Italienische Sommerträume - Das Orangenhotel auf Sizilien - Kerstin Garde - E-Book
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Italienische Sommerträume - Das Orangenhotel auf Sizilien E-Book

Kerstin Garde

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Beschreibung

Nach einem Schicksalsschlag stürzt sich Fotografin Helene ganz in die Arbeit. Und das mit Erfolg: Ihre Fotos werden in einer Galerie ausgestellt. Bei der Eröffnungsfeier steht sie plötzlich ihrem alten Freund Paolo gegenüber, den sie längst aus den Augen verloren hatte. Überraschend lädt er sie nach Sizilien ein, um dort Werbefotos für das Familienhotel seiner Großeltern zu machen, das in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Da sie dringend einen Tapetenwechsel braucht, nimmt Helene das Angebot an und wird von Paolos Familie herzlich auf der sonnenverwöhnten Insel empfangen. Inmitten der leuchtenden Orangenhaine findet sie nicht nur ihre Kreativität wieder, sondern kommt Paolo auch immer näher. Doch dann droht die Vergangenheit, die beiden einzuholen ...

Die neue Liebesroman-Reihe von Kerstin Garde nimmt uns mit an die schönsten Orte Italiens. Perfekt für alle, die das Dolce Vita lieben und sich nach Sonne und Romantik sehnen.

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Seitenzahl: 374

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Rezept für Nonnas Caponata

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Nach einem Schicksalsschlag stürzt sich Fotografin Helene ganz in die Arbeit. Und das mit Erfolg: Ihre Fotos werden in einer Galerie ausgestellt. Bei der Eröffnungsfeier steht sie plötzlich ihrem alten Freund Paolo gegenüber, den sie längst aus den Augen verloren hatte. Überraschend lädt er sie nach Sizilien ein, um dort Werbefotos für das Familienhotel seiner Großeltern zu machen, das in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Da sie dringend einen Tapetenwechsel braucht, nimmt Helene das Angebot an und wird von Paolos Familie herzlich auf der sonnenverwöhnten Insel empfangen. Inmitten der leuchtenden Orangenhaine findet sie nicht nur ihre Kreativität wieder, sondern kommt Paolo auch immer näher. Doch dann droht die Vergangenheit, die beiden einzuholen …

Die neue Liebesroman-Reihe von Kerstin Garde nimmt uns mit an die schönsten Orte Italiens. Perfekt für alle, die das Dolce Vita lieben und sich nach Sonne und Romantik sehnen.

KERSTIN GARDE

Kapitel 1

Helene

Klick. Das letzte Bild war im Kasten. Neugierig ging ich die Fotostrecke in der Vorschau meiner Kamera durch. Cremefarbene Wolken zogen über den zartrosa Horizont, der sich in den sanften Wellen der Elbe spiegelte. In der Ferne ragten Hafen-Kräne wie mystische Greifarme empor, die versuchten, den Himmel zu berühren. Wenn das nicht die perfekte Komposition war!

Meine Auftraggeber von der Elbe-Edition konnten zufrieden mit meiner Arbeit für den geplanten Bildband Die Schönheit Hamburgs sein.

In den letzten Tagen hatte ich für den Verlag die bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Hansestadt abgelichtet, von der Speicherstadt bis zum Park Planten un Blomen. Als gebürtige Hamburgerin und freiberufliche Fotografin hatte ich mir diesen Auftrag nicht entgehen lassen wollen.

Der Elbstrand jedoch war ein besonderes Motiv für mich, denn hier hatten mein Mann Artur und ich unser erstes Date gehabt. Nach einem romantischen Essen im Restaurant waren wir am Strand entlangspaziert, Arm in Arm, weil wir gemerkt hatten, wie gut es mit uns gepasst hatte. Und zwar genau heute vor fünf Jahren, weswegen ich mir das Shooting auch für diesen besonderen Frühlingstag aufgehoben hatte, um ein bisschen in Erinnerungen zu schwelgen.

Ich drückte den Deckel aufs Objektiv und ging in die Hocke, wo ich nach der Tasche zwischen meinen Füßen griff und die Kamera sorgsam darin verstaute. Mit einer raschen Handbewegung zog ich den Reißverschluss zu, ehe ich mich aufrichtete und mir den Gurt über die Schulter warf.

Ein junges Paar lief an mir vorbei. Sie war klein und dunkelhaarig mit einem roten Stich, er groß und blond. Ihre Kleidung, die Art wie sie sich bewegten – sie erinnerten mich an Artur und mich. Sanft legte er den Arm um ihre Schulter, während ihre Hand über seinen Rücken strich.

Ihre Blicke trafen sich. Ich konnte die Innigkeit zwischen ihnen spüren, obwohl ich sie nicht kannte. Unwillkürlich beneidete ich sie, wünschte, Artur könnte heute, am Jahrestag unseres ersten Dates, bei mir sein. Artur war die Liebe meines Lebens. Vor zwei Jahren hatten wir uns das Ja-Wort gegeben, uns geschworen, gemeinsam durch dick und dünn zu gehen. Aber nun war er nicht hier. Sein Job brachte es mit sich, dass er viel unterwegs war. Das ließ sich nicht ändern. Artur arbeitete für die Franchise-Abteilung einer bekannten Hotelkette. Seine Aufgabe war es, potenzielle Geschäftspartner zu akquirieren und deren Hotels auf Herz und Nieren zu prüfen, ob sie die hohen Standards seines Arbeitgebers erfüllten. War das der Fall, durften sie den Zusatz Sunrise Hotel tragen, wurden im Sunrise-Register geführt und auch als Teil der Kette beworben. Das war ein bedeutender wirtschaftlicher Vorteil, wie Artur gern zu sagen pflegte. Jetzt war er in Zürich, um eben dieses Prozedere ein weiteres Mal mit einem neuen Bewerber zu durchlaufen. Das hieß für mich, eine Woche ohne Artur.

Das junge Paar hatte dieses Problem nicht, es verschwand in der Ferne, verwandelte sich in zwei verschwommene Punkte, die schließlich miteinander verschmolzen. Ein wehmütiges Ziehen blieb in meiner Brust zurück.

Ich machte mich auch besser auf den Heimweg, bevor ich hier noch Wurzeln schlug. Zügig begab ich mich zur nächsten Bushaltestelle, wo gerade ein Doppeldecker hielt. Ich stieg ein und fuhr bis nach Groß Flottbek, um am Hemmingstedter Weg wieder auszusteigen.

Der alte Holzboden knarrte, als ich kurz darauf in dem Apartment unseres Wohnblocks verschwand und meine Turnschuhe in unserem Flur abstreifte.

Unsere Wohnung war rustikal und einen Tick zu klein, weswegen wir schon seit Ewigkeiten darüber nachdachten, uns zu vergrößern.

Ich legte ab, brachte den Fotoapparat in mein Arbeitszimmer, das in Wahrheit nur eine kleine Kammer neben dem Bad war, und machte mir einen Tee in der Küche. Ich fühlte mich einsam. Heute besonders. Aber ich wollte nicht undankbar sein. Artur und ich hatten ein gutes Leben.

Das heiße Wasser blubberte, als ich es in die Tasse goss. Der Beutel, der folgte, färbte es in intensiv rot. Ganz nebenbei bemerkte ich, dass es schon kurz vor sechs war. Mein Herz geriet in Wallung, denn es bedeutete, dass ich gleich seine Stimme hören würde. Sein männliches Timbre, in das ich mich auf Anhieb verliebt hatte und das mich auch heute noch wie auf Wolken schweben ließ. Ich setzte mich ins Wohnzimmer, stellte die dampfende Tasse auf den Tisch und holte schon mal das Handy hervor.

»Morgen ruf ich dich um Punkt achtzehn Uhr an«, hatte er mir versprochen, denn es war ja unser Jahrestag, und den hatte er noch nie vergessen. Die Jahre davor hatte es immer eine Überraschung gegeben. Einen Blumenstrauß, ein leckeres Essen. Ich vermisste ihn schrecklich. Ich nippte an dem Tee und verbrannte mir fast die Zunge. Etwas zu energisch stellte ich die Tasse auf den Tisch zurück, sodass der Inhalt über den Rand schwappte.

Mit einem Taschentuch wischte ich das Malheur weg, sah immer wieder aufs Display meines Handys, aber es blieb stumm. Auch um zehn nach sechs hatte es sich noch zu keinem Ton durchringen können. Irritiert nahm ich es in die Hand, checkte den Akkustatus, doch der war bei siebzig Prozent. Es sah Artur nicht ähnlich, sich zu verspäten, es sei denn, er hatte noch nicht Feierabend. Kurzerhand schickte ich ihm eine Textnachricht, in der ich nachhakte, ob alles okay sei.

Es kam keine Antwort. Auch das war untypisch für ihn.

Fünf Minuten später klingelte es überraschend an der Tür. Wie merkwürdig, ausgerechnet jetzt. Für einen winzigen Moment hatte ich die Hoffnung, Artur könne vor der Tür stehen, um mich zu überraschen. Oder dass er mir eine kleine Aufmerksamkeit liefern ließ.

Ich erhob mich und eilte mit klopfendem Herzen durch den Flur.

Ich weiß bis heute nicht, wieso, doch in dem Moment, in dem ich mit der Hand die Klinke umfasste, überkam mich eine dunkle Vorahnung. Sie kroch an meinen Zehen entlang, die Beine hoch und das so schnell, dass sie mein Herz erreichte, noch bevor ich den Griff heruntergedrückt hatte. Ich wusste einfach, es war etwas passiert. Etwas, das nichts Gutes verhieß. Natürlich glaubte ich nicht an Vorahnungen, aber dieser Moment ließ mich schaudern, denn mit jeder Faser meines Körpers wusste ich, dass ich recht hatte.

Rasch zog ich die Tür auf und blickte auch schon in das faltige Gesicht eines älteren Mannes, der in einer Polizeiuniform steckte.

»Ja, bitte?«

»Sind Sie Frau Helene Landrut?«, fragte der Beamte mit tiefer Stimme. Wie das Grollen von Donner klang diese, das aus der Ferne von Unheil kündete.

»Ja … warum?«, wollte ich aufgeregt wissen. Etwas in meiner Brust schnürte sich zusammen.

»Ich bin Herr Ludwig von der Polizei Hamburg und im Auftrag der deutschen Botschaft in Bern hier. Darf ich vielleicht reinkommen?«

Ich fuhr mir über die Stirn. Das ungute Gefühl wurde nur noch größer, noch erdrückender.

»Sicher.« Ich führte ihn ins Wohnzimmer, wo wir uns auf das Sofa setzten. Meine Knie waren ganz weich vor Aufregung. Der Beamte, der mir nun gegenübersaß, straffte die Schultern.

»Es geht um Ihren Mann, Herrn Artur Landrut.«

Ich presste die Hand auf die Brust, versuchte, mein Herz zu beruhigen. Es war einer dieser Momente, in denen die Zeit anders verlief und man das Gefühl hatte, selbst der Sekundenzeiger der Wanduhr würde sich in Zeitlupe bewegen.

»Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten für Sie.«

Es bestätigte sich, was ich instinktiv angenommen hatte, und doch war es ein Schock. Plötzlich kippte alles ins Gegenteil, verlief viel schneller, der Sekundenzeiger raste. Vorbei war es mit dem gemütlichen Tick … Tick.

»Was … was ist passiert?« Meine Stimme klang, als gehörte sie gar nicht mir. Die Aufregung sprengte meine Wahrnehmung, ich kam mir vor, als wäre ich gefangen unter einer Dunstglocke. Innerlich aufgewühlt, nach außen hin betäubt.

Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm, rief mir eine innere Stimme zu. Vielleicht ist er tot, rief eine andere.

»Die Botschaft hat uns informiert, dass Ihr Mann einen Skiunfall hatte.«

Herr Ludwig brach ab. Ich hatte das Gefühl, er wollte noch mehr sagen, doch das tat er nicht.

Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. Skiunfall – nichts davon ergab Sinn. Ich versuchte zu verarbeiten, was gerade gesagt worden war.

Artur hatte einen Skiunfall gehabt? Aber … wieso war er Skilaufen gewesen? Heute waren doch die Verhandlungen mit dem Franchise-Bewerber in Zürich. Darüber hatten wir gestern noch gesprochen. Die fanden ganz sicher nicht auf der Piste statt. Waren sie womöglich verschoben worden? So etwas kam schließlich vor. Wahrscheinlich hatte er sich daraufhin eine Auszeit genommen, um in der nahe gelegenen Mythenregion Ski zu laufen, die Saison ging noch bis Ende März.

Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn, merkte, wie meine Finger zitterten, als hätte ich sie nicht mehr unter Kontrolle. Vermutlich war das auch der Fall. Herr Ludwig atmete tief ein. Da war noch mehr. Ich spürte es.

»Leider …«, setzte er an, und gleichzeitig hörte mein Herz auf zu schlagen. »… hat er den Sturz nicht überlebt.«

Stille. Sekundenlang.

Sturz nicht überlebt, raste es in meinen Gedanken, die sich einem Inferno gleich überschlugen.

Nein! Alles in mir schrie auf, aber aus meinem Mund drang kein Laut.

»Frau Landrut?«, sprach mich Herr Ludwig an, doch ich war wie weggetreten.

»Benötigen Sie Hilfe? Soll ich eine psychologische Beratung kommen lassen?«

Ich schüttelte den Kopf, eine gefühlte Ewigkeit schien zu vergehen, ehe der Mann sich erhob. »Es tut mir sehr leid«, sagte er. Vielleicht wartete er, dass ich ihn hinausbrachte, aber im Augenblick war ich nicht dazu in der Lage. »Wenn Sie doch Hilfe brauchen, zögern Sie bitte nicht, den medizinischen Bereitschaftsdienst oder die Telefonseelsorge zu kontaktieren.« Ich nickte wie ferngesteuert, hörte seine Stimme nur aus der Ferne, genauso wie die Tür, die ins Schloss fiel, nachdem er gegangen war.

Kapitel 2

Helene

Welcher Tag heute war? Ich wusste es nicht. Irgendwie hatte ich funktioniert, ohne es mitzubekommen. Kommende Woche war die Beerdigung. Sie hätte aber auch morgen oder bereits gestern gewesen sein können. Es machte keinen Unterschied. Meine Schwiegermutter und ich hatten diese in die Wege geleitet. Da war ich noch im Erledigungs-Modus gewesen, hatte es doch einiges zu organisieren gegeben, darunter auch die Rückführung.

»Wieso ist er nur auf die Piste gegangen?«, hatte ich mich immer wieder gefragt. »Es gibt doch so viele Möglichkeiten, sich in der Schweiz zu entspannen.«

Von Arturs Arbeitgeber hatte ich inzwischen erfahren, dass die Verhandlung tatsächlich verschoben worden war. Wäre das nicht passiert, wäre er jetzt vielleicht noch hier, er hätte mich abends an unserem Jahrestag angerufen und alles wäre gut.

»Diese Fragen stelle ich mir auch, Kind. Immer wieder. Aber er hat Skifahren geliebt«, hatte Arturs Mutter gesagt und mich in den Arm genommen. »Wir müssen jetzt zusammenhalten, als Familie.«

Und dann war schließlich das Organisatorische abgewickelt gewesen, und ich fand mich plötzlich in einem Loch wieder, weil die Erkenntnis, nun ganz ohne ihn zu sein, für immer, wie ein Gewitter über mich hereinbrach.

Alles fühlte sich fortan unwirklich an. Grau wie der Abendhimmel, der durch mein Fenster zu sehen war. Träge, schwere Wolken verdeckten den Mond.

Meine Hand glitt zu der leeren Betthälfte, die sonst nach Artur geduftet hatte. Jetzt tat sie es nicht mehr. Seine Sachen hingen noch in den Schränken, aber das war alles. Sonst war nichts mehr von ihm hier.

Dass ich in diesem Loch steckte, war auch Mama klar. Einmal täglich kam sie vorbei, um mir etwas zu essen zu bringen. Meistens Hühnersuppe. Ich bekam jedoch kaum etwas runter. Abends schauten außerdem meine guten Freundinnen Juna, Marla und Minna abwechselnd vorbei. Unsere Freundschaft bestand seit der Schulzeit. Sie hatten es sich zur Aufgabe gemacht, sich um mich zu kümmern, wofür ich dankbar war. Ohne sie würde mir die Decke endgültig auf den Kopf fallen.

Ein weiterer Blick zum Fenster, und die Sonne strahlte mir entgegen. Wieder war eine Nacht herum, und ich erinnerte mich kaum an den Tag davor. Schwermütig schleppte ich mich in die Küche, machte mir ein Sandwich und legte mich wieder hin. Zwei Happen, mehr bekam ich nicht runter. Meine Gedanken kreisten. Immer noch, oder schon wieder. Konnten nicht greifen, dass jemand in Arturs Alter einfach von uns gegangen war. Mit Anfang dreißig!

Nun hörte ich die Türklingel wie aus der Ferne. Wer konnte das sein? Für Mama war es ein bisschen früh. Irgendwie hatte ich gerade nicht die Energie, noch einmal aufzustehen.

»Geh weg«, flüsterte ich. Das Klingeln aber hörte nicht auf. Okay, okay … ich komme ja schon.

Zerrupft wie ich aussah und im Pyjama schleppte ich mich durch die Wohnung, jeder Schritt so schwer wie Blei. An der Tür angekommen, linste ich durch den Spion.

Draußen stand Paolo, der Partner von Arturs Arbeitskollegin Sonja. Vor gut anderthalb Jahren hatte Artur vorgeschlagen, dass man sich doch öfter mal mit anderen Pärchen treffen könnte. Das hatten wir dann auch getan. Es war ganz nett gewesen, sich ein bis zwei Mal im Monat zu sehen und etwas zu unternehmen. Doch während ich mich mit Sonja nach und nach angefreundet hatte, war mir Paolo immer ein bisschen fremd geblieben. Umso erstaunter war ich, dass nun ausgerechnet er vor der Tür stand. Immer noch hatte ich eigentlich keine Lust auf Besuch.

»Helene? Mach bitte auf.«

Paolo klopfte einige Male, dann klingelte er erneut. »Wir müssen reden.«

Ich ahnte, dass er nicht so schnell das Weite suchen würde. Zumal nun auch noch mein Handy klingelte, mit seinem Namen auf dem Display. Zweifelsohne hörte er den Klingelton durch die Tür und wusste spätestens jetzt mit Bestimmtheit, dass ich zu Hause war. Wo hätte ich an diesem Morgen auch sonst sein sollen?

Also schön. Ich konnte mich wohl nicht länger drücken.

Das Klingeln meines Handys erstarb. Wieder klopfte es an der Wohnungstür.

»Schon gut«, murrte ich.

Als ich öffnete, sah ich einen besorgten Ausdruck, der sich auf Paolos Gesicht abzeichnete. Seine große Gestalt wirkte, als passte sie kaum durch die Tür. Die dunklen Haare fielen ihm in die Stirn, verbargen seine warmen Augen aber nicht ganz. Sie wirkten ernst, auch er war natürlich mit den Nerven am Ende, Artur war schließlich ebenso sein Freund gewesen. Zuletzt hatten wir sogar eine gemeinsame Reisen geplant. Nach Italien. Zugegeben, die Idee hatten Artur und Sonja gehabt, die auch den Kern unserer Pärchengruppe gebildet hatten.

Wie Artur sich auf Bella Italia gefreut hatte! Und ich erst, liebte ich doch Italien. Es war mein Traumland. Und dann dieser Schicksalsschlag, der so plötzlich über uns alle hereingebrochen war. Mir schwindelte, aber ich versuchte, es zu ignorieren. Ich richtete mich auf, straffte die Schultern. Normalität, das war die Devise.

Zumindest für die nächsten Augenblicke, solange Paolo hier war. Damit er nicht annahm, dass man sich um mich kümmern musste. Er sollte einfach sagen, was er zu sagen hatte, und dann gehen.

»Komm rein«, bot ich leise an.

Etwas verloren standen wir uns in meinem schmalen Flur gegenüber. Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Trotz der vielen Unternehmungen und der geplanten Reise hatte zwischen uns die Chemie nie recht stimmen wollen. Aber das wurde mir erst jetzt richtig bewusst, da wir uns anschwiegen. Artur und Sonja waren als Kollege und Kollegin das Zentrum unserer Gruppe gewesen, die treibende Kraft, Paolo und ich eben Partner und Partnerin.

Eigentlich überraschte es mich sogar, dass er nach mir sehen kam. Zu Sonja hätte das viel eher gepasst. Und jetzt fiel mir auch auf, dass sie sich ziemlich rarmachte, seit das Unglück geschehen war.

»Es … tut mir sehr leid, was passiert ist …«, sagte Paolo schließlich.

Wie oft ich das inzwischen gehört hatte. Alle hatten sich früher oder später per Handy oder E-Mail gemeldet, um mir ihr Beileid zu bekunden, sogar ein paar Karten waren angekommen, und doch wusste niemand, wie es sich anfühlte, seine Liebe auf diese Weise zu verlieren. Es hatte keine Vorwarnung, keine Möglichkeit des Abschieds gegeben. Es war geschehen, von einem Moment zum nächsten, und danach war alles anders gewesen.

Man erlag zu leicht der Illusion, man hätte sein eigenes Leben und das seiner Liebsten irgendwie unter Kontrolle. Man achtete auf Ernährung und Fitness, versuchte, so gesund wie möglich zu leben und vorsichtig im Straßenverkehr zu sein. Aber dann geschah es eben doch, irgendwie, unvorhergesehen. Und niemand wusste, wann und wie.

Ein Scherbenhaufen zerbrochener Träume und zerstörter Pläne lag dann plötzlich vor einem. Alles, was man dann noch tun konnte, war, die Scherben zusammenzufegen. Was so viel mehr Kraft kostete, als ich es je für möglich gehalten hätte.

»Können wir uns setzen?«, fragte Paolo ernst.

Ich nickte und führte ihn ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch und ich mich in den Sessel setzte. Er musterte mich immer wieder, bis mir einfiel, wie ich aussah. Ich zupfte an meinem Pyjama herum, beschloss dann aber, dass es eigentlich egal war. Wer so früh unangekündigt herkam, musste damit rechnen, dass ich eben erst aufgestanden war.

»Was zu trinken?«, fragte ich, denn höflich wollte ich sein.

Er schüttelte den Kopf. »Wie geht es dir?«

Ich schloss die Augen, wusste keine Antwort. Nein, eigentlich ging es mir beschissen, doch ich vermutete, dass es nicht das war, was er hören wollte.

Wir schwiegen. Eine ganze Weile. Wie schon so oft. Die Sache mit der Chemie …

»Meine letzten Worte zu Artur waren ›Hals und Beinbruch‹«, hörte ich ihn dann doch sagen. »Ich wollte ihm viel Glück für seine Reise und die Verhandlungen wünschen«, erklärte Paolo nun, und seine sonst samtene Stimme brach. »Wenn ich geahnt hätte …«, er hielt inne. Paolo fuhr sich über die Stirn. »Ich wünschte, ich hätte etwas anderes gesagt. Noch mehr wünschte ich, dass wir jetzt stattdessen alle vier in einem Restaurant sitzen und Focaccia genießen könnten.«

Ich schluckte. Es war eine Anspielung darauf, dass wir uns einmal im Monat bei unserem Lieblingsitaliener getroffen hatten, ein kleines, lieb gewonnenes Ritual, das sich zwischen uns etabliert hatte. Es war immer lustig gewesen. Ein Highlight im stressigen Alltag. Und wir alle hatten Italien gemocht. Paolo hatte dort Familie, Artur hingegen war noch nie in Italien gewesen, aber voller Neugierde, genauso wie Sonja. Und ich hatte früher sogar in den Ferien dort mit meinen Schulfreundinnen gejobbt. Damals hatten wir vier uns in Land und Leute verliebt, ein bisschen Sprache und Kultur kennengelernt. Marla hatte sich sogar in einen attraktiven Künstler verknallt. Ich hingegen hatte mir gewünscht, ich würde irgendwann dort leben. Aber dann war alles anders gekommen.

Ich nickte. Ehrlich, ich wünschte auch, dass es so wäre. Dass wir jetzt dort wären. Natürlich.

Aber Paolos Blick, die Art, wie er vor mir saß, irgendwie verkrampft, sagte mir, dass das nicht alles war, was er mir sagen wollte.

»Hör zu … es gibt da etwas, das du noch nicht weißt … über die Reise nach Zürich«, fing er auch schon an.

Ich horchte auf.

Seine schlanken Hände, die trotzdem groß wirkten, hakten sich ineinander, er knetete sie, bis sie rot wurden.

»Worum geht es?«, verlangte ich zu erfahren.

Jetzt hob er wieder den Blick. »Du weißt, dass Sonja zum selben Zeitpunkt einen Termin in Basel hatte?«

Ich nickte, sie hatte das erwähnt gehabt. In Arturs und ihrem Beruf kam man viel herum, sie suchten verschiedene Hotels in ganz Europa auf. Das war Teil der Jobbeschreibung und daher nichts Ungewöhnliches.

»Sie war nicht dort«, erklärte er.

Paolos Miene war starr, während er das sagte.

»Moment, willst du sagen, Sonja hätte uns … angelogen?«

Das ergab nun wirklich keinen Sinn, aber Paolo nickte.

»Ich möchte dich vorbereiten auf das, was vielleicht noch kommt«, sagte er.

»Was soll … denn noch kommen?« Es konnte ja wohl kaum noch schlimmer werden, oder? Ich war bereits am Rand meiner Kräfte, kauerte in meinem Sessel im Pyjama und wusste nicht mal genau, welcher Tag eigentlich war.

»Sonja will eine Rede für Artur auf der Beisetzung kommende Woche halten …«

Wieso wollte Sonja eine Rede über meinen Mann halten? Vermutlich, weil er sie damals unter seine Fittiche genommen hatte, als sie vor anderthalb Jahren in seiner Firma angefangen hatte. Dennoch fand ich es eigenartig. Was berechtigte sie zu einer Rede? Wäre das nicht meine Aufgabe? Müsste sie die Rede nicht zumindest mit mir besprechen? Und wieso erfuhr ich all das jetzt von ihm? Warum hatte er von Basel angefangen? Wieso war Sonja nicht dort gewesen?

Sein Blick schien leer, nein, eher gequält. Das bereitete mir ein noch unangenehmeres Magendrücken. Denn das etwas nicht stimmte, war wohl offensichtlich.

»Was ist hier los?«

»Helene, ich weiß nicht, wie … ich es sagen soll …«

»Raus damit, du machst mir Angst.«

Das konnte ich nun zu allem Überfluss wirklich nicht gebrauchen. Meine Hände verkrampften sich unwillkürlich.

Paolo nickte. »Du musst es erfahren …«

»Was denn erfahren, mein Gott!«, wurde ich lauter.

»Sonja … war nicht in Basel, sondern auch in Zürich. Mit Artur.«

»Was?«

Es war nicht selten vorgekommen, dass Artur und Sonja gemeinsam auf Geschäftsreise gegangen waren, aber diesmal war das nicht der Fall gewesen. Basel … Zürich überschlugen sich die Gedanken in meinem Kopf. Wieso waren sie zur selben Zeit am selben Ort gewesen, hatten aber etwas anderes behauptet? Die einzig logische Antwort auf diese Frage gefiel mir nicht.

»Das kann nicht sein.« Ich fuhr mir durch die strähnigen Haare. Nein, diesen neuen Twist der Ereignisse mochte ich nicht, wollte ich nicht hören. Mein Mann und meine Freundin? Niemals!

»Es ist aber so. Und es hatte auch einen Grund, warum sie dort war, Helene.«

Er brauchte nicht weiterzureden, ich wusste, was er sagen wollte. Aber das war undenkbar!

Ich schüttelte heftig den Kopf, wollte die Worte abwehren, noch bevor er sie aussprach. Meine Welt war doch bereits eingestürzt, wieso hörte er nicht auf zu reden?

»… sie war nicht beruflich in der Schweiz, sie hat ihn auf seiner Geschäftsreise begleitet, weil sie ein Verhältnis hatten.«

Da war es raus. Ausgesprochen. Und somit plötzlich real. Sonjas angeblicher Geschäftstermin in Basel, der keiner gewesen war. Der Skiunfall in der Mythenregion am Tag der Verhandlungen. Sonjas Wunsch, eine Rede auf der Beerdigung zu halten, ohne es mit mir zu besprechen.

Ich hielt inne, hörte auf meinen viel zu schnellen Herzschlag. Mir schwindelte. »Nein«, sagte ich.

Und doch schossen unzählige quälende Gedanken durch meinen Kopf, die einen erschreckenden Sinn ergaben. Sonja musste den Sturz miterlebt haben, sie hatte gesehen, wie Artur in den Schnee gefallen war, sich nicht mehr geregt hatte. Sie war dabei gewesen, als der Rettungshubschrauber gekommen war. Sie war die letzte Person, mit der er zusammen gewesen war, die letzte Person, die er geküsst hatte …

»Das kann … nicht sein …«, brachte ich erneut, diesmal keuchend hervor. Ich wollte nicht, dass es wahr war!

»Der Schock über die Ereignisse und ihre Trauer haben sie dazu gebracht, es mir zu sagen. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was vor sich ging, genauso wenig wie du …«, erklärte sich Paolo.

Ich schaute zu ihm hoch, sah, dass auch etwas in seinem Blick zersprungen war wie Glas. Nur ein feiner Riss. Man hätte ihn leicht übersehen können, mir entging er jedoch nicht.

»Sie hat es mir gestern gestanden.« Paolo schloss die Augen, als kämpfte er mit seinem eigenen Schmerz.

Aber in diesem Moment war ich einfach nur wütend, dass er es ausgesprochen hatte, mir eine Wahrheit offenbart hatte, die ich überhaupt nicht wissen wollte. Hätte er mich doch nur in Ruhe gelassen in meiner Abgeschiedenheit, in der jeder Tag gleich gewesen war. Nun hatte ich Artur noch einmal verloren!

Doch neben dieser Wut, die fast nebensächlich war, versuchte mein Hirn, mir eine andere Wahrheit einzureden. Eine, die so viel leichter zu ertragen wäre. Eine, die ich glauben wollte, mit aller Kraft.

»Das sind alles Lügen!« Artur hätte mich nie betrogen! Schon gar nicht an unserem Jahrestag. Auch noch mit Sonja, die meine Freundin war!

Tränen stiegen mir heiß in die Augen, sie brannten wie Feuer. Ich sah Paolo nur noch verschwommen. Arturs und meine Liebe war alles, was mich jetzt noch aufrecht hielt. Und das wollte er mir nehmen?

Wieso verbreitete er solche ungeheuerlichen Gerüchte? Wieder fiel mir ein, wie wenig ich ihn kannte. Von uns vieren war er mir immer am meisten fremd geblieben. Wieso sollte ich ihm glauben, ihm vertrauen?

»Ich bin auf deiner Seite.«

Nein, er machte alles nur noch schlimmer. Warum auch immer. Mit dieser abstrusen Geschichte, die keinen Sinn ergab. Und davon wollte ich nicht noch mehr hören!

»Geh. Auf der Stelle.«

»Helene …«

»Bitte, Paolo. Geh!«

Ich ertrug seine Nähe nicht länger. Ich wollte wieder allein sein, die Zeit vergessen. Besser noch alles vergessen, einfach alles.

Langsam erhob er sich.

»Ich wollte dir nicht noch mehr wehtun«, sagte er bedauernd. »Aber du musstest die Wahrheit erfahren.«

Ich schnaubte. Spuckte das Wort »Wahrheit« aus, als wäre es ein Hohn.

Paolo verengte die Augen. »Wie du meinst, Helene. Ich lass dich nun zur Ruhe kommen.« Ich sah ihm an, wie gekränkt er war. Aber das änderte nichts daran, dass ich ihm nicht glauben konnte.

Langsam schritt er durch die Wohnzimmertür. Wieder hatte ich das Gefühl, dass er gerade so hindurchpasste.

Ich folgte ihm in den Flur, die Dielen knarzten unverändert.

Doch vor der Wohnungstür hielt er noch einmal inne, drehte sich langsam zu mir um.

»Wenn etwas ist, weißt du ja, wie du mich erreichen kannst«, bot er an. Überrascht davon, dass er mir noch immer die Hand reichte, sog ich die Luft durch die Zähne. Eine kleine Brücke, über die ich gehen könnte. Doch ich wollte nicht.

Nachdem Paolo gegangen war, lehnte ich mich mit dem Rücken erschöpft an die Tür, sank zu Boden und vergrub das Gesicht in meinen Händen.

Kapitel 3

Paolo

Zwei Jahre später

Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder in Hamburg zu sein. Fast, als wäre ich nie fort gewesen, dabei hatte ich die letzten Jahre auf Sizilien verbracht, um meinen Großeltern bei der Leitung des Familien-Hotels zu helfen. Ich hatte diese Zeit wohl gebraucht, um alles zu verarbeiten.

Es gab Dinge, die waren verzeihlich. Ein Betrug aber war es in meinen Augen nicht. Was Sonja heute machte, wusste ich nicht. Ihre Worte allerdings klangen noch immer in meinen Ohren nach.

»Ich wollte dich nicht verletzen, das musst du mir glauben, Paolo. Aber Artur hat mir wieder die Sonnenseiten des Lebens gezeigt, mit ihm konnte ich endlich wieder unbeschwert sein. Das mit uns, das war doch nur noch wie ein Schatten.«

Sie hatte recht gehabt, unsere Liebe war irgendwann erloschen, nur hatten wir es nicht gemerkt oder nicht wahrhaben wollen.

Ich hatte damals mit mir gehadert, ob ich überhaupt zu der Beisetzung erscheinen sollte. Nach dem Aus mit Sonja und dem Streit mit Helene war ich mir fehl am Platz vorgekommen. Die Freundschaft, die uns einst alle verbunden hatte, war zerstört gewesen. Ich hatte bis zum letzten Moment gewartet, war dann schließlich doch gekommen und im Hintergrund geblieben, einfach, um für mich selbst einen Abschluss zu finden. Sonja hatte auf ihre Rede über ihre glühende Liebe zu Artur verzichtet, worüber ich froh gewesen war. Es hätte bloß für noch mehr Chaos gesorgt.

Ich hatte sie nur kurz gesehen, genauso wie Helene. Ein Wolkenschauer war plötzlich über uns hereingebrochen und hatte dafür gesorgt, dass sich die Anwesenden in ein Restaurant geflüchtet hatten. Doch ich hatte mich dem nicht anschließen wollen.

Der Regen prasselte auch jetzt ohne Unterlass gegen die Fensterscheiben, ich beobachtete, wie Menschen durch die Straße eilten, als wären sie auf der Flucht, während der Sommerschauer sich erbarmungslos über sie ergoss. Dieser schien mich auf meinem Weg zum Chez Louis zu begleiten, wo ich meinen alten Geschäftspartner Eduard Waltner treffen wollte. Zuvor hatte ich meinen Eltern einen Besuch abgestattet, weil ich ja nur noch selten hier war. Ich hatte das Wiedersehen sehr genossen.

Die bunten Leuchtreklamen spiegelten sich in den Scheiben.

Endlich erkannte ich darunter auch das Logo des französischen Restaurants durch die Windschutzscheibe meines Taxis.

Der Wagen hielt, ich bezahlte den Fahrer und stieg aus in den Regen, die letzten Schritte legte ich noch einen Zahn zu.

Als ich schließlich die Eingangstür erreichte, war mein Jackett durchnässt. Ich zog es aus, fuhr mir durchs Haar und hoffte, dass ich nicht allzu zerzaust aussah.

»Willkommen«, begrüßte mich ein Kellner und führte mich zu Eduards Tisch, nachdem ich ihm gesagt hatte, mit wem ich verabredet war.

Das Restaurant war gut besucht. Volle Tische überall, Gemurmel und Gelächter.

Die leicht gedrungene Gestalt Eduards, die an einem der hinteren Tische direkt unter einem Kunstdruck von La Liberté guidant le peuple saß und dessen Stirnglatze im Licht der niedrig hängenden Lampe glänzte, erkannte ich auf den ersten Blick. Er beugte sich gerade über die Speisekarte, sah aus wie eh und je, als wäre keine Zeit vergangen. Als hätten wir erst gestern hier gesessen, um eine Kampagne für das Liva Hotel zu besprechen, das ich damals als Manager geleitet hatte. Ja, so waren wir damals zusammengekommen. Ich als Auftraggeber und er als Werbefachmann, den ich auch heute noch sehr schätzte. Ich hoffte, dass er meinen Großeltern eine helfende Hand würde sein können, denn das Familienhotel steckte in Schwierigkeiten.

»Guten Abend«, begrüßte ich ihn.

Eduard hob den Kopf. Der Kellner ließ uns allein.

Mein alter Freund reckte sich mir entgegen, klopfte mir auf die Schulter.

»Paolo! Wie schön, dich wiederzusehen. Bitte nimm Platz«, sagte er und bot mir mit einer schwungvollen Handbewegung den Stuhl ihm gegenüber an, auf den ich mich sogleich sinken ließ. »Du hast dir ein Schietwetter für deine Rückkehr ausgesucht«, sagte er scherzend und schob mir ein leeres Glas zu, in das er Roséwein goss.

»In der Tat.« Ich fuhr mir nochmals durchs Haar.

»Komm erst mal richtig an«, meinte Eduard aufmunternd und schenkte sich selbst nach. Seit der damals sehr erfolgreichen Kampagne, die er für mich umgesetzt hatte, waren wir per Du. Ich atmete tief ein, versuchte mich zu ordnen und legte eine Mappe auf den Tisch, die ich Eduard reichte.

Dieser stellte sein Glas zur Seite, nahm sie entgegen und blätterte darin. Im Vorfeld hatte ich ihm mein Vorhaben am Telefon erklärt, doch es schien, als hätte er meine Entscheidung, das Management eines erfolgreichen Hamburger Hotels zugunsten einer kleinen sizilianischen Casa aufzugeben, nicht recht verstanden. Dies sah ich ihm an.

»Eines musst du mir verraten, Paolo. Als du damals Hals über Kopf Hamburg verlassen hast, war ich ein wenig überrascht«, erklärte er auch schon. »Du hattest das Liva Hotel an der Binnenalster sehr erfolgreich gemanagt. Über Gästezahlen konnten sich die Besitzer jedenfalls nicht beschweren, wie du mir stets gesagt hast. Warum also der hastige Aufbruch? Und dann noch für dieses kleine Hotel im Nirgendwo.«

»Wie ich dir schon am Telefon sagte, die Casa di Rinaldi ist ein Familienunternehmen, das mir sehr am Herzen liegt«, sagte ich und nahm einen kräftigen Schluck Wein, denn mehr musste er nicht wissen. Ein zweiter folgte, und schon war mein Glas leer.

»Ich verstehe.« Eduard goss mir nach und betrachtete die Aufnahmen, die ich ihm vom Hotel meiner Großeltern mitgebracht hatte. Es wirkte urig, versprühte das Flair des Mediterranen. Ein Hotel der Sorte, wie es sie heute nur noch selten gab.

Mein Vater war dort groß geworden, aufgewachsen in der alten Casa di Rinaldi, war dann aber der Liebe wegen nach Deutschland gezogen, wo er meine Mutter geheiratet und eine Familie gegründet hatte. Meine jüngere Schwester und ich waren daher zweisprachig aufgewachsen, und die Sommerferien auf Sizilien in Italien zu verbringen, war für mich seit jeher das Größte gewesen. Kaum ein Wunder also, dass dies auch heute noch mein bevorzugter Rückzugsort war. Ich hatte damals nach der Trennung von Sonja einfach genug von dem ganzen Chaos gehabt und mich nach Ruhe gesehnt, die ich dort gefunden hatte. Zumindest bis zu dem Moment, an dem offenbart worden war, dass die Casa in ziemlichen Nöten steckte.

»Eine Renovierung ist wohl bitter nötig«, stellte Eduard beim Anblick des alten Hauses fest und traf den Nagel auf den Kopf.

Ich hatte lange gebraucht, Nonna und Nonno davon zu überzeugen, dass auch sie mit der Zeit gehen mussten, wenn sie keine Einbuße an Gästen verzeichnen wollten. Genau genommen war das ja schon der Fall. Die Zahl der Buchungen war in den letzten Jahren stark zurückgegangen, insbesondere in der Hochsaison, weswegen schnell ein Rettungsplan hermusste. Die Casa war schließlich nicht nur ein Hotel, sondern auch das Zuhause meiner Großeltern. Sie liebten sie aus ganzem Herzen. Deswegen musste ich alles tun, um sie zu erhalten. Es gab keinen Ort, an dem sie sonst leben wollten.

Inzwischen hatten die Arbeiten und Modernisierungsmaßnahmen begonnen, und die Frage nach einer geeigneten Werbekampagne hatte sich gestellt, weswegen ich mich vertrauensvoll an Eduard gewendet hatte. Nach unserem ausführlichen Telefonat letzte Woche hatte er mich dann spontan nach Hamburg eingeladen, um konkrete Details für die Kampagne zu besprechen, weswegen ich nun also hier saß, an diesem regnerischen Abend.

Wieder landete der Inhalt meines Glases in meiner Kehle.

»Noch etwas Wein?«, fragte Eduard, der geschickt den Rosé über meinem Glas balancierte, ohne dass auch nur ein Tropfen aus der Öffnung kam. Seines Zeichens war er seit zwanzig Jahren im Geschäft, hatte eine der erfolgreichsten Werbeagenturen Deutschlands geleitet. Normalerweise übernahm er nur noch Großaufträge, aber im Fall der Casa wollte er aufgrund unserer Freundschaft eine Ausnahme machen. Verständlicherweise sorgten sich meine Großeltern um die anfallenden Kosten. Da ich als ehemaliger Manager des Liva Hotels gut verdient hatte, war ich bereit, die finanzielle Seite zu übernehmen. Meine Großeltern hatten schon viel in die Sanierung gesteckt, waren dabei auch von meinen Eltern so gut es ging unterstützt worden, obwohl diese wegen ihres nur schleppend laufenden Kiosks auch jeden Cent zwei Mal umdrehen mussten. Aber Familie war Familie. Also war es nur fair, wenn auch ich meinen Beitrag leistete. Doch auch was die Kosten betraf, war mir Eduard entgegengekommen. »Auch ein kleines Projekt kann seinen Reiz haben. Für dich, Paolo, übernehme ich diesen Auftrag gerne. Eigentlich freue ich mich sogar darauf, endlich mal wieder mit einem kleineren Kunden und dessen Vorstellungen zu tun zu haben.«

Wofür ich Eduard wirklich dankbar war, ich wusste, bei ihm war die Kampagne in guten Händen.

Nachfragend deutete er nun auf die Weinflasche.

»Danke, nicht für mich«, lehnte ich ab, beobachtete, wie er sich stattdessen selbst eingoss und sich das bauchige Glas mit der zartroten Flüssigkeit füllte.

Zu viel Wein war noch nie ein guter Berater bei Geschäftsverhandlungen gewesen. Der Kellner nahm unterdessen unsere Bestellungen auf. Wir entschieden uns für Coq au Vin und unterhielten uns über die Möglichkeiten, die Eduard sah.

»Bis wann sollen die Arbeiten am Hotel fertig sein?«, hakte er nach.

»Sechs bis acht Wochen wird es noch andauern, mit dem Herbstbeginn wollen wir nach Möglichkeit die ersten Gäste begrüßen.«

Das war ein ambitioniertes Ziel.

»Dann wäre die Hauptsaison gerade zu Ende«, gab Eduard zu bedenken.

»Allerdings gilt als beste Reisezeit für Sizilien Mitte Mai bis Mitte Oktober. Da würden wir, wenn alles glattläuft, genau reinfallen.« Es hatte auch Vorteile. So konnten meine Großeltern eventuelle Anlaufschwierigkeiten besser bewältigen, weil es dann doch etwas weniger hoch herging als in der Hochsaison.

»Der Vorlauf für die Kampagne ist trotzdem ein bisschen knapp«, überlegte Eduard und schob seine Brille die Nasenwurzel hoch. »Doch wir könnten sie so gestalten, dass sie noch den ganzen Oktober weiterläuft und dann rechtzeitig im nächsten Frühjahr fortsetzen. Dadurch würden die Buchungen für die folgende Hauptsaison angestoßen werden.«

So hatte ich mir das gedacht.

»Ich habe da schon ein Konzept vor Augen«, fing Eduard an, seine Ideen zu schildern. Von Social-Media-Kampagnen war die Rede, vom Hervorkitzeln des Charakters des Hotels, Werbebannern auf Portalen und Partnerschaften mit bekannten Reise-Youtubern, die Review-Videos in ihren Travel Vlogs posten würden. Die Fülle an zeitgemäßen Vorschlägen überzeugte mich schnell, denn eines war klar: Eduard wusste, wovon er sprach. Er hatte viele Hotels der Hansestadt groß gemacht. Seine Kundenliste war fast so lang wie das Hamburger Telefonbuch.

Das Essen wurde serviert, ein echter Hochgenuss. Ich merkte erst jetzt, wie hungrig ich gewesen war, hatte ich doch den ganzen Tag über noch nichts gegessen.

»Wir werden alle wichtigen analogen Kanäle bedienen, Touristen-Magazine, Reisebroschüren … europaweit. Traditionelles italienisches Leben auf Sizilien mit modernstem Komfort.«

Ich konnte Eduards Vision vor mir sehen, doch für eine gute Kampagne brauchte es auch gutes Bildmaterial. Dies war das A und O, was natürlich auch Eduard wusste und direkt ansprach.

»Was meinst du, Paolo, hast du nach unserem Essen noch etwas Zeit?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Sicherlich, worum geht es denn?«

»Hat es Ihnen geschmeckt?«, unterbrach der junge Kellner bevor er begann, unsere Teller abzuräumen. Ich nickte ihm freundlich zu, während Eduard seine Finger zu seinen Lippen führte und mit einem Luftkuss verband, um seiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen.

»Es war wie immer ein Genuss, mein Kompliment an den Chefkoch.«

»Das richte ich ihm gerne aus«, versprach der Kellner und brachte die Teller weg, nur um uns gleich darauf das Dessert in Form einer köstlich karamellisierten Crème Brûlée zu bringen.

Mit dem Dessertlöffel zerbrach ich die knackende Karamellschicht und probierte einen Bissen. Nicht übel. Gar nicht übel …

»Wo waren wir?«, überlegte mein alter Freund. »Ach ja. Die Fotos! Wie es der Zufall will, bin ich heute noch zu einer Ausstellungseröffnung eingeladen, die von ein paar Fotografinnen organisiert wurde, mit denen wir schon oft zusammengearbeitet haben.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ah, wir sind ein bisschen spät. Die Eröffnung hat eben angefangen. Aber kein Grund zur Eile, wir schlagen einfach etwas später auf. Ich würde dir jedenfalls gerne ein paar der Werke zeigen. Vielleicht kommt eine der Damen als Fotografin für dein Werbeprojekt infrage.«

»Eine Ausstellung …«, sagte ich wenig erfreut, spürte ich doch die Müdigkeit in meinen Knochen und wollte ablehnen, aber Eduard lächelte gewinnend und winkte den Kellner herbei, um zu zahlen.

»Du wirst es nicht bereuen. Und das Essen hier geht natürlich auf mich, Paolo.«

Kapitel 4

Paolo

Der Regen hatte nachgelassen, und frischer Wind strich mir über die Wange, als wir kurz darauf aus Eduards Wagen stiegen. Er brachte den Geruch des Hafens zu mir herüber, während wir auf die Deichtorhalle zugingen. Es war Mitte Juli und dennoch frisch, was am Hamburger Wetter lag.

Ein Plakat hing über dem Eingang, auf dem in dicken Lettern das Wort Momente stand, offenbar das Motto der Ausstellung. Ich war noch unschlüssig, ob sie das Richtige für mich war.

Zügig ging Eduard jedoch voran, ich hatte keine andere Wahl, als ihm in den Eingangsbereich zu folgen, wo ich mein Jackett abgab, das inzwischen wieder trocken war. Eine hölzerne Plakette mit einer Nummer darauf verschwand in meiner Hosentasche. Flüchtig nahm ich die Gäste wahr, die die Ausstellung wieder verließen und in die angrenzende Bar gingen, wohl, um noch einen Absacker zu sich zu nehmen. Eduard winkte mich zu sich.

Ein weißer Raum mit Schwarz-Weiß-Fotografien empfing uns, als wir einer Gruppe von Interessierten ins Innere der Halle folgten. Hier drinnen war es viel wärmer als draußen, geradezu heiß, weswegen ich den oberen Knopf meines Hemdes öffnete.

»Sehen wir uns also um«, sagte Eduard und klatschte voller Aufbruchsstimmung in die Hände. Ich war mir sicher, er war ein guter Werbefachmann, nur ob er Kunst wirklich verstand, daran hatte ich meine Zweifel, schnellte er doch voraus, ohne sich auch nur eines der Werke näher anzusehen.

Ich hingegen blieb vor der einen oder anderen Aufnahme stehen, um sie auf mich wirken zu lassen, was Eduard dazu zwang, sich meinem Tempo anzupassen. Ich musste ein wenig schmunzeln. In eine Ausstellung ging man ja wohl kaum, um einmal durchzurasen. Ich nahm mir also bewusst die Zeit, die einzelnen Ausstellungsstücke zu betrachten. Was ich hier sah, gefiel mir. Die Künstlerinnen hatten einen Blick für den richtigen Moment, weswegen das vielleicht auch der Name der Veranstaltung geworden war.

Ein häufiges Motiv war Bewegung, die durch eine Aufnahme wie eingefroren erschien, eben eine Momentaufnahme. Das hatte eine gewisse Dynamik, die neugierig machte und den Betrachter zwang, sich das Werk genauer anzusehen. Außer man war Eduard Waltner und wollte lieber eine neue Rekordlaufzeit aufstellen. Es war wohl doch keine schlechte Idee gewesen herzukommen, ging es mir durch den Kopf.

Plötzlich entdeckte ich ein Bild, das mich förmlich in seinen Bann zog. Ich konnte nicht sagen wieso, aber etwas an dem Foto kam mir vertraut vor. Es stach unter allen anderen heraus und brachte mich dazu, meinen Blick einzig auf diese Komposition zu richten und alles andere um mich herum für einen Augenblick zu vergessen.

Es zeigte den Hamburger Hafen bei Nacht.

Er war nahezu leer. Lediglich eine einzelne Person stand im Licht des Mondes, der voll und prall am Himmel hing. Einsamkeit war der Titel des Bildes. Und obwohl ich ein Mann war, der nicht leicht aus der Ruhe zu bringen war, löste das Bild etwas in mir aus. Etwas, das dafür sorgte, dass sich meine Brust zusammenschnürte. Ein unangenehmer Druck, weil dieses Foto genau einfing, was ich in diesem Moment spürte. Und doch konnte ich den Blick nicht von dem Werk lösen.

Jemand, der mit solcher Hingabe fotografierte, konnte gewiss auch die Casa so in Szene setzen, dass man vom Anblick der alten italienischen Villa geradezu gefangen war.

Ein solches Talent brauchten wir für die Kampagne. Das war für mich völlig klar. Mich überkam das Gefühl der Gewissheit, dass diese Fotografin genau diejenige war, die ich suchte. Und welch Jammer es gewesen wäre, wenn ich Eduards Einladung nicht gefolgt wäre. Ich kniff ein bisschen die Augen zusammen, um den Namen der Fotografin unter dem Bild erspähen zu können, doch bevor mir das gelang, bemerkte ich plötzlich, wie jemand neben mich trat.

Unwillkürlich schaute ich zu der jungen Frau, die sich zu mir gesellt hatte. Eine zierliche Gestalt mit rotbraunen Haaren, die mir überraschend vertraut war.

»Helene«, raunte ich erstaunt.

»Guten Abend, Paolo. Das ist ja eine Überraschung«, sagte sie sanft. »Wie ich sehe, interessierst du dich für meine Fotografie.«

Ungläubig schaute ich zwischen der Einsamkeit und ihr hin und her. Jetzt konnte ich auch den Namen der Fotografin entziffern, dort stand tatsächlich Helene Landrut.

Ich war beeindruckt, merkte ihr aber auch an, dass sie genauso wenig damit gerechnet hatte, hier auf mich zu treffen, wie ich auf sie.

»In der Tat … ich suche eine Fotografin für einen Job«, erklärte ich ein bisschen durcheinander. »Ich meine, es ist ein tolles Werk.«

Sekundenlang blickten wir uns einfach nur an. Ein Schwall an Gefühlen brach in mir aus, die mir äußerlich niemand angemerkt hätte. Ein Wechselspiel aus Überraschung, Wiedersehensfreude und Neugier. Aber das waren nicht die einzigen Emotionen, die ich empfand.

Da war sie, die Frau, der ich damals eine tröstende Schulter hatte bieten wollen, weil sie und ich durch die gleiche schreckliche Situation gegangen waren, und die mich dann der Lüge bezichtigt und vor die Tür gesetzt hatte. Damals war ich wirklich verärgert und enttäuscht gewesen. Und jetzt war ich es auch noch, wenngleich nicht mehr im selben Ausmaß, schien es doch eine Ewigkeit her, seit wir zuletzt aufeinandergetroffen waren, und doch gleichzeitig, als wäre es erst gestern gewesen.