Herbstzauber im kleinen Katzen-Café - Kerstin Garde - E-Book

Herbstzauber im kleinen Katzen-Café E-Book

Kerstin Garde

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Beschreibung

Herbstträume, Hochzeitsglocken und ein Wiedersehen mit den zauberhaften Katzen: Ein Wohlfühlroman zum Wegträumen ins romantischste Katzencafé der Lüneburger Heide. Für alle Leser:innen von Manuela Inusa und Holly Hepburn  Lilly und Baptiste haben es getan! Ganz romantisch haben sie sich auf einer Mittelmeerreise das Ja-Wort gegeben. Doch ihre Familien bestehen auf einer Nachfeier, mit allem Drum und Dran. Wo diese stattfinden soll? Natürlich bei Mr. Maunz und den anderen Samtpfoten des kleinen Katzencafés im beschaulichen Oldendorf. Das frischvermählte Ehepaar hat alle Hände voll zu tun, das Fest zu organisieren. Aber dann taucht plötzlich Lillys alter Jugendschwarm auf und es wird kompliziert. Denn wenn er in ihrer Nähe ist, verspürt Lilly wildes Herzklopfen. Unerwartet kommen ihr Zweifel, ob sie in ihrem Leben die richtigen Entscheidungen getroffen hat … 

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© Piper Verlag GmbH, München 2023

Redaktion: Diana Steigerwald

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Kossack GbR, Hamburg.

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Traumstoff Buchdesign traumstoff.at

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

Winter-, Frühlings-, Herbstzauber im kleinen Katzen-Café … da fehlt doch was?

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

1. Kapitel

Das Kissen fühlte sich so weich an. Lilly seufzte leise, kuschelte sich in die Decke und zugleich näher an ihn. Ihre Hand glitt über sein Hemd. Sie spürte, wie sein Herz schlug. Schnell und kraftvoll. Genauso wie ihres.

Nein, ihr Herz schlug sogar noch ein wenig schneller. Dafür gab es einen Grund, einen sehr guten sogar. Immerhin wollten sie sich heute das Jawort geben.

Lilly schreckte hoch, war mit einem Mal hellwach. Das Jawort! Panisch glitt ihr Blick zur Uhr. Sie hatten verschlafen! Es hatte doch nur ein Nickerchen werden sollen. Ein paar Minütchen ausruhen nach der Anreise

»Baptiste«, rief Lilly und rüttelte an seiner Schulter.

»Was ist denn?«, murmelte er.

»Wir sind eingeschlafen!«

Sofort fuhr auch er hoch, saß mit zerzausten Haaren aufrecht im Bett. »Verflixt. Wie viel Zeit bleibt uns noch?«

»Eine Stunde.« Lilly stieg aus dem Bett, streifte sich ihre Bluse ab und öffnete den Koffer, um das weiße Strandkleid herauszuholen.

Sicher, es war nicht unbedingt das, was viele sich unter einer Hochzeitsgarderobe vorstellten. Aber diese Hochzeit war auch außergewöhnlich.

Vor genau drei Wochen hatte Baptiste diese Idee gehabt, Lilly während ihres Sommerurlaubs am Strand von Gibraltar zu ehelichen. An kaum einem anderen Ort ging das unbürokratischer. Sie hatten lediglich ein paar Dokumente einreichen und eine Agentur beauftragen müssen. Schon war alles unter Dach und Fach gewesen. Lilly hatte sich sofort in die Vorstellung verliebt. Nur sie beide. Am Strand. Ganz romantisch. Zwar waren ihre Familien nicht bei ihnen, aber dafür war eine kleine Nachfeier angedacht, auf die Lilly sich schon freute.

Ihre Eltern waren ziemlich überrascht gewesen, als sie ihnen kurzfristig von ihren Heiratsplänen erzählt hatte. Ganz zu schweigen von ihrer besten Freundin Neele, die ein wenig enttäuscht gewesen war, nicht Lillys Trauzeugin sein zu können. Letztlich hatten ihnen aber alle jedes Glück der Welt gewünscht.

Lilly hechtete ins Bad, machte sich noch mal frisch und streifte sich das Kleid über. Dann musterte sie ihr Spiegelbild. Doch die Uhr tickte. Die dunkelblonden Locken steckte sie rasch zu einem hohen Zopf zusammen, den sie zu einem dicken Knoten wickelte. Außerdem legte sie etwas Make-up auf, während Baptiste seine Tasche öffnete.

»Wie konnte das nur passieren?« Er schnaubte.

»Wir schaffen das«, sagte Lilly, um sie beide zu motivieren. Auch wenn sie sich etwas mehr Zeit für die Vorbereitungen gewünscht hätte. Es war nun mal, wie es war. Zum Glück lag das Hotel in der Nähe des Strands, sodass sie zu Fuß dorthin gelangen konnten.

»Fertig!« Sie blickte der jungen Frau Ende zwanzig im Spiegel entgegen. Schon stürzte sie aus dem Badezimmer, suchte nach den passenden Schuhen.

Baptiste ging auch noch mal ins Bad, kurz danach hatte er ein blaues Hemd und eine feine Hose angezogen. Nun sorgte er noch für eine angemessene Frisur.

»Können wir?«, fragte Lilly mit Blick auf die Uhr, die unentwegt weiter tickte.

Baptiste griff nach ihrer Hand, lächelte sie an. »Du siehst umwerfend aus.«

»Du auch.« Lilly hauchte einen Kuss auf seine Lippen, doch nur kurz, denn sie war inzwischen viel zu aufgeregt.

»Haben wir denn alles?«

Lilly nickte. »Wir haben uns.«

»Na, dann los!«

Schon eilten sie aus ihrem Hotelzimmer durch den Flur und in den Fahrstuhl, der sie in die Lobby brachte. Fast stießen sie mit ein paar anderen Gästen zusammen, die herzlich darüber lachten. Ob man ihnen ansah, dass sie ein verpeiltes Brautpärchen waren?

Die Sonne brannte heiß, als Baptiste und Lilly das Hotel verließen und den gepflasterten Weg hinunterblickten, der zum Strand führte.

Lilly griff atemlos nach seiner Hand. »Wir sind ja schon fast da«, sagte sie und lachte. Den schönsten Tag in ihrem Leben hatte sie sich nicht ganz so hektisch vorgestellt.

»Komm.« Baptiste zwinkerte und zog sie mit sich. Lilly ließ sich mitreißen. Doch auf halber Strecke blieb Lilly geschockt stehen.

»Baptiste …«

»Ja?«

Er hielt inne, runzelte die Stirn.

»Die … die Ringe.«

Er tastete seine Hemd- und Hosentaschen ab, vergeblich.

»Die müssen noch im Hotelzimmer sein. Ich renne rasch zurück.«

Lilly schüttelte mit wildem Herzklopfen den Kopf. »Nein … die … die Ringe sind noch zu Hause«, stammelte sie.

»Was?«

»Ich weiß es genau, sie liegen in der Schublade an der Theke des KittyCat.«

Sie hatte die Ringe dort hineingelegt, um sie auf keinen Fall zu vergessen. Das hatte ja wunderbar geklappt.

Lilly spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Das war wirklich eine schlechte Idee gewesen. »Tut mir leid … ich … Wie konnte ich nur unsere Ringe dort liegen lassen?«

Baptiste griff sie sanft bei den Schultern. »Alles gut, wir heiraten heute trotzdem.«

»Aber ohne Ringe? Wie soll das gehen?«

Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.

Baptiste blickte sich um. »Vielleicht gibt es hier einen Laden …«

Lilly hob den Blick. Sie sah nur Souvenirläden, Boutiquen mit verschiedenen Sommerkleidern, außerdem Bars und Restaurants.

»Warte hier.« Baptiste reichte ihr ein Taschentuch, dann eilte er auf ein paar Leute zu, sprach mit ihnen und rannte zu einer weiteren Gruppe.

Lilly wusste nicht, was er vorhatte. Sie trocknete sich die Tränen und sah sich noch etwas um. Unter all den touristischen Läden erspähte sie einen Bäcker, aber der hatte wohl kaum Ringe im Angebot.

»Ich weiß, wo wir unser Glück versuchen können«, sagte Baptiste, als er zu ihr zurückkam. Er war ziemlich außer Atem. »Es gibt ein kleines Pfandhaus in einer Seitenstraße.«

»Ein Pfandhaus?« Das klang nicht unbedingt romantisch.

Doch Baptiste lächelte sie an, hielt ihr die Hand hin, als wollte er sagen: Lass es uns auf einen Versuch ankommen.

Lilly atmete tief ein, legte ihre Hand in seine und ließ sich abermals von ihm mitziehen. Allzu schnell ging ihr die Puste aus, während sie über die Pflastersteine hechteten. Schließlich bogen sie in eine Nebenstraße ein. An der Ecke befand sich ein altes Geschäft, das eher an ein Krämerlädchen als an ein Pfandhaus erinnerte.

»Da ist es«, sagte Baptiste und zog sie weiter. Schnaufend betraten sie das Geschäft. Lilly fühlte sich mitnichten wie eine Braut, sondern völlig erschöpft. Mit der Hand fächerte sie sich Luft zu, während sie nach Atem rang. Baptiste war etwas fitter als sie, er sprach bereits den Inhaber an, der einen Kasten unter dem Verkaufstisch hervorholte und präsentierte.

Langsam kam Lilly näher, um die Schmuckstücke zu mustern, die dort bereitlagen.

Die Ringe sahen alle unterschiedlich aus und ganz und gar nicht wie Eheringe. Ein paar waren sogar rostig.

Lilly fuhr sich über die Augen, die inzwischen brannten.

»Ich weiß nicht recht, Baptiste … Vielleicht soll es einfach nicht sein? Zumindest nicht heute«, sagte sie betrübt.

Baptiste drehte sich ihr zu. »Ich gebe noch nicht auf«, erklärte er, was Lilly ein bisschen ansteckte. Er nahm ihre Hand. »Heute ist unser Tag, Lilly. Das spüre ich.«

Sie spürte es ja auch, nur ohne Ringe?

»Haben Sie noch andere Ringe?«, fragte er den freundlichen, älteren Herrn auf Englisch. Dieser fuhr sich über das mit grauen Stoppeln verzierte Kinn und nickte dann lächelnd. Er legte den Kasten unter den Tisch zurück, um kurz in einem Hinterraum zu verschwinden. Als er zurückkam, hatte er ein Kästchen dabei, das er vor ihren Augen aufklappte.

Erstaunt musterten Lilly und Baptiste die beiden Ringe, die von derselben Machart waren und perfekt zueinander passten. Zweifelsohne handelte es sich um Trauringe, die irgendwer hier verpfändet und nicht wieder abgeholt hatte. Als hätte er geahnt, dass eines Tages ein Brautpaar dringend nach ihnen suchen würde.

Lilly nahm den kleineren der Ringe in die Hand. Er war aus einem matten Gold mit einer handgearbeiteten Oberfläche. Ein einzelner Brillant war zu erkennen, den sie ansprechend fand. Allerdings fehlte ein zweiter Stein daneben. Irgendwann musste er herausgefallen sein, nur eine kleine Kuhle war zurückgeblieben. Dennoch … dieser Ring war etwas Besonderes. Das Schmuckstück wirkte schlicht, wie Lilly es mochte, und wies auch keine Gravur auf, was eine Erleichterung war. Es hätte sich komisch angefühlt, wenn fremde Namen auf der Innenseite eingraviert gewesen wären.

»Wieso wurden die Ringe nicht abgeholt?«, fragte sie.

Der Pfandleiher lächelte. »Sie sind sehr alt und gehörten meinen Großeltern. Sie erlebten die schönste Liebe auf Erden. Diese Ringe vermachten sie mir mit der Bitte, sie irgendwann einem passenden Pärchen zu geben.« Jetzt wurde das Lächeln des Mannes noch größer, Lachfalten zierten seine Augen. »Es war ihr Wunsch, dass die Ringe jemand anders das gleiche Glück bringen wie ihnen.«

Das war eine schöne Geschichte.

Und je länger Lilly den Ring ansah, desto stärker wurde das Gefühl, dass er genau der richtige war. Als sie ihn kurz anprobierte und er perfekt passte, war die Entscheidung gefallen. Sie nickte Baptiste entschlossen zu.

2. Kapitel

Die Wellen rauschten so leise, dass es wie ein Flüstern klang. Ein warmes, freundliches Flüstern, das sie willkommen hieß. Gemächlich zog eine Möwe am fast wolkenfreien Himmel Kreise. Ihre Federn plusterten sich leicht in der seichten Brise. Sanft glitt der Wind auch über Lillys Wangen, die so sehr glühten, dass sie glaubte, sie würde fiebern. Die leichte Abkühlung kam ihr daher sehr gelegen.

Doch an einem Tag wie diesem war Aufregung völlig normal, gehörte sogar dazu. Inklusive wildem Herzklopfen und zittrigen Knien.

Sie konnte noch immer nicht glauben, dass sie hier waren. Dass sie es wirklich taten. Gerade noch rechtzeitig hatten sie es zum Strand geschafft.

»Willst du, Baptiste Arnault, die hier anwesende Lilly Wendelin zu deiner Ehefrau nehmen, sie lieben und ehren, bis dass der Tod euch scheidet? So antworte bitte mit: Ja, ich will.«

»Ja, ich will«, sagte Baptiste in einem samtenen Ton, der seinen französischen Akzent fast versteckte. Die Überzeugung war jedoch unüberhörbar.

Lilly liebte sein Timbre genauso sehr wie seinen zärtlichen Blick, mit dem er sie bedachte, während er ihre Hände hielt. Ihre Zehen krallten sich unwillkürlich in den weichen warmen Sand, als suchten sie Halt. Die Schuhe hatte sie abgestreift, waren sie doch nach dem vielen Rennen zu unbequem geworden.

Den Standesbeamten registrierte sie kaum, sie hatte nur Augen für den Mann, für den ihr Herz mit aller Kraft schlug. Ja, sich sogar überschlug, denn es konnte nicht länger an sich halten.

Lillys Kehle war vor Aufregung trocken, und ihre Knie schlackerten nur noch stärker.

»Nun meine Frage an dich. Willst du, Lilly Wendelin, den hier anwesenden Baptiste Arnault zu deinem rechtmäßigen Ehemann nehmen, so antworte bitte mit: Ja, ich will.«

»Ja, ich will«, erwiderte Lilly heiser. Ihr Herz klopfte so schnell, dass es ihr aus der Brust zu springen drohte, und zwar Baptiste entgegen. Dieser lächelte sie an, nein, er strahlte sogar. Liebe lag in seinen leuchtenden Augen. Sie konnte sie spüren, tief im Innern.

Und dann steckte er ihr den Ring an den Finger, der auf sie gewartet hatte in diesem kleinen Pfandhaus. Er fühlte sich fast maßgefertigt an. War außergewöhnlich wie dieser Moment selbst.

Der Trauzeuge, den die Agentur beauftragt hatte, reichte ihr den Ring für Baptiste. Zitternd steckte sie ihm diesen an. Baptiste versuchte gefasst zu sein, doch auch seine Hand bebte ein wenig. Lilly lächelte. Er war ein leidenschaftlicher Mann, voller Gefühle. Dafür liebte sie ihn umso mehr. Der Ring steckte endlich am Finger, und der Standesbeamte bedachte sie mit einem freundlichen Blick, der verriet, dass er fortzufahren gedachte.

»Kraft des mir verliehenen Amtes erkläre ich euch zu Mann und Frau. Baptiste, du darfst deine Braut nun küssen.«

Dies wollte sich Baptiste wohl nicht zweimal sagen lassen. Er zog Lilly so ungestüm in seine Arme, dass sie fast das Gleichgewicht verlor. Aber er hielt sie fest mit seinen starken Armen, was ein Gefühl von Geborgenheit in ihr auslöste.

Sein vertrauter Geruch stieg ihr in die Nase. Sanft berührten sich ihre Münder zu einem innigen Kuss, umgeben von dieser traumhaften Kulisse aus Felsen, Sandstrand und Meer.

Aus den aufgestellten Boxen klang der Song I like von Keri Hilson.

»Darf ich bitten?«, fragte Baptiste galant und reichte ihr die Hand.

Lilly nahm sie an, ließ sich von ihm weiter runter zum Strand führen. Fort von den beiden Trauzeugen der Hochzeitsagentur und dem Standesbeamten, die ihnen hinterherlächelten, als wären sie das schönste Brautpaar, das sich hier jemals vermählt hatte.

Baptiste begann, sich mit ihr im Rhythmus der Musik zu bewegen. Erste Sterne blitzten über ihren Köpfen auf, und der Himmel nahm eine purpurne Farbe an.

»Ich kann nicht glauben, dass wir das getan haben«, raunte Lilly und stellte fest, wie gut er in diesem blauen Hemd aussah, mit den dunklen Haaren und dem verwegenen Dreitagebart.

Ebenso wenig konnte sie glauben, dass sie gerade wirklich im Sand tanzten. Ihren Hochzeitstanz.

»Wenn zwei Menschen zusammengehören, dann spüren sie das tief im Innern und haben keine andere Wahl, als dem Ruf ihrer Herzen zu folgen.«

Baptiste klang manchmal richtig poetisch, was Lilly sehr mochte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu hauchen.

»Vor uns liegt eine wunderbare Zukunft, Lilly. Ich möchte mit dir reisen, am besten um die ganze Welt. Aber ich möchte auch Zeit in unserem geliebten Oldendorf mit dir verbringen, dort mit dir alt werden. Und ich hoffe, dass wir nicht mehr lange allein sein werden.«

Lilly schaute zu ihm hoch. Ein Lächeln umspielte seine Augen. »Was sagst du?«

Sie konnte sich kaum etwas Schöneres vorstellen, als mit ihm eine Familie zu gründen. Sanft nickte er ihr zu, und sie schmiegte sich eng an ihn, worauf er die Arme um sie legte.

Die Wellen rauschten an. Lilly spürte die ersten Ausläufer an den nackten Zehen und kicherte. Nach dem Song setzten sie sich in den Sand, beobachteten das Spiel des Meeres und lauschten seinem Lied.

Mit dem Rücken an Baptistes Schulter gelehnt, spürte Lilly den kräftigen Schlag seines Herzens, während er erneut die Arme um sie legte. So wollte sie am liebsten für immer sitzen bleiben. Bei diesem wunderschönen Blick.

Doch jetzt lagen noch ein paar Kreuzfahrttage vor ihnen. Es ging an der Mittelmeerküste bis Mykonos entlang, bevor es zurück nach Hause in die Lüneburger Heide ging. Lilly nahm sich fest vor, jede Sekunde mit Baptiste auszukosten.

Schwer würde ihr das gewiss nicht fallen, denn er war der wundervollste Mann, und seine Küsse schmeckten noch wundervoller.

3. Kapitel

Zwei Wochen später

Zu Hause ist es doch am schönsten, ging es Lilly durch den Kopf, als das Taxi in der Winkelmanngasse der kleinen Gemeinde Oldendorf an der Örtze hielt. Sie hatte eine aufregende Reise hinter sich, hatte während der Kreuzfahrt nicht nur das Meer gesehen, sondern bei den Landgängen auch Valencia, Marseille, Nizza und Neapel, bevor sie vor Mykonos angelegt hatten und dort die letzten Tage ihrer Flitterwochen im Hotel Athena verbracht hatten. Ihr Mann, der neben ihr auf der Rückbank saß, sah sie liebevoll an, drückte ihre Hand, bevor er sich abschnallte. Ihr Mann, das fühlte sich immer noch so unwirklich an. Und doch gefiel es ihr so sehr, dass sich ihre Wangen röteten.

Baptiste hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen und stieg aus, um mit dem Fahrer das Gepäck aus dem Kofferraum zu holen.

Sie wusste, dass ihr Liebster sich noch mit dem Mann unterhalten würde, der, wie sie während der Fahrt erfahren hatten, vor Kurzem Urlaub in der Bretagne gemacht hatte. Da diese Baptistes Heimat war, hatten die beiden Männer viel zu bereden.

Lilly hingegen atmete tief ein und blickte aus dem geöffneten Fenster, dankbar für das schöne Leben, das sie hier hatte. Der Atem des nahenden Herbsts blies bereits durch die Straße, ein wenig schüchtern noch, aber an den Bäumen färbten sich die ersten Blätter gelb, als wollten sie ihn begrüßen.

Lilly schaute nach links zum französischen Bistro La Petite Fleur, das Baptiste gehörte.

Es wirkte rustikal, aber modern mit seinen französischen Flaggen und den Rattansesseln, die aussahen, als wären sie direkt aus Paris geliefert worden. Hier lebte ihr Mann seine Kochkünste aus, die in ganz Oldendorf als etwas Besonderes galten.

Das Haus gegenüber wirkte urig und verträumt. Darin befand sich Lillys Café, das sie mit viel Fleiß und Liebe aufgebaut hatte. Die neue Farbe der Außenfassade, die erst vor wenigen Monaten aufgetragen worden war, ließ das Häuschen ein bisschen wie das bekannte Fachwerkhaus aus Rothenburg ob der Tauber aussehen. Nur war Ersteres ein Stückchen kleiner.

Immer schon war es Lillys Traum gewesen, ein eigenes Café zu leiten. Nach einigem Auf und Ab in ihrem Leben hatte sich die gebürtige Berlinerin ihn hier in der Heide erfüllt. An dem Ort, an dem sie ihre Schulferien verbracht hatte. Manchmal wünschte sie, ihre Oma würde noch leben, um das Café zu besuchen oder einen ihrer weisen Großmuttersprüche zum Besten zu geben. »Folge deinen Träumen, sie kennen den Weg«, hallte die Stimme von Lillys Oma in ihrem Kopf nach. Und genau das hatte sie getan. Dieses Café war ihr ganzer Stolz. Doch es war nicht irgendein Café, sondern ein Katzencafé: das KittyCat. Es galt in Oldendorf und der Region Südheide geradezu als Institution. Ein Ort des Entspannens und Wohlfühlens, an dem man nicht nur guten Kaffee und leckeren Kuchen bekam, sondern auch Katzen streicheln konnte, was bekanntermaßen noch mehr zur Entspannung beitrug. Oma hätte es gefallen. Das wusste Lilly. Und es hätte ihr auch gefallen, bei der Hochzeitsfeier dabei zu sein, die Lilly und Baptiste in sechs Wochen hier abhalten wollten. Alle Menschen, die ihnen lieb und teuer waren, sollten daran teilnehmen.

Lilly stellte sich die bunten Girlanden an den Fenstern des KittyCat vor, träumte von der Hochzeitstorte, der Musik, und erinnerte sich daran, wie viel Arbeit noch vor ihr lag. Denn die Feier musste ja erst geplant werden. Aber darauf freute sie sich sehr. Nach der turbulenten Heirat am Strand sollte es ganz entspannt zugehen.

Da sah sie ihn – den zweiten wichtigen Mann in ihrem Leben – und sofort war sie wieder im Hier und Jetzt. Mr. Maunz war ans Fenster geeilt, setzte sich nun aufrecht hinter das Glas und blickte ihr entgegen. Als hätte er gespürt, dass sie wieder da war. Lilly winkte ihrem guten Freund zu.

Der rote Kater blinzelte wohlwollend, ein Zeichen für Freundschaft unter Katzen und eine Bestätigung für Lilly, dass sie beide etwas ganz Besonderes verband.

Unweigerlich schlug ihr Herz schneller. Jetzt hielt sie nicht mehr an sich. Rasch stieg sie aus, eilte auf das KittyCat zu.

»Das Gepäck«, hörte sie Baptiste noch rufen, aber da war Lilly schon durch die erste der zwei Türen geprescht, die wie eine Schleuse fungierten. Im Nu betrat sie das Katzencafé durch die zweite Tür, nahm all die vertrauten Geräusche und Gerüche auf. Das Lachen und Gemurmel der zahlreichen Gäste erfüllte den Raum. Ja, das war ihr Zuhause.

Sofort stürzte Mr. Maunz von seinem Aussichtsposten am Fenster auf sie zu und sprang ihr förmlich in die Arme. Lilly fing den Wirbelwind auf und drückte ihn sanft an sich.

Sofort schnurrte Mr. Maunz.

»Hallo, kleiner Kerl. Tut mir leid, dass ich weg war.«

Mr. Maunz hielt inne. Er sah sie an, als würde ihm erst jetzt bewusst werden, dass er eigentlich böse mit ihr sein sollte. Immerhin war sie eine Zeit lang nicht hier gewesen, was aus Katzensicht durchaus unhöflich zu nennen war. Er strampelte, bis sie ihn wieder runterließ und stolzierte zu einem der Tische, an dem ein junges Pärchen saß, um sich stattdessen mit diesem zu beschäftigen.

»Ach, komm schon, Mr. Maunz. Du kannst doch nach dieser Begrüßung unmöglich schmollen.«

Doch, er konnte.

Dabei hatte er nach ihrer Frühlingsreise vor wenigen Monaten, bei der sie Baptistes Familie kennengelernt hatte, ganz anders auf ihre Rückkehr reagiert.

Wahrscheinlich hatte sie den Bogen überspannt, war aus Sicht von Mr. Maunz einmal zu oft verreist gewesen. Oder es war eine Laune von ihm. Schließlich war Mr. Maunz nicht nur der Star des Cafés, sondern auch als kleine Diva bekannt.

Doch auch die anderen Katzen schauten Lilly tadelnd an. Der schwarze Katzengroßvater Franz lag auf der obersten Plattform des größten Kratzbaumes und schaute unzufrieden auf sie herab. Diese Jugend, schien sein Blick zu sagen. Dabei zuckte sein zerfetztes Ohr, das von einem Kampf mit einem anderen Kater stammen musste.

Lilly hatte die Vermutung, dass Franz in jungen Jahren ein ziemlicher Haudegen gewesen war. Jetzt merkte man davon allerdings nicht mehr viel. Er war stets ruhig und besonnen.

Grammy, die jüngste Katze im Bunde, tat, als würde sie Lilly gar nicht bemerken. Sie saß auf der Theke und putzte ihr Tigerfell, das an der Schulter ein bisschen zuckte, worauf sie sich intensiv um die Stelle kümmerte. Lediglich die Dame des Hauses, die wohlbeleibte Perserkatze Sugardoll, kam auf Lilly zu. Genauer gesagt beeilte sie sich richtig, schnaufte dabei leise und schaute dann erwartungsvoll zu Lilly hoch, leckte sich gleich mehrfach übers Mäulchen.

Lilly wusste, worauf Sugardoll abzielte. Auf das, worum es ihr stets ging: einen Snack.

»Ich bin mir sicher, Tante Sabrina oder Alisah haben dir heute schon Leckerlis gegeben«, sagte Lilly.

Sugardoll mochte nicht jedes Wort verstehen, aber die Botschaft – keine Leckerlis – kam an. Also wandte sie Lilly den buschigen Schweif zu, verschwand unter einem der Tische und schnüffelte am Boden nach heruntergefallenen Krumen.

Aber vielleicht war das die Idee. Vielleicht konnte Lilly das Eis mit einer kleinen Bestechung brechen. Bestimmt würden die eingeschnappten Leberwürste dann wieder ausschnappen. Rasch schraubte sie den Deckel des Leckerliglases auf der Theke ab und tauchte ihre Hand hinein.

Das leise Knistern und Rascheln der Knuspertaschen weckte sofort die Aufmerksamkeit der Katzen. Die Öhrchen wurden gespitzt, und die Augen richteten sich auf Lilly, die genüsslich ein paar Stückchen aus dem Glas zog.

»Immer noch eingeschnappt?«, fragte sie.

Schon stand Sugardoll wieder vor ihr. Grammy tänzelte auf der Theke zu ihr und drückte ihren Kopf an Lillys Schulter. Mr. Maunz sprang auch auf die Theke, stupste Lilly mit dem Pfötchen an. Sogar Franz bequemte sich von seinem Kratzbaum nach unten, wenn auch gemächlicher. Mit Bedacht wählte er den Weg aus.

Lilly musste grinsen. Wie schnell das Schmollen doch vergessen war. Sie verteilte die Leckerlis der Reihe nach, und alle schienen mit ihr versöhnt.

In dem Moment trat Tante Sabrina aus dem zweiten Gastraum und balancierte ein Tablett mit leeren Tassen vor sich her zur Theke.

»Keine Leckerlis für Sugardoll!«, rief sie, und Lilly zuckte zusammen. »Sie bekommt auch keine mehr von uns.«

»Was? Wieso denn nicht?«

»Sugardoll ist auf Diät.« Sabrina stellte das Tablett auf der Theke ab. »Das hat unsere Tierärztin angeordnet. Die kleine Katzendame muss wenigstens zwei Kilo verlieren.«

»Oh«, machte Lilly. Ausgerechnet Sugardoll musste auf ihre größte Leidenschaft verzichten? Und dann ging es auch noch um zwei Kilo. »Das ist sicher hart für sie.«

»Immerhin hält sie schon eine ganze Woche durch.«

Rasch schloss Lilly die Dose mit den Leckerlis, was enttäuschte Blicke nach sich zog. Sugardoll begab sich sofort wieder auf die Suche nach Kuchenkrumen. Gleich einem Spürhund schnüffelte sie den Boden ab und lief zwischen den Beinen der Gäste hin und her. »Sie muss ziemlich großen Hunger haben.« Lilly verzog den Mund.

»Du kennst sie doch, unsere Naschkatze. Disziplin ist jedoch das A und O«, erklärte Sabrina. »Und jetzt lass dich erst mal drücken.« Lillys Tante umarmte sie innig.

»Gut siehst du aus, gut erholt. Und herzlichen Glückwunsch!« Ein Strahlen breitete sich auf Sabrinas feinen Zügen aus. »Ach, wie ich mich freue. Zeig ihn mal her, den Ring.«

»Ach, weißt du, das mit dem Ring … war ein ziemliches Schlamassel und …«

Sabrina griff nach Lillys Hand, um einen Blick auf ihren Ringfinger zu werfen. Sie stutzte. »Der sieht ein bisschen lädiert aus.«

Lilly lachte leise. »Ist er auch. Wir haben ihn aus einem Pfandhaus. Wir hatten nämlich unsere Ringe hier vergessen.«

»Also Lilly, man macht sich doch eine Reiseliste. Da hätten eure Ringe ganz oben stehen müssen.«

Lilly konnte nur zustimmen. Leider war sie manchmal ein bisschen verpeilt. Und Baptiste hatte auch nicht daran gedacht. Doch sie erzählte ihrer Tante voller Freude die sonderbare Geschichte ihrer Ringe. Und dass diese, wenngleich sie alt und getragen waren, ihnen die Zeremonie gerettet hatten.

»Oh … das ist entzückend! Ringe, die schon ein anderes Paar glücklich gemacht haben? Hach!«

»Danke … Ich muss sagen, ich hab mich auch schon an ihn gewöhnt. Auch wenn ein Stein fehlt.«

»Wie war denn die Trauung? Erzähl doch mal. Ich will alles hören.«

»Ich auch.« Alisah lugte mit ihrem dunklen Schopf, der in einem Haarnetz steckte, durch die Durchreiche. Für Lilly war es immer noch komisch, dass nicht ihre beste Freundin Neele in der Backstube stand. Doch Neele war nach Lüneburg gezogen, nachdem sie gemerkt hatte, wie fordernd die Zusatzausbildung zur Chocolaterin war. Ihren Partner Adam hatte sie mitgenommen. Seitdem war es ruhiger im Ort, und Lilly vermisste Neele sehr. Sie war ein genauso wichtiger Teil des KittyCat gewesen, wie die Katzen oder Tante Sabrina es waren. Aber Neeles Plan sah vor, nach der Weiterbildung nach Oldendorf zurückzukehren.

Bis dahin sorgte allein Alisah für Kuchen und Gebäck im KittyCat, und fairerweise musste Lilly zugeben, dass auch ihre Backwerke famos waren.

»Oh, es gibt wirklich viel zu erzählen«, sagte Lilly. »Aber lasst Baptiste und mich erst mal auspacken, danach beantworte ich jede Frage.«

»Natürlich, nach dem Flug wollt ihr euch sicher auch etwas ausruhen. Morgen ist ja zum Glück Schließtag, da habt ihr Zeit für euch. Aber falls ihr Lust habt, könnten wir uns heute Abend noch mal zusammensetzen und ein bisschen plaudern.« Tante Sabrina tauschte verschwörerische Blicke mit Alisah aus.

»Gerne.« Lilly ahnte gleich, dass die beiden sich etwas überlegt hatten.

»Wunderbar! Aber sag, wo ist denn eigentlich Baptiste? Den hast du hoffentlich nicht am Flughafen vergessen?« Sabrinas Frage ließ Lilly verdutzt innehalten.

Just in dem Moment kam Baptiste herein, vollgepackt mit ihren Koffern und Taschen. Durch das Fenster sah sie, dass das Taxi erst jetzt wegfuhr. Offenbar waren die Männer völlig in ihren Plausch vertieft gewesen. Rasch eilte Lilly zu ihrem Mann hin, um ihm etwas abzunehmen.

»Tut mir so leid.« Sie hatte ihm doch beim Tragen helfen wollen.

Baptiste lächelte sanft. »Es ist gar nicht so schwer.«

»Wirklich?« Oder spielte er gerade nur den starken Mann? Es waren ja immerhin zwei Reisetaschen und zwei Koffer, die er mit sich herumschleppte. Und allzu leicht konnten die nicht sein. Lilly und Baptiste hatten einige Souvenirs erworben und auch ein paar Geschenke für die anderen mitgebracht.

»Wirklich.«

»Na schön, aber einen Koffer gibst du jetzt mir.« Sogleich schien Baptiste zwei bis drei Zentimeter an Größe zu gewinnen.

»Dann packen wir erst mal aus, bis später!«, sagte Lilly und trug den Koffer durch den kleinen Flur, der das Café mit der darüber gelegenen Wohnetage verband.

Sie hörte noch, wie Sabrina und Alisah ihren frisch Angetrauten begrüßten, dann folgte er ihr nach oben.

4. Kapitel

»Eigentlich hätte ich dich ja über die Schwelle tragen müssen«, meinte Baptiste, als er ins Wohnzimmer kam, wo Lilly den Koffer abstellte und sich in den Sessel fallen ließ. Das Gepäck war doch ziemlich schwer gewesen und sie nun etwas aus der Puste. »Das müssen wir unbedingt nachholen.«

Lilly grinste, fächerte sich frische Luft zu und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »Gib mir eine Sekunde.«

»Du kriegst auch drei.« Er zwinkerte und stellte den zweiten Koffer und die beiden Taschen in der Diele ab, bevor er vor ihren Sessel trat und ihr die Hand reichte.

Lilly lachte und ließ sich hochhelfen. Baptistes Arme, die er um sie legte, fühlten sich stark, aber auch angenehm weich und warm an. »Das ist schön«, flüsterte sie ihm zu. Dann nahm er sie mit Leichtigkeit hoch, trug sie auf Händen.

»Finde ich auch …«, raunte er. Sein Blick ging ihr noch immer durch und durch. Wie am Tag ihrer ersten Begegnung, nachdem Lilly ihre Heimatstadt Berlin Hals über Kopf wegen eines Liebes-Aus verlassen hatte, um hier neu anzufangen. Damals hatte Lilly nicht gewusst, dass sie den Dorf-Casanova vor sich hatte. Auf den ersten Blick war sie ihm zugetan gewesen, aber Baptiste hatte sie gar nicht gemocht. Stattdessen war eine Rivalität zwischen ihnen als Lokalbesitzer entstanden. Aber dann war der Winter ins Land gezogen, und die friedvolle Stimmung hatte ihre Gemüter besänftigt, ihnen aufgezeigt, dass sie mehr gemeinsam hatten. Und schließlich war etwas in ihnen erwacht, womit sie nicht gerechnet hatten.

Lilly lächelte, wann immer sie an diese Geschichte voller Irrungen und Wirrungen dachte. Und wenn sie etwas daraus gelernt hatte, dann, dass sie sich nirgends wohler fühlte als in Baptistes Armen.

Sie kicherte, als er wirklich noch mal aus dem Wohnzimmer ging, um sie über die Schwelle zu tragen.

»Home sweet home, Frau Arnault«, sagte er.

Frau Arnault …

Daran musste sich Lilly auch noch gewöhnen. Sie hatten lange überlegt, welche Namenskombination die beste sei, schließlich hatte sie sich entschieden, seinen Namen anzunehmen. Arnault klang elegant, sie liebte die Melodie des Namens und den französischen Klang. Besonders liebte sie es, wie seine Lippen vibrierten, wenn er ihn aussprach. Er bemerkte, dass sie diese fixierte, und lächelte.

Sanft küsste er sie auf den Mund, umschloss ihn massierend und zärtlich, während er sie zum Sessel zurücktrug und dort absetzte. Lillys Herz hüpfte vor Glück.

Es ist schön, wieder hier zu sein. Ich freue mich auf einen ruhigen Abend mit meiner Frau«, sagte er. »Obwohl wir in unseren Flitterwochen waren, habe ich das Gefühl, viel zu wenig von dir gehabt zu haben.«

Er zwinkerte. In der Tat hatten sie kaum Zeit für sich gehabt, immer wieder war irgendwo etwas Aufregendes passiert. Die netten Leute an Bord hatten sie in alles miteinbezogen, und auch der Portier vom Hotel Athena hatte sie zu dem einen oder anderen Abendevent überredet. Das war Teil des Abenteuers gewesen, das Lilly in vollen Zügen genossen hatte.

Doch umso mehr sehnte sich Lilly nun nach Baptiste und romantischer Zweisamkeit. Und was bot sich besser an, als diesen Moment zu nutzen?

»Ein ruhiger Abend klingt in der Tat schön. Allerdings haben sich Alisah und Sabrina etwas für uns überlegt.«

»Oh …« Er klang zugleich erfreut und enttäuscht. »Das heißt, wieder kein Abend zu zweit?«

»Es sind unsere Freunde«, meinte sie. »Aber morgen ist Schließtag, da können wir faulenzen. Und bis zum Abend ist es ja noch ein Weilchen hin.«

Baptiste hob eine Braue, schien dann zu verstehen und lächelte verwegen. »Du hast recht …« Er beugte sich zu ihr vor. »Wir könnten ja ganz spontan mit der Familienplanung anfangen?«

Lilly lachte und schloss genussvoll die Augen, bereit, seine Lippen ein weiteres Mal zu empfangen.

Da klingelte das Telefon, und der Moment zerbarst wie eine Seifenblase. Baptiste seufzte. Lilly streckte den Arm aus, um den Hörer aus der Halterung vom Beistelltisch zu nehmen, und schaute aufs Display.

»Das ist Mama.«

»Ruf sie später zurück.« Baptiste blickte sie sehnsüchtig an, hockte sich vor sie. Sein Blick verriet, er wollte sie. Und zwar hier und jetzt. Das bereitete Lilly einen wohligen Schauer.

»Du Charmeur. Aber ich muss ran, vielleicht ist ja was mit meinen Eltern oder Ivy und den Zwillingen?«

Schon hatte sie den Anruf angenommen.

»Hallo?«

»Hallo, Lilly, hier sind Mama und Papa!« Das machte sie immer gern, in der Mehrzahl sprechen. Dabei war Mama ganz allein am Telefon. »Wir haben gehört, dass du wieder im Lande bist.«

Von Tante Sabrina? Die beiden sprachen nur das Nötigste miteinander, weil Sabrina es ihrer Schwester übel nahm, dass sie vor etlichen Jahren nach Berlin gezogen war.

»Ja, wir sind gerade zurückgekommen.«

»Wie schön, wir gratulieren euch ganz herzlich zur Heirat. Auch wenn Papa und ich ein bisschen traurig sind, dass wir nicht dabei sein konnten.«

»Deswegen haben wir ja auch gesagt, dass wir noch eine Feier mit einer freien Trauung machen.«

»Ja, sicher. Das ist ja auch schön, aber eben nicht dasselbe wie die richtige Trauung.«

Typisch Mama.

Erst hatte sie gesagt, das wäre kein Problem, sie würde sich auch über eine Nachfeier freuen, und nun drückte sie auf den Schlechtes-Gewissen-Knopf. Noch dazu war eine freie Trauung eine richtige Trauung. Lilly freute sich sehr darauf, denn natürlich war sie auch ein wenig traurig, dass bei ihrer Heirat niemand aus der Familie oder dem Freundeskreis dabei gewesen war.

»Na ja, sei es drum. Wir freuen uns alle auf den 12. Oktober. Ich hoffe, mit den Planungen läuft alles glatt, braucht ihr Hilfe? Es sind ja nur noch etwas mehr als sechs Wochen.«

»Wir haben mit der Planung noch vor der Reise begonnen«, erklärte Lilly. »Der Budgetplan ist erstellt, erste Erkundigungen sind eingeholt, und wir haben schon den Kostenvoranschlag von einer Cateringfirma aus der Region. Es fehlt noch eine Liveband, aber da will ich Neeles Freund Adam fragen, und was die Hochzeitstorte angeht, habe ich Neele, aber auch Alisah im Visier. Wenn man schon zwei begnadete Kuchenbäckerinnen an der Hand hat, geht es kaum anders, als sie zu fragen.«

Es sollte eine kleine Herbsthochzeit werden, mit wunderschöner Dekoration wie Kürbissen, Obst, Nüssen und bunten Blättern.

»Eine Sache hast du nicht aufgezählt«, sagte Mama fast triumphierend.

»Welche denn?«

»Das Hochzeitskleid.«

Lilly fiel die Kinnlade runter. Baptiste zog fragend eine Braue hoch, doch Lilly schüttelte rasch den Kopf.

»Ich … ich hatte gar nicht vor … eines zu tragen«, stammelte Lilly.

»Na, hör mal, das ist eine freie Trauung! Papa und ich wären sehr enttäuscht, wenn die ohne Hochzeitskleid stattfinden würde …«

Lilly seufzte.

»Ich dachte mir schon, dass du daran nicht gedacht hast. Daher habe ich auch eine Überraschung für dich.«

Überraschungen von Mama genoss man lieber mit Vorsicht.

»Ach ja, was denn für eine?«

»Mein altes Kleid oder vielmehr das Kleid deiner Oma. Ivy war ja leider zu groß, aber du könntest reinpassen, Lilly.«

Lilly hielt den Atem an. »Das Kleid gibt es noch?« Das hatte sie gar nicht gewusst. Mama neigte dazu, alte Dinge auszurangieren.

»Aber sicher, Kind.«

Mama sprach tatsächlich von DEM Kleid. Lilly kannte es von alten Hochzeitsfotos. Als kleines Mädchen hatte sie sich oft vorgestellt, es einmal selbst zu tragen.

»Was sagst du?«, fragte Mama. Lilly aber musste erst die richtigen Worte finden.

»Du weißt, ich liebe Omas Kleid, und es wäre mir eine Ehre, es zu tragen, aber ist es nicht übertrieben?«

»Papa und ich bestehen darauf, dass du es zumindest anprobierst. Wir haben dich doch gar nicht im Hochzeitskleid gesehen.«

Wenn Mama wüsste, dass Lilly auf Gibraltar gar keines getragen hatte …

»Den Gefallen kannst du uns nicht abschlagen. Außerdem kannst du bei der Trauung doch nicht in Jeans rumstehen.« Auch wieder wahr.

Und es ist DAS Kleid, sagte Lilly sich in Gedanken.

»Also gut … ja! Ich will es gerne tragen.«

Baptiste schaute sie neugierig an.

»Ich hoffe, ich passe rein.«

»Ganz bestimmt Lilly, und ein paar Änderungen können wir ja durchaus vornehmen. Damit wäre auch Oma einverstanden. Sie wäre so stolz, wenn du es tragen würdest. Das weiß ich einfach.«

Lilly war nun richtig aufgeregt, stellte sich vor, wie sie in dem wunderschönen Kleid aussehen würde.

»Dann ist das jetzt unsere Aufgabe!«, verkündete Mama. »Wir sorgen für deine Garderobe und machen dich am Tag der Hochzeit zurecht. Ich bringe auch mein Make-up-Köfferchen mit.«

Lilly lächelte. Nun war Mama zufrieden, als Teil des Organisationsteams.

»Gerne«, sagte Lilly.

Baptiste strich mit seiner Hand über ihren Oberarm, was bei Lilly für eine wohlige Gänsehaut sorgte. Als wollte er sie daran erinnern, dass er auch noch da war. Sein Blick verriet, an seiner Stimmung hatte sich nichts geändert. Lillys Herz klopfte sogleich schneller. Er hatte so etwas Einnehmendes an sich, dass alles andere in den Hintergrund rückte. Unwillkürlich wurde ihr warm. Sie sehnte sich nach ihm.

»Ich … muss Schluss machen … jetzt … wollen wir auspacken …«

Nicht unbedingt die Koffer.

»Oh, Lilly«, raunte Baptiste, und Lilly war sich sicher, dass Mama das gehört hatte. Sofort röteten sich ihre Wangen, und sie legte einen Finger an Baptistes Mund. Auch Mama schwieg plötzlich.

»Na schön … dann wollen Papa und ich euch nicht länger stören«, brachte sie endlich hervor. »Wir haben euch lieb. Und … ähm … bis bald.«

Grinsend legte Lilly auf.

»Das hat sie gehört.«

»Was denn? Dass ich mich nach dir verzehre?«

Sie lachte.

»Du wirst also das Hochzeitskleid deiner Oma tragen?«

Lilly nickte. »Mein Traumkleid.«

Sanft berührten seine Lippen ihr Handgelenk, wanderten ihren Arm hoch. Es fühlte sich so schön an, so sinnlich und aufregend. »Ich kann es nicht erwarten, dich darin zu sehen.«

Sie merkte, dass er auch etwas anderes kaum erwarten konnte.

»Das ist unser Augenblick. Der erste seit Langem, in dem wir unter uns sind und nicht so müde, dass uns die Augen zufallen«, raunte er, ehe er ihren Mund mit einem sinnlichen Kuss verschloss. »Ich will ihn voll auskosten.«

Das wollte sie auch.

Lilly reckte ihm den Kopf entgegen, genoss den Kuss in vollen Zügen.

Er hob sie hoch und trug sie ins Schlafzimmer …