Winterzauber im kleinen Katzen-Café - Kerstin Garde - E-Book
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Winterzauber im kleinen Katzen-Café E-Book

Kerstin Garde

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Beschreibung

Zauberhafte Katzen: Ein winterlicher und romantischer Wohlfühlroman, bei dem jedes Herz dahinschmilzt – auch bei Minusgraden! Was tun nach einem Liebes-Aus? Lilly hat von der Großstadt genug, und von Männern sowieso. Ihr Traum: ein eigenes Café auf dem Land! Selbstgebackener Kuchen, frischer Kaffee – was gibt es Schöneres? Aber dann taucht Mr. Maunz auf und bringt ihre Welt völlig durcheinander. Mit viel Charme verwandelt der rote Kater ihren Laden in ein Katzencafé, das schnell zu einer Sensation wird. Sehr zum Ärger von Baptiste Armault, dessen französisches Bistro seitdem leersteht. Baptiste sieht nur einen Ausweg, er muss Lilly und ihre Katzen so schnell wie möglich loswerden!  Doch er unterschätzt den Zauber des kleinen Katzencafés, in dem Winterwunder wahr werden … Erschien bereits 2018 unter dem Titel »Frühstück bei KittyCat« »Schöner weihnachtlicher Wohlfühlroman zum Einkuscheln und Lesen! Leseempfehlung!« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Absolut perfekt. Am Anfang schien es wie eine seichte Liebesgeschichte, aber dann wurde es immer besser. Spannend geschrieben und Taschentücher sind auf jeden Fall zu empfehlen.« ((Leserstimme auf Netgalley))  »Eine entzückende Geschichte rund um ein liebenswertes Café und seine Gäste!« ((Leserstimme auf Netgalley))  

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Bei »Winterzauber im kleinen Katzen-Café« handelt es sich um eine Neuausgabe des 2018 im Piper Verlag erschienenen Titels »Frühstück bei KittyCat« von Kerstin Garde

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, schreiben Sie uns unter Nennung des Titels »Winterzauber im kleinen Katzen-Café« an [email protected], und wir empfehlen Ihnen gerne vergleichbare Bücher.

© Piper Verlag GmbH, München 2021

Redaktion: Theresa Schmidt-Dendorfer

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Traumstoff Buchdesign traumstoff.at

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Danksagung

Für meine Lieben.

Prolog

Es war der perfekte Abend gewesen: Zuerst waren sie in ein schickes Restaurant gegangen. Klassische Musik. Kerzenlicht. Champagner – von der teuren Sorte. Dieses Prickeln, herrlich. Beim Anblick der Menüpreise hatten Lilly ganz schön die Ohren geschlackert. Sterneküche war eben nicht alltäglich. Aber Alex hatte darauf bestanden, sie ins beste Lokal der Hauptstadt zu entführen, um ihren Jahrestag zu feiern.

Lilly hatte eigentlich einen Tisch in ihrer kleinen Wohnung für sie gedeckt. Eine schlichte Tischdecke. Ein großer Strauß Margeriten in einem Tonkrug. An der Wand hing eine kleine Kette gefilzter Herzen, die sie gebastelt hatte. Und für das romantische Licht sorgten viele, viele Teelichter in unbenutzten Teegläsern, Trinkbechern … Ein Arrangement ganz nach Lillys Geschmack. Alex hatte bei dem Anblick gelächelt und gesagt, dass sie heute etwas Besseres vorhätten.

So waren sie in diesem noblen Etablissement am Pariser Platz gelandet, das Lilly sonst nur aus der Ferne kannte und wo Politiker und VIPs den Tag ausklingen ließen. Alex konnte es sich leisten, sein Vater war schließlich der Promi-Zahnarzt! Und Lilly musste zugeben, die Wachtel in Weißweinsauce war ein Hochgenuss gewesen!

Nun saßen sie, zwei Stunden später, auf der Designercouch in seinem Loft, mit Ausblick auf das nächtliche Berlin, und Lillys Knie fühlten sich so weich wie am Tag ihres ersten Dates an. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie seit einem Jahr zusammen waren, denn Lillys Gefühle waren noch so frisch wie am Anfang. Dabei hatte es zunächst gar nicht danach ausgesehen, als würden sie sich finden. Alex war ein Traummann. Groß, adrett, gebräunt. Wie ein männliches Model. Sie hingegen entsprach dem Typ graues Mäuschen. Und die hatten ihrer Erfahrung nach selten Glück bei männlichen Models. Lilly war hübsch, aber eben unauffällig. Man brauchte einen zweiten Blick, um sie zu bemerken.

Während der Vorlesung hatte sie ihn oft – hoffentlich nicht zu auffällig – angestarrt, dabei kaum mitbekommen, was der Dozent in Stochastik erklärte, und sich nie getraut, den ewig lächelnden Sunnyboy anzusprechen. Anfangs hatte er nie zurück geschaut, sondern viel eher durch sie hindurch, wie es die meisten taten. Aber dann hatte er sie eines Tages eben doch bemerkt und angelächelt. Es war der Beginn eines wunderbaren Traums gewesen.

»Ein Jahr«, sagte Alex und sah sie zärtlich an.

Ein ganzes Jahr, dachte Lilly. Zwölf wundervolle Monate, 365 aufregende Tage. Lilly wollte gern den nächsten Schritt gehen. Zu ihm ziehen. Gemeinsam leben. Ihren Alltag noch intensiver werden lassen. Abends neben ihm einschlafen, morgens an seiner Seite aufwachen. Das kam einfach viel zu selten vor, weil Alex so viel lernen und arbeiten musste. Lilly wollte Nägel mit Köpfen und keine nächtlichen U-Bahn-Heimfahrten mehr.

»Ich bin froh, dass wir uns gefunden haben.« Jetzt legte er seine Hand auf ihr Knie. Lilly schaute zu ihm auf. Sein Lächeln ließ sie seufzen.

Sie war auch froh. Ein Teil von ihr konnte immer noch nicht glauben, dass sie solch einen attraktiven jungen Mann als Freund hatte. Alex hätte schließlich jede haben können. Aber er hatte sich für sie entschieden, die unscheinbare Lilly.

»Auf uns.« Er hielt ihr sein Glas hin. Lillys Herz klopfte wie wild und sie stieß mit ihm an. »Auf uns«, stimmte sie zu, dann nahm sie einen großen Schluck.

»Es ist ganz schön heiß, oder? Ich muss endlich die Klimaanlage reparieren lassen«, meinte er plötzlich und öffnete sein Seidenhemd. Lilly musterte verstohlen die muskulöse Brust, die sich unter dem feinen Stoff abzeichnete und bei jedem Atemzug hervorblitzte. Die Haut wirkte so angenehm samtig. Rasch nahm sie noch einen Schluck.

