Jim Buffalo - Der Mann mit der Teufelsmaschine - Erik Schreiber - E-Book

Jim Buffalo - Der Mann mit der Teufelsmaschine E-Book

Erik Schreiber

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Beschreibung

"Könnte ich doch in die Zukunft sehen! Könnte ich doch einmal in der Vergangenheit weilen!" Wie oft hat ein jeder von uns diesen Gedanken träumerisch ausgesprochen, ohne ihn verwirklichen zu können. Nur einem Manne hat das Schicksal das fast Unglaubliche gestattet; das ist Jim Buffalo!

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Herausgeber

Erik Schreiber

Jim Buffalos Abenteuer

Band 1 - 30

Scratch Verlag

e-book 194

Jim Buffalos Abenteuer (Band 1- 30)

Erstveröffentlichung: Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig (1922)

Erscheinungstermin: 01.01.2024

© Scratch Verlag

Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

[email protected]

www.scratch-verlag.de

Titelbild: Archiv Andromeda

Redaktion: Peter Heller

Vertrieb: neobooks

Herausgeber

Erik Schreiber

Jim Buffalos Abenteuer

Band 1 - 30

Scratch Verlag

Inhaltsverzeichnis

Die Geheimnisse des Harems

Das Testament des Cagliostro

Der Galgen von Mantinela

Johnson, der Bankdefraudant

Eine teuflische Milliardarin

Der Läufer von Marathon

Der geheimnisvolle Felsen

Das Grab im Keller

Die Fabrik unter Wasser

Eine unterirdische Höllenfahrt

Das Geheimnis der Stahlkassette

Das Gefängnis im Wasserturm

Ein verbrecherischer Filmfabrikant

Die Blutnacht von Syrus

Der grinsende Tod

Der Shylock von St. Francisko

Die eiserne Frau

Die Flucht über die Dächer

Ein Blick in die Zukunft

Die Goldmacher von Winningstreet

Eine vereitelte Hinrichtung

Im Tale des Todes

Der Prärieteufel

Die Banditen der Sierra-Callo

Die Bankräuber auf dem Pepin-See

Ein gestörtes Hochzeitsfest

Die Goldräuber der Jukon Hills

In den Florida-Sümpfen

Eine Verbrecherjagd im Luftballon

Jim Buffalos Teufelsfahrt

Vorwort

„Könnte ich doch in die Zukunft sehen! Könnte ich doch einmal in der Vergangenheit weilen!“ Wie oft hat ein jeder von uns diesen Gedanken träumerisch ausgesprochen, ohne ihn verwirklichen zu können.

Nur einem Manne hat das Schicksal das fast Unglaubliche gestattet; das ist Jim Buffalo!

Dieser tollkühne Mann entdeckte in einem hohlen Berg eine Maschine, mit der er in die Zukunft und in die Vergangenheit fahren konnte.

Das war die „Teufelsmaschine!“

Jim Buffalo vervollkommnete in genialer Art seinen Fund, so dass er die Zeitmaschine nicht nur als Fahrzeug in Zukunft und Vergangenheit, sondern auch als Rennautomobil, Motor- und Tauchboot verwenden konnte!

Wohl keinem Menschen war es je gestattet, in die Geheimnisse der Welt seit ihrem Bestehen bis zu ihrem Ende einzudringen.

So wird es Aufgabe dieser Sammlung „Jim Buffalo, der Mann mit der ›Teufelsmaschine‹“ sein, die Erlebnisse dieses tollkühnen Helden zu schildern, die er mit Menschen vergangener und künftiger Zeiten hatte, und auch jene Abenteuer sollen zu beschreiben sein, die er gegen verbrecherische Elemente unserer Zeit bestand!

Soweit das Originalvorwort

Gestatten sie mir ein paar Worte zur Entstehung.

Im Jahr 1922 startete der Moderne Volksbücherei Verlag in Leipzig mit dem Roman „Die Geheimnisse des Harems“ die Serie „Jim Buffalo - Der Mann mit der Teufelsmaschine“, in der der Titelheld mit seiner Teufelsmaschine (Zeitmaschine) unterwegs ist, und dabei vielerlei Abenteuer in den verschiedensten Epochen der Menschheitsgeschichte erlebt. Der Autor der Serie ist nicht bekannt. Im Jahr 1923 wurde die Serie bereits wieder eingestellt.

Ich lernte die Heftserie bereits vor 30 Jahren kennen und habe sie immer wieder gelesen. Es ist spannend zu sehen, wie Menschen die Zukunft sehen. Als Projekt war das Buch bereits für 2022 vorgesehen, zur 100-jährigen Erstveröffentlichung. Die Zukunft vor 100 Jahren sah anders aus, als die Zukunft heute. In dieser Hinsicht kann ich auch auf das Buch „Die Welt in 100 Jahren“ von Arthur Brehmer, verweisen. Es erschien im Verlag Saphir im Stahl. Jim Buffalo ist eine Sammlung von 30 Heften, die nun erstmals gemeinsam als e-book, bzw. auch als Buch erscheinen. Als Redakteur wünsche ich gute Unterhaltung.

Peter Heller

Die Geheimnisse des Harems

1. Kapitel Der geheimnisvolle Berg

Der mächtigste Mann von Nordland, der Multimillionär Jonny Multipler, schritt ächzend in seinem eleganten Arbeitszimmer auf und ab. Ächzend deswegen, weil er zwei Zentner mit sich herumschleppen musste, weswegen er schon mindestens ein Dutzend Entfettungskuren durchgemacht hatte, die ihn aber, sonderbarerweise und zu seinem ständigen Ärger, nur immer noch dicker machten.

Augenblicklich hatte er eine wichtige Konferenz mit Horst Radichow und sprach lebhaft auf ihn ein. Horst Radichow war ein Sportsmann durch und durch. Erst jüngst hatte er einen neuen Rekord im Schwimmen aufgestellt. In Sportkreisen nannte man ihn nur Jim Buffalo. Der Multimillionär war seinem Privatsekretär von Herzen zugetan, zumal Horst Radichow in einigen Wochen des reichen Mannes Tochter, Ruth mit Namen, heiraten wollte.

Das Gespräch drehte sich augenblicklich um das neueste Unternehmen, das der Multimillionär plante. Jonny Multipler wollte eine Bahn durch die nördlichen Berge bauen, von der er sich ein großes Geschäft versprach. Ein Hindernis hatte sich ihm in letzter Sekunde in den Weg gestellt. Es hatten nämlich die Berechnungen der Ingenieure ergeben, dass man die Bahnlinie nicht um den Felskegel herum anlegen konnte, der sich in der Nähe des Dörfchens erhob, sondern dass man durch ihn hindurch musste.

„Wir müssen einen Tunnel brechen“, sagte der Milliardär, „und dazu ist es nötig, dass wir den verflixten Felskegel kaufen. Der Besitzer des Berges ist ein Bauer, Borg Degger mit Namen. Sie müssen jetzt versuchen, Horst, den Mann zum Verkauf des Felskegels zu bewegen!“

„Da komm ich mit!“, rief plötzlich eine helle Stimme. Als sich die beiden Männer überrascht umwandten, sahen sie die lachende Ruth auf der Schwelle stehen. Jetzt lief sie hinab und schlang zärtlich ihre Arme um den Geliebten. „Nicht wahr, du nimmst mich mit, Horst?“

Jim Buffalo nickte vergnügt.

Schnell verabredete man, dass Ruth den künftigen Gatten, der sich jetzt nach Hause begeben würde, in einer Stunde mit einem Rennautomobil des Milliardärs abholen sollte. Dann wollte man die Fahrt nach Lambertsen antreten. So schieden sie voneinander.

Als Horst Radichow die Villa seines Vaters, des greisen Professors, betrat, wartete dieser schon auf ihn. Er nahm ihm gegenüber Platz und entzündete sich eine Zigarette. Träumend sah er dem blauen Rauch nach.

„Wie ist es?“, fragte der Alte und zupfte mit verhaltener Erregung an dem grauen Spitzbart.

Horst zuckte die Achseln. „Wie ich es mir gedacht hatte. Multipler hatte beabsichtigt, den Schienenstrang um den Berg herum anzulegen. So müssen wir also, da wir nicht um den Berg herumkommen, durch ihn durch!“

„Ein Tunnel also?“

Horst nickte. „Ich fahre noch heute Nachmittag hinaus, um den Berg zu pachten oder gar zu kaufen.“

Nachdenklich rührte der Professor in dem Tee. „Liegt der Berg nicht in der Nähe des Dörfchens Lambertsen?“

„Ja. Das Dorf ist von dem Felskegel knapp zehn Minuten entfernt.“

Als Robert Radichow schwieg, fragte Horst: „Du kennst die Gegend?“

Der Alte ergriff statt einer Antwort einen vergilbten Folianten und schob ihn seinem Sohn zu.

„Mit dem Berg von Lambertsen ist irgendein mysteriöses Geheimnis verbunden“, sagte er leise. „Irgendetwas, was schon genug Menschen vor mir beschäftigt haben mag. Diesen alten Schmöker entdeckte ich in der Staatsbibliothek.“ Er deute auf den Folianten und schlug eine bestimmte Seite auf. „Es sind krause Worte, die ich bis heute noch nicht enträtseln konnte. Das Buch stammt aus dem Jahre 930 n.Chr. Nur so viel habe ich bereits herausbekommen, dass der Berg damals kein Berg, sondern ein Hügel war. Durch irgendein Naturereignis mag er im Laufe der Jahrhunderte das geworden sein, was er heute ist. In diesem Hügel sollen seltsame Geister ihr Unwesen getrieben haben, Geister, die sich mehr als sonderbar benahmen, die keinem Menschen etwas zuleide taten, sondern nur die Furcht der damaligen Bevölkerung durch eigenartige Geräusche und hin und wieder sogar durch geheimnisvolle Zauberkünste hervorriefen!“

Horst lachte behaglich auf. „Die Phantasie des Mittelalters und der Vorzeit ist berühmt. Wer weiß, welch trinkfester, dichterisch veranlagter Mönch oder sonstiger Gelehrter der weisen Schreibkunst diese Geistergeschichten erfunden und niedergeschrieben hat!“

Schweigend nahmen Vater und Sohn das Mittagsmahl ein. Dann kam Ruth und ließ den Chauffeur kräftig auf der Straße hupen. Schnell griff Buffalo zur Mütze und drückte dem Vater die Hand.

„Sei vorsichtig“, murmelte der Alte. „Der Berg hat seine Geheimnisse!“

Minuten später knatterte das Automobil davon.

2. Kapitel Rätselhafte Feinde

Im Nordland erhob sich ein prächtiger Palast, der von einem reichen Türken bewohnt wurde. Über Abdulla el Raschid schwirrten in der Stadt die seltsamsten Gerüchte herum, und besonders gut eingeweihte Kreise wollten wissen, dass sich der Türke sogar nach der Sitte seiner Heimat einen Harem halten sollte. Aber Bestimmtes war darüber nicht zu erfahren.

In Abdulla el Raschids Umgebung befanden sich stets zwei Amerikaner, die sich Harry Norder und Halifar nannten, zwei Männer, die alles andere, nur keinen vertrauenerweckenden Eindruck machten. Sie schienen dennoch des Türken Vertrauensleute zu sein.

Niemand ahnte im Nordland, dass der Türke einen Geniestreich plante! Gerade heute hatte er alle Vorarbeiten dazu abgeschlossen: Es handelte sich um den Berg von Lambertsen!

„Kauft den Berg um jeden Preis!“, sagte er zu seinen Vertrauten. „Ich muss ihn besitzen!“

Die Amerikaner wunderten sich nicht über das seltsame Objekt, das sie für den Türken erwerben sollten, da sie an seine Exzentrizitäten gewöhnt waren, sondern machten sich bald in einem Automobil auf den Weg.

„Ich kenne den Weg. Ich habe ihn schon mehr als dreißig Mal gemacht. Ein trauriges Nest, dieses Lambertsen. Eine knappe Viertelstunde vom Berg und von dem Stift“, sagte Norder.

„Vom Stift?“ gab Halifar erstaunt zurück.

„Ja. Oder weißt du nicht, dass sich am Fuße des Berges ein altes Damenstift befindet? Früher soll es ein Kloster gewesen sein. Müssen schrullenhafte Weiber sein, die sich in einer gottverlassenen Gegend wie Lambertsen festsetzen.“

Als sie die Millionenstadt hinter sich hatten, schaltete Harry Norder den vierten Gang ein. Auf staubiger Chaussee raste der schwarze Wagen dahin, vorbei an Gärten, Feldern und reichen Obstplantagen. Bis die Gegend öder und leerer wurde und sich die bis jetzt schnurgerade Landstraße in eine Serpentine verwandelte, die sich schier endlos in die Höhe zu schrauben schien.

„Noch eine halbe Stunde“, schrie Norder durch das Knattern des Motors.

Als der Wagen die Höhe erklommen hatte, ließ er ihn wieder frei dahinsausen.

Vor ihnen erhob sich, jäh aufragend, ein ungeschlachter Felskegel von seltsamer, bizarrer Form. Bei seinem Anblick zuckte Halifar zusammen und wandte keinen Blick von dem Berg, der sein ganzes Sinnen und Trachten erfüllte.

Dann jagten sie an ihm vorbei. Am Fuße des Berges lag ein klosterähnliches Gemäuer, das Damenstift der Grauen Schwestern.

Weiter raste das Automobil. Die ersten Häuser tauchten auf. Kleine, unscheinbare Dinger, zum großen Teil mit Stroh und nur hin und wieder mit rotem Ziegel überdacht.

Harry Norder zog die Bremse. Knirschend stand der Wagen vor einer der niedrigen, fast primitiv zu nennenden Wohnstätten. Sie stiegen aus und gingen auf die Tür zu. Norder pochte kräftig gegen das Holz.

Eine kleine, verhutzelte Frau öffnete nach einer Weile und fragte nach ihrem Begehr.

„Wir möchten Herrn Degger sprechen“, erklärte Halifar.

Die Frau schüttelte verwundert den Kopf. „Mein Mann bespricht gerade etwas Wichtiges“, sagte sie zögernd. „Was wollen Sie von ihm?“

„Etwas, worüber er sehr erfreut sein wird!“, erwiderte Halifar. „In Ihrem Besitz befindet sich doch der nackte Steinhaufen dort hinten ...“

Die Frau brach in ein herzliches Lachen aus. Betroffen blickten die Männer auf die Bäuerin.

„Der Berg also!“, rief sie schließlich vergnügt. „Sie sind schon der Zweite heute!“

„Was?“, schrien Halifar und Norder wie aus einem Munde.

Die Frau nickte schmunzelnd. „Dort!“, sagte sie und streckte die schwielige Hand aus. Als die Männer der angedeuteten Richtung mit den Augen folgten, erblickten sie einen eleganten Tourenwagen.

Erregt ergriff Norder die Frau am Arm.

„Und?!“ keuchte er, kaum noch seiner Sinne mächtig. „Und?!“

Die Frau schrie laut auf und machte sich los. „Was fällt Ihnen ein? Und?! Was denn ›und‹? Die werden ihn schon kaufen. Er hat den Vertrag ja schon aufgesetzt, der Herr da drinnen.“

Ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen, stürzte Halifar, von Norder auf den Fersen gefolgt, an der Frau vorüber.

Dort aus der angelehnten Tür erklangen Stimmen, zwei tiefere und eine Frauenstimme. Mit einem Satz war Halifar an der Tür und stieß sie auf.

Gerade reichte Horst Radichow dem Bauern die Feder zur Unterschrift des Vertrages. Die Verhandlungen mit Degger waren ohne Schwierigkeiten verlaufen, und er freute sich bereits, Multipler die frohe Botschaft überbringen zu können. Setzte er doch den Milliardär dadurch in den Bereich der Möglichkeit, umgehend mit dem Bahnbau bzw. mit dem Tunneldurchbruch zu beginnen.

Als der Bauer den Federhalter in die Hand nahm, um den Namen unter das Schriftstück zu setzen, erscholl von der Tür her ein scharfes „Halt!“

3. Kapitel Der letzte Kampf

Mit funkelnden Augen betrat Halifar ganz den Raum.

„Unterschreiben Sie nicht!“

Die Feder entfiel der Hand des überraschten Degger und spießte sich in der Holzdiele auf. Erschrocken sah Ruth auf den Mann, der schnell an den Tisch trat und mit einem raschen Blick auf den Vertrag erspähte, für wie viel der Berg verkauft werden sollte.

50.000 Kronen stand auf dem Papier.

„Ich biete 60.000 Kronen für Ihren Berg!“, rief Halifar.

In der Tür erschien die erregte Frau, neben ihr stand Harry Norder.

Aus Horsts Augen schoss ein kalter Strahl, den Halifar auffing. Energie gegen Energie! So standen sie Sekunden. Dann wandte sich Horst ab und forderte den Bauern bestimmt auf, den Vertrag zu unterschreiben.

Borg Degger krümmte sich wie ein Wurm.

„Der Herr will 10.000 Kronen mehr bezahlen“, erwiderte er zaghaft. „Es ist ein schönes Sümmchen! Und – und ich habe noch nicht – noch nicht unterschrieben!“

„Gut!“ Horst überlegte einen Augenblick, dann erhöhte er die Summe des Kaufpreises auf 70.000 Kronen.

Halifar lächelte. „80.000!“, sagte er gelassen.

„90.000!“

„100.000!“

„110.000!“

Der Bauer begann zu zittern.

„120.000!“, bot Halifar und steckte sich eine Zigarette an.

Horst zögerte. Gewiss, Multipler hatte ihm einen Blankoscheck gegeben, den er in jeder Höhe auszustellen berechtigt war. Aber doch hatte ihm Multipler ans Herz gelegt, nicht zu hoch zu gehen.

So sah er unschlüssig zu Ruth.

„Ich habe von deinem Vater keine Order, höher zu gehen“, raunte er ihr zu. „Wenn der Berg jedoch für uns verlorengeht, fällt das ganze Bahnprojekt ins Wasser!“

Mit gierig funkelnden Augen schielte der Bauer zu ihnen herüber und wartete. Vor Staunen riss er die Lider weit auf, als die junge Dame den Federhalter aus dem Fußboden zog und ihn ihm in die Hand drückte.

Halifar starrte auf die Frau und ließ die Zigarette ausgehen. Norder zerbiss sich nervös die Lippen. Eine unheimliche Schwüle lag über dem Raum.

Borg Degger stand vor dem Tisch und drehte die Feder in der Hand, schielte von einem zum anderen und wusste nicht, was er tun sollte. Seine Frau stand in der Tür und machte ihm heimlich Zeichen, festzubleiben. Ruth deutete auf das Papier, das noch immer auf der Tischplatte lag. „Ich überbiete jede Summe dieses Herrn mit 10.000 Kronen! Genügt Ihnen das?“

Degger starrte sie an. Als sie ernsthaft nickte, schaute er fragend zu dem Fremden hinüber, der hastig einige leise Worte mit Harry wechselte.

Als sich Ruth zu Halifar umwandte, sah sie in ein Gesicht voller Hass und Hohn. Doch die verzerrten Züge glätteten sich überraschend schnell zu einem liebenswürdigen, verbindlichen Lächeln. Er verbeugte sich kurz.

„Sie haben gesiegt!“, meine er mit leisem, drohendem Unterton in der Stimme. „Ob für immer, bezweifle ich. Ich hatte das Vergnügen!“

Ruth füllte den Scheck auf 130.000 Kronen aus.

„Unterschreiben Sie!“

Sekunden später standen mit zittrigen Händen geschrieben die Worte „Borg Degger„ unter dem Vertrag. Horst löschte den tintenfeuchten Namen und steckte das Papier mit erleichtertem Aufatmen zu sich. Ruth reichte dem Bauern den Scheck, den dieser wie ein Heiligtum zwischen die Fingerspitzen nahm und in ehrfürchtiger Gemeinschaft mit seiner strahlenden Frau bewunderte.

„So!“, sagte Horst. „Jetzt noch die Grundstückspapiere zur gerichtlichen Eintragung, dann wären wir einstweilen miteinander fertig. Den Scheck können Sie morgen auf der Bank von Nordland einlösen.“

Borg Degger verschloss den Scheck in einer Schatulle. Dann suchte und kramte er eine Weile in seinem altmodischen Sekretär, bis er ein verstaubtes Bündel zum Vorschein brachte. Als er es Horst übergab, fügte er wichtig hinzu: „Das Damenstift ist jetzt Ihr Eigentum, Herr! Viele Zinsen werden Sie ja nicht herausbekommen. Die Stiftdamen haben selbst nicht viel. Ich habe sie in dem alten Haus am Berg wohnen lassen, weil ich es nicht brauche.“

„Wie lange besteht das Stift?“

„Oh – schon seit 150 Jahren. Und vordem bewohnten fromme Mönche das Bergschloss, wie es hier die Leute nennen. Schon der Vater meines Urgroßvaters hatte es in seinem Besitz. Und da kann ich doch heute die armen Stiftsweiber nicht auf die Straße setzen, wenn sie einmal den Zins nicht pünktlich zahlen. Sie leben ja so still und friedlich!“

„Das Stift wird wohl die längste Zeit in beschaulicher Ruhe gestanden haben. Oder aber, Multipler stellt die ehrwürdigen alten Schachteln lebenslänglich als Tunnelwärterinnen an!“

So dachte Horst, ließ jedoch seinen sträflichen Gedanken nicht laut werden und verabschiedete sich mit Ruth von den Leuten.

Auf dem Wege vom Zimmer durch den dunklen Korridor zerbrach er sich den Kopf, aus welchem Grunde diese Fremden den Berg kaufen wollten. Was das Bahnprojekt bereits publik geworden, und wollte eine Konkurrenz den Multipler-Bahnplan durchkreuzen?

Anders konnte es wohl gar nicht sein, denn aus welchem anderen Motiv heraus sollte ein denkender Mensch einen nackten, kahlen Berg für eine Unsumme erwerben, als auf industriellem Wege diese Unkosten wieder herauszuholen?!

Bei diesen Gedanken tasteten sie sich durch den finsteren Gang. Ruth ging ein paar Schritte vor Radichow. Sie atmete auf, als sie draußen die Sonne lachen sah.

Jedoch nicht lange.

In dem Moment, als sie den ersten Schritt vor die Schwelle des Hauses setzte, fühlte sie sich von sehnigen Männerfäusten gepackt.

„Hilfe! Horst!“

Finger krallten sich um ihren Hals.

Horst taumelte schreckerfüllt über die Schwelle. Das grelle Sonnenlicht blendete für Sekunden die Sehkraft seiner Augen.

Wie ein Pfeil schoss Harry Norder auf ihn zu.

Halifar hielt die bewusstlos gewordene Ruth in seinen Armen.

Norder hob die Faust. Betäubt sank Horst von dem harten Schlag auf den Kopf zu Boden.

Ehe die herausstürzenden Bauersleute bemerken konnten, was hier eigentlich vorging, hatte Halifar Ruth in den Fond des Automobils gelegt und mit Harry den Motor angekurbelt.

Eine mächtige Staubwolke hinterlassend, jagte das Auto davon.

Mit unverminderter Geschwindigkeit ging es die Serpentinen hinab. Harry saß mit eisernem Gesicht am Steuer, und Halifar war im Fond des Wagens sorgsam darauf bedacht, dass seine Gefangene wohl und warm unter den Decken verpackt lag.

War es den Schurken auch nicht gelungen, den Auftrag ihres Herrn auszuführen, so konnten sie ihm doch eine Geisel bringen, mit der es ihm schon gelingen würde, sein Vorhaben zu erzwingen!

4. Kapitel Ein rätselhaftes Damenstift

Das erste, was Jim Buffalo unternahm, als er aus seiner Ohnmacht erwachte, war, von dem Dorfe aus die Polizei Nordlands zu verständigen. Es stand für ihn fest, dass man der Geliebten nichts antun, sondern nur versuchen würde, durch sie irgendetwas zu erpressen.

Währenddessen hatte Borg Degger zwei der Stiftsdamen getroffen und ihnen eilig erzählt, dass er den Berg verkauft habe. Furchtbares Erschrecken zeigte sich auf den Gesichtern der alten Frauen. Leise tuschelten sie miteinander. Dann eilte die eine in das Stift, um das Ereignis zu melden, während die andere mit fanatisch glühenden Augen auf Horst wartete. Als sie schließlich dessen ansichtig wurde, forderte sie ihn auf, auf dem Rückweg einen Blick in das Stift zu werfen, was Horst nach kurzer Überlegung zu tun versprach. Länger als zehn Minuten würde die Besichtigung nicht währen. So folgte er der graugekleideten Frau, die sich Ele nannte und bucklig war, bis zu dem Bergschloss.

Ein altes, verwittertes Gemäuer, die Fenster im altgotischen Stil, die Wände grau und hier und dort brüchig – das war das Damenstift von Lambertsen.

Wie ein Schwalbennest klebte es an dem Felsenberg und reckte den kleinen Turm in die Luft, von dem zur Mittags- und Abendzeit das Glöckchen ertönte. Eine alte Mauer zog sich um das Gebäude herum. Auf dem Hofe wucherte das Unkraut. Die Bäume waren trotz der Sommerzeit fast kahl und dürr. Der Boden war steinig und gab keine Lebenskraft.

Die Pförtnerin führte ihn über den Hof. Er betrat das Stift und folgte der alten Frau durch lange Gänge und weite Säle, bis sie in einer mittelgroßen Halle haltmachte.

Aus einer Tür schollen singende Stimmen.

„Ele ist da – Ele ist da!“

Die Tür ging auf.

Horst sah die knochige Gestalt der Vorsteherin und dahinter die Kuttenträgerinnen, die frommen Grauen Schwestern.

Er musste über das sonderbare Bild lächeln.

Nein, wie feierlich sie sich bewegten. – Doch das Lächeln erstarrte auf seinen Zügen. Erstarb, als er den Blick auffing, den die Bucklige mit der Vorsteherin wechselte.

Teufel!

Was war das?

Ein leises Kichern erscholl, das anschwoll zu einem heiseren Gelächter aus Frauenkehlen. Die Vorsteherin reckte die Hand empor.

Das Lachen verscholl. Es wurde still – ganz still. Als sie sprach, hörte es sich an wie das Krächzen eines Raben.

„Wir danken dir, Ele!“

Die Bucklige beugte ihre Knie. In ihren Augen blitzte ein fanatisches Funkeln.

„Gott, der Allmächtige, Gott, der Unsichtbare, hat dich geleitet“, fuhr die Vorsteherin fort, um dann die Verwachsene zu fragen: „Ist es der Schwiegersohn jenes Mannes, der ...?“

„Er ist es!“

Die Vorsteherin wandte sich an Horst Radichow. „Sie haben den Berg von Lambertsen von Borg Degger gekauft, ohne sich erst den Rat der Grauen Schwestern einzuholen. Der Berg ist nicht für Menschen eures Schlages, nicht für Irdische bestimmt. Er ist ein Heiligtum. Das Größte und Heiligste, das je auf Erden stand! Sie wollen einen Tunnel bohren lassen. Ich weiß es! Der Arm der Grauen Schwestern reicht weit!“

Horst zwang sich zum Denken. Er war nicht imstande, irgendeine Erklärung für dieses Erlebnis zu finden. Nur die Erkenntnis sickerte allmählich in ihm durch, dass die Bucklige eine Komödie gespielt und ihn dadurch hierher gelockt hatte.

„Der Tunnel würde das Geheimnis der Welt vernichten!“, fuhr die Vorsteherin fort. „Der Tunnel würde die Arbeit und Organisation von Jahrhunderten zerstören. Die Menschen würden darüber hinwegrasen und sich mit trunkenen Augen im Blute der Zeit baden!“

Wahnsinnige!

Horsts Gestalt straffte sich. Er war in die Falle gegangen, die ihm hysterische Weiber, irrsinnige Lebewesen gestellt hatten. So nahm er wenigstens an. Und das gab ihm die Energie zurück.

In seiner Tasche befand sich ein kleiner Revolver. Eine Waffe, die er mehr als Spielzeug und Zeitvertreib zu benutzen pflegte. Sie war nicht scharf geladen, doch würde der Anblick eines Revolvers oder doch die Detonation der Platzpatrone den Eindruck nicht verfehlen, und man würde ihn eingeschüchtert wieder hinauslassen.

So griff er blitzschnell in die Tasche und riss die Waffe hervor. Entschlossen richtete er die Mündung auf die Frauen.

„Führen Sie mich augenblicklich hinaus!“

Keine bewegte sich auch nur. Nur die knöcherne Hand der Vorsteherin sank schlaff herab.

Rückwärts ging Horst zur Tür.

Da schlug ihm plötzlich jemand unvermutet auf den Arm, dass der Revolver klappernd zu Boden fiel. Es war die Pförtnerin, die ihn hergeleitet und sich dann hinter der Tür verborgen hatte.

Ein schrilles Lachen ertönte aus dem Munde der Vorsteherin.

Was tun?

Nur nicht die Ruhe verlieren, raunte ihm eine innere Stimme zu, nur nicht die Überlegung schwinden lassen!

Langsam kamen die Frauen näher. Er musste handeln.

Mit plötzlicher Wendung warf er seinen Körper herum und stieß die Pförtnerin beiseite. Im Nu huschte er hinaus.

Auf dem Gang herrschte ein unsicheres Licht. Er rannte hinunter. Hinter ihm erscholl das Geschrei der Weiber. Deutlich hörte er die Stimme der Vorsteherin: „Greift ihn! Er ist einer von denen, die uns bestehlen wollen!“

Vor dem Tor stand ahnungslos der Chauffeur des Rennwagens und brannte sich gemächlich sein Pfeifchen an.

Durch finstere Gänge, nackte Kammern und prächtige Säle lief Horst – und fand den befreienden Ausgang nicht.

Die Mauern des Stifts waren dick und ließen kein Geräusch hinaus.

Plötzlich lähmte das Entsetzen Horsts flüchtenden Lauf. Hinter den Wänden wurde es lebendig. Es raunte und flüsterte, kicherte und lachte. Und dazwischen krächzende Laute, so wie ein Rabe schreit. Rechts war eine kleine Seitentür. Vielleicht führte sie hinaus in das Licht, hinaus in die Freiheit.

Er lief dorthin und betrat eine weite Halle. In langen Reihen waren geschnitzte Bänke aufgestellt, und ganz vorne befand sich ein Altar.

Die Kapelle des Stiftes …

Er huschte über die Fliesen, hastete an den Bänken vorbei und erreichte die gegenüberliegende Wand. Als er sich umwandte, sah er in der kleinen Tür graue Gewänder und hassverzerrte Gesichter.

Die Finger einer dürren Hand tasteten nach einem Hebel.

Glühende Augen saugten sich an dem Fliehenden fest. Er lief an den steinernen Säulen vorüber.

An der Ersten ...

Der Zweiten ...

Die Hand am Hebel begann leicht zu zittern.

Noch wenige Meter, dann hatte er die dritte Säule erreicht!

Krampfhaft schlossen sich die Finger um den Griff. Sekundenlang.

Dann rissen sie ihn herunter.

Es war der Moment, in dem Buffalo die dritte Säule erreichte.

Ein gellender Schrei!

Horst taumelte. Vergebens suchte er nach einem Halt. Er verlor den festen Boden unter den Füßen und stürzte hinab in die gähnende Tiefe.

Lautlos schoben sich die Fliesen wieder zusammen.

Das Wasser zischte und gluckerte, presste sich ein Bett durch die harten Steinwände und brodelte wie in einem Hexenkessel, raste hinweg und über kantige Blöcke und riss das Geröll mit sich fort.

Kein Licht. Keine Sonne. Nur Wasser – Wasser.

Was kümmerte es den brausenden Bach, dass er den weißen Körper des Mannes gegen den Felsen warf und seine Haut an den zackigen Steinen zerriss.

Nur weiter – weiter ...

Allmählich wurde es heller. Ein frischer Luftzug wehte herein. Wie ein Pünktchen erschien in der Ferne das Tor der Freiheit. Langsam wurde es größer und größer, um schließlich die rasende Flut in das Licht hinausschießen zu lassen.

Die Gewalt und Kraft des Wassers schleuderte ihn an das steinige Ufer, gegen einen Steinblock, wo er wie leblos liegenblieb.

Weiter raste der Bach.

Dem Fluss, dem Strom, dem Meer zu ...

5. Kapitel Halifar, der Erpresser

Wie lange Buffalo oder Horst Radichow, wie wir unseren Helden vorläufig noch nennen wollen, auf dem Steinblock gelegen hatte, wusste er später selbst nicht zu sagen. Als er die Besinnung wiedererlangte, war es Abend geworden. Zu Fuß machte er sich auf den Heimweg. Weit nach Mitternacht erreichte er total erschöpft die Stadt, gab dem jammernden Milliardär einen kurzen Bericht der Geschehnisse und sank in einen totenähnlichen Schlaf.

Sein erster Weg am anderen Morgen war der zu Multipler. Jonny Multipler sah bleich aus und zitterte um das Leben seiner Tochter. Über das Rätsel des Damenstifts mit dem Milliardär zu sprechen, war jetzt nicht der richtige Augenblick. Multipler lief wie ein Irrer im Zimmer umher. Horst Radichow stand am Schreibtisch. Er schien um Jahre gealtert.

„Fassen Sie sich“, sagte er. „Ruth lebt, und ich will nicht eher ruhen, als bis ich sie Ihnen wieder zugeführt habe!“

Multipler antwortete nicht.

An der einen Wand hing ein lebensgroßes Bild Ruths. Vor diesem Gemälde sank er nieder und vergrub sein Gesicht in den Händen.

„Alles sollst du tun dürfen!“, stöhnte er. „Alles – alles! Jeden Tag sollst du dein Auto haben – jeden Tag – nur lass mich dich gesund wiedersehen!“

Langsam ging Horst zu ihm, den Vater zu trösten, er, der selbst des Trostes bedurfte!

Blody brachte eine Karte. Der Hausmeister war im Dienste des Milliardärs ergraut und erfreute sich einer bevorzugten Stellung, die ihn hin und wieder seinen Untergebenen gegenüber etwas größenwahnsinnig machte.

„Wladimir Halifar.“

Der Name stand auf der Karte. Als Multipler sie umwendete, las er: „Ich komme von Ihrer Tochter!“

Einen Moment stand Multipler wie erstarrt. Dann ging er langsam zum Schreibtisch und entnahm einem der Fächer einen Browning.

Horst rang ihm die Waffe aus der Hand.

„Keine Dummheiten!“, raunte er ihm zu. „Nur eine List ...!“

„Was soll ich tun?“

„Dieser Halifar wird der Mann sein, der Ruth entführte. Gehen wir mit Gewalt gegen ihn vor, so geschieht Ruth ein Leid. Ich kenne die Racheakte solcher Existenzen.“

Als Multipler schwieg, gab Horst Blody einen Wink, worauf dieser das Zimmer verließ und nach einer Weile Halifar hereinführte.

Sofort erkannte Horst in ihm den Mann wieder, mit dem er vor fast vierundzwanzig Stunden um den Besitz des Berges gekämpft hatte.

Halifar trat mit verbindlichem Lächeln näher.

Er machte keine langen Worte. Ruth befindet sich in meiner Gewalt! Der Berg gehört seit ein paar Stunden dir! Gib mir den Berg, ich retourniere dir deine Tochter. Wenn nicht, tut es mir leid – ich kann dann für das Leben Ruths nicht voll garantieren! Nur dass er im Auftrag des Türken handelte, verschwieg er.

Das war im Großen und Ganzen der nüchterne Sinn seiner kurzgefassten, jedoch in höflichstem Ton gesprochenen Worte. Kalt und ohne jede Leidenschaft oder Wechsel im Tonfall hervorgebracht.

Multipler saß am Schreibtisch und starrte auf das Teppichmuster.

„Ich will Sie in Ihrem Entschluss nicht beeinflussen, meine Herren. Die Sache eilt ja nicht. Bis morgen Mittag ist Zeit genug. Ich bitte also, mir bis morgen präzise ...!“

Multipler fuhr auf. „Schuft!“ knirschte er.

Horst hielt ihn im letzten Moment zurück, als er sich auf Halifar stürzen wollte.

Der lächelte nur ironisch und verbeugte sich leicht.

„Wollen Sie mich also morgen Mittag zwischen elf und zwölf Uhr noch einmal empfangen, damit ich das Resultat Ihrer Entschlüsse in Empfang nehmen kann. Es sollte mir wirklich leidtun ...!“

„Gehen Sie!“, sagte Horst kalt. „Wir sprechen morgen weiter!“

Wladimir Halifar quittierte lächelnd. „Ein Tauschgeschäft!“, sagte er. „Ein kleines Tauschgeschäft. Nichts weiter!“

Dann ging er hinaus, und Blody führte ihn aus der prächtigen Empfangshalle. Als der Schurke das Haus verließ, folgte ihm Horst wie ein Schatten. Händereibend trat Halifar den Rückweg an. Der Palast des Türken war sein Ziel.

Das Boudoir, in welchem Ruth Stunden später wieder zu sich kam, wies keine besonderen Eigenschaften auf. Höchstens, dass man dem zierlichen Raum ansah, dass er wenig oder gar nicht benutzt wurde.

Sie sprang auf und lief von der breiten Ottomane zur Tür. Diese war verschlossen. Augenblicklich ließ sie von ihr ab und wandte sich dem Fenster zu. Als sie die Gardine zurückschlug, bemerkte sie die eisernen Gitterstäbe, die ein Entweichen unmöglich machten.

Wo hatte man sie hingeschleppt?

Sie raffte ihre Energie zusammen. Grübelnd durchmaß sie ein paarmal den Raum, dann setzte sie sich wieder auf die Chaiselongue, zerbrach sich den Kopf und fand im ersten Moment dennoch keine Erklärung für das mehr als gemeingefährliche Verhalten jener beiden Männer, die den Berg kaufen wollten und sie dann überfielen.

Plötzlich schrie sie auf.

Horst!

Um Gottes willen, was war aus ihm geworden?! Auf dem dunklen Gang bei Degger war er dicht hinter ihr gegangen. Sollte auch er in die Hände dieser sonderbaren Menschen gefallen sein?

Fast schien es, als beruhige sie der Gedanke, Horst in ihrer Nähe zu wissen. Vielleicht saß er wie sie in irgendeinem Zimmer dieses Hauses.

Der Leichtsinn siegte in Ruth und zauberte ein Lächeln um ihren Mund. Eigentlich war dies ja ein Abenteuer, wie sie es zu erleben schon lange einmal erwünscht und herbeigesehnt hatte. Sie schwankte in ihren Kombinationen über die beiden Männer zwischen Erpressern oder Mädchenhändlern. Die Art und Weise wenigstens, wie man sie entführt hatte, ließ auf keine feinen Sitten und Gebräuche schließen.

Doch je mehr sie über den Fall nachdachte, desto mehr kam sie zu der Meinung, es mit Menschen zu tun zu haben, die ihre Person zur Ausführung eines Tricks benötigten. Erpresser nicht im gewöhnlichen Sinne, sondern solche, die es vielleicht geworden waren, um irgendetwas durchzuführen, was ihnen misslungen war. Und misslungen war ihnen ja eigentlich der Erwerb des Berges von Lambertsen!

Horst hatte ihr während der Autofahrt die Worte und Andeutungen seines Vaters mitgeteilt. Sollte dieser Felsblock wirklich ein Geheimnis bergen?

Ein Geräusch an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Ohne sich zu rühren, sah sie hinüber.

Draußen schloss jemand. Eine Zofe trat ein und deckte den Tisch mit Tee, Brot, Butter, kaltem Braten und Käse.

Ruth lächelte. Verhungern ließ man sie also nicht. Interessiert betrachtete sie die flinken Hände des Mädchens, das, ohne ein Wort zu sprechen, seine Arbeit verrichtete. Vom Nebentischchen nahm es eine Menage mit Salz und Pfeffer, stellte sie auf den Tisch und machte eine einladende Handbewegung, um dann wieder hinauszugehen.

„Ist sie ruhig?“, fragte auf dem Gang Norder das heraustretende Mädchen.

„Sie spricht kein Wort!“

6. Kapitel Das Krokodilbassin

Noch eine Weile stand Harry Norder unbeweglich und wandte keinen Blick von der Tür.

Dort saß sie! Und frühstückte vielleicht! Auf Zehenspitzen schlich er sich bis zu der Flügeltür.

Ruth zuckte jäh zusammen, als sie ihn hereinkommen sah, und blitzte ihm feindselig entgegen. Ohne es zu beabsichtigen, trat sie, von einem plötzlichen Abscheu erfüllt, einige Schritte zurück.

Er verschlang ihre Gestalt mit heißen Blicken.

Seine Augen funkelten in roher Begierde.

Die schwarzen Pupillen glühten wie im Fieber und loderten wie Feuer. Ruth griff nach der Lehne eines Stuhls und klammerte sich in jähem Erschrecken daran fest.

Instinktiv begann sie, die furchtbare Gefahr zu ahnen, in der sie schwebte.

Langsam kam er näher.

Das Lächeln, das seinen Mund umspielte, war das eines Tieres, nichts weiter als ein Zähnefletschen. Ruth schauderte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals herauf. Mit einem Aufschrei flüchtete sie in den äußersten Winkel des Zimmers.

Das Lachen erstarb auf seinen Lippen. Nur der Ausdruck seiner Augen blieb derselbe. Wie ein Raubtier umschlich er sie.

„Fort!“, schrie sie in aufsteigender Todesangst.

Seine Antwort bestand nicht aus Worten, sondern aus unartikulierten Schreien. Er streckte die Hand nach Ruth aus und riss sie an sich.

Ruth wurde von der Verzweiflung gepackt, was ihr Riesenkräfte verