eigenen Sohlen.

Bestimmt begehrt er, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen, also muss ich ganz gewissenhaft vorgehen.

Danach stellte ich mir unsere Vorhalle vor, dachte an sämtliche mir bekannte Bestandteile, brachte meinen Atem unter Kontrolle und leerte meinen anam 6, wie er es mich gelehrt hatte.

Den Geist zur Ruhe bringen, nennt er es stets.

Ich griff nach dem Faden, natürlich nur gedanklich und zog mich an ihm in die Vorhalle zurück. Unsagbar erleichtert öffnete ich meine Augen. Diese Kunst des Reisens beherrschte ich noch nicht sehr lange, und es erfolgte das erste Mal, dass ich von so fern und allein reiste.

Es ist mir tatsächlich gelungen.

Immenser Stolz breitete sich in mir aus, während durch mein Erscheinen augenblicklich die Gespräche der Anwesenden um mich herum verstummten, was mir wieder meinen dringlichen Grund der Rückkehr ins Gedächtnis rief. Furcht und unendliche Scham überkamen mich, drängten mir Tränen in die Augen. Verschwunden war das Gefühl des Stolzes von eben.

Nein, ich verzweifle nicht. Was sagt der Magister immer: Man kann einen Fehler begehen, das ist keine Schande. Aber man muss den Mut aufbringen, es einzugestehen, damit es nicht zu einer Schande erwächst. Also los!

Ich trat auf die erhöhte Bestuhlung zu, vorbei an den Gaffern. Der Magister bemerkte mein Kommen, nickte und bedeutete mir, ihm zu folgen. Auf seinen Fersen folgten ihm seine beiden Soca 7, die ihm blutsverschworenen Wächter.

Treue Gefährten, würde er jetzt wohl noch hinzufügen.

Wir gelangten in ein Gelass, das vertraute Unterredungen besonders abschirmte. Fragend betrachtete er mich und mein Mut sank.

Zu seinem Fehler stehen, damit es nicht zu einer Schande erwächst. Einfacher gesagt als getan.

Ich musste mein Versagen eingestehen, offenbaren, dass ich, wieder einmal, meiner Selbstsucht nachgegeben hatte und nur deshalb die mir anvertraute Janaii gefangen genommen werden konnte, statt durch mich in Sicherheit zu gelangen ...

Ich hob den Kopf, nahm all meinen Mut zusammen und sah dem Magister direkt in die Augen: »Herr, sie ist angekommen, wie Ihr vorhersagtet. Sie fühlte sich nicht wohl, ruhte eine lange Spanne und ich hielt Wache, wie befohlen. Als es ihr dann ...«

»Warum kehrt Ihr allein zurück?«, fuhr Puja, der ältere der Soca, dazwischen. Der Magister aber hob die Hand, ohne den Blick von mir zu wenden, und das reichte vollkommen, um ihn zum Schweigen zu bringen.

»Herr, ich handelte selbstsüchtig. Sie ... sie wirkte so betörend, so andersartig, ich schien wie gebannt und ich, ich weiß nicht ... Sie erhob sich und machte sich auf, nahm den zutreffenden Weg, verspürte scheinbar keinerlei Furcht ... Ich dachte, dass es niemandem zum Schaden sei. Ich begehrte es doch nur, sie ein wenig zu betrachten. Ich ...« Niedergeschlagen ließ ich meinen Blick sinken, ertrug es nicht länger, ihm in die Augen zu sehen, zu schwer lastete meine Scham. »Ich verlor sie, Herr. Sie ging zum Fluss um ihren Durst zu stillen und dann erschienen drei Rogou, wie aus dem Nichts und bemächtigten sich ihrer. Ich bemerkte sie nicht einmal. Es tut mir wahrlich leid.« Ich sank auf die Knie, nicht weil ich um Gnade flehen wollte, doch in diesem Moment drückten mich meine Schuldgefühle einfach nieder.

Der Magister aber legte mir eine Hand auf die Schulter und sah auf mich hinab. »Es ist in Ordnung, Samo. Alles ist gut.« Ein leichtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen und verschwand ebenso rasch, wie es erschienen war. Vollkommen ratlos sah ich auf, begriff nun gar nichts mehr.

»Bereits bei seiner Ernennung wunderten wir uns darüber, dass Ihr ausgerechnet diesen Winzling mit einer solch bedeutsamen Aufgabe betrautet. Ihr hättet uns schicken sollen, wenn es Euch nicht möglich schien, höchstselbst zu gehen.« Wütend funkelten mich Puja und sein Bràhær 8 Amu an.

»Es tut mir aufrichtig leid, aber meine Größe trägt dabei wohl kaum eine Bedeutung«, stichelte ich zurück.

»Ruhig, Samo. Deine Empfindlichkeit musst du dir dringend abgewöhnen. Nur solange sie für dich selbst eine Unannehmlichkeit darstellt, können andere dich auch auf diese Weise spotten. Zeig uns die Bilder und Eindrücke, damit wir zu der Lichtung der Ankunft gelangen.«

 

 

Nacheinander ergriffen sie die Hände, sodass sie einen geschlossenen Kreis bildeten und Samo schloss seine Augen.

Ganz ruhig!

Tief holte er Atem und versuchte, seine Aufregung und Angst zu verdrängen. Nur am Rande nahm er wahr, wie der Magister seine Soca und ihn zusätzlich abschirmte. Sonderbar, dachte er noch, doch dann öffnete sich sein anam und alle Gedanken wurden verdrängt. Er konzentrierte sich auf die gesammelten Eindrücke und Bilder der Lichtung, was er als sehr leicht empfand. Nun aber drängte er diese nach außen, damit auch der 1. Oberste Zauberer und seine Soca jegliches ebenso deutlich wahrnahmen. Es strengte ihn an, andere daran teilhaben zu lassen. Er unterstand einem wahrlich guten Meister, der Magister höchstselbst hatte ihn unterrichtet, trotzdem benötigte er immense Kraftanstrengungen, um es zu bewirken.

Sie nahmen seine Erinnerungen ohne Schwierigkeiten in sich auf, Samo aber fühlte sich müde und entkräftet. Dennoch klopfte ihm der Magister anerkennend auf die Schulter. »Du bewirktest es außerordentlich fähig. Mit ein wenig mehr Erfahrung wird es dir rasch müheloser gelingen.«

Nacheinander drückten Puja und Amu Samos Unterarm, ein Zeichen der Achtung. Ein kleines Lächeln schlich sich auf Samos Lippen. Noch vor einigen vollständigen Mondphasen 9 hätte er all das nicht zu träumen gewagt. Nun vermochten sie, jeder für sich, zur Lichtung ihrer Ankunft zu reisen und dies war allein sein Verdienst. Es erfüllte ihn mit Stolz.

»Was niemand von euch versteht: Es ist genauso geschehen, wie es sein soll. Alles ist so, wie die Prophezeiung es vorhersagte. Es geschieht, wie es sich zutragen muss und wir dürfen es nicht aufhalten. Was wir derweil tun, ist packen für unsere Reise, die ansteht. Samo, du begleitest Puja, Amu und mich, daher empfehle ich dir, dass du ebenfalls deine Sachen holst. Bei Einsetzen des Mondlaufs begeben wir uns zur Lichtung ihrer Ankunft. Dort beginnen wir mit der Suche und reisen wie jedes gewöhnliche Geschöpf weiter.« Samo hätte nicht entsetzter aussehen können, allerdings erging es den beiden Soca wohl ebenso. Auch ihnen stand der Schrecken nur zu deutlich ins Gesicht geschrieben. »Nur wir vier«, fuhr der Magister ungerührt fort. »Niemand sonst darf von unserem Bestreben erfahren, ohne Ausnahme.«

Der Blick des Magisters jagte Samo einen eisigen Schauder über den Rücken. Erleichtert dachte er daran, dass er seinem Weib Alya bisher keinerlei Wissen offenbart hatte. »Erhalte ich die Möglichkeit, mich zu verabschieden?« Diese Reise würde länger andauern, als alles, was er jemals zuvor unternommen hatte, sehr viel länger.

Der 1. Oberste Zauberer betrachtete ihn und nickte schließlich. »Fass dich kurz. Wir müssen uns eilen, sonst wirkt die Suche nicht mehr.« Nacheinander schaute er sie an, die Bestürzung stand ihnen noch immer deutlich ins Gesicht geschrieben, weil sie sich wie Gewöhnliche fortbewegen sollten. Nur er, der Magister, drehte sich selbstgefällig um, verließ das gesicherte Gelass und lachte aus vollem Halse.

 

Entführung

 

 

»He, was soll das? Lassen Sie mich sofort los! Was wollen Sie?« Drei Männer standen vor mir, wie sie unterschiedlicher nicht hätten aussehen können. Auch wenn man immer wieder sagt, dass der erste Eindruck täuschen kann, so waren mir diese dennoch von Anfang an wirklich unsympathisch. Der eine wirkte hager, hatte ungefähr meine Größe, also gute ein Meter siebzig, blonde kurz geschorene Haare und eine Nase, die aussah, als wäre sie ihm mehrfach gebrochen und nicht anständig gerichtet worden. Hinterhältig grinste er und das ließ seine überstehenden Schneidezähne noch deutlicher hervorstechen, wodurch er Ähnlichkeit mit einem Biber bekam. Der zweite Kerl erschien einfach nur unglaublich fies. Leicht schräg stehende Augen, eng beieinander, zusammengekniffene Lippen, buschige Augenbrauen, und von oben bis unten muskelbepackt.

Vor dem sollte ich mich in Acht nehmen!

Der dritte im Bunde stand ein wenig abseits und beobachtete alles aus einem vogelähnlichen Gesicht. Mehrere Narben zierten seine Wangen, sein Körperbau erweckte den Anschein von Harmlosigkeit, doch so durchdringend, wie er mich aus seinen sturmgrauen Knopfaugen anstarrte, schien er gefährlicher, durchtriebener als die beiden anderen.

»Was haben wir denn hier?«, höhnte der Hagere gegenüber dem Vogelgesicht. »Eh, Pohy, schau mal, da ist uns was aus hohem Haime 10 zugelaufen. Wohl genährt, erlebte sie gewiss schon erfreulichere Spannen.« Er lachte. Vogelgesicht, also Pohy genannt, trat auf mich zu und umrundete mich, während er mich eingehend betrachtete.

»Lasst mich gehen, oder ich rufe die Polizei. Ihr wollt doch keinen Ärger bekommen. Bitte!«

Sie starrten mich an und ich bekam das Gefühl, dass es klüger gewesen wäre, ich hätte geschwiegen. »Wer soll uns Schwierigkeiten machen, Mädchen? Was glaubst du, wer wird kommen, sobald du rufst? Bist du eine Vagaté 11, die sgáilean 12 heraufbeschwört?« Misstrauisch kniff er seine Augen zusammen und beobachtete jede meiner Bewegungen.

Jetzt allerdings erwiderte ich seinen Blick skeptisch.

Ob ich ein Wesen bin, das Geister rufen kann? Der hat sie doch nicht mehr alle.

»Ich werde sicher schon vermisst, die Polizei wird nach mir suchen. Wenn ihr mir den Weg zur Straße zeigt und ich gesund nach Hause komme, dann halten sie euch bestimmt nicht weiter auf.«

»Keine Vagaté? Gut!«, entgegnete Pohy ungerührt und grinste zufrieden.

»Bist du vermählt, Mädchen? Wie viele blühende Holler 13 liegen bereits hinter dir?« Das war Muskelpaket. Erwartungsvoll sahen sie mich an.

Öhm, wie bitte? Sind die irgendwo entlaufen? Die sind doch nicht ganz dicht!

Völlig entsetzt starrte ich sie an – und schwieg.

»Asuhs, meinst du, sie wird uns genügend einbringen?«

»Wenn sie unversehrt ist, sollte sich der Aufwand wahrlich lohnen«, versprach das Muskelpaket Asuhs dem Hageren.

Okay, ich gebe offen zu, spätestens jetzt konnte ich nicht mehr folgen. Wovon, zum Teufel, redeten die da? Unversehrt? Echt jetzt?! Würde mich bitte mal jemand kneifen, damit ich endlich aufwache?!

»Bitte, lasst mich gehen, ich möchte einfach nur zurück zu meiner Familie.«

»Schweig still, Weib. Jolo, binde ihr die Hände zusammen und befestige einen Führstrick an der Schnur. Es verdunkelt sich bereits und wir wollen doch nicht, dass unser hübsches Mädchen ungewollt entschwindet.« Lächelnd zeigte Asuhs mit einem Seil auf den Hageren und entblößte dabei schwarze Stummel in seinem Mund.

Bei den Zähnen würde ich auch die Lippen permanent so zusammenkneifen.

Angewidert verzog ich das Gesicht. Jolo jedoch verstand das wohl falsch, denn er kam feixend mit dem Seil in der Hand auf mich zu, als Asuhs mich plötzlich packte und festhielt.

Die spinnen ja total, sind völlig irre! Wo bin ich hier nur reingeraten?

Mit aller Kraft stemmte ich mich ruckartig gegen Asuhs, riss die Beine hoch und trat zu. »Hilfe! Bitte hilf mir doch jemand! HILFE!«, schrie ich, so laut wie möglich.

Jolo ging zu Boden, während Asuhs fluchte und mich gewaltsam niederriss. Er ließ mich los, aber bevor ich auch nur mit der Wimper zuckte, dröhnte plötzlich mein Kopf, als hätte mich eine Dampfwalze überfahren. Ich verstand gar nicht, was geschehen war, bis sich mein Blickfeld wieder schärfte. Irritiert blickte ich auf, zu Asuhs, der über mich gebeugt stand und seine Faust erhoben hielt.

O mein Gott, er hat mich geschlagen!

Vollkommen schockiert wich ich ein Stück zurück. Er hatte mir nicht nur eine Backpfeife verpasst, die schon erniedrigend genug gewesen wäre, nein, er hatte mir eiskalt seine Faust ins Gesicht gerammt.

Unglaublich! Was sind das bloß für Kerle? Was bin ich nur für eine dumme, naive Kuh?

Ich hatte die Situation völlig falsch eingeschätzt, den Schlag provoziert.

Weil ich ja so unheimlich schlau bin und um Hilfe rufen musste.

Einst hatte ich mir selbst gegenüber geschworen, nie wieder zuzulassen, dass ein Mann seine Hand gegen mich erhebt. Dennoch war es trotzdem passiert. Zutiefst schockiert nahm mein Bewusstsein die Tatsache in sich auf, dass die Geschehnisse hier wirklich real waren, und ich gestand mir ein, dass ich in ernsthaften Schwierigkeiten steckte. Mit Logik hatte das alles längst nichts mehr zu tun. Das wo, wie oder warum schien plötzlich vollkommen bedeutungslos. Mein Kopf dröhnte und die Schmerzen drängten die Endlosschleife der unbeantworteten Fragen in den Hintergrund. Momentan hatte ich ganz andere Probleme zu bewältigen.

Widerstandslos ließ ich mir die Hände fesseln und nahm auch alles Übrige hin. Ich war zu Tode erschrocken und schämte mich nicht, mir das einzugestehen. Wie gelähmt saß ich da und versuchte, mich nur auf das Atmen zu konzentrieren, nur auf das ein- und ausatmen und hoffte, dass mir das dabei helfen würde, nicht den Verstand zu verlieren.

 

Ich weiß nicht, wie viele Stunden wir durch den Wald liefen. Es war schon lange dunkel, als sie endlich hielten und mich an einem Baumstamm festbanden. In aller Seelenruhe entzündeten sie ein Lagerfeuer, während Pohy zwischen den Bäumen verschwand und wenig später mit irgendetwas Pelzigem zurückkam. Trotz der übermächtigen Angst schlief ich vor totaler Erschöpfung tatsächlich ein. Als mir jedoch der Geruch von gebratenem Fleisch in die Nase stieg, weckte mich mein Hunger. Es roch so unglaublich gut, dass mir übel wurde.

Vor wie vielen Stunden habe ich das letzte Mal etwas gegessen?

Zögernd richtete ich mich auf, bemerkte eine Decke, die über mir lag, und runzelte irritiert die Stirn, weil diese Fürsorge so gar nicht zu meinem Eindruck dieser Typen passte.

Au, das tut weh!

Vorsichtig befühlte ich meine Beule, die durch den Schlag weiter angeschwollen war. Die drei Männer aber beachteten mich gar nicht, unterhielten sich und ich nutzte die Chance und lauschte. »Sie wird uns kaum etwas einbringen, wenn sie nicht unbefleckt ist. Erblickte sie nicht bereits zu viele blühende Holler, um noch unvermählt zu sein?«

»Wir könnten uns auch selbst mit ihr vergnügen, dann genießen wir wenigstens ihre Vorzüge und gehen nicht vollkommen leer aus.«

»Ich sagte nein! Sie trägt zwar Hosen, doch ihre Kleidung ist aus edlem Gespinst. Zu kostbar für eine Einfache 14. So jemand wie sie ist unberührt, solange sie ungebunden ist. Hochwohlgeborene vermählen sich nicht unbedingt so baldig wie die Einfachen. Und der Schmerz in ihren Augen bei meiner Erkundigung war augenscheinlich. Sie ist nicht vermählt. Sie glaubt, sie vermag es vor mir zu verbergen, aber meine Gabe als reachd 15 hat sie verraten, also vertraut meinen Worten. Finger weg! Und keine Hiebe mehr, schon gar nicht solche, deren Spuren zu sehen sind, verstanden? Packt sie nur hart an, wenn es sich nicht vermeiden lässt.« Er stand auf und kam auf mich zu. Ich blieb sitzen, wandte allerdings den Kopf zur Seite und starrte in die Dunkelheit. Sie brauchten ja nicht zu wissen, dass ich das Gespräch belauscht hatte.

Gabe als Spürer?

Sollte ich jetzt froh sein, dass sein Gespür ihn getäuscht hatte?

Wo bin ich hier bloß gelandet?

Meinem Gefühl nach befand ich mich nicht mehr in der Nähe einer Stadt.

Gibt es in Hamburg oder in unmittelbarer Umgebung überhaupt einen so großen Wald, in dem man tagelang wandern kann, ohne auf eine Straße, einen Weg, geschweige denn auf einen anderen Menschen zu treffen? Ich meine einen richtigen Menschen? Richtig? Was ist an diesen falsch, dass ich glaube, es gibt auch richtige?

Irgendetwas an ihnen wirkte verkehrt. Mir kam das Mittelalter in den Sinn, Burgen, ebenso wie eine Jahreszahl, die von meinem Geburtsjahr weit entfernt lag und dennoch schien selbst das nicht wirklich zu passen.

 

Plötzlich stand Pohy vor mir. Erschrocken zuckte ich zusammen, was ihm ein hämisches Grinsen entlockte. Nachdem er mich wortlos von dem Baum losgebunden hatte, packte er mich hart am Arm und zerrte mich ans Feuer. »Versuch zu fliehen, und ich erlaube Asuhs, dir wahrhaftig wehzutun.« Mit einem Nicken bedeutete er mir, mich zu setzen. Ich nickte. Auf noch so eine Begegnung mit Asuhs Faust konnte ich wirklich verzichten. Flüchtig warf ich ihm einen Blick zu, den er sehr wohl wahrnahm. Wissend und unglaublich bösartig grinsend erwiderte ihn und ich wandte mich hastig ab, starrte in die Flammen.

Wie komme ich hier nur wieder weg?

Das fragte ich mich unentwegt, bis Pohy das Fleisch vom Feuer nahm und einige Stücke herausschnitt. Jolo holte währenddessen aus einem Beutel mehrere Trinkschläuche. Einen davon hielt er mir hin, doch ich zögerte. »Bugja 16«, schnauzte er und ließ einfach los. Gerade noch rechtzeitig, bevor er im Dreck landete, fing ich ihn auf.

Mit hartem Blick reichte Pohy mir eine Scheibe von dem Fleisch und ein kleines Messer. »Wenn du das für etwas anderes als zum Speisen benutzt, wirst du es bereuen.«

Mein Kopf dröhnte noch immer und meine Furcht hielt mich weiterhin fest in ihren Klauen. Auf gar keinen Fall wollte ich, dass sie mich erneut schlugen, also nickte ich lediglich und nahm beides stumm entgegen. Es roch so verführerisch, dass ich beinahe alles um mich herum vergaß. Ich war so unglaublich hungrig, dass ich nur mit großer Mühe ein Aufstöhnen unterdrücken konnte, als ich das erste Mal vorsichtig abbiss. Es schmeckte großartig. Zwar wusste ich nicht, um was für ein Tier es sich handelte, doch inzwischen hätte ich wahrscheinlich sogar gegrillte Ratte gegessen.

Asuhs beobachtete mich lachend. »Dafür, dass du keine Einfache sein sollst, verspürst du aber einen ganz schön großen Hunger. Ich dachte immer, so eine wie du, kennt dieses Gefühl gar nicht.«

»Trink etwas, bevor ich dir mehr gebe, sonst verdorrst du uns noch.« Pohy musterte mich ebenfalls belustigt, während er mit einem weiteren Stück wedelte. Gehorsam trank ich einen vorsichtigen Schluck.

Bugja?

Angewidert verzog ich das Gesicht. Es schmeckte genauso scheußlich, wie sein Name klang, oder wohl eher schlimmer. Ich blickte zu Pohy, der mich mit einem grinsenden Nicken aufforderte, noch mehr zu trinken. Ich tat es, zwangsweise. Es schien eine Mischung aus Bier und Schnaps zu sein, jedoch so ekelhaft bitter, dass sich alles in mir zusammenzog.

Auf jeden Fall alkoholisch und das nicht zu knapp.

Ich ergriff das zweite Stück Fleisch und aß es. In die Flammen starrend grübelte ich über meine seltsame Situation nach, als sich ein ganz anderes Bedürfnis in den Vordergrund drängte.

Was reingeht, muss also auch irgendwann wieder raus. Mist verdammter.

»Öhm, ich müsste mich mal erleichtern. Und kann ich mich irgendwo waschen?«

»Seine Hoheit möchte sich waschen«, höhnte Asuhs. »Waschen kannst du dich den folgenden Mondlauf 17, wenn wir den Markt erreichen. Erleichtern«, wiederholte er langgezogen, als wäre es ein unanständiges Wort, »darfst du dich da vorn. Jolo wird dich mit Freuden begleiten.« Warnend sah er von mir zu Jolo. Dieser nickte gezwungen, erhob sich und nahm den Führstrick auf. Brutal packte er mich am Arm und zerrte mich zwischen die Bäume.

»Ich kann allein gehen, lass mich los. Ich laufe euch schon nicht davon.«

»Mädchen, verspürte ich auch nur die geringste Furcht, dass du uns entschwinden könntest, trügest du Fußfesseln. Bleib stehen.« Ich hielt an, er ging in die Hocke, ergriff meinen Knöchel und band ein Seil darum.

»Nur zur Vorsicht.« Grinsend wies er weiter nach vorn. »Ich gestatte dir genau drei Schritte.«

Ich machte diese drei Schritte und einen halben weiteren, hinter einen Baum. »Dreh dich um, ich kann nicht, wenn mir jemand zusieht.« Er lachte.

Nicht zu fassen, Idiot!

Ich hockte mich hin und versuchte, mir vorzustellen, ich wäre allein auf einem richtig coolen Campingtrip.

Haha, selbst da müsste man sich nicht an einen verdammten Baum hocken.

 

Ständig sah ich mich um, fast überwältig von der Angst, dass sich einer von ihnen doch noch plötzlich auf mich stürzen und über mich herfallen würde. Aber nichts geschah. Erleichtert in jedem Sinn des Wortes, ging ich zurück zu Jolo, riss ihm den Führstrick aus den Händen, und bevor er überhaupt darauf reagieren konnte, an ihm vorbei, zurück zum Feuer.

Wie demütigend!

Irgendwie wirkte das Ganze völlig surreal.

Die Frage ist nur, wann ich endlich wieder aufwache. Vielleicht liege ich ja im Koma. Starker Schlag auf den Kopf verursacht durch die Tür, ein unglücklicher Aufprall auf dem Gehweg, das lag doch durchaus im Bereich des Möglichen. Dies kann ja auch nur ein Komatraum sein ...

Die Schmerzen aber fühlten sich verdammt real an.

»Hinlegen!« Erschrocken fuhr ich zusammen und blickte panisch zu Asuhs auf, der mir hämisch grinsend die Decke zuwarf, als wüsste er genau, welche Gedanken mir solche Angst einjagten. »Wir brechen beim ersten grauen Leuchten auf und nehmen keine Rücksicht, wenn Eure Hoheit müde ist.« Lachend kehrte er zu den anderen zurück, die damit beschäftigt waren, die Reste wegzuräumen und ordentlich zu verpacken.

Noch immer zitternd legte ich mich hin und versuchte verzweifelt, meinen Herzschlag wieder zu beruhigen. Ich lag mit dem Rücken zum Feuer, was mir immerhin ein wenig Sicherheit verschaffte. Hoffte ich doch, dass sich so keiner von ihnen von hinten an mich heranschleichen konnte. Dennoch zuckte ich bei jeder Bewegung, bei jedem Geräusch zusammen. Ständig dachte ich, dass sie sich nun an mir vergehen würden, und hielt meine Augen nur mühsam geschlossen. Trotz der belauschten Unterhaltung, dass ich unberührt bleiben müsste, hatte ich panische Angst davor, einzuschlafen. Die ganze Zeit kreisten die verrücktesten Möglichkeiten in meinen Kopf, was mir alles passieren könnte. Irgendwann aber forderten wohl die lange Wanderung und die Aufregung ihren Tribut. Ich fiel in einen unruhigen Schlaf, der durch nichts und niemanden unterbrochen wurde.

 

Als ich erwachte, hörte ich leises Gemurmel. »Was glaubst du, wann treffen wir am Markt ein? Bekommen wir Schwierigkeiten, weil wir für sie keine Urkunde besitzen?«

»Ich richte das. Ihr wartet am Waldrand und ich verhandle das mit dem Sumi 18. Er wird dafür sorgen, dass wir das Mädchen anbieten können. Er steht in meiner Schuld. Sie ist sehr ansehnlich, wohlgeformt, und verfügt über ein gutes Gebiss. Sie wird uns Beträchtliches einbringen. Wir dürfen nur nicht auffallen, bevor wir nicht die Papiere für sie besitzen, danach geht alles seinen Weg. Wenn wir das vollbringen, dann verleben wir die nächsten vollständigen Mondphasen sorgenfrei.«

»Wir verbergen uns am Waldrand, knebeln sie notfalls und stellen sie mit Gewalt ruhig. Konzentrier du dich nur auf die Urkunde.«

Sie schwiegen eine Weile, bis Asuhs fragte: »Wie willst du dafür Sorge tragen, dass sie hergerichtet ist, ehe die Schau beginnt?«

»Ich fordere beides von dem Sumi als Begleichung seiner Schuld ein. Aber das kostet. Ich behalte die Hälfte der Währung. Den Rest teilt ihr untereinander.« Jolo nickte widerstrebend. »Ohne mich würdet ihr gar nichts bekommen und selbst mit dem kleineren Anteil könnt ihr die nächsten vollständigen Mondphasen äußerst annehmlich verleben.« Er wandte sich ab und ging tiefer in den Wald hinein.

»Hast du solch eine Hautzeichnung schon einmal gesehen?«, fragte Pohy flüsternd. Ich spürte ihre Blicke auf mir ruhen. »Ihre blasse Haut schimmert wie feinster Alabaster, dazu diese ungewöhnlichen Sprenkel?«

»Nein, niemals zuvor. Sie mutet außergewöhnlich an. Auch ihre Haare, mit den unterschiedlichen Rottönen, schimmern im Feuerschein. Und ihr Gebiss scheint weiß und vollständig.« Asuhs klang verwundert.

»Zusammen mit ihren großen blauen Augen, die weder schräg noch dicht beieinanderstehen, kann sie nur eine edle Kostbarkeit der Hochwohlgeborenen sein. Man wird sie sicherlich suchen, daher sollten wir zusehen, dass wir sie so rasch wie möglich auf dem Markt des Sumi darbieten.«

Als es still blieb, streckte ich meine Glieder, setzte mich auf und rieb mir über das Gesicht, tat so, als wäre ich gerade erst erwacht. Jolo kam zwischen den Bäumen hervor, mehrere kleine Dinger in seinen Händen. Sie sahen aus wie Eier, nur dass sie schwarz waren und viel kleiner als Hühnereier wirkten. Er schürte das Feuer neu an und stellte eine Schale auf die Glut. Mit gekonnten Bewegungen schnitt er das restliche Fleisch hinein, wartete eine Weile und gab dann nach und nach den Inhalt der schwarzen Dinger dazu. Es schienen tatsächlich Eier zu sein. Jedenfalls schlug er sie wie unsere auf und auch die nun köchelnde Masse sah dem mir bekannten Rührei sehr ähnlich. Er holte etwas aus seiner Tasche und streute es ebenfalls in die Schale. Es roch köstlich und mein Magen meldete sogleich seinen Hunger an. Als Asuhs und Pohy sich setzten, erhielt ich wieder ein Messer und wir aßen alle gemeinsam aus dem Gefäß. Eines musste man Jolo wirklich lassen: Leckeres Essen zubereiten konnte er. Jetzt wo ich satt war, fehlten zu meinem Glück nur noch ein heißes Bad, eine Zahnbürste und eine richtige Toilette. Ach ja, nicht zu vergessen, meine Familie, meine Freunde, mein trautes Heim und einige andere Dinge.

Träumen wird ja wohl noch erlaubt sein. Nicht mehr lange und wir erreichen diesen Markt. Zivilisation. Endlich! Dort finde ich hoffentlich Hilfe.

Wir brachen auf. Gegen die Handfesseln konnte ich mich nicht wehren, doch wenigstens ließen sie vorerst den Führstrick weg. Das ständige Marschieren war wirklich anstrengend. Ich, die bisher die sportlichen Aktivitäten auf den festen Vorsatz beschränkt hatte, bestimmt nächste Woche mit Fitness anzufangen, war diese Belastung überhaupt nicht gewohnt. Meine Muskeln schmerzten und die Beule verursachte mir durchgehend Kopfschmerzen. Doch immerhin blieb ich vor weiteren Attacken verschont, und es war angenehm warm. Mein Hosenanzug hing inzwischen an mir herunter wie ein Sack, war arg geschunden und vollkommen verdreckt. Außerdem begann er, zu riechen. Ich fing an zu riechen. Wenn ich dem Gespräch Glauben schenken konnte, dann bekam ich noch heute eine Möglichkeit, mich zu waschen. Alles war besser als gar nichts. Aber was hatte das mit dieser Urkunde auf sich? Dachten sie ernsthaft, sie besäßen das Recht, mich zu verkaufen?

Nein, so ein Quatsch. Wir befinden uns doch noch immer inmitten von Deutschland, oder nicht? Um mich unbemerkt aus dem Land zu schaffen, hätte ich tagelang bewusstlos sein müssen.

Ich trug meinen Ausweis grundsätzlich nicht bei mir, also war ein Flug schon mal ausgeschlossen. Wie sollten sie das auch bewerkstelligen? Sie konnten mich wohl kaum in einem Koffer verstauen, ohne dass die Kontrollen etwas davon bemerken würden. Und Sklaverei kannte ich nur aus dem Fernsehen.

Wo wird Sklaverei heutzutage noch praktiziert, in welchen Ländern? Verboten ist sie doch inzwischen überall, oder nicht? Ach, Quatsch, so lange war ich nicht bewusstlos. Wir sind in Deutschland, da bin ich mir sicher. Sie sprechen schließlich meine Sprache.

»Stopp!« Vor Schreck zuckte ich zusammen und wandte mich hastig um. »Glaubst du, dass das nötig ist? Das ist einiges wert ...« Zweifelnd sah Pohy zu Jolo, der ein Stück Tuch in der Hand hielt und in seiner Tasche kramte. Er öffnete eine kleine Flasche, träufelte etwas von dem Inhalt auf das Tuch und kam auf mich zu. Viel zu spät erkannte ich, was er vorhatte. Bevor ich protestieren, geschweige denn mich wehren konnte, sank ich bereits betäubt zu Boden.

 

Aufbruch

 

 

Sie reisten nicht wie Gewöhnliche, sondern wie echte Pujiany, denn diesem Volk entstammten sie. Sie alle gehörten diesem Stamm an, auch die Wanderer ohne Spuren genannt. Doch diesmal würden sie Spuren hinterlassen, und zwar eine ganze Menge. Seit hunderten blühenden Hollern hatte niemand von ihnen solch eine lange Reise unternommen. Er kannte es nur aus Geschichten, Legenden oder Märchen, da war er sich nicht mehr so gewiss. Also begab er sich auf den schweren Weg des Abschieds, machte sich auf, seinem Weib Lebewohl zu sagen, ohne dass sie es ahnte. Aufregung mischte sich mit Furcht. Warum sollte ausgerechnet er, der kleine Wicht, vollkommen unbedeutend, diese Reise mit den drei wichtigsten Geschöpfen aus ganz Pujiany antreten? Es gab genügend, die wesentlich besser geeignet schienen als er.

Unsinn, schalt er sich selbst. Ich kann meinen Fehler wiedergutmachen, das ist eine Ehre!

Doch wieso fühlte er sich dann, als hätte er soeben einen großen Stein verschluckt? Langsam schritt er die Stufen hinauf, bis zu seiner Tür. Was sollte er ihr sagen? Zögernd öffnete er und trat ein.

Sehe ich sie wieder?

Diese Frage ließ ihn plötzlich nicht mehr los. Seine Gemahlin sah auf und schreckte hoch. »Was ist denn geschehen? Du siehst aus, als erblicktest du einen sgáile 19. Ist dir bei eurer Zusammenkunft etwas zugestoßen? Sprich endlich!« Sie ging auf ihn zu und legte ihre Hände an seine Wangen, schüttelte den Kopf und gab ihm einen Kuss.

Samo lächelte, aufgrund dieser liebgewonnenen Geste. »Es ist mir nicht gestattet, dir Näheres zu offenbaren. Nein, hör mir zu!«

»Aber ...« Er hob die Hand und sie verstummte. Verzaubert betrachtete er sie, vermochte es noch immer nicht zu erfassen, obwohl sie bereits vor fast vier blühenden Hollern ihre Vermählung feierten. Sie hatte ihn angenommen und das aus freiem Entschluss. Dies erschien ihm als ein unfassbares Geschenk, jedoch auch gleichzeitig als sein größtes Mysterium.

Warum erwählte sie ihn damals aus freien Stücken?

Einmal fragte er sie genau das und sie erklärte ihm, dass wenn er sich diese Frage nicht selbst beantwortet und nannte ihn einen amadán 20, dann wäre ihm wahrlich nicht mehr zu helfen. Lag es tatsächlich nur daran, dass er sie gut behandelte, sie aus vollem Herzen liebte und begehrte? Gab es wahrhaftig so eine einfache Erklärung dafür? Tief blickte er in ihre wunderschönen Augen und kämpfte mit den Tränen.

Nein, ich darf sie auf keinen Fall beunruhigen.

Sie musste glauben, dass es sich um eine ganz gewöhnliche Verpflichtung handelte, wie schon oftmals zuvor, als er für kurze Spannen aufbrach, um das Reisen der Pujiany zu erlernen. »Ich muss aufbrechen, doch es ist diesmal nicht gewiss, wann ich zurückkehre. Es wird länger als üblich andauern, mehr vermag ich dir nicht kundzutun. Kümmere dich um unsere lethonan 21. Wenn sich die beiden zu mühselig betragen, billige ich es, dass du deine Màtair 22 oder meine einlädst. Mach dir keine Sorgen und sprich mit niemandem.« Mit großen, ängstlichen Augen betrachtete sie ihn. Sein Zugeständnis, dass sie für die Versorgung ihres Nachwuchses seine oder ihre Màtair holen sollte, beunruhigte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte. Samo schüttelte sie leicht. »Ayla, hörst du mich? Hast du mich verstanden?« Zögernd nickte sie. Erleichtert schloss er sie in seine Arme, genoss den Duft ihrer Haare und ihrer Haut. Baby und Zimt und etwas ihr ganz Eigenes, das war seine Alya. Tief atmete er ein und ihm wurde besonders schwer ums Herz.

Es ist kein Abschied für immer, sagte er sich. Ich werde haimkehren 23.

Fest drückte sie ihn an sich. »Samo, du wirst wiederkehren, nicht wahr? Du kehrst haim 24, versprich es mir.« Als spürte sie seine Furcht, sprach sie diese Worte laut aus.

Behutsam nahm er ihr Gesicht in beide Hände, betrachtete sie lange voller Zärtlichkeit und küsste sie schließlich mit all seiner Liebe. »Ich verspreche es dir. Ich kehre zu dir und zu unseren zwei äußerst kräftezehrenden lethonan Tarlo und Marija zurück.« Sie erwiderte sein Lächeln. Es war ihr geheimer, ganz privater kleiner Scherz. Denn die beiden betrugen sich während dieser Spannen in der Tat mehr als nervenaufreibend. »Ich kehre wieder haim!«, wiederholte er, wie um sich selbst zu vergewissern, drückte Alya erneut an sich, küsste ihre Stirn und gab sie schließlich frei. Noch einmal blickte er ihr in die Augen, hoffte so sehr, dass sie verstand, und wandte sich hastig ab, verschwand eilig durch die Tür. Tränen rannen ihm über sein Gesicht, die er sie nicht sehenlassen wollte. Den ganzen Weg zum Treffpunkt sprach er die Worte in Gedanken:

Ich kehre wieder haim!

 

Amu, Puja und der Magister schienen bereits aufgebrochen zu sein. Jedenfalls spürte er sie nicht und lief eilig durch den Wald auf den heiligen Steinkreis zu. Er vermochte von überall zu reisen, allerdings fühlte er sich noch immer so müde, dass er die Unterstützung der Göttin gerne in Anspruch nahm. Es gab nicht mehr viele Kreise, so sagten die Legenden. Doch gesehen hatte er bisher keinen außer diesen einen. Er stellte sich fest auf den Boden, holte tief Luft und blickte sich um. Das Gefühl, beobachtet zu werden, kam wieder stärker zum Vorschein, er entdeckte jedoch niemanden.

Ganz ruhig, das ist bloß die Furcht vor dem Ungewissen.

Nach einem letzten Blick auf seine Umgebung konzentrierte er sich und schloss die Augen, leerte seinen anam und beschwor die Bilder und Eindrücke herauf, die er von der Lichtung besaß. Während er nach seinem Faden griff und zog, erfasste ihn ein Ruck. Er sah nicht mehr, dass Alya am Rand des Kreises stand, ihm hinterhergelaufen war und weinte, derweil sie stumm abermals die Worte wiederholte:

Du wirst zu mir zurückkehren!

Plötzlich rief sie seinen Namen, vermochte sich nicht länger zu beherrschen. »SAMO!« Überrascht riss er die Augen auf.

Hatte da jemand gerufen? Mein Weib?

Vielleicht hätte er sich erkundigen sollen, ob sie irgendetwas gewahrte? Sie besaß die Gabe des Sehens.

Aber nein!

Kurz vor ihrer Vermählung trafen sie eine Übereinkunft. Sie nahm viele Dinge wahr, unzählige. Sie würde es ihm offenbaren, sollte sie etwas Bedeutsames erblicken, doch er durfte sie niemals danach fragen, so lautete die Einigung. Und er hielt sich daran, so wie er es ihr einst auf seine Lebensbahn geschworen hatte.

Er schüttelte den Kopf. Es gab Drängenderes. Die Vergangenheit war bereits geschehen, es zählte nur das, was jetzt vor ihm lag. Suchend sah er auf, entdeckte den Magister und seine Soca und lief auf sie zu. Sie hockten genau auf der Lichtung und blickten sich gewissenhaft um. Puja erhob sich, ging einige Schritte zur Seite und hob einen Gegenstand auf. Als Samo zu ihnen trat, reichte er ihn gerade dem Magister. Es handelte sich um eine Art Tasche. Sie erschien seltsam, ganz anders als die, die er kannte. Es schien, als sei sie aus Leder gefertigt, wirkte aber irgendwie glatter, dünner und eigentümlich glänzend. Der Magister untersuchte sie, vermochte sie jedoch nicht zu öffnen und schüttelte sie behutsam.

»Leer ist sie jedenfalls nicht.« Argwöhnisch zog er an einem silbernen langen Ding, wodurch sich viele kleine Zähne öffneten, und ließ sie vor Schreck fallen. Mehrere Sachen fielen ins Gras und sie erstarrten, standen vollkommen reglos auf der Lichtung. Als nichts weiter geschah, straffte der Magister die Schultern und hockte sich wieder hin. Achtsam musterte er jeden Gegenstand, nur mit seinen Augen.

Ob er wohl gerade einen Zauber spricht, um sich zu vergewissern, dass uns keine Gefahr droht?

Langsam griff er nach etwas, das wie ein gewöhnlicher Spiegel aussah.

»Was sind das für seltsame Dinge?«, fragte Amu unerschrocken. Samo hingegen wirkte eher furchtsam. Er, der kleine Wicht, verspürte ständig Furcht.

»Ich weiß es nicht. Doch eines davon wird ausreichen, um sie aufzuspüren. Sie erscheinen ungefährlich, dennoch vernichten wir alles, was wir nicht benötigen.« Durchdringend hielt er Pujas Blick, bis dieser nickte. Der Magister besah sich den Gegenstand genauer. Ja, so etwas kannte Samo natürlich auch, nicht mit einem solchen Rahmen, aber Spiegel waren ihnen vertraut. »Dieser genügt und ist nicht augenfällig, wenn ich ihn bei mir trage. Die anderen Sachen jedoch, Puja, du weißt, was zu vollbringen ist ...«

»Moment«, rief Samo. Er erwachte aus seiner Erstarrung und nun siegte seine Neugierde. Behutsam nahm er die verschiedenen Dinge in die Hand. Ein kleiner, schmaler, viereckiger Kasten mit einem Glas auf einer Seite. Ein winziges Fläschchen und ein Kamm. Vorsichtig besah er sich jeden Gegenstand, der Magister aber fasste ihn an der Schulter und schüttelte den Kopf. Unauffällig ergriff Samo das schwarze Ding.

»Wir müssen weiter«, drängte Amu, der langsam unruhig wurde. Unbemerkt ließ Samo es in seine Gewandtasche gleiten. Puja nahm alles achtsam hoch und tat es wieder hinein. Niemand von ihnen bemerkte, dass außer dem Spiegel noch etwas anderes fehlte.

Puja trat an die Waldgrenze und murmelte irgendetwas, das Samo nicht verstand. Die Tasche legte er auf den Boden und sammelte Steine, mit denen er einen Ring um sie herum bildete. Währenddessen wiederholte er ununterbrochen einen Singsang in einer Sprache, die ihm vollkommen unbekannt war. Als er den letzten Stein platzierte, fing die Tasche augenblicklich Feuer.

Oder auch nicht!

Als er nähertrat bemerkte er, dass die Flammen zwar rot schimmernd leuchteten, aber keinerlei Hitze ausstrahlten. Als Puja plötzlich verstummte, blickte Samo überrascht in den Steinkreis. Kein einziges Stück Asche lag darin, nichts, was sich vorher nicht bereits dort befunden hatte.

Als wäre die Tasche nichts weiter als eine Einbildung gewesen.

Sprachlos sah er in die Runde, alle anderen jedoch wirkten vollkommen unbeeindruckt.

Natürlich, ich bin ein Narr! Sie beobachteten das vermutlich schon mehrmalig.

Puja drehte sich zu Samo um, zwinkerte vergnügt und begab sich zu Amu und dem Magister. Dieser hielt gerade den Spiegel in Händen, die Augen geschlossen und schien in meisterhafter Konzentration versunken. Samo wusste, dass er ihn jetzt nicht stören durfte, weil er sich auf einen Zauber konzentrierte. Nach einem kurzen Moment öffnete er die Augen und grunzte, was wohl einen Laut der Zustimmung darstellte. »Der Bann wirkt, wir finden sie. Ihr Vorsprung ist nicht zu immens. Wir spüren sie auf. Samo, gewahrtest du, wie die Rogou 25 reisen? Nur auf Sohlen oder zu Pferd?« Erwartungsvoll blickten sie auf ihn hinab.

Verdammt!

Um das mit Gewissheit zu beantworten, war er nicht lang genug geblieben. »Ich bin mir nicht sicher. Aber sie sahen, eher schäbig aus, nicht so, als besäßen sie ausreichend Währung, um sich Reittiere und deren Versorgung leisten zu können. Nein, ich denke nicht, Herr, dass sie welche besitzen.« Missbilligend schnalzte Amu mit der Zunge. Der Magister schenkte ihm einen warnenden Blick, woraufhin er sich sichtbar verärgert abwandte, aber immerhin wortlos.

Samo fühlte sich wie ein wahrhaftiger Nichtsnutz. Zu Recht nannten sie ihn den kleinen Wicht. Er schien so unbedeutend und dieser Pflicht einfach nicht gewachsen. Weshalb hatte er auch nur einen einzigen Moment geglaubt, ausgerechnet er wäre bei einer solch gewichtigen Aufgabe von Bedeutung!? Warum handelte er ständig so dumm? Er hätte sie länger beobachten müssen.

Nein, schalt er sich selbst. Ich hätte sie gar nicht erst verlieren dürfen.

»Woher solltest du es wissen? Du bist kein Soca ...« Bei diesen Worten schaute er warnend zu Amu und Puja. »Amu vergisst das nur zu gern. Du wurdest in derlei Dingen nicht ausgebildet. Alle Geschehnisse nehmen ihren Lauf, vergiss das nicht.« Mitfühlend legte der Magister seine Hand auf Samos Schulter und drückte sie leicht. »Du siehst nicht so aus, als könntest du uns die Erinnerungen von dem Fluss mit deiner Gabe zeigen. Also führst du uns.« Erstaunlicherweise waren sie sich diesmal einig und sahen den Obersten Zauberer vollkommen entsetzt an.

»Gewöhnt euch lieber daran, denn uns steht eine lange Reise bevor.« Lachend fügte er hinzu: »Auf unseren eigenen Sohlen, um genau zu sein.«

 

Mehrere Mondläufe gehen, wie jedweder Gewöhnliche? Diese Vorstellung schien noch immer zu absurd. Warum sollten sie das auch tun? Es erwies sich niemals als nötig. Orte tauschten sie im Geiste und dann reisten sie dorthin, durch ihre Gabe, ihr Geburtsrecht. Nicht anders. Nur Samo bildete eine Ausnahme, erwachte seine Magie doch erst kürzlich. Und das, obwohl jeder Pujiany sie bereits bei der Geburt besaß und selbst kleine Kinder dies schon zu tun vermochten.

»In welche Richtung müssen wir, Samo?«, riss ihn Puja aus seinen Gedanken.