»Ja, es ist wirklich heiß!«, bestätigte sie, denn sein Anblick ließ einfach keinen anderen Rückschluss zu.

Er lächelte frech. Jetzt fühlten sich nicht mehr nur ihre Knie wie Butter an, Lilly schmolz dahin. Sie war versucht, die Hand auszustrecken und über seine Brust zu fahren, die Muskeln zu erspüren, um so herauszufinden, ob sie diesen Traum vielleicht nicht doch nur träumte.

»Wenn das so ist, gehen wir doch in mein Schlafzimmer. Die Klimaanlage dort ist nicht defekt.« Alex zwinkerte ihr zu und reichte ihr die Hand. Sein Schlafzimmer… warum nicht ihr gemeinsames Schlafzimmer? Lilly sagte nichts und nahm seine Hand dennoch an. Sie wollte auf den richtigen Moment warten, um ihm vorzuschlagen, dass sie doch einfach zusammenziehen konnten.

Im nächsten Augenblick lagen sie in seinem Bett und küssten sich so wild wie zwei verliebte Teenager, die in ihrer Unerfahrenheit über die Stränge schlugen. Ein ganzes Jahr und Lilly bekam immer noch nicht genug von ihm. Heftig kribbelte es in ihrem Körper. Schmetterlinge im Bauch. Und nicht nur dort.

Alex’ Hände glitten durch ihre Haare, über ihren Rücken bis zu ihrem Rock, wo sie sich besitzergreifend auf ihren Po legten. Seine Fingerspitzen hinterließen eine wohlige Gänsehaut an ihrem Körper.

Dann schob er seine Zunge in ihren Mund, wo sich sein sinnlich herber Geschmack ausbreitete. Wie der Abend wohl weiterging? Würden sie es tun? Und wenn ja, würde sie zur Feier des Tages hier übernachten? Am Morgen in seinen Armen aufwachen?

»Warum bleibst du heute nicht einfach hier?«, schlug Alex in einer Atempause auch schon vor.

Lilly nickte. Aber sie wollte nicht nur für diese Nacht bleiben, sondern für immer. Alex hauchte einen zarten Kuss auf ihren Schopf. »Gib mir fünf Minuten. Ich mache mich kurz frisch, bin gleich wieder da. Lauf nicht weg.«

Alex verschwand, und Lilly verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte aus dem Fenster, wo sich Wolken über den Mond schoben. Wie vertraut ihr hier alles war. Das weiche Bett, Alex’ sinnlicher Geruch, der durch die ganze Wohnung strömte.

Es fühlte sich richtig an, hier zu sein, bei ihm.

Wir sind jetzt ein Jahr zusammen. Es war ein wunderschönes Jahr. Ich liebe dich. Und ich möchte auch das nächste Jahr mit dir verbringen. Wollen wir nicht … zusammenziehen?, ging Lilly in Gedanken durch und wurde durch das Klingeln des Telefons, das auf dem Nachschrank stand, aufgeschreckt. Sie hob den Kopf und blickte gleichzeitig zur Tür. »Alex?«, rief sie, doch aus dem Bad drang nur das Rauschen der Dusche.

Lilly ließ sich wieder auf das Kissen zurücksinken. Wer immer das war, er konnte ja auch später zurückrufen. Wer rief überhaupt um diese Uhrzeit noch an?

»Hallo! Dies ist der Anschluss von Alexander Herzog, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton. Vielen Dank.«

BIEP.

»Alex? Bist du da? Geh doch ran!«, erklang eine weibliche Stimme. Lilly erkannte sie. Das war doch ihre ehemalige Kommilitonin.

»Hier ist Gina.« Bingo. Lilly bekam ein mulmiges Gefühl. »Es hat alles geklappt. Übernächstes Wochenende steht. Ich habe das Zimmer für uns gebucht. Und es wartet auch noch eine kleine Überraschung auf dich. Ich habe mir ein total süßes Spitzenhöschen gekauft. Wird dir gefallen. Bis bald, Bussibär.«

Hotelzimmer? Spitzenhöschen? Bussibär? Lilly lag starr im Bett, rührte sich nicht. War das gerade eben wirklich passiert? Das konnte nur ein Scherz sein. Ihr war schlecht! Aber richtig!

Es musste eine Erklärung geben. Gina hatte sich vielleicht verwählt? Nein, sie wusste genau, wen sie angerufen hatte, sie hatte ihn beim Namen genannt. Und sie hatte das Wochenende erwähnt. Dieses Wochenende etwa, an dem er angeblich wichtige Termine hatte und deswegen nicht zum Geburtstag von Ivonne, ihrer älteren Schwester, mitkommen konnte? Das war also der wichtige Termin!

Lilly fing an, sich am ganzen Körper zu verkrampfen. Wie lange ging das schon so? Wie oft hatte er erst Gina geküsst und anschließend sie? Plötzlich stand Alex in der Tür, nur ein Handtuch um die Hüften.

»Wo waren wir stehengeblieben?« Er fingerte an dem Frottee.

Lilly richtete sich auf. In ihrem Kopf herrschte Chaos. »Gina rief eben an«, sagte sie.

»Äh.«

»Sie freut sich auf euer Wochenende.«

Alex wirkte mit einem Mal ganz blass.

»Also. Was hat das alles zu bedeuten?« Es war eigentlich offensichtlich genug, aber sie wollte hören, was er zu sagen hatte. Ein Teil von ihr hoffte immer noch, dass es eine ganz logische Erklärung für alles gab.

Doch Alex senkte den Blick. »Es ist wahr. Gina und ich haben eine Affäre.«

Lilly schossen Tränen in die Augen. Wenigstens war er ehrlich. Und gleichzeitig gab er sich nicht mal Mühe, etwas zu leugnen oder zu vertuschen. Auch wenn es nichts zu leugnen gab.

»Aber das ist nicht alles«, fuhr er fort.

»Was denn noch?«

»Ich glaube, ich habe mich in sie verliebt.«

Lilly blieb fast das Herz stehen. Das konnte alles nicht wahr sein! »Wir haben gerade unseren Jahrestag gefeiert!«, erinnerte sie ihn.

»Ich weiß … ich wollte es dir sagen.«

»Ach ja?«

»Morgen.«

»Das glaube ich einfach nicht. Der Champagner, das tolle Restaurant. Wozu denn das alles, wenn du eh mit mir Schluss machen wolltest?»

»Ich hatte nicht den Mut früher mit dir drüber zu sprechen. Außerdem fühlte ich mich schuldig. Es schien mir wie ein schöner Abschied. Und, Lilly, du bedeutest mir doch so viel. Es ist auch nicht leicht für mich.« Ach, wie rührend. Und den Sex hätte er dann bei der Gelegenheit auch mitgenommen, wenn er schon dabei war.

»Wie lange geht denn das alles schon?«

»Zwei Wochen.«

»Zwei Wochen? Und in denen hast du dich von mir ent- und in Gina verliebt?« Was war das denn für eine unglaubwürdige Aussage?!

»Ich weiß, es klingt verrückt. Aber sie ist einfach toll. Sie ist die Person, mit der ich mein Leben verbringen möchte.« Genau das hatte Lilly eigentlich ihm gestehen wollen. Sie fühlte sich unsagbar verletzt, dass er nach einem Jahr mit ihr nicht solche Pläne hatte, aber nach zwei Wochen mit Gina durchaus. Sie musste hier raus, so schnell wie möglich!

Rasch sprang sie auf, strich den Rock glatt und wollte los, doch er stand immer noch im Weg.

»Lass mich durch«, fauchte sie ihn an. Lilly schob sich weinend an ihm vorbei zur Garderobe und schlüpfte seitenverkehrt in ihre Schuhe. Aber das war egal! Sie wollte nur weg. Fluchend stolperte sie zur Tür, knickte auch noch mit dem Fuß um. So eine Scheiße!

»Jetzt warte mal. Was ist denn mit unserem Abend?«

Sie drehte sich zu ihm um, ganz langsam, als befände sie sich in einer Filmsequenz, die gerade in Zeitlupe gezeigt wurde. »Unser Abend? Ernsthaft?«

Er sagte nichts.

»Weißt du was, Alex, weil du dich ja mit dem Schlussmachen offenbar sehr schwer tust, nehm ich dir diese Last ab! Mit uns ist es aus!«, spuckte sie aus und riss die Tür auf.

Was für ein Irrsinn! Sie hatte auch noch mit ihm zusammenziehen wollen! Auf Nimmerwiedersehen, Alex!

Kapitel 1

Einige Monate danach im Spätsommer

»Es ist ein kompletter Neuanfang«, sagte Lilly ernst.

»Das heißt, du willst nicht zurück nach Berlin?«, fragte Karla und nippte an ihrem Tee.

»Du hast das alles erst ins Rollen gebracht. Mit deiner Einladung.«

Karla hob beschwichtigend eine Hand. »Ich wollte dich auf keinen Fall in die Flucht treiben.«

»Nein, ganz im Gegenteil. Seit ich wieder hier bin, komme ich mir so frei vor wie nie.«

»Na dann Glückwunsch.« Karla hob fragend die Teekanne und als Lilly nickte, goss sie ihr nach.

Lilly musterte ihre alte Heide-Freundin, die früher im Nachbarhaus von Lillys Großmutter gelebt hatte. Wie sehr hatte sie sich verändert. Drei Kinder, ein Mann, ein wunderschönes Haus am Stadtrand von Soltau. Davon war Lilly meilenweit entfernt. Und es war auch nicht ihr Lebensziel, sondern Karlas. Aber eines wusste Lilly ganz genau: Alles sollte anders werden. Und warum nicht hier, in der Heide, in der sie die schönsten Schulferien verbracht und die beste Freundin aller Zeiten gefunden hatte. Sie waren zusammen durch dick und dünn gegangen. Und als Lilly Karla von ihrem Beziehungsaus erzählt hatte, hatte diese sie prompt eingeladen, um ein bisschen Ruhe zu finden und ihre Gedanken zu ordnen.

Dabei merkte Lilly, wie wohl sie sich in der Heide fühlte, wie gut ihr die frische Luft und die wundervolle Landschaft taten. Das war schon früher so gewesen. Bei ihrer Großmutter hatte sich Lilly immer wohl und verstanden gefühlt. Leider existierte das alte Haus von damals nicht mehr. Aber die Heide war ihr geblieben. Und mit ihr all die wertvollen Erinnerungen. Ein Zufluchtsort, wenn man so wollte. In Berlin hatte sie sich nie so wohl gefühlt wie hier. Zu laut, zu voll, zu viele Hipster … Für Berlin war Lilly nicht cool genug und sie wollte es auch nicht sein oder werden.

»Ich habe wirklich an die große Liebe geglaubt«, fuhr Lilly fort. Jetzt kam sie sich naiv deswegen vor. Warum Alex dieses falsche Spiel mit ihr gespielt hatte, wusste sie nicht. Vielleicht war es auch besser, wenn sie gar nicht erst versuchte, ihn verstehen. »Wer weiß, ob es außer Gina nicht noch andere gab.«

»Tut mir leid, man kann den Leuten nicht hinter die Stirn blicken, oder?« Karla seufzte.

»Nein, ganz gewiss nicht.«

»Du kannst so lange hier bleiben, wie du möchtest. Sofern dich das alte Kellerzimmer nicht zu sehr niederdrückt.«

»Danke, Karla. Wirklich. Aber allzu lange werde ich dir nicht auf die Nerven fallen.«

»Das tust du nicht. Aber was sind deine Pläne? Wie soll es weitergehen?« Karla musterte sie besorgt.

»Ich will was bewegen. Auf die Beine stellen. Verstehst du?«

»Na klar. Das sollst du ja auch. Hast du deinen Job denn schon gekündigt?«

Lilly nickte. Mam hätte das als große Dummheit angesehen. Aber immerhin wusste sie es noch gar nicht, sofern ihre große Schwester Ivy dicht gehalten hatte.

Lilly hatte einfach nicht anders gekonnt. Der neue Chef hatte immer wieder Stress gemacht, die Mitarbeiter gegängelt, an der Leistungsschraube gedreht und sie fester angezogen, sogar mit Entlassungen gedroht. Das Klima in der kleinen Firma, die Computerspiele entwickelte, war täglich schlechter geworden.

Und Informatikerin, geschweige denn Gamedesignerin, war nie ihr Traumberuf gewesen. Sie hatte nur deshalb Informatik studiert, weil Mam immer wieder auf die breit gefächerten Jobmöglichkeiten aufmerksam gemacht hatte. Die Welt wurde digitaler, Expertenwissen wertvoller. Und nichts war in diesen Zeiten wichtiger als ein festes Standbein. Etwas Solides. Lilly hatte in Wahrheit immer davon geträumt, etwas Eigenes aufzuziehen, sich selbstständig zu machen, ganz konkret: ein Café zu eröffnen, ein Wohnzimmer außerhalb des eigenen Zuhauses, ein Platz, an dem sich die verschiedensten Menschen treffen könnten, an dem geredet, getratscht, gestritten und geliebt werden sollte. Aber das sei viel zu unsicher, hatte ihre Mutter stets betont. »Wer nichts wird, wird Wirt«, hatte ihre Oma gesagt und augenrollend hinzugefügt: »Was für ein alberner Spruch!«

Aber das, was ihr mit Alex widerfahren war – das war jetzt ihre Chance! Da sah sie nun klar. Lilly war mit sechsundzwanzig Jahren noch jung. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Den Spruch fand schon ihre Oma gut.

»Ich finde das klasse«, sagte Karla, die von Lillys Plänen wusste. »Hast du denn schon einen passenden Laden gefunden?«

»Natürlich nicht.« Lilly lachte. »Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut. Aber ich bin schon fleißig in der Recherchephase. Und ein, zwei Geschäfte habe ich entdeckt, die mir echt gut gefallen. Willst du mal sehen?«

»Gerne!«

Lilly zog ihr Smartphone aus der Hosentasche und mit ein paar schnellen Klicks hatte sie die Fotos aus dem Netz geladen. »Dieses hier befindet sich in Eversen ganz nah an der Örtze.« Auf dem Bild war ein altes Café mit einem besonders schrägen Dach zu sehen. »Und das hier ist eigentlich ein Antiquitätengeschäft. Ich schaue es mir übrigens morgen an. Ein ganz süßes Häuschen, zwei Stockwerke, Vorgarten, Fachwerkstil mit Backstein. Wirklich hübsch. Willst du vielleicht mitkommen?«

In dem Moment ging das Babyphone los und Karla lächelte entschuldigend. »Ich würde wirklich gern, aber du siehst ja selbst, ich habe viel um die Ohren. Die Zwillinge sind aufgewacht und die kleine Jessi ist dauernd krank. Ich fürchte, ich falle aus. Sorry.«

»Das macht gar nichts. Ich werde dir einfach morgen berichten.«

»Alles klar. Darüber freue ich mich.« Karla sprang auf und eilte aus dem Wohnzimmer. Ihre Lebenswelten waren schon sehr verschieden, stellte Lilly fest. Aber eine Freundschaft zerrüttete so etwas nicht.

Lilly drückte ihr Gesicht gegen das schmutzige Glas. Es waren nur Schemen zu erkennen. Sie zog ein Tempo aus der hinteren Tasche ihrer Jeans und wischte den Staub ab. Unter dem Druck schien die Tür leicht nachzugeben. War sie etwa offen? Sie rüttelte am Knauf. Nein. Es rührte sich nichts. Lilly legte beide Hände über die Augen und spähte in den kleinen Laden hinein. Neben der Theke entdeckte sie ein Grammophon und eine Zither, die auf einem dreibeinigen Tisch mit altertümlichen Verzierungen lag. Außerdem ein samtenes Sofa, auf dem alte Puppen liebevoll platziert worden waren. Spinnweben hatten sich wie Wolldecken über sie gelegt, als wollten sie diese wärmen.

Lilly schmunzelte und trat einen Schritt zurück. Dabei las sie das Schild, das an der Innenseite der Tür angebracht und inzwischen stark vergilbt war.

Antiquitäten – Marieta Tetzlav.

Lilly wandte sich um, blickte die kleine Pflastersteinstraße hinunter und zog ihre Strickjacke zusammen. Ein kühler Wind strich über ihre Wangen. Von wegen, heute wird es noch mal richtig warm! Aber wer verließ sich schon auf die Wettervorhersage. In der Ferne zog ein Gewitter auf. Eine dunkle Front, die hoffentlich kein schlechtes Omen darstellte.

Sie ging ein Stück bis zum Bordstein. »Winkelmanngasse« stand auf dem verschnörkelten Straßenschild. Die Schrift schien aus einer anderen Zeit zu stammen, genauso wie viele der Häuser. Gegenüber machte sie ein Bistro aus. »La Petite Fleur« stand in roten Lettern über dem Eingang. Eingerahmt von kleinen französischen Flaggen.

Wenn Herr Tetzlav sie noch länger warten ließ, würde sie rübergehen und sich einen heißen Tee gönnen. In dem Moment fuhr jedoch ein Auto vor und ein Mann mittleren Alters, hochgewachsen und äußerst hager, stieg aus. Er wirkte wie ein überdimensionales Insekt. Als er sie bemerkte, hob er die Hand. »Entschuldigen Sie, die Straßen sind so voll, ich bin einfach nicht vorangekommen.«

»Sie leben nicht in Oldendorf?«

»Nicht mehr.«

Er kam auf sie zu, streckte ihr die Hand entgegen und Lilly nahm sie an. Dabei gingen sie zum Laden. »Frau Wendelin, nehme ich an?«

Lilly nickte.

»Hannes Tetzlav«, stellte er sich vor und kramte in seiner Hosentasche nach einem Schlüssel, der in das alte Schloss der Ladentür passte. Sie konnte es kaum erwarten, das Geschäft von innen zu sehen. Aufgeregt trat sie auf der Stelle, bis Hannes Tetzlav endlich die Tür geöffnet hatte.

Er ging rein und hustete, wedelte mit der Hand vor dem Gesicht. »Was für ein Mief!« Dann zog er die Jalousien an den beiden Schaufenstern hoch und kippte die Seitenfenster, flutete die Räumlichkeiten mit Licht. Lilly störte sich nicht an dem Geruch. Alte Dinge hatten eben ihre ganz eigene Duftnote.

»Ich kann mich nur nochmals entschuldigen. Der Laden ist in keinem guten Zustand. Fünf Jahre ist es her, seit er endgültig geschlossen wurde«, erklärte Herr Tetzlav und wischte sichtlich angewidert Staub von der Theke.

»Er gehört Ihrer Frau, oder?«

»Nein, meiner Mutter. Er war ihr Ein und Alles.« Herr Tetzlav rollte mit den Augen, als könne er das nun gar nicht verstehen. Für ihn schien der alte Laden eine große Last zu sein, die er, wenn Lilly ihn richtig einschätzte, lieber heute als morgen los war.

Lilly aber brauchte nur zum alten Sofa zu blicken und zu den Puppen und dem Teddy, die sich aneinanderkuschelten, um zu verstehen, dass Marieta Tetzlavs Herz an diesem Ort gehangen hatte. Und obwohl Lilly die Vorbesitzerin gar nicht persönlich kannte, schien es ihr doch, als hätte sie überall ihre Handschrift hinterlassen. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich umsehe?«

»Nein, natürlich nicht. Sehen Sie sich alles an«, sagte er monoton, ohne sie auch nur anzusehen. Hannes Tetzlav war einer jener Menschen, die Lilly als lebende Zombies bezeichnete. Sie funktionierten nur noch irgendwie und hatten ihre Seele längst verloren. Anders war es kaum zu erklären, dass ihn diese Kostbarkeiten, die hier lagerten, nicht im mindesten interessierten oder gar begeisterten.

Lilly bestaunte den Verkaufsraum, der durch eine Öffnung in der Wand mit einem etwas kleineren Nebenraum verbunden war. In diesem entdeckte sie unglaubliche Dinge. Alte Postkarten aus dicker Pappe aus dem vorvorletzten Jahrhundert! Mit Grüßen aus dem herrlichen Urlaub im Schwarzwald an die Lieben daheim. Porzellanfigürchen mit Reifröcken und Amorflügeln! Davon ein ganzes Regal. Und eine Unmenge von Büchern. Eingestaubt. Uralt. Ein wahrer Schatz. Irgendwem hatten all diese Dinge irgendwann einmal gehört. Und jedes Teil hatte seine ganz eigene Geschichte. Es waren Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke, Andenken oder Liebesbeweise.

Im hinteren Bereich des Hauptraums gab es eine kleine Küche und ein Bad. Beides war nicht auf dem neuesten Stand der Technik. Aber daran störte sich Lilly nicht. Sie sah nicht was war, sondern was sein könnte!

Der staubige Laden verwandelte sich in ihrer Vorstellung in ein wunderschönes Café mit pastellfarbenen Wänden und Patchwork-Tischdecken, bunten Vorhängen und einer riesigen Schiefertafel über der Kasse, auf der Tagesangebote standen. Wer hereinkam, der wurde gleich vom würzigen Duft frischgemahlenen Kaffees empfangen. Und hinter einer Glastheke würden selbstgemachte Kuchen den Appetit der Gäste anregen. Dazu noch ein paar Erdbeertörtchen und Muffins, American Style.

Lilly setzte ihre Besichtigungstour fort. Eine hölzerne Treppe führte ins obere Stockwerk. Als die junge Frau die ersten Stufen nahm, knarrte das Gerüst gefährlich und schwankte sogar. Sicherlich, es gab einiges hier zu tun. Das ließ sich nicht leugnen. Aber die Treppe hielt stand.

Neugierig musterte Lilly die Wohnetage, die sich direkt unter dem Dach befand. Der Geruch von altem Eichenholz stieg ihr in die Nase. Platz für Wohn- und Schlafzimmer war reichlich vorhanden. Mit etwas Geschick konnte dieser Bereich sehr gemütlich werden. Das Häuschen war in ihren Augen alles andere als eine Enttäuschung. Es war perfekt für ihre Pläne. Sie liebte es! Es war genau das, was sie gesucht hatte.

Herr Tetzlav stand immer noch an der Theke, als Lilly zurückkam. Die Arme vor der Brust verschränkt starrte er ins Leere.

»Ich habe mir alles angesehen«, verkündete Lilly.

»Schön, dann werden Sie wohl weitersuchen, wie?« Er sah sie immer noch nicht an.

»Was? Aber nein. Ich nehme es. Ich liebe es!«

Herrn Tetzlav fielen fast die Augen aus dem Kopf. »Was … wirklich?«, stammelte er. Plötzlich kehrte Leben in die hageren Gesichtszüge zurück.

»Aber ja. Es ist zauberhaft. Das wusste ich ja schon, als ich die Bilder im Internet gesehen habe! Aber real ist es noch viel schöner. Es passt perfekt zu meinen Plänen.« Warum also länger suchen?

»Damit … habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet«, gab Herr Tetzlav zu. »Ist das Ihr Ernst?«, hakte er nach. »Ich habe den Vertrag nicht mitgenommen, weil ich dachte, dass Sie sowieso ablehnen«, fuhr er fort. Aber dann schien er zu merken, dass seine Verkaufstaktik nicht unbedingt die beste war. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte er dann. »Setzen Sie sich rüber ins Fleur. Ich fahre noch mal los und hole die Unterlagen. Wie wäre das?«

Lilly nickte begeistert.

Wenige Augenblicke später saß sie gegenüber an einem kleinen Tisch im La Petite Fleur, einem schnuckeligen französischen Bistro mit allem, was man sich an französischem Flair wünschte. Französische Chansons dudelten aus den Boxen in angenehmer Lautstärke. Nicht zu aufdringlich. Nicht zu leise. Da hingen die kleinen Flaggen über der Bar und in den Regalen lagerten französische Tropfen der besten Sorten. Nicht, dass Lilly sich damit ausgekannt hätte, die Info stammte aus der Speisekarte, die ihr der blonde Kellner gebracht hatte. Um diese Uhrzeit war ihr aber ein Tee lieber. Gedankenversunken blätterte sie im Menü, bis ihr der Tee gebracht wurde.

Lilly blickte aus dem Fenster zu ihrem Laden, während sie gleichzeitig ihre Hände an der Teetasse wärmte. Sie konnte es noch immer nicht glauben. Sie war kurz davor einen Vertrag für ihr eigenes Café zu unterzeichnen! Nach all den Rückschlägen in der letzten Zeit ging es endlich wieder bergauf.

»Sie sind nicht von hier, oder?«, sprach sie plötzlich ein dunkelhaariger Mann an, der gerade aus der Küche gekommen war.

Lilly blickte zu ihm auf und erstarrte, als sich ihre Blicke trafen. Seine graublauen Augen funkelten so intensiv, als könnten sie alles durchdringen. Auch sie.

»He, Chef. Ich kümmere mich mal um die neue Lieferung«, sagte der Kellner im Vorbeigehen.

»Nur zu, Michel.« Dann wandte sich der attraktive Fremde wieder ihr zu. »Mademoiselle?«

Sie liebte den französischen Akzent. Er war so weich und melodisch, dazu diese samtene Stimme. Lilly räusperte sich. Das fing ja gut an. Ihr Nachbar von gegenüber war derart attraktiv, dass es ihr glatt die Sprache verschlug! Gefährlich konnte er ihr aber nicht werden, denn Lilly hatte im Moment zwar alles Mögliche im Kopf, Männer gehörten jedoch nicht dazu.

»Ich bin aus Berlin«, erklärte sie.

»Ah, Berlin. Fast so schön wie Paris«, sagte er und trocknete seine Hände an der Schürze, die seine schmalen Hüften zierte.

»Mag sein, ich war noch nie in Paris«, gab Lilly zu und versuchte, ihn nicht die ganze Zeit anzustarren.

»Da haben Sie etwas verpasst. Und jetzt machen Sie Urlaub hier bei uns in Oldendorf?«

»Nicht ganz, ich ziehe hierher.«

»Tatsächlich?« Überrascht hob er eine Braue, wodurch sein Gesicht einen aristokratischen Ausdruck annahm. Er kam näher, stand nun so dicht neben ihrem Tisch, dass sie seinen Duft wahrnehmen konnte. Moschus. Wenn es einen Duft gab, der Lilly wirklich becircen konnte, war es Moschus. Er erinnerte sie aber auch an Alex, was weniger glücklich war.

»Überrascht Sie das?« Lilly nahm einen vorsichtigen Schluck von ihrem Tee, um ihre Kehle zu befeuchten.

»Ein wenig, wenn ich ehrlich bin. Verstehen Sie mich nicht falsch, Oldendorf ist ein schöner Ort. Aber das Leben tobt hier nicht gerade. Gäbe es nicht mein wunderbares Bistro, wüssten die Leute nichts mit sich anzufangen.« Er zwinkerte ihr zu.

Lilly konnte sich gut vorstellen, warum die Leute gern ins Fleur gingen. Insbesondere das weibliche Publikum.

»Verraten Sie mir also, was Sie an Oldendorf reizt?«

Lilly dachte an all das Chaos in ihrem Leben. Und daran, dass sie endlich Ordnung hineinbringen wollte! Sie dachte an die alten Zeiten, an Karla, ihre Großmutter. Die Heide war schon immer wie ein zweites Zuhause für sie gewesen.

»Es ist schön hier«, sagte sie.

»Oui. Das ist es. Und in Berlin ist es nicht schön?«

»Schon … Ach … es ist kompliziert«, fasste sie zusammen.

»Das ist es immer, nicht wahr?«

»Da haben Sie recht, Herr…« Es fühlte sich ein wenig merkwürdig an, ihn zu siezen. So viel älter war er doch noch gar nicht.

»Arnault. Baptiste Arnault.«

»Lilly Wendelin.« Sie reichte ihm die Hand und lächelte. Seinem Blick hielt sie nicht lange stand, weil er so intensiv war. Es ärgerte sie. Sie wollte nicht wie ein schüchternes Mauerblümchen wirken. Aber genau das war sie doch. Also wem machte sie etwas vor?

»Wenn ich ganz offen sprechen darf, macht es mich neugierig, was wiederum Sie aus der Grande Nation nach Oldendorf geführt hat.« Es war ja schon recht ungewöhnlich, dass es in so einem kleinen Ort etwas Exotisches wie ein französisches Bistro gab, das noch dazu von einem echten Franzosen geleitet wurde.

Baptiste zog einen Stuhl zurück und setzte sich neben sie. »Ich will den Menschen hier die wundervolle französische Küche näherbringen. Es war ein Versuch, es hat funktioniert.«

»Ein edles Anliegen.«

Baptiste lachte leise. »Es gibt immer Gründe, oder? Wer verlässt freiwillig Berlin oder Paris, um in der Abgeschiedenheit zu leben? Ist es der, der die Hektik nicht mehr erträgt? Der, der vor der Liebe flieht und den Neuanfang sucht? Oder der, der sich selbst finden möchte?«

Lilly schüttelte es. Das traf alles auf sie zu. Leider. Und zwar nicht zu knapp. Dazu noch dieser Moschusduft, den Baptiste verströmte und Erinnerungen wachrief … In dem Moment kamen ihr die Tränen. Sie musste wieder an Alex denken und wie ihr ganzes Leben innerhalb kurzer Zeit zusammengebrochen war.

»Oh, nehmen Sie.« Er reichte ihr ein Taschentuch, und Lilly schnäuzte sich hinein. »Ist es so schlimm?«

»Sie haben ja keine Ahnung.«

»Mon dieu. Was immer es auch ist, wer immer dahintersteckt, wahrscheinlich ein sehr dummer Mann, es sollte Sie nicht zum Weinen bringen. Sehen Sie, die Welt dreht sich weiter. Und es gibt vieles auf ihr, das sich zu entdecken lohnt. Schauen Sie nur, jetzt werden die Tränen schon weniger.«

Lilly lächelte sacht. Der Versuch, sie zu trösten, war reizend. Es tat gut, dass sie einen Moment lang nicht stark sein musste.

»Wissen Sie, was am besten gegen Kummer hilft?«

»Wenn Sie da ein Rezept kennen, nehme ich es dankbar an.« Sie wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen aus den Augen.

»Zufällig kenne ich tatsächlich eines. Warten Sie einen Augenblick.« Er ging in die Küche, aus der Lilly ein paar Kochgeräusche vernahm, und kam kurz darauf mit einer kleinen Schale und einem Löffel zurück. »Crème Brûlée«, sagte er, und seine Worte klangen wie ein Gedicht. Er stellte die Schüssel vor sie hin. Eine Karamellkruste lächelte sie verheißungsvoll an.

»Gerade erst angerichtet. Nach altem Rezept. Wenn ich mir als kleiner Bursche das Knie beim Spielen aufschlug, machte mir Maman eine Crème Brûlée. Und es half. Auch viele Jahre später noch, versuchen Sie es.«

Lilly lächelte. Sie liebte diesen Akzent wirklich über alles. Egal, was man in französischer Sprache sagte, es klang immer wie Musik. Und wenn ein Franzose Deutsch sprach, verwandelte sein Akzent Worte in Melodien. So leicht und flockig klang das alles.

Vorsichtig durchbrach sie die Kruste mit ihrem Löffel und probierte die Creme. Lilly schloss die Augen und fühlte sich mit einem Mal, als stünde sie mitten auf einem Lavendelfeld in der Provence. Die Sonne schien wärmend auf sie herab. Jede Geschmacksknospe auf ihrer Zunge erblühte.

»Wirkt es schon?«, fragte Baptiste neugierig.

»Es ist grandios«, sagte Lilly erstaunt.

»N’est-ce pas?« Baptiste nickte mit einigem Stolz.

Und Lilly seufzte erneut. Nicht nur ein Mann, der umwerfend aussah, er konnte auch noch kochen!

Da ging die Tür auf und Herr Tetzlav stürzte panisch in das Bistro, fast als hätte er Angst, Lilly könne es sich doch noch anders überlegt und das Weite gesucht haben. Beinahe rutschte ihm die Sonnenbrille vom Kopf. Als er Lilly allerdings an ihrem Tisch erspähte, atmete er sichtlich auf und legte einen dünnen Ordner vor sie hin.

»Wenn Sie einmal Hilfe brauchen, zögern Sie nicht, mich zu fragen«, hauchte Batipste und schenkte ihr einen tiefen Blick, der ihr eine wohlige Gänsehaut über den Rücken jagte. Dann erhob er sich, während Hannes Tetzlav seine Krawatte zurechtrückte und einen Kugelschreiber aus seiner Anzugtasche zog. Lilly blickte dem attraktiven Franzosen nach, bis er in der Küche verschwunden war, lutschte ihren Löffel ab und legte ihn zur Seite.

»Ich bin so schnell gekommen wie nur möglich«, erklärte Herr Tetzlav atemlos. »Aber sehen Sie, ich musste direkt in die Unwetterfront fahren.«

Lilly warf einen Blick aus dem Fenster. Inzwischen regnete es. Zwar nur ein wenig, aber das Gewitter kam unaufhaltsam näher.

»Hier sind die Unterlagen. Wollen Sie gleich unterschreiben?«

»Sie haben es wirklich eilig, Herr Tetzlav. Aber ich lasse die Unterlagen vorher noch prüfen.«

»Oh, ja natürlich. Das ist ja so üblich.« Er schob ihr den Ordner herüber.

Beim Abendbrot fütterte Karlas Mann Christoph die kleine Jessi, die in einem Kinderhochstuhl saß, während die Freundinnen über das alte Antiquitätengeschäft in Oldendorf plauderten. Lilly war ganz aus dem Häuschen.

»Jetzt musst du das noch deiner Mam beibringen«, scherzte Karla.

»Ich bin kein Kind mehr. Sie hat meine Entscheidungen zu akzeptieren.« Hoffentlich. Mam war sehr eigen und oft ziemlich dominant. Und vor allem war sie es nicht gewöhnt, dass Lilly ihr widersprach. Ganz stressfrei würde es wohl nicht ablaufen.

»Bring erst mal Ivy bei, dass du Berlin den Rücken kehrst«, schlug Karla vor.

Aber Lillys ältere Schwester würde die Neuigkeiten sicher gut aufnehmen und ihre Unterstützung anbieten. Zumindest hoffte sie das. »Das hatte ich ohnehin vor. Mein Schwager ist ja selbst in der Gastronomie tätig. Und das ziemlich erfolgreich. Kann ich nachher mal euer Faxgerät benutzen? Ich will ihm die Unterlagen schicken, damit er drüber schaut.«

»Klar, es ist in meinem Büro«, sagte Christoph und wischte Jessi den Mund mit einer Serviette ab.

»Ist ganz schön aufregend, oder? Nicht nur, dass du jetzt in meine Nähe ziehst, du machst auch noch ein eigenes Café auf«, meinte Karla und bestrich eine Brezel mit Butter.

»Ich hoffe, du kommst mich dort mal besuchen.«

»Auf jeden Fall«, versicherte Karla. Aber da schrieen auch schon wieder die Zwillinge. Karla seufzte. So recht glücklich wirkte sie nicht, als sie die Brezel auf den Teller legte und den Stuhl zurückschob. »Es sind ja nur ein paar Monate, danach wird alles einfacher«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu Lilly und verschwand.

»Karla gibt es nicht gern zu, aber sie ist oft ganz schön überfordert«, meinte Christoph. »Ich helfe ihr, wo ich nur kann. Aber tagsüber bin ich in der Firma.«

»Ich finde, sie managt das alles echt toll.«

Christoph lächelte. »Das tut sie. Sie ist die Beste.« Er hob Jessi aus dem Stuhl und setzte sie sich auf den Schoß. »So hast du dir euer Wiedersehen dennoch nicht vorgestellt, oder?«

Lilly kniff die Lippen zusammen. Wenn sie ehrlich war, hatte sie das nicht. Das Familienleben spannte Karla völlig ein. An ein spontanes Weggehen oder einen gemütlichen Mädelsabend mit DVDs war da nicht zu denken.

»Ich kenne ja nur euch hier«, sagte Lilly ein wenig niedergeschlagen.

»Ging mir ähnlich, als ich herzog. Versuch’s mal mit MeetFriendsIn.de, da lernst du Leute in deiner Umgebung kennen, die etwas unternehmen wollen. Ich hab gute Erfahrungen damit gemacht.«

»Echt?« Lilly konnte sich das gar nicht vorstellen. Sie war viel zu schüchtern, irgendwen aus dem Internet zu treffen.

»Klar. Bin mit netten Leuten ins Theater. Danach noch in eine Bar. Waren coole Zeiten, aber jetzt geht das nicht mehr.« Er wippte Jessi auf dem Knie auf und ab. Die Kleine gluckste vor Vergnügen.

»Ich kanns ja mal ausprobieren«, sagte Lilly und half anschließend beim Abräumen des Tischs, machte den Abwasch und schickte das Fax nach Berlin. Danach verbrachte sie noch eine Stunde mit Karla und Christoph vor dem TV, bevor sie sich in das kleine Kellerzimmer zurückzog, um Ivy anzurufen. Lilly war auf einmal ziemlich nervös. Obwohl es eigentlich gar keinen Grund dafür gab. Außerdem hatte Sebastian das Fax längst erhalten, zumindest war die Empfangsbestätigung eingetroffen. Das bedeutete, die beiden wussten, worum es ging.

»Ist das dein Ernst?«, fragte Ivy auch schon, kaum, dass sie an der Strippe war.

»Ja. Ich möchte ein eigenes Café eröffnen. Das wollte ich früher schon, das weißt du doch.«

»Natürlich. Davon hast du bereits als kleines Mädel geredet, wenn wir im Sommer bei Oma waren. Aber jetzt bist du erwachsen.«

Ja, es war wirklich ein Kindheitstraum von ihr gewesen, aber er war eben nie verschwunden. »Kannst du denn nicht verstehen, wie viel mir das alles hier bedeutet?«

»Aber ja. Denkst du etwa, ich will dir das ausreden?«

»Ich war mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher.«

»Unsinn, Lil, ich freue mich für dich. Ganz ehrlich. Sebastian hat mir auch schon gesagt, dass er dir bei allem helfen wird.« Lilly atmete auf. Ivy hielt ihr also keine Standpauke, wie unvernünftig es war, einen festen Job in der heutigen Zeit zu kündigen. Blieb also nur noch Mam, der man das schonend beibringen musste. Aber das war eine Aufgabe für einen anderen Tag.

»Es ist nur«, unterbrach Ivy ihre Gedanken, »weiß Mam schon davon?«

»Natürlich nicht«, gab Lilly zu.

Sie hörte Ivy am anderen Ende seufzen. »Okay, das ist deine Sache. Sebastian würde die Unterlagen, die du uns gefaxt hast, übrigens gerne seinem Anwalt zeigen, wenn du nichts dagegen hast?«

»Das wäre super. Vielen Dank.«

»Nichts zu danken, Schwesterherz. Wir stehen hinter dir.«

»Und es klingt auch nicht zu verrückt?«, fragte Lilly aufgeregt.

»Doch. Aber das Leben wäre doch langweilig, wenn man nicht mal was Verrücktes tut.«

Es tat wirklich gut, das zu hören. Und langsam nahm alles Formen an. So fühlte es sich also an, wenn aus einem Traum Wirklichkeit wird. Ein gutes Gefühl. Denn auf einen zweiten Traum, aus dem ein Albtraum wird, konnte Lilly wahrlich verzichten.

Kapitel 2

Zwei Tage später, noch vor neun Uhr, standen Lilly und Herr Tetzlav zur Vertragsunterzeichnung an der eingestaubten Theke in dem kleinen Laden. Sebastians Anwalt hielt das Angebot für fair und einen Teil des Kaufpreises konnte sie gleich entrichten, dank des Geldes, das Großmutter ihr vermacht hatte. Den Ausgleich würde Lilly mit einem Bankkredit schaffen. Das war alles schon geregelt, dank der Unterstützung ihres Schwagers.

Zufrieden steckte Hannes Tetzlav seine Durchschrift des Vertrages ein und reichte ihr die wertvollen Schlüssel. »Ich wünsche Ihnen alles Gute«, sagte er mit dem strahlendsten Lächeln, das er ihr bisher geschenkt hatte. Vielleicht konnte er seine Mitmenschen mit diesem Lächeln täuschen, aber Lilly war immer noch überzeugt, der Kerl war ein Zombie.

»Danke, Ihnen auch«, sagte Lilly.

Kaum hatte Herr Tetzlav das Lädchen verlassen, bemerkte sie Baptiste durch das riesige Schaufenster im Hauptraum. Der junge Mann kam gerade angejoggt und hielt vor dem Fleur inne. Er trug eine lange Jogginghose mit blauen Seitenstreifen und ein ärmelloses Hemd, durch das seine muskulösen Oberarme gut zur Geltung kamen. Sie glänzten. Es hatte wieder geregnet. Jetzt stützte er sich auf die Knie und atmete einige Male tief durch.

Mach nur keinen Unsinn, Lilly, und verlieb dich nicht schon wieder völlig überstürzt, ermahnte sie sich selbst. Aber das war leichter gesagt als getan, denn Baptiste war in der Tat ein echter Hingucker. Und das war Alex auch gewesen und wohin hatte es geführt?

Schwermütig riss sie sich von dem sexy Anblick los und schnappte sich ihr Smartphone, um Ivy anzurufen, denn die hatte sofort informiert werden wollen, sobald alles über die Bühne gegangen war. Genau in dem Moment klingelte das Handy. Meine Güte, Ivy konnte es ja wirklich kaum erwarten. Lilly ging gleich ran.

»Der Laden gehört mir!«, verkündete sie voller Stolz.

»Laden? Was denn für ein Laden?«, dröhnte Mams Stimme durch das Phone.

Erschrocken starrte Lilly auf ihr Display, wo »Mam« stand, nicht Ivy. Ach du Sch … Nun wusste sie Bescheid.

»Lilly? Jetzt sag doch endlich, was ist los?«

Dann war es wohl an der Zeit, reinen Tisch zu machen. »Ich habe einen Laden gekauft, um ein Café zu eröffnen.«

Mam schwieg, doch auf der anderen Seite der Leitung braute sich etwas zusammen, das spürte sie bis in die Zehenspitzen.

»Du hast also einen Laden gekauft«, wiederholte Mam mit angespannter Stimme. »Von Omas Geld, nehme ich an, das ja eigentlich auf dem Sparbuch bleiben sollte?«

»Ja«, gab Lilly zu und stand zu ihrer Entscheidung.

»Aha.« Es war dieses typische Aha, das Mams Unzufriedenheit ausdrückte. Die Betonung lag auf dem ersten A, das sie unnatürlich in die Länge zog. »Weißt du, wie viele Cafés es in Berlin gibt?!«

»Es ist in Oldendorf«, fügte Lilly hinzu.

Mam verstummte völlig, Lilly hörte sie nicht einmal mehr atmen.

»Es würde dir gefallen, ich schick dir Bilder, wenn du magst, obwohl es im Moment noch ein wenig chaotisch aussieht und …«

»Was ist mit deinem Job? Du warst doch so zufrieden. Du bist Informatikerin. Spielentwicklerin musst du ja nicht immer bleiben, aber E-Learning oder so etwas hat doch wirklich Zukunft. Und das mit Alex, das renkt sich wieder ein. Was willst du in der Provinz? Du wirktest immer glücklich hier und ich …«

»Mam, bitte, das war ich nie, das weißt du auch … Und das mit Alex ist vorbei und das wird auch nichts mehr!«

»Aber in der heutigen Zeit ist ein fester Job das A und O! Was willst du machen, wenn sich dein Café nicht rentiert? Dann stehst du da, vor dem Nichts, womöglich noch mit Schulden.«

Genau mit der Reaktion hatte Lilly gerechnet. »Es hat ja noch nicht mal eröffnet.«

»Und wann soll es eröffnen?«

»Nach der Renovierung.«

»Renoviert werden muss es auch noch? Was das alles kostet!«

»Ivy und Sebastian haben versprochen, mir an den Wochenenden zu helfen. Seine Eltern managen derweil das Restaurant. Außerdem kennt Sebastian ein paar Kumpels, die mit anpacken würden.« Und wenn Not am Mann war, würden sicher auch Christoph und Karla einspringen.

»Ich habe immer wieder das Gefühl, dass du Dinge nicht zu Ende denkst, dieses Risiko …«

»Mam!«

Ein seltsames Scheppern ließ Lilly innehalten. Es kam aus dem hinteren Bereich, wo sich die Küche und das Bad befanden.

»Bist du noch dran?«, fragte Mam ungeduldig.

»Ja. Bin ich. Ich habe etwas gehört«, flüsterte Lilly nervös.

»Was gehört?«

»Einbrecher vielleicht? Es stand hier ja ewig leer.« Sie schlich sich mutig zur Küche und lugte durch die türlose Öffnung in den kleinen gefliesten Raum. Zur Not konnte sie ja ins Fleur, um Hilfe zu holen, falls eine Gefahr drohte. Aber da war niemand. Nada! Auch das Bad war leer.

»Keiner zu sehen«, flüsterte Lilly. Dennoch fühlte sie sich plötzlich beobachtet, als hätten die Wände Augen und Ohren bekommen.

»Einbrecher? Also wirklich, das ist doch Unsinn«, meinte Mam und nahm sie nicht ernst. »Und wenn doch: Ich sage dir, das ist alles überhaupt keine gute Idee.«

Lilly sah das anders. Solche Geräusche bildete man sich schließlich nicht ein. Und da erklang es erneut. Ein Knarren, als würde jemand auf altes Holz treten. Diesmal hinter der Treppe. Doch als sie nachsah, schien auch hier alles in Ordnung.

»Alte Häuser atmen. Das weißt du doch, bei Großmutter war’s früher auch so. Erinnerst du dich nicht mehr?«

Natürlich wusste sie das noch. Aus solchen Geräuschen, insbesondere in der Nacht, wurden die besten Gruselgeschichten geboren. Aber das hier war nicht Teil einer Geschichte, es war real. Da waren eindeutig Schritte, eher Getrampel, über ihr zu hören. Jemand lief durch ihre Wohnetage! Da war sie sich ganz sicher.

»Ich ruf dich zurück«, sagte Lilly hastig und legte auf, ehe Mam auch nur zu Wort kam. Würde jemand so dumm sein am helllichten Tag einzubrechen? Auch dann, wenn die Ladenbesitzerin anwesend war? Lilly beantwortete sich diese Frage mit einem eindeutigen Ja! Es gab schließlich immer wieder Geschichten rund um die »dümmsten Einbrecher der Welt«. Und wenn ausgerechnet ein solcher sich ihren Laden ausgesucht hatte, dann Prost Mahlzeit! Wie er hereingekommen war? Vermutlich durchs Seitenfenster. Aber das war geschlossen, wie sie nach einem kurzen Blick feststellte.