Janaii: Die Erfüllung - Calin Noell - E-Book

Janaii: Die Erfüllung E-Book

Calin Noell

0,0
5,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wenn Dein schönster Tag bevorsteht, Du aber befürchten musst, dass er in einem Albtraum endet, darfst Du niemals den Glauben an das Gute verlieren, denn genau darauf warten sie ...   Je mehr Einzelheiten Dilahr über die Prophezeiung erfährt, je stärker gerät ihre Welt aus den Fugen. Ist ihr gesamtes bisheriges Leben nichts weiter als eine Lüge? Als sie gemeinsam mit Thalahs das Zentrum von Pujiany erreicht, scheint ein Kampf gegen den Schattenkönig Dogmor unausweichlich. Werden die Wächter des Rates sich ihnen anschließen und helfen, oder sorgen sie für Dilahrs Untergang – und damit für die Verdammung aller?   Band 3 und damit der letzte Teil der magischen Janaii-Trilogie 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Calin Noell

Janaii - Die Erfüllung

Band III

Weg des Schicksals

Impressum:

Erstauflage 2015

3. Auflage 2019

Calin Noell

c/o Papyrus Autoren-Club

R.O.M. Logicware GmbH

Pettenkoferstr. 16-18

10247 Berlin

www.calin-noell.com

Texte © 2015 Copyright by Calin Noell

Bilder © 2015 Copyright by Calin Noell

Coverdesign: Saskia Lackner

www.saskia-illustration.de/

Lektorat: Roland Blümel

www.rolandbluemel.de/lektorat/

Alle Rechte vorbehalten

Buchbeschreibung

Wenn Dein schönster Tag bevorsteht, Du aber befürchten musst, dass er in einem Albtraum endet, darfst Du niemals den Glauben an das Gute verlieren, denn genau darauf warten sie ...

Je mehr Einzelheiten Dilahr über die Prophezeiung erfährt, je stärker gerät ihre Welt aus den Fugen. Ist ihr gesamtes bisheriges Leben nichts weiter als eine Lüge?

Als sie gemeinsam mit Thalahs das Zentrum von Pujiany erreicht, scheint ein Kampf gegen den Schattenkönig Dogmor unausweichlich. Werden die Wächter des Rates sich ihnen anschließen und helfen, oder sorgen sie für Dilahrs Untergang – und damit für die Verdammung aller?

Band 3 und damit der letzte Teil der magischen

Janaii-Trilogie

Danksagung

Was kann ich sagen, was ich noch nicht gesagt habe?

Danke liebe Saskia, für deine tolle Unterstützung, deine Geduld und deine einzigartigen Ideen!

Außerdem danke ich allen, die an mich geglaubt haben, denn der Anfang war wirklich schwer!

Meine beiden Special-Leser waren auch hier mein größter Antrieb, meine schärfsten Kritiker und meine größten Fans! Ich danke euch von Herzen!

Familie: Ich liebe euch alle und irgendwann schreibe ich über unser verrücktes Familienleben eine wundervolle Geschichte!

Meine zwei Männer: Sorry, vielleicht klappt es ja beim nächsten Roman mit einer neuen Playlist! Ich kann ja schließlich auch nichts dafür, dass mir die Lieder so verdammt gut gefallen.

Immerhin sind inzwischen ja etwa an die zehn neuen Titel dazu gekommen ;o) Ich liebe euch!

Janaii -

Die Erfüllung

Band 3

Weg des Schicksals

Hase,

kämpfe und gib nicht auf,

wir alle brauchen Dich!

Ich hab Dich lieb.

Inhaltsverzeichnis

 

Glossar

Verschiedene Welten

Wahrnehmung

Schatten

Verdammtes Schicksal

Anschlag

Verfolgung

Vergangenheit

Vorurteile

Stärke

Enthüllungen

Gewissheit

Geheimnisse

Schwüre

Ballach

Vorbereitung und Training

Pàratan

Ein Traum wird wahr

Freud und Leid - stets dicht beieinander

Der letzte Mondlauf

Uhl

Unerwartete Verbündete

Ein Mondlauf mit vielen Ereignissen

Schattenarmee

Trauer und Neubeginn

Abschied

Der Rat

Epilog

 

Glossar

Adait

Wahrer Name des alten Magisters

Ahanu

Zauberer vom Stamm der Pujiany, Zauberer und Meister im Haim der Weisen

Althea

Oberste Meisterin im Haim der Heiler

Alya

Frau von Samo, Seherin mit großer Gabe

amadán

Dummkopf / Narr

amadáin

Dummköpfe / Narren

Amu

2. Soca des Magisters, Bruder von Puja, Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany

anam

Seele, Geist – Bewusstsein

anman

Seelen, Mehrzahl von Seele

Ashfar

1. Soca Pujianys, Oberster Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany, Vorsteher des Rates

Àtair

Vater

Ballach

Geburtsstadt von Thalahs, Zentrum von Pujiany

Bàn

Hexe

bæthach

Bestie (Name eines Stofftiers)

beatha, ma

Kosename: mein Leben

Bestie

bæthach (Name eines Stofftiers)

Bock

Geldgeber, Beleidigung für jemanden, der sich aushalten lässt gegen Gefälligkeiten

Bràhær

Bruder

Brama

2. Soca Pujianys, Oberster Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany, Gemahl von Quill

Bruder

Bràhær

Bugja

Alkohol, ähnlich wie Bier, aber sehr bitter und sehr berauschend (stark)

càirdeas

Freundschaft

Cam

Sohn von Anli und Váre – Wirtsleute einer Herberge

càpu

Kaffee

Castara

Kampfplatz / Arena – Übungsgelände, besonders geschützt, damit keine Magie entweichen kann

cinnt

Sicherheit

clach

Ort / Dorf

clachain

Orte / Dörfer

creideamh

Glaube / Glauben

cùm, ma

Kosename: mein Halt – abgeleitet von der Rune cùmhachd

cùmhachd

Rune – durch eine Macht gemeinschaftlich gehalten

cridhe, ma

Kosename: mein Herz

Dahar

Vater von Dahir und Jarin (verstorben)

Dahir

Erster Sohn des Dahar, Prinz von Tolor, Bruder von Jarin

deàrrs, ma

Kosename: meine Strahlende

diàtoir, ma

Kosename: Taalies Geschenk – Gottes Geschenk

Dilahr

Bedeutung: Feuer im Herzen, aus unbekanntem Land

dòchas

Hoffnung und Zuversicht

Dogmor

Entführer aus Gadh

Donaij

Herrscherin von Tolor, Mutter von Dahir und Jarin

Dorf / Dörfer

clach / clachain

droch

Fluch

dùin

Städte

Dummkopf

amadán

Dummköpfe

amadáin

dùn

Stadt

Ehmeer

Schüler im Haim der Weisen vom Stamm der Pujiany

Einfache

Geschöpfe von niederer Geburt

Eistir

Mögl. Bedeutung - Stern

Heimliche (weil sie von einem anderen Volk abstammte) verstorbene Geliebte von Danyrs verwitwetem Òhar

Eltern

Pàratan

Esthell

Frau von Thal, Tochter von Athiny vom Stamm der Badr al Din – Vollmond des Glaubens

Familie

Teaglah

féill

Jahrmarkt

Finlagh

3. Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany

Frevelkelch

Todbringendes Gift, wirkt rasch

Frouwa

Form der außerordentlichen Verehrung, aus tiefstem Herzen, für eine hohe Frau

Gadh

Name eines Landes

Gadhas

Volk von Gadh

Galo

Oberster Einfacher auf dem Gut von Tolor

gealtaire

Feigling

Geist

sgáile

Geister

sgáilean

Gelass

Zimmer / Schlafraum

Göttin

Taalie (Göttin von Naoufel)

gràdh, ma

Kosename: meine Liebe

Haim

Zuhause / Heim

Haimat

Heimat

Haim der Weisen

Schule, ähnlich einem College, allerdings für alle Wesen dieser Welt – es gibt nichts, was hier nicht gelehrt wird

Hain

Kleiner Wald, Wäldchen, Gehölz

Hamir

2. Sohn von Tax aus Tolor

Hause

Harem aus Einfachen Mädchen

Hearna

Höchste Frau vor Ort, Herrscherin

Hexe

Bàn

Iain

Zauberer vom Stamm der Pujiany, Zauberer im Haim der Weisen, stärkste Form der Visionen der Gegenwart, unterrichtet nicht, da seine Visionen zu unkontrolliert sind

Jalah

Armband aus Leder mit einem Magiestein – zeigt die verbleibende Kraft an

Janaii

Die Erwartete, die Ankommende

Jarin

2. Sohn des Dahar, Bruder von Dahir - Bedeutung: Beschützer

Jarjog

Schüler im Haim der Weisen

Kaffee

càpu

Katall

4. Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany, Zauberer und Meister im Haim der Weisen, Oberster Meister des Sehens, Meister in Magie u. Kampfkunst, Meister der Runen und Meister der Sigillen

König

Königin

Rìbhan

Kosenamen

Werden hier immer kleingeschrieben

lestær anman

Lichtung der Seelenvereinigung

lethon

Zwilling

lethonan

Zwillinge

Lichtung der Seelenvereinigung

lestær anman

Liebe

gràdh

Loerd

Schüler im Haim der Weisen, sympathischer Typ

Lyril

1. Bàn u. 1. Vagaté

ma beatha

Kosename: mein Leben

ma cridhe

Kosename: mein Herz

ma cùm

Kosename: mein Halt – abgeleitet von der Rune cùmhachd (durch eine Macht gemeinschaftlich gehalten)

ma deàrrs

Kosename: meine Strahlende

ma diàtoir

Kosename: Taalies Geschenk – Gottes Geschenk

ma gràdh

Kosename: meine Liebe

ma rùn

Kosename: mein Schatz / mein Liebling

Măalt

Welt

Măaltan

Welten

Magister

Namenstitel, den nur der 1. Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany tragen darf

Mansarde

Arbeitszimmer

margadh

Marktplatz

Màtair

Mutter

Meister

Titel, den Zauberer nach abgeschlossener Ausbildung erhalten

Meister, Oberster

2. Titel, den Zauberer erhalten, sobald sie die Leitung einer Abteilung übertragen bekommen

Milda

Höchstes Weib im Hause

Mondgang

Abendstunden, wenn der Mond aufgeht - Nacht

Mondlauf

Entspricht etwa einem Tag

Mondphase

Entspricht etwa vier Tagen

Mondphase, vollständige

Die Dauer entspricht etwa einem Monat – hier: von Vollmond bis Vollmond

Mutter

Màtair

Nale

Neue im Haim der Weisen

Naoufel

Welt, in der sie gelandet ist – der ferne Stern

nighean

Jungfrau / Mädchen, hier: Mädchen in Obhut

Òhar

Onkel

onair

Achtung, Ehre, Respekt

Onkel

Òhar

opala

Kosename: außergewöhnliche Kostbarkeit, Juwel

Ori

Wohlwollender Herr, der jemanden in Obhut nimmt und für Erziehung und (Aus-) Bildung verantwortlich ist. Den Höheren ist es auferlegt, diese Schuld im Leben mind. einmal zu begleichen

Ort / Orte

clach / clachain

Papilo

5. Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany, Zauberer und Meister im Haim der Weisen, Oberster Meister der Astralmagie und Meister in Heilkunde, Vertrauter und bester Freund von Thalahs

Pàratan

Eltern / Vormund

Parsch

Hengst von Dahir

Pàthar

Schwester

Pìhar

Tante

poball

Gemeinschaft

Polahs

Schülerin im Haim der Weisen vom Volk der Thangao

Puja

Wächter des Magisters, Bruder von Amu, Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany, 1. Soca

Pujiany

Wanderer ohne Spuren, Stamm des Magisters

Quill

2. Vagaté, Frau von Brama

Rakji

Herr des Hauses, Der Sumi

reachd

Fühlen / Spüren

König

Rìbhan

Königin

Rogou

Dilahrs Entführer, Volk der Händler, handeln gewissenlos mit allem

Rough

Stamm der Händler

rùn, ma

Kosename: Schatz / Liebling

Samo

Etwas kleinwüchsiger Mann, Zauberer vom Stamm der Pujiany, Frischling mit bisher unbekannten Kräften

Samrah

3. Vagaté

Schavan

Schüler im Haim der Weisen, nett u. zurückhaltend

Schwester

Pàthar

Seele

anam

Seelen

anman

sgáile

Geist

sgáilean

Geister

sgeul

Verbindung

Sirisie

Wurde ebenfalls entführt, kommt aus dem verfluchten Land, dessen Sprache im Hause niemand versteht

Soca

Titel der Wächter im Dienste des Rates

Sohl

Neuer Einfacher, wurde auf dem Markt gekauft

Sohn / Söhne

Uhl

Sumi

Oberhändler am Markt, Besitzer des Hauses

Taalie

Göttin von Naoufel

Tarlo u. Marla

Zwillinge von Samo u. Alya

Teaglah

Familie

Thal

Aus dem Heime Braack, 3. Sohn des Kalil, vom Stamm der Pujiany. Verstoßen nach dem Gesetz der Wahl

Thalahs

2. Zauberer und Meister vom Stamm der Pujiany, 1. Uhl aus dem Haim Bradok, Uhl von Paroh und Zartha, Oberster Zauberer und Meister des Haim der Weisen, Oberster Meister in Magie u. Kampfkunst, Oberster Meister der Legenden, Meister der Sigillenmagie u. Meister des Sehens

Thangao

Volk von Wesen, grüne Haut, Flügel, können fliegen, Vegetarier

Thangees

Sprache der Thangao

Thangharas

Sümpfe vom Volk der Thangao

talamh

Land (Oberbegriff)

Tochter / Töchter

Uhe

Uhe

Tochter / Töchter

Uhl

Sohn / Söhne

Vagaté

Wesen, das Geister rufen u. beherrschen kann

Vagous

verrücktes Weibsstück

Vater

Àtair

Vì Bèlahor

Weißer Krieger – Titel u. Gabe zugleich

Vinzh

Stallbursche im Haim der Weisen

vollständige Mondphase

entspricht etwa einem Monat, Dauer von Vollmond bis Vollmond

Vormund

Pàratan

Wachtu

Münzhändler, wechselt Münzen, zuverlässig

Weißer Krieger

Vì Bèlahor – Titel u. Gabe zugleich

Welt

Măalt – hier: Naoufel

Welten

Măaltan

Yalo

Seherin, wie Alya, nur nicht so begabt

Zarin

Name einer großen Stadt – Standort Haim der Weisen

Zauberer

Jeder, der Magie wirken kann

Zwilling / Zwillinge

lethon / lethonan

 

Verschiedene Welten

 

 

Sie schwiegen, betroffen und doch auch tief berührt. Jeder für sich sann über das Vernommene nach und versuchte, dessen Sinn zu ergründen.

»Gott, ich werde hier noch mal wahnsinnig.« Frustriert raufte Dilahr sich die Haare, drehte sich zu Thalahs um und betrachtete ihn unverwandt. »Verdammt, Thalahs, was soll das alles?«, rief sie schließlich wütend und warf verzweifelt ihre Hände in die Höhe. »Na schön, ich gebe es zu. Auch ich kann es jetzt nicht mehr leugnen. Wir waren also an diesem verdammten Ort, diesem lestær anman 1. Das Ergebnis ist für mich nicht zu übersehen, und ich gestehe, dass es wirklich unbeschreiblich schön ist. Ich fühle mich gut, doch von diesem Poem bekomme ich eine eisige Gänsehaut. Was, in Taalies Namen, soll das alles? Was bedeutet das?« Unruhig lief sie auf und ab, nicht in der Lage, ihre Gefühle zu beherrschen, riss sie einen Ast von einem Busch, ging wieder weiter und knickte ihn mehrfach. Schweigend beobachteten sie Dilahr, unschlüssig, ob sie etwas tun sollten, unsicher, ob sie überhaupt irgendetwas zu tun vermochten. Thalahs aber wusste, dass sie noch nicht bereit war, zuzuhören. Er spürte ihre Anspannung wie einen Wirbelsturm, ihre Verunsicherung und ihre Furcht. Doch unter alldem lag ihre unverrückbare Liebe zu ihm, die er ebenfalls deutlich wahrnahm und die ihn beruhigte.

»Es tut mir leid. Ich ... Thalahs, verzeih, ich brauche einen Moment, ich bin gleich zurück.« Sie schwang sich auf den Rücken ihres Pferdes und noch ehe sie überhaupt richtig saß, preschten sie bereits davon.

»Wollt Ihr ihr nicht folgen?« Amu klang verärgert.

»Glaubt mir, Amu, ich vermag ihr jetzt nicht zu helfen. Sie wird zurückkehren, sobald sie dazu bereit ist«, entgegnete er gelassen, keineswegs beunruhigt von ihrem Verhalten, eher belustigt, weil Amu sich so sehr sorgte.

Amu betrachtete ihn und sah dann zu Puja, der kaum wahrnehmbar nickte. »Erlaubt Ihr, dass ich ihr folge?«, fragte er zwar ruhig, dennoch nahm Thalahs seinen Zorn deutlich wahr.

»Warum?«, erkundigte er sich, statt zu antworten.

»Wir sind die Soca. Ihr wolltet, dass auch die Janaii in den Schwur mit eingebunden wird. Wir sind noch immer nicht in Pujiany und Ihr lasst sie einfach allein. Ich sattle mein Pferd.« Aufgebracht stapfte er zu seinem Wallach, ohne eine Erwiderung abzuwarten.

Als er ihn gerade fertig aufgezäumt und gesattelt hatte, vernahmen sie Hufgetrappel und drehten sich um. Im vollen Galopp ritt Dilahr auf sie zu, ihr langes Haar aus dem Zopf gelöst, flatterte es ungebändigt im Wind. Vollkommen gebannt von diesem Anblick starrten ihr die drei entgegen.

»Sie ist wahrlich eine wilde Kriegerin«, flüsterte Puja, jedoch nicht leise genug, Thalahs und Amu verstanden ihn sehr wohl. Als er gewahrte, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte, blickte er beschämt zu Boden. Thalahs aber schmunzelte, äußerte Puja doch nur das, was Thalahs selbst dachte. Er sah zu Amu, der mit vor der Brust verschränkten Armen Dilahr vorgeblich teilnahmslos entgegenblickte.

Sie zügelte Parsch erst kurz vor ihnen, glitt mit einer geschmeidigen Bewegung von dessen Rücken, musterte sie nacheinander und verweilte schließlich bei Amu. »Ich danke Euch von Herzen, dass Ihr uns habt teilhaben lassen.« Sie trat auf Thalahs zu, ergriff seine Hand und drehte sich wieder zu Amu um. »Spracht Ihr mit Eurer Màtair 2 auch über die Bedeutung?« Kopfschüttelnd presste Amu die Lippen fest aufeinander. »Verzeiht, wenn ich Euch mit meiner Frage zu nahe getreten bin.« Sie betrachtete ihn nachdenklich. »Was ist geschehen?« Sie ließ Thalahs los und trat auf Amu zu, der weiterhin schwieg. Statt zu antworten drehte Amu sich abrupt um und schritt zum Lagerplatz zurück, begann, sichtlich verärgert, die Sachen einzupacken.

»Ich glaube, Amu würde dich liebend gerne übers Knie legen«, sprach Thalahs schmunzelnd in ihre Gedanken, unhörbar für die Bràhær 3.

Überrascht warf sie dem Soca einen Blick zu, ehe sie entschlossen an ihn herantrat. »Redet mit mir, Amu«, forderte sie.

Zwar hielt er in seinem Tun inne, wandte sich jedoch nicht zu ihr um. »Ihr müsst lernen, Euch zu beherrschen. Wenn dem Wunsch des Magisters entsprochen wird und Ihr eigene Soca erlangt, seid Ihr angehalten, Euch entsprechend zu betragen. Selbst oder eigentlich besonders jetzt schon«, rief er wütend und drehte sich endlich um. »Euer Handeln ist unbedacht und fortan geht Ihr nirgendwo hin, ohne einen von uns. Auch ich mag vieles nicht verstehen, doch eines weiß ich ganz gewiss: Euer Schutz ist ebenso bedeutsam wie der des Magisters, und ich bitte um Eure Zustimmung ...« Nervös fuhr er sich durch sein Haar, hatte sich diese Unterredung wohl irgendwie anders vorgestellt, nun aber gab es kein Zurück mehr, »Ich empfehle mich Euch als persönlichen Soca.«

Überrascht holte Dilahr laut Atem. »Ihr wollt was?« Thalahs und Puja verfolgten das Gespräch belustigt, mischten sich jedoch nicht ein.

»Taalie, schenke mir Geduld!«, rief Amu ernsthaft, die Augen gen Himmel gewandt. »Ich ersuche darum, dass Ihr mich zu Eurem eigenen Soca ernennt.« Geschockt und erleichtert zugleich, weil er es tatsächlich ausgesprochen, seinem Wunsch endlich nachgegeben hatte, suchte er ihren Blick und hielt ihn fest.

»Wenn ich dem zustimme, werdet Ihr mich dann gleich übers Knie legen?« Sie lächelte.

»Manchmal begehre ich, das wahrhaftig zu wirken. Ihr bringt nicht nur Euch, sondern auch uns unnötig in Gefahr, und das ist unverantwortlich«, entgegnete er ernst. »Tut mir einfach den Gefallen und gedenkt dem ab sofort, vordem ihr handelt. Ein Soca ist stets gehalten, Euch zu begleiten, gleichgültig, wohin ihr geht. Wir wahren genügend Abstand, Ihr wäret aber dennoch geschützt.« Sie nickte, presste die Lippen aufeinander und schluckte ganz offensichtlich einen bissigen Kommentar hinunter.

»Janaii, ich verstehe, dass für Euch allerlei fremdartig ist, doch Ihr werdet es lernen müssen. Dies hier ist ein friedliches talamh, es gibt jedoch auch andere, viele, die es sich nicht entgehen ließen, Eurer oder des Magisters habhaft zu werden. Wie würde es Euch ergehen, sollten sie den Magister übermannen, nur weil er unbedacht handelte?«

Ihr Nicken wirkte verkniffen, man sah ihr an, wie sehr es in ihr arbeitete. Schließlich ließ sie die Schultern seufzend sinken, und nickte erneut. »Ihr habt recht, mit allem, verzeiht.« Er wartete, ob sie noch etwas zufügen würde, doch sie blieb stumm. Sichtlich niedergeschlagen fuhr sie sich durch ihre Haare, raffte sie ungeduldig zusammen und band sie wieder zu einem Zopf. Sie blickte in die Ferne und Amu musterte sie unsicher, fragte sich, ob sie überhaupt noch irgendetwas wahrnahm. Thalahs trat auf sie zu und ergriff ihre Hand. »Alles hier ist so anders. Es gibt vieles, was mir wirklich besser gefällt, aber ich werde mich nur sehr schwer daran gewöhnen können, ständig unter Bewachung zu stehen.«

Thalahs zog sie in seine Arme. »Ma gràdh, du wirst geschützt, nicht bewacht«, sagte er sanft.

»Und wo liegt der Unterschied?«, entgegnete sie seufzend. »Verzeiht. Ich bade hier im Selbstmitleid, dabei kann niemand weder etwas dafür, noch daran ändern. Es ist, wie es ist, nicht wahr?! Ich muss damit klarkommen und ich werde zukünftig umsichtiger handeln.« Lächelnd drehte sie sich zu Amu um. »Übers Knie legen lasse ich mich jedoch nicht von Euch.«

Plötzlich sank Amu auf den Boden hinab und neigte sein Haupt, dann erst sah er Dilahr fest in die Augen. »Ich gewahre Eure Sorgen und Nöte, Ihr aber seid die Janaii, die Prophezeite, und Euer Schutz ist bedeutungsvoller denn je. Es tragen sich viele Dinge zu, die wir nicht verstehen, doch ich weiß, dass Euer Überleben über unser aller Lebensbahnen entscheiden wird. Ich bin der Soca Amu und bitte Euch um die Ehre und Eure Zustimmung, mich als Euren persönlichen Soca anzunehmen.«

Völlig verstört sah sie von ihm zu Thalahs, der jedoch beharrlich schwieg. Sie blickte zu Amu zurück, versuchte, in seinem Gesicht zu ergründen, warum er das tat. »Aber Ihr seid der 2. Soca des Magisters. Ihr könnt doch nicht ...«

»Das ist er nicht, ma gràdh«, schaltete sich Thalahs mit sanfter Stimme ein und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Er war der 2. Soca des Magisters Adait.«

»Ja, und jetzt bist du der Magister und er ... Er müsste doch ...«

»Wir müssen eine Wahl treffen«, begann Puja plötzlich eine Erklärung. »Dennoch ist es keine Entscheidung gegen den Magister. Sollte der Rat zustimmen, dann entscheidet sich Amu lediglich für Euch.« Dilahr wurde sich bewusst, dass Amu noch immer vor ihr kniete.

»Ich traf meine Wahl und ziehe meine Bitte nicht zurück, gleichgültig ob der Rat sein Einverständnis kundtut oder dem widerspricht«, ergänzte er ernst.

»Was bedeutet das? Warum tut Ihr das?«, fragte sie vorsichtig.

Langsam erhob Amu sich, nahm seinen Blick aber nicht von ihr. »Ich schulde Euch wahrlich viel, unabhängig davon, ob Ihr das stets andersartig betrachten werdet. Dennoch ist dies nicht der Anlass für meine Entscheidung. Auch wenn Euch meine Worte jetzt nicht gefallen: Ich glaube an das Schicksal und werde es immer tun und dabei ist es für mich vollkommen bedeutungslos, was Ihr oder jemand anderes darüber denkt. Ich glaube fest daran, dass allem, was geschieht, ein gewichtiger Grund innewohnt. Ihr seid die Janaii, Euch wurde der lestær anman offenbart und ich kenne die Legenden. Meine Màtair sorgte dafür. Sie ist eine starke Seherin und wirkt niemals etwas unbegründet. Ich schütze Euch mit meiner Lebensbahn, denn dies ist meine Bestimmung, selbst wenn Ihr meinen Schwur nicht anerkennt.« Mit immer größerer Ehrfurcht lauschte sie seinen Worten, spürte seine Hingabe, seine unverrückbare Überzeugung, das Richtige zu tun. »Was den Rat anbelangt: Sollte er seine Zustimmung verweigern und ich mich dennoch Euch verschwören, verliere ich meine Ehre als Soca und bin nicht länger in diesen Reihen willkommen.«

»Ihr würdet alles aufgeben, an das Ihr glaubt?«, flüsterte sie entsetzt, doch er schüttelte den Kopf.

»Ich vollbringe jedwedes, für das, woran ich glaube. Meine Ehre kümmert es nicht, da ich die Gewissheit besitze, angemessen zu handeln.« Sie nickte langsam, konnte ihre Fassungslosigkeit jedoch nicht vollkommen verbergen. »Ihr müsst Euch nicht sofort entscheiden«, ergänzte Amu zögernd.

»Ist es für dich in Ordnung, Thalahs?«, fragte sie in Gedanken.

Verständnisvoll drückte er ihre Schulter. »Er würde wahrlich seine Lebensbahn für dich opfern, sollte es von Nöten sein. Außerdem vermag ich mir kaum einen besseren Soca für dich vorzustellen. Doch er spricht recht, du bist nicht gezwungen, dich sofort zu entscheiden. Du musst dir sicher sein, dass ihr miteinander auskommen könnt«, antwortete er vorsichtig.

Dilahr lächelte zufrieden. »Ich brauche niemanden, der mich ehrfürchtig ansieht und Angst hat, seine Meinung ehrlich zu äußern. Wenn ich denn schon muss, dann will ich jemanden, dem es in letzter Konsequenz egal ist, wer oder was ich bin. Ich habe viel zu lernen, jeder weiß das, doch er ist derjenige, der sich auch traut, das laut auszusprechen. Außerdem kennt er mich inzwischen besser. Wenn er es mit mir aushalten kann, dann schaffe ich das ebenfalls.«

Amu stand bei seinem Bràhær und unterhielt sich leise mit ihm. Puja schien die Entscheidung zu überraschen. »Amu?« Sie wartete, bis er sich ihr wieder zugewandt hatte. »Mit größter Freude stimme ich Eurem Wunsch zu. Es wäre mir eine außerordentliche Ehre, Euch als meinen persönlichen Soca bezeichnen zu dürfen.« Amu hätte nicht erstaunter aussehen können, doch noch bevor er etwas erwidern konnte, sprach Dilahr hastig weiter. »Allerdings habe ich eine Bedingung, also eigentlich sind es zwei, die ich nicht verhandle.«

Fast furchtsam verharrten die beiden Bràhær abwartend. Auch Thalahs wirkte überrascht. »Ihr werdet immer ehrlich sein, mich niemals anlügen, unabhängig davon, was es für Konsequenzen nach sich zieht. Außerdem offenbart Ihr niemandem, dass Ihr diesen Schwur geleistet habt, bis der Rat seinen Entschluss verkündet.« Erstaunt hob Amu eine Braue und betrachtete sie. »Es ist ausreichend, dass ich weiß, was Ihr alles für mich bereit zu opfern wäret, der Rat aber braucht es nicht zu wissen, solange es sich vermeiden lässt. Sollte er sich für Thalahs’ Wunsch entscheiden, brächte Euch das dem Rat gegenüber völlig umsonst in Verruf und Ihr würdet Euch selbst damit nur unnötig schaden. Spricht er sich dagegen aus, steht es Euch frei, Euren Schwur zu offenbaren.«

Seine Zustimmung folgte nur zögernd, und obwohl Dilahr den Drang verspürte, ihn auf sein Wort zu verpflichten, tat sie es nicht. Sie wusste, dass Amu erwachsen und sich seines Handelns und Denkens sehr wohl bewusst war. Er musste seine eigenen Entscheidungen treffen dürfen, und sie wollte ihn nicht in irgendetwas hineinzwingen. »Ich danke Euch, für Eure Worte und Eure Sorgen. Ich leiste den Schwur noch diesen Mondgang, wenn es Euch recht ist?« Sie nickte, Thalahs ebenfalls.

 

Wahrnehmung

 

 

»Wir sollten aufbrechen«, empfahl Puja und begann, die restlichen Sachen einzupacken. Dilahr griff noch einmal schnell zur Schüssel und aß eine Schale Eintopf. Die drei Männer lächelten in sich hinein.

»Nach meinem Schwur beginnen wir mit dem Unterricht«, raunte Amu plötzlich direkt hinter ihr. Erschrocken fuhr sie herum. »Ihr achtet nicht genug auf Eure Umgebung und verzeiht, wenn ich das sage«, sprach er, während er sich zu Thalahs umwandte. »Bei Euch ist es gleichermaßen. Das ist das Erste, was Ihr beherrschen müsst, ebenso das Erkennen, ob jemand versucht, in Euren anam 4 einzudringen.«

Dilahr lächelte. »Und wir werden Euch zeigen, wir Ihr Eure Barrieren verstärkt.«

Wenig später saßen sie bereits wieder in den Sätteln und setzten ihren Weg fort. Sie ritten alle nebeneinander und die Stimmung war entspannter als jemals zuvor. »Wie meintest du, könnte ich mithilfe deiner Magie Amu und Puja unterweisen?«, erkundigte Thalahs sich bei Dilahr und betrachtete sie neugierig. Es geschah zurzeit so unglaublich viel auf einmal, dass er diese Frage beinahe schon wieder vergessen hatte.

»Die Barriere der Castara. Ich habe sie auch mit deiner Magie erschaffen. Durch unsere Verbindung war es daher die ganze Zeit möglich.« Sie gewahrte sein Unverständnis. »Wenn ich uns ansehe, gibt es kein Ich und kein Du, jedenfalls nicht, solange wir über Magie sprechen. Es gibt nur noch ein Uns. Thalahs, glaube daran und dann sieh hin! Sobald du von mir die Funktionsweise eines Zaubers gezeigt bekommen hast, brauchst du meine Hilfe nicht mehr, weil du alles zu tun vermagst, was auch ich kann. Eure Art anzuleiten und zu lernen ist für mich irgendwie unnatürlich, vielleicht nicht unmöglich, doch es fühlt sich völlig falsch an. Du hingegen bist in der Lage, meine Art zu übernehmen und es danach auf eure Art Puja und Amu zu lehren. Glaube daran! Du wirst es wahrnehmen, wenn du es nur zulässt.«

Sie sah, wie er versank, spürte seine Unsicherheit, seine Ungeduld und schließlich seine Frustration. »Manchmal ist zu glauben eben doch nicht so leicht, nicht wahr? Ich aber glaube an dich, und noch bevor wir vermählt sind, wirst auch du das tun.« Lächelnd ergriff sie seine Hand und drückte sie. Ihre Zuversicht milderte seinen Ärger über sich selbst.

Unterwegs übten sie die gesamte Spanne, in den anam des anderen einzutauchen, versuchten, Amus und Pujas Versuche zu erspüren, bis die Sonne langsam versank und sie zwang, einen Lagerplatz aufzusuchen.

Müde glitt Dilahr schließlich von Parsch hinab, als Amu und Puja unvermittelt hinter ihr und Thalahs erschienen und sie grob packten, je ein Messer an ihre Kehle haltend. Dilahr reagierte sofort, instinktiv verwob sie einen Zauber aus zwei Strängen, warf sie pfeilschnell über die beiden. Zwar erstarrten sie augenblicklich, dennoch nahm sie Amus Gegenwehr deutlich wahr. Noch immer drückte sich sein Messer weiterhin an ihre Kehle. Auch wenn es ihr gelang, seinen Arm von sich weg zu drücken, um sich aus seiner Umklammerung zu befreien, spürte sie die enorme Kraft, die sie dieser Vorgang kostete, beinahe körperlich schmerzend. Thalahs hingegen hatte sich rascher von seiner Überraschung erholt und sich längst aus Pujas Griff befreit.

»Hattet Ihr nicht gesagt, der Unterricht beginnt erst nach dem Schwur?«, rief Dilahr außer Atem vor Schreck.

Verwundert blickte Thalahs von ihr zu den Soca, dann begriff auch er es. »Das war alles nur eine Erprobung?« Verärgert verschränkte er die Arme vor der Brust. Amu und Puja, noch immer gefangen von Dilahrs Gabe, brachten kein Wort hervor.

Amu würde es schneller gelingen als Puja, dessen war sie sich sicher. »Thalahs, sieh hin!«, forderte sie, ließ die beiden aber nicht aus den Augen. Verständnislos erwiderte er ihren Blick. »Die Magie, sieh hin und lerne«, fuhr sie ungeduldig fort. Nur zögernd folgte er ihr. Er versank und betrachtete ihre miteinander verwobene Gabe. »Forme einen Strang und lass ihn den Zauber umschließen, als wolltest du darüberstreichen«, sprach sie in seine Gedanken. Sie nahm ein Stück, zupfte es heraus. Er beobachtete sie einen Augenblick, ehe er es selbst versuchte, erst zögerlich, dann immer selbstsicherer. Endlich verstand er ihr Wirken, ihr Begehren und formte eine Verstärkung für Puja, sowie sie eine für Amu verwob. Fortwährend glitt sie mit ihrer Magie über die vorhandenen Muster und er tat es ihr nach.

Er spürte ihr Lächeln, und als er seinen Blick wieder hob, lachte sie. »Du hast vor lauter Grübeleien, wie du es mir nachmachen sollst, ganz vergessen, dich auf das nicht sehen unserer Magie zu konzentrieren. Und jetzt sieh dir die beiden an. Sie wirken irgendwie ziemlich unglücklich, findest du nicht auch? Aber ich denke, das ist die gerechte Vergeltung für ihre Missetaten.«

»Das war unglaublich. Und du sprichst recht, ich schien mit meinen Gedanken ausgefüllt, dass ... Ich sah uns! Einfach so und es ist unbeschreiblich. Ich erlernte es, indem ich dem Muster folgte, und wusste, was zu wirken ist, um es zu verstärken.« Liebevoll strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht. »Verzeih mir«, flüsterte er und küsste sie. Unterdessen versuchten Amu und Puja verzweifelt, sich zu befreien, doch es gelang ihnen nicht. Amu schaffte es lediglich, ein kleines Grunzen hervorzustoßen, langsam wütend. Hier standen sie und küssten sich in aller Seelenruhe, während sie nicht entweichen konnten. Kaum vernahmen Dilahr und Thalahs Amus Laut, entließen sie die beiden vorsichtig aus ihrem Griff.

»Ihr müsst wachsamer sein«, schalt Amu sie. »Ihr gewahrtet nicht einmal, dass wir uns direkt hinter Euch befanden.« Seine Augen funkelten voller Wut. »Und dass Ihr das nicht vermutet habt, ist keinerlei Entschuldigung. Sollte es jemand auf Euch absehen, wird er sich wohl kaum vorher höflich bemerkbar machen. Wären wir Meuchelmörder, würdet ihr jetzt keinen einzigen Atemzug mehr tun.« Er ergriff die Zügel seines Pferdes und stapfte aufgebracht davon. Dilahr und Thalahs konnten sich trotz allem ein Schmunzeln nicht verkneifen.

»Er hat recht, Thalahs. Wir hätten es zumindest merken müssen und dennoch glaube ich, wir haben gerade ein wenig an seiner Ehre gekratzt.«

»Es war nicht der Sieg, den er erwartet hatte«, bestätigte Puja leise.

»Meinst du, dass du ihnen diesen Zauber auf eure Weise vermitteln kannst?«, erkundigte sie sich ernst. Sie wusste, dass jedem von ihnen eine besondere Stärke innewohnte, doch wenn alle gemeinsam in der Lage wären, von den Fähigkeiten des anderen zu lernen, könnten sie noch sehr viel wirksamer handeln, als bisher.

»Ich versuche es. Aber es müsste eigentlich möglich sein.«

Dilahr sattelte Parsch ab und versorgte ihn, während Thalahs und Puja im Wald nach Feuerholz und etwas Essbarem suchten. Müde legte sie sich auf ihre Decke und schloss die Augen. In letzter Zeit schlief sie nicht besonders gut und fühlte eine unglaubliche Erschöpfung. Trotzdem ließ sie sich von ihrer Magie durchfluten und wiederholte erneut Thalahs’ Zauber, den er ihr gezeigt hatte, damit sie die Personen wahrnahm, die sich um sie herum aufhielten. Sie hatte gedacht, er wäre längst so gefestigt, dass sie es automatisch spüren würde, sollte sich ihr jemand nähern. Das Amu und Puja sie derart überrumpeln konnten, bewies nun jedoch, dass es sich ganz und gar anders verhielt. Ständig zu abgelenkt, um sich dem bewusst zu werden, war sie Amu dankbar, dass er sie darauf aufmerksam gemacht hatte. Die Art und Weise ihres Angriffs würde ihr noch lange im Gedächtnis bleiben. Ihr Kampfgeist war geweckt und solch eine Niederlage wollte sie ihm kein weiteres Mal gönnen.

»Alles in Ordnung?«, fragte Amu. Diesmal erschrak sie nicht. Sie wusste genau, wo er stand.

»Ich bin nur unheimlich müde«, antwortete sie, ohne die Augen zu öffnen.

»Benötigt Ihr zusätzliche Rasten?«, erkundigte er sich besorgt.

Langsam richtete Dilahr sich wieder auf. »Nein, ich schlafe nur nicht besonders gut, das ist alles.«

»Weshalb?« Forschend betrachtete er sie.

Dilahr zuckte mit den Schultern. »Ich träume, doch sobald ich aufwache, weiß ich nicht mehr wovon, nur, dass es so war.«

»Wenn es schlimmer wird, müsst Ihr es uns offenbaren.«

»Warum ist das so wichtig?«

»Weil den Träumen ausnahmslos eine Bedeutung innewohnt, manchmal aber sind sie derart leidvoll, dass wir uns nicht daran erinnern ...«

 

 

 

Dilahr

 

... wollen oder können.

Ich war mir sicher, dass eigentlich noch eines dieser Worte an seinen Satz angehängt gehörte, er sie aber absichtlich weggelassen hatte. Ich glaubte auch an so etwas nicht wirklich, da es jedoch immer und immer wieder darauf ankam, dass ich eben doch glauben musste, dass alles möglich war, verkniff ich mir jeglichen Kommentar.

»Sie kehren zurück«, warnte ich Amu vor.

Er runzelte die Stirn, abwartend, und es dauerte einen Moment, bis Begreifen seine Züge zeichnete. »Wenn Ihr sie auf diese Entfernung so deutlich zu spüren vermögt, wie kann Euch da jemand derart überrumpeln?«, fragte er überrascht.

»Ablenkung«, entgegnete ich schlicht.

»Genau daran müssen wir also wirken.« Er schien über irgendetwas nachzudenken und kam anscheinend zu einem Entschluss. »Wenn ich Euch offenbare, wie ich unbemerkt versuche, in Euren anam einzudringen, seid Ihr dann wahrhaftig in der Lage, dies einfach zu übernehmen?«

Unbehaglich nickte ich. »Ja, ich glaube, dass ich das kann.«

»Janaii, Ihr werdet Euch niemals wieder vor mir für etwas schämen, das Ihr beherrscht. Ihr solltet stolz darauf sein. Ihr seid gewiss kein Geschöpf, das prahlt, also gibt es keinerlei Grund dazu«, stieß er verärgert hervor.

»Ich schäme mich nicht!«, stellte ich klar. »Und nennt mich nicht immer Janaii. Ich besitze einen Namen und der lautet Dilahr. Es ist mir unangenehm. Ich habe nichts für diese Gaben getan, muss mich nicht einmal besonders anstrengen, um neue Dinge zu lernen. Im Gegenteil, ich beherrsche bereits jetzt vieles, was zuvor kaum ein anderer je konnte. Doch ich habe das Gefühl, das es mir gar nicht zusteht. Ist es etwa gerecht, dass Ihr jahrelang ausgebildet werden musstet für Dinge, die ich vielleicht in wenigen Augenblicken erlernen kann? Nicht alles natürlich, das ist mir bewusst, aber ...« Ich seufzte, wollte mich nicht schon wieder streiten.

»Wenn es keine Scham ist, die Ihr empfindet, was ist es stattdessen?«, fragte er ruhig. Ich holte bereits Luft, um ihm eine entsprechende Antwort entgegenzuschmettern, stutzte dann jedoch. Ich fand das Wort Scham unpassend, doch gab es ein anderes dafür? Es war mir unangenehm, dass ich all das einfach so beherrschte. »Und was Euren Titel anbelangt, so steht er Euch nun einmal zu.« Plötzlich wurde sein Blick ganz weich. »Gewöhnt Euch lieber daran, Dilahr. Spätestens in Pujiany sprechen Euch alle auf diese Weise an, denn so lautet der Titel, der einzig Euch allein gebührt.« Stöhnend ließ ich mich auf meine Decke sinken. Na, das konnte ja heiter werden! »Und Ihr werdet staunen, wie leicht es mir ebenfalls fällt, neue Dinge zu erlernen. Doch die Ausbildung zum Soca beinhaltet noch sehr viel mehr.« Nachdenklich blickte er auf mich hinab. »Vermögt Ihr zu kämpfen? Ich meine nicht mit Magie, sondern mit einer Waffe?«

Ich richtete mich ein wenig auf und musterte ihn prüfend. »Ihr meint Mann gegen Mann beziehungsweise Frau gegen Mann?« Belustigt nickte er. »Ich habe mich schon mal geprügelt, falls Ihr das meint, aber wenn Ihr mich so anseht, nein, wohl eher nicht, erst recht nicht mit einem Messer oder so.«

Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete er mich. »Ihr habt Euch geprügelt? Weshalb?«, fragte er entsetzt.

Ich lachte bei seinem Anblick. »Nun ja. In meiner Welt, meiner Măalt 5«, verbesserte ich mich, »gab es keinen Soca, der mich geschützt hätte.« Ich grinste, er jedoch erwartete ganz offensichtlich eine ernst gemeinte Antwort. »Na, schön! Ich war ein Teenager, also ich erblickte ungefähr sechzehn Mal den blühenden Holler und ein anderes Mädchen wollte mir meine Tasche klauen, ich meine entwenden, doch ich dachte gar nicht daran, sie herzugeben. Sie schlug mich und ich wehrte mich. Wir prügelten uns.« Ich zuckte mit den Schultern, tat es einfach so leichtfertig ab, auch wenn ich damals aus Angst am ganzen Körper gezittert hatte.

»Besiegtet Ihr sie?«, erkundigte er sich neugierig.

Ich grinste. »Eher nicht. Ich war ziemlich übel zugerichtet, aber das andere Mädchen sah nicht viel besser aus als ich. Und immerhin besaß ich meine Tasche hinterher noch immer!«

»Gut! Das ist schon mal ein Anbeginn.«

»Wie bitte? Ihr glaubt nicht ernsthaft, ich könnte mich mit Händen und Füßen gegen einen Mann wehren. Seht Euch doch an. Ohne meine Magie bin ich ein Nichts gegen Euch.«

Genervt schüttelte er den Kopf. »Was seht Ihr, wenn Ihr mich anseht?«

»Ich sehe Euch, einen Mann, gutaussehend, starke Schultern, schmale Hüften, Muskeln an den richtigen Stellen, schöne braune Augen, wie flüssiger Bernstein und braune, mittellange Haare, die vielleicht ein wenig zu lang sind.«

Uups ...

Ich spürte, wie mein Gesicht rot anlief.

Das war eher eine Beschreibung für ein Dating-Portal und nicht für die kühle Einschätzung eines Gegners.

Amu grinste, dachte vermutlich etwas Ähnliches. »Sehr aufschlussreich. Ich gewahre nun also, dass Ihr mich anschauen mögt.« Herausfordernd blickte er mich an, bis ich in schallendes Gelächter ausbrach.

»Verzeiht, Amu, ich weiß selbst, dass das gerade ziemlich oberflächlich war und ganz und gar nicht das, worauf Ihr hinauswolltet. Ihr seid ein ansehnlicher Mann. Gibt es eine Frau in Eurem Leben?« Kommentarlos rutschte seine Augenbraue noch ein wenig höher. Schicksalsergeben seufzte ich. »In Ordnung, wollen wir mal sehen.« Ich erhob mich und trat auf ihn zu. »Ihr besitzt Muskeln, verfügt also über wesentlich mehr Schlagkraft als ich.« Ich ging um ihn herum, langsam und genoss dieses Spiel, da es ihm nur allzu offensichtlich unglaublich unangenehm war.

Diesmal spürte ich, dass Thalahs und Puja zum Lager zurückkehrten, ignorierte sie jedoch. »Ihr seid deutlich größer als ich, das könnte ich vielleicht zu meinem Vorteil ausnutzen, da es unterstellt, dass ich wendiger sein müsste als Ihr, was ich allerdings mit Sicherheit nicht bin. Auf der anderen Seite verfügt Ihr aufgrund Eurer Körpergröße auch über eine viel größere Reichweite als ich, was wiederum ein Nachteil für mich ist. Ihr seid um einiges schwerer. Ich sollte Euch auf Abstand halten, verhindern, dass Ihr mich zu Boden ringt, und ich muss sehr überlegt vorgehen, wenn ich überhaupt eine Chance haben will, zu gewinnen. Je nach Möglichkeit wäre es am sinnvollsten, einfach wegzulaufen.« Ich blieb vor ihm stehen, zufrieden mit dem, was ich geschlussfolgert hatte.

Thalahs und Puja verharrten neugierig am Rand und beobachteten uns. Ich schmunzelte bei dem Gedanken daran, was ich noch Momente zuvor zu Amu gesagt hatte.

Ob Thalahs wohl ein eifersüchtiger Typ ist?

Plötzlich stürzte Amu auf mich zu, doch ich hatte es bereits vorausgeahnt, und wich rechtzeitig vor ihm zurück.

»Genug für diesen Mondgang.« Mit einem anerkennenden Kopfneigen entließ er mich.

»Was tut ihr?«, erkundigte sich Thalahs.

Ich lachte. »Für den Fall, dass meine Magie versagt, soll ich auch meinen Körper trainieren.«

»Gegen die Schatten ist sie wirkungslos«, murmelte Amu niedergeschlagen, eher zu sich selbst, als zu uns. Sein Schmerz war nicht zu überhören und ich fragte mich, was er wohl Schlimmes erlebt haben mochte. Puja entzündete das Feuer und holte Töpfe hervor, hielt nun jedoch in seinem Tun inne.

Ich warf ihm einen kurzen Blick zu, wagte es nicht, nachzufragen, während ich einen Entschluss fasste. »Ich vertraue Euch«, begann ich und sah von Puja zu Amu. »Lyril warnte mich davor, es zu offenbaren, doch ich glaube, Ihr solltet es wissen.« Fragend sah ich zu Thalahs.

»Es ist deine Entscheidung, ma gràdh«, sagte er schlicht.

»Nein, es ist unsere. Dich geht es ebenso etwas an. Wenn ich in der Lage bin, die Schatten zu heilen, bist du es gleichermaßen, vergiss das nicht.« Erst erwiderte er meinen Blick überrascht, dann aber spürte ich seine Skepsis und zog genervt eine Braue in die Höhe. Er nickte erneut, seine Zweifel blieben dennoch spürbar.

Ich wandte mich wieder den beiden Soca zu, die nun nebeneinander am Feuer saßen. »Ich kann die Schattenmagie in mich aufnehmen und sie in meine Magie einfließen lassen. Dadurch wirkt jeder Zauber ebenso schädlich gegen die Schatten, wie sonst auch.« Sie starrten mich an, als hätte ich ihnen gerade mitgeteilt, dass ich auf der Wasseroberfläche wandeln konnte. »Aber das ist noch nicht alles.« Ein wenig beklommen sammelte ich meine Gedanken und atmete schließlich tief durch. »Ich kann die Schatten heilen«, flüsterte ich. »Solange ein winziges Leuchten im anam vorhanden ist, vermag ich sie zu entziehen, und zwar in Gänze.«

Amu sprang auf, so wütend, als hätte ich ihn geschlagen. Puja, der ihm nur einen winzigen Moment später folgte, hielt ihn krampfhaft fest. »Warum sagt Ihr das?«, zischte Amu, sein Gesicht eine vor Qual verzerrte Grimasse.

»Amu, seht mich an. Ich verstehe nicht, was hier gerade geschieht, aber Ihr kennt mich. Redet mit mir.«

Er schien sich kaum beruhigen zu können, als Puja unvermittelt das Wort ergriff. »Unsere Màtair wurde während eines Angriffs außerhalb von Pujiany von der Schattenmagie getroffen.« Fassungslos schüttelte er den Kopf, zurückversetzt in jene Spanne, als könnte er es noch immer nicht glauben. »Wir sind nicht oft Haim, daher bemerkten wir es erst nicht. Nun jedoch wird es immer offensichtlicher, dass ihr die Schatten inzwischen arg zusetzen.«

Ängstlich sah ich von Puja zu Amu. »Wie lange schon?«, erkundigte ich mich vorsichtig.

Puja zuckte mit den Schultern, Amu reagierte überhaupt nicht mehr. »Wir wissen es nicht, denn sie vertraute sich niemandem an.«

Ich sah zu Thalahs und selbst ohne unsere Verbindung hätte er wohl meine Gedanken erraten. Ich musste einfach versuchen, ihr zu helfen. Er nickte, doch ich spürte seine Unruhe deutlich. »Wie weit ist es bis zur nächsten Herberge?«, fragte ich.

Irritiert runzelte Puja die Stirn, weil er den Sinn der Frage nicht verstand. »Ich vermute einen halben Mondlauf, warum?«

»Das ist zu lang«, überlegte ich laut. Somit blieb die Möglichkeit aus, unsere Habe und Pferde irgendwo sicher unterzustellen. »Puja, gibt es jemandem, dem Ihr absolut vertraut und dem wir für diesen Mondgang unsere Sachen und die Pferde anvertrauen können? Der hier Wache halten würde? Niemand darf wissen, was wir vorhaben.«

»Was haben wir denn vor, Janaii?«, höhnte Amu leise, sein Blick offenbarte eine ungeahnte Kälte.

Langsam wollte ich auf ihn zugehen, doch Thalahs hielt mich zurück. Ich versuchte, ihn abzuschütteln, vergeblich. Also blieb ich stehen, ließ mich davon jedoch nicht beirren. »Ihr wart es, der mir sagte, ich müsse mich nicht schämen für etwas, das ich zu schaffen vermag! Und ich kann es, schaffte es bereits drei Mal. Bei Dahir kam ich zu spät, ja, danke, ich erinnere mich sehr genau daran. Cam und mein Kind allerdings, ebenso wie mich selbst heilte ich vollständig, Lyril bestätigte es«, erklärte ich eindringlich. »Ich verspreche Euch nichts, Amu, aber Eure Furcht wird Euch nicht weiterbringen! Und sie an mir auszulassen, schon gar nicht. Ich habe auch Angst, davor, dass ich Eurer Màtair vielleicht nicht mehr helfen kann. Ich werde Euch nicht belügen. Ich bin bereit, alles für den Versuch zu tun, doch dafür müsst Ihr Euch jetzt zusammenreißen. Und eines noch: Solltet Ihr dem zustimmen, verlange ich Euren Schwur auf Eure Lebensbahn, dass niemand davon erfährt.«

Ich nahm Thalahs’ Hand und zog ihn mit mir, fort von Amu und Puja. Erst vor Parsch blieb ich stehen. »War es richtig?«, fragte ich leise. »Lyril hat mich davor gewarnt, es zu erzählen. Wer weiß schon, dass sie von den Schatten befallen ist? Wenn es zu viele sind, werden wir es kaum noch geheim halten können.«

»Sollte es nicht längst zu spät sein«, warnte Thalahs behutsam. »Ma gràdh, du musst diese Möglichkeit zulassen. Du darfst dich nicht wieder so davon quälen lassen. Versprich es mir.«

Traurig betrachtete ich ihn, während meine Empfindungen ihn bereits durchwogten, als hätte ich sie laut ausgesprochen. »Wie soll ich dir etwas versprechen, was ich vielleicht nicht einhalten kann?« Zärtlich streichelte ich über sein Gesicht, spürte seine Sorgen. »Diesmal wird es anders sein, ma cùm. Du bist bei mir! Ich würde nicht ohne dich gehen.«

»Du könntest aber, also ich meine, sollte Puja niemanden ...«

Ich lächelte. »Er wird jemanden finden. Ich gehe nicht ohne dich. Ich kann gar nicht ohne dich.« Er schloss mich in seine Arme und ich genoss das Gefühl der Geborgenheit, das nur er mir zu schenken vermochte, bis Puja sich unbehaglich hinter uns räusperte. Schon wieder hatte ich sein Kommen nicht gespürt und ärgerte mich darüber.

»Amu würde gerne kurz mit Euch sprechen, Janaii«, bat er leise.

Schweren Herzens löste ich mich und ging zurück zu unserem Lagerfeuer. Thalahs drückte aufmunternd meine Hand, hauchte mir traurig lächelnd einen Kuss auf den Handrücken, darum bemüht, seine Beklommenheit und seine Sorgen zu unterdrücken. Ich wusste, dass er Angst um mich hatte, befürchtete, ich könnte mit einem weiteren Verlust nicht umgehen, mich davon niederdrücken lassen.

Puja verschwand. Ich nahm das als Zeichen ihrer Einwilligung und vermutete, dass er jemanden zu organisieren versuchte, der uns hier ablösen würde. Amu saß derweil am Feuer und blickte gedankenverloren in die Flammen. Schweigend setzten wir uns neben ihn. »Solltet Ihr das wahrhaftig zu wirken vermögen, Dilahr, stehe ich auf ewig ...«

Sanft legte ich ihm meine Hand auf seinen Arm. »Nicht, Amu. Wenn es möglich ist, werde ich ebenso glücklich sein wie Ihr und nichts weiter. Ich bete zu Taalie, dass wir noch rechtzeitig kommen, doch ich kann Euch nichts versprechen. Ihr müsst Euch mit dem Gedanken auseinandersetzen, genauso wie ich. Es tut mir von Herzen leid, aber Ihr seid gezwungen, vorher zu überlegen, was Ihr tun werdet, sollte es zu spät sein. Haben die Schatten sie erst einmal fest umschlossen, ist nichts Gutes mehr in ihr und wird es nie wieder sein.«

Er schwieg einen Moment, seine Anspannung dehnte sich aus, schien beinahe greifbar. »Stets war sie für alle da, hat sich um jedweden gesorgt, forderte im Gegenzug nie etwas für sich selbst ein. Es galt für sie als Selbstverständlichkeit. Als es begann, dass sie sich unwohl fühlte und sich zuweilen seltsam verhielt, wandten sich viele von ihr ab. Doch auch da offenbarte sie sich uns nicht, behielt es einfach für sich. Erst als sie es nicht mehr zu verbergen vermochte, nahmen wir die Veränderungen ebenfalls wahr. Wir gelangten jedoch viel zu selten Haim und bemerkten, es daher viel zu spät.« Schweigend starrte er ins Nirgendwo, abwesend. »Wir hätten es längst bemerken müssen.«

»Alles hat seinen Grund, richtig? Vielleicht will das Schicksal unbedingt, dass ich die Màtair meines sturen und durchaus gnadenlosen Socas kennenlerne, und wusste nicht wie?«

Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ihr würdet sie mögen, sie Euch gewiss.« Wortlos reichte Thalahs uns je einen vertrockneten, zähen Stängel, der mich an unser Trockenfleisch erinnerte. Lustlos kaute ich darauf herum, während wir warteten. Unvermittelt kehrte Puja zurück und nickte bestätigend. »Wer wird kommen?«, fragte Amu.

»Finlagh und Thal.« Bei der Nennung von Finlaghs Namen zuckte ich zusammen.

»Stimmt irgendetwas nicht?«, erkundigte Thalahs sich flüsternd, weil ihm meine Reaktion nicht verborgen geblieben war.

»Ich misstraue Finlagh«, entgegnete ich und spürte ihre Anwesenheit im selben Moment. »Thal hingegen vertraue ich mein Leben an und freue mich, ihn endlich wieder in die Arme schließen zu können.« Lächelnd erhob ich mich.

»Ich freue mich auch, Euch zu sehen, Janaii«, grüßte Finlagh leicht spöttisch und verneigte sich. Ich nickte lediglich, ehe ich Thal herzlich umarmte.

»Dilahr«, flüsterte er bewundernd und hielt mich an den Oberarmen ein Stück von sich weg. »Wohl siehst du aus, ein wenig erschöpft vielleicht, doch diese Reise behagt dir.« Ich grinste, spürte dann aber überaus deutlich Finlaghs bohrenden Blick im Rücken und zog Thal zu Parsch, weit genug von ihm fort, sodass er uns nicht mehr belauschen konnte. »Was gewahrst du nur gegen meinen Bràhær?« Nachsichtig schmunzelte er.

»Unsere erste Begegnung war, ich drücke es mal vorsichtig aus, nicht gerade freundlich, seinerseits, wohlgemerkt und so etwas gefällt mir einfach nicht. Er maßt sich ein Urteil an, obwohl er weder mich, noch Ehmeer kennt.«

Thal zog eine Braue in die Höhe. »O Dilahr, er ist sehr wohl mit Ehmeer bekannt. Alte Begebenheit und wahrlich nicht besonders erheiternd.«

»Kurzfassung?«, fragte ich, mittlerweile extrem neugierig.

»Ehmeer und ich begehrten dasselbe Mädchen«, fuhr Finlagh unvermittelt dazwischen. »Ich hatte mich aufrichtig verliebt, doch Ehmeer wirkte vielerlei, damit sie sich nicht für mich entschied, und letztendlich siegte er, wenn man es denn so nennen mag. Lediglich eine vollständige Mondphase lang schienen sie ein Paar zu sein, danach ließ er sie fallen und trieb sie davon. Ich sah sie nie wieder. Er selbst offenbarte mir, dass er sie nur zu erobern erstrebte, um mir aufzuzeigen, dass er gegen mich zu bestehen vermag.« Seine leise Stimme wirkte vollkommen tonlos, bar jeglicher Emotionen.

Nachdenklich wandte ich mich um. »Ihr solltet ihm dankbar sein.« Überrascht hob er eine Augenbraue. »Hätte sie Euch aufrichtig geliebt, wäre sie Ehmeer niemals verfallen. Sie kann nicht die Richtige für Euch gewesen sein, und dennoch tut es mir aus tiefstem Herzen leid für Euch.«

»Kein Wort der Entschuldigung für Euren Freund? Kein Wort der Rechtfertigung seines Handelns?«, fragte er höhnisch, während sein Blick mich förmlich durchdrang.

»Nein«, entgegnete ich schlicht. »Jede Geschichte hat zwei Seiten, so sagt man bei uns jedenfalls. Doch ich würde niemals Euren Standpunkt anzweifeln, denn es ist das, was Ihr erlebtet. Ich kenne seine Sicht der Dinge nicht, das ist wahr, und solange das der Fall ist, sage ich dazu auch nichts weiter. Ungeachtet dessen werde ich es nicht noch einmal hinnehmen, solltet Ihr Euch mir gegenüber erneut derart respektlos verhalten, wie Ihr es bei unserem ersten Aufeinandertreffen getan habt.« Ich wandte mich wieder zu Thal um.

»Was hat Puja dir erzählt?«, wollte ich wissen und hoffte, es würde sich nicht so besorgt anhören, wie ich glaubte.

»Nur, dass ihr für einen Mondgang nach Pujiany müsst und jemanden benötigt, der auf eure Habseligkeiten und Pferde achtgibt. Sonst nichts. Dilahr?«, endete er nun eindeutig misstrauisch.

»Thal, du vertraust mir doch, ja?« Er nickte ohne zu zögern. »Dann glaub mir einfach, dass das alles ist, was ihr vorerst wissen müsst.«

Erneut schloss er mich in seine Arme. »Für dich bewirke ich jedwedes, immer wieder und immerwährend.«

»Das müsst ihr alle euch dringend abgewöhnen«, regte ich mich auf, frustriert seufzend. »Freunde helfen einander, ohne dafür etwas zu verlangen. Du bist mehr als ein Freund für mich, Esthell und du ihr seid Familie, meine Teaglah 6. Ihr schuldet mir gar nichts.« Genervt verdrehte ich die Augen, als Thal laut auflachte.

»Hier wirken die Dinge anders, Dilahr«, rief er mir hinterher. »Und das wird auch immer so sein. Wenn jemand zu Recht in deiner Schuld steht, dann sind wir das, Teaglah hin oder her.« Ich drehte mich wieder zu ihm um, schon einige Schritte entfernt. Ich wollte ihn anschreien, ihm erklären, wie falsch er lag, denn ich hatte weit mehr bekommen, als er jemals zu begreifen in der Lage schien. Sie hatten mich aufgenommen, angenommen und mich schließlich vollkommen akzeptiert, ohne mich ständig ändern zu wollen. Doch verstehen würden sie das wohl nie, also beließ ich es dabei, ziemlich frustriert, wie ich gestehen musste.

Diese Dinge werde ich niemals so sehen wie sie!

Geknickt trat ich zu Thalahs, als mein Blick bei Amu hängenblieb. Beschämt über meine unwichtigen Gedanken rief ich mich zur Vernunft. Wenn hier jemand wirklich ernsthafte Sorgen hatte, dann waren das Amu und Puja.

»Ach, Dilahr? Ich habe hier noch eine Botschaft von Jarin für dich.«

»Von Jarin?« Geschockt bemerkte ich, dass ich mir keinerlei Gedanken mehr über ihn gemacht hatte.

»Ja, hier.« Er überreichte mir einen versiegelten Umschlag, den ich beklommen öffnete.

 

Liebe Dilahr,

es tut mir wahrlich leid, dass keine Spanne blieb, um mich persönlich von Dir zu verabschieden, doch ich muss auf unser Gut zurückkehren, um Dahir die letzte Ehre zu erweisen. Meister Papilo war so zuvorkommend, mich haim zu geleiten.

Ich bin mir gewiss, dass wir uns irgendwann wiedersehen. Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute und hoffe aufrichtig, dass Du Dein Glück finden wirst.

In tiefer Verbundenheit

Jarin

 

Seufzend legte ich den Brief beiseite und kämpfte mit meinen Emotionen. Ich hätte mich gerne persönlich von ihm verabschiedet, ebenso Dahir auf diesem Weg begleitet. Doch all das waren Dinge, die ich nicht mehr ändern konnte und mit denen ich mich abfinden musste.

Schatten

 

 

Ich trat auf Amu zu und ergriff seinen Arm. »Wollen wir?« Er zögerte, und ich erkannte seine unglaubliche Angst. »Es ist auch in Ordnung, wenn wir noch einen Augenblick warten.« Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen, standen wir bereits in einem fremden Zimmer. Amu löste behutsam seinen Arm und verschwand aus meinem Blickfeld. Es war dunkel und ich konnte so gut wie nichts erkennen. Ich spürte Pujas und Thalahs’ Ankunft nur einen Atemzug darauf hinter mir und wandte mich ihnen zu.

»Ihr kommt spät«, erklang es vorwurfsvoll.

Hastig erschuf ich einen Lichtball, verärgert darüber, dass ich nicht schon vorher auf die Idee gekommen war. Doch auch ohne Licht wusste ich, zu wem diese Stimme gehörte. Ich hätte sie wohl unter Tausenden wiedererkannt. »Lyril, war ja klar. Warum nur wundert mich das nicht?« Ich ging auf das Bett zu und erschrak. Die Frau, die reglos darin lag, war kreidebleich.

»Wir warten bereits ...«

»Nicht! Kein Wort will ich hören. Alle raus hier«, zischte ich und ergriff die Hand von Amus Mutter. »Amu, wie heißt sie?«, fragte ich leise und bemerkte meinen Fehler selbst. »Wie lautet ihr Name?«, wiederholte ich.

»Faic«, flüsterte er und kämpfte offensichtlich um seine Fassung.

»Lass ihn bleiben, Dilahr. Es ist in Ordnung, wahrlich. Und du benötigst jemanden, der befähigt ist, dich in die Castara zu bringen, hinterher. Ich erblickte diese hier in Ballach bisher nicht«, sprach Thalahs in meine Gedanken.

»Diese?«

»Es sind lethonan 7, Dilahr, du erinnerst dich?«

»Ja«, antwortete ich und sandte ihm meine Liebe. Seine Worte gaben mir Mut. Vollkommen selbstverständlich ging er davon aus, dass es mir gelingen würde, und das schürte meine Zuversicht.

»Amu, setzt Euch auf die andere Seite der Bettstatt und berührt sie. Vielleicht brauche ich Eure Hilfe.« Er eilte um das Bett herum, kniete davor nieder und ergriff ihre Hand. »Faic, hört Ihr mich?« Sie wurde unruhig, erwachte aber nicht. Ich holte tief Luft, rechnete mit dem Schlimmsten und verschmolz mit meiner Gabe. Bereits während ich meinen Blick öffnete, hielt ich den Atem an.

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ihre Magie, nur noch ein kläglicher Rest und doch so unvergleichlich strahlend schön. Was für ein Anblick müsste sie erst sein, wäre ihre Stärke vollends entfaltet? Ich besah mir die Schatten und stutzte. Irgendetwas war anders, ich kam aber nicht dahinter und drang behutsam weiter vor. Dann sah ich es plötzlich, erfasste das gesamte Ausmaß und versuchte krampfhaft, den Schrecken zu verbergen. »O Taalie, nein«, flüsterte ich und bemerkte meinen Fehler zu spät. Amu fuhr bei meinen Worten heftig zusammen, und ich verfluchte mich für meine eigene Dummheit. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ohne zu lügen, ohne falsche Hoffnungen zu erwecken. »Amu, verzeiht, könntet Ihr bitte Puja holen?« Ich sah seine Angst, seine tiefe Verzweiflung und die Frage ganz deutlich in seinem Blick, sah den Kampf, den er mit sich selbst ausfocht. »Und bittet Lyril mit hinein.« Er erhob sich ohne ein Wort, und ich war ihm dafür unendlich dankbar. Meine Gedanken rotierten und ich versuchte verzweifelt, sie zu ordnen. Leise betraten sie das Gemach.

»Lyril, nehmt meine Hand«, forderte ich, so neutral wie möglich. Sie ergriff sie augenblicklich und verstärkte damit das Gefühl ihrer Anwesenheit in meinem Geist. »Es ist anders als bei Cam und mir«, sprach ich zu ihr, unhörbar für die Soca. »Sie ist noch da, doch sie hat sich aufgegeben. Ein kleiner Teil der unzähligen Schatten hat sich in ihrem anam verankert, und ich erkenne einfach nicht, wie ich sie lösen kann, ohne ihr zu schaden. Also beginne ich zuerst damit, die schwebenden Schatten zu entfernen. Amu muss mich dafür aber immer wieder in die Castara bringen. Es sind unglaublich viele«, flüsterte ich in ihre Gedanken. »Ich habe Angst. Ich versuche alles, was ich kann, dennoch haben wir nur Erfolg, wenn sie ihren Willen wiedererlangt. Findet einen Weg, zu ihr durchzudringen. Sie ist Eure Freundin, tut, was Euch möglich ist, und zwar rasch.«

»Woher wollt Ihr wissen, dass sie eine Freundin ist?«, fragte sie, doch ich spürte ihr innerliches Beben.

»Weil Ihr sonst nicht hier wärt«, entgegnete ich schlicht.

»Amu, Puja?« Sie erwiderten meinen Blick, so voller Hoffnung, voller Glauben, dass es mich selbst förmlich durchdrang. »Ich habe gesagt, ich werde nicht lügen.« Beide nickten mir zu. »Es gibt einen Hoffnungsschimmer und dennoch ist es schlimmer, als ich befürchtete. Sie hat sich aufgegeben, und besitzt kaum noch Kraft, sich zu wehren. Ich nehme die Schatten auf, aber es sind wirklich viele. Amu, Ihr müsst mich daher mehrmals in die Castara bringen, sobald ich Euren Arm fasse, tut Ihr es unverzüglich. Nur dort kann ich die Schatten freigeben, ohne jemanden zu gefährden. Ihr kennt den Zwilling, also den lethon 8, der sich hier befindet?«

»Ja.«

»Den neuen lethon?«, ergänzte ich vorsichtshalber.

»Beide.«

»Gut. Puja, nehmt die Hand Eurer Màtair, Amu, stellt Euch an meine Seite. Wenn ich Euren Arm drücke, bringt Ihr mich ohne zu zögern mitten in die Castara, verstanden? Sie ist doch jetzt frei, oder? Niemand darf uns sehen.«

Er zögerte, dann verschwand er, tauchte nur einen Augenblick später wieder auf und nickte. Ich setzte mich auf die Bettkante, spürte Amu dicht bei, Lyril auf der anderen Seite neben mir und Puja mir gegenüber.

Ich ließ mich fallen, formte einen Schlag und zog an Faics Magie, nahm die Schatten auf und verwob sie. Bereits in dem Moment, in dem ich zu agieren begann, wusste ich, dass ich es zu zögerlich tat, meine Angst zu groß wurde, mich zu übermannen drohte, und löste mich hastig. Sofort flossen die Schatten zurück.

»Glaubt daran, dass es möglich ist, Dilahr. Vertraut auf Euer Gefühl, vertraut auf Euch selbst«, hörte ich Lyrils Stimme leise und ruhig in meinem Kopf.

Nachdem ich tief Luft geholt hatte, versuchte ich es erneut, ließ mich von den Erinnerungen an Cam fluten, an seine Magie und dem Wissen, dass es mir gelungen war, sie dort zu besiegen.

Den Schlag ausgehöhlt in der Hand ergriff ich die Schatten, sicher und fest diesmal, verwob sie hinein, verschloss ihn und formte den zweiten. Ich wiederholte es wie bei dem ersten und verknüpfte, zupfte und zerrte, bis es sich richtig anfühlte, und nahm den nächsten.

Drei Schattenkugeln hielt ich nun und drückte Amus Arm, öffnete die Augen und staunte. »Oh«, flüsterte ich überrascht, wandte meine Aufmerksamkeit aber sofort von dem Zwilling ab, spürte Amus Angst zu deutlich und verschmolz mit der Magie der Castara, wurde von ihr geflutet, von ihrer Kraft und ihrer Stärke erfüllt. Nacheinander gab ich die Schläge an die Barriere ab. Ohrenbetäubend krachten sie hinein.

»Niemand wird kommen«, versprach Amu schlicht, als hätte er meinen Schrecken aufgrund des Krachs bemerkt. Erleichtert drückte ich seinen Arm und schon standen wir wieder in Faics Gemach.

 

Ich wiederholte es, wieder und wieder, behutsam, um nicht die bereits tief verankerten Schatten zu erwischen, dadurch dauerte es jedoch Ewigkeiten, wie es mir schien. Inzwischen hatte ich aufgehört zu zählen, wie oft Amu mich in die Castara gebracht hatte.

»Ruhe ein wenig«, flüsterte Thalahs plötzlich hinter mir. »Ihr ebenfalls«, wies er Amu an und drückte dessen Schulter. Ich bemerkte erst jetzt, dass mir der Schweiß lief.

»Der Magister spricht recht, Mädchen. Wenn Ihr uns umfallt, nützt Ihr niemandem mehr. Euer Soca sieht ebenfalls so aus, als bräuchte er dringend eine Unterbrechung, ehe er in der Lage ist, Euch erneut in die Castara zu bringen.«

»Amu? Puja?« Ganz schwach hörten wir die Stimme und wandten uns ruckartig um. Faic sah uns an, ihr Blick blieb jedoch immer wieder bei ihren Söhnen hängen. Nachdem ich sie ein weiteres Mal durch meine Gabe betrachtet hatte, erhob ich mich und ergriff Thalahs’ Hand. Faics Leuchten strahlte stärker als zuvor, die Anzahl der Schatten war deutlich gesunken, daher sollte es ungefährlich sein, ihnen diesen Moment zuzugestehen. Ich zog Thalahs mit mir, wollte das Gemach verlassen, um ihnen ein wenig Privatsphäre zu gönnen.

»Janaii?«, erklang mein Titel leise. »Ihr seid tatsächlich gekommen«, flüsterte sie. »Ich muss unbedingt mit Euch sprechen.« Zitternd holte sie Atem. Ich weiß nicht, was genau es war, aber irgendetwas störte mich. Ich sank in meine Gabe, ohne den Blick von ihr abzuwenden. »Gebt mir Eure Hand, Kind«, wisperte sie und plötzlich sah ich die Schatten in ihren Augen, bemerkte das Zerren an ihrer Seele. Noch kämpfte sie verbissen dagegen an.

»Lyril«, schrie ich und stürzte auf Amu zu, der Anstalten machte, sich an ihrem Bett niederzulassen. »Haltet sie fest, ohne ihre Hände zu berühren. Niemand!« Aufgebracht hatte Amu zwar innegehalten, zögerte nun jedoch. Ich ignorierte ihn, vollkommen auf Faic konzentriert, gab ich ihren Blick nicht frei, sank in meine Gabe und folgte nur noch meinem Gefühl. »Amu«, tönte eine Stimme und erst Sekunden später registrierte ich, dass ich meine eigene hörte. »Ihr schuldet mir mehr als Vertrauen. Fasst ihre Beine und lasst sie nicht los, gleichgültig, was geschieht, egal wie sie tobt und schreit, Ihr müsst sie festhalten.« Ich sah, wie sehr sie sich anstrengte, sich gegen die Schatten auflehnte, doch es waren zu viele, um sich dauerhaft gegen sie zu wehren. »Puja, zeigt Thalahs die Castara hier. Faic, hört mir zu!«, schrie ich. »Gebt nicht auf, hört Ihr?!«

»Mädchen, ich bin hier, was tut Ihr da? Nehmt meine Hand und lasst mich sprechen. Puja, Amu, helft mir«, zeterte sie und verstärkte damit die Unsicherheit der beiden.

»Ihr schuldet es mir, Amu, das und noch vieles mehr!« Mit aller Kraft zog ich, erspürte den Widerstand, spürte den unsäglichen Schmerz, den Faic erlitt.

Haltet durch, Faic, bitte!

»Dilahr, wir verlieren sie, bei Taalie«, rief Lyril.

Ich atmete tief ein.

Glaube an die Möglichkeit, glaube, dass alles möglich ist, vertraue deinem Gefühl, vertraue auf dich!

Als sprächen Cam und Thal diese Worte tatsächlich, hörte ich sie, so klar und rein wie auf unserer gemeinsamen Reise im Chor, immer wieder, bis ich nichts anderes mehr wahrnahm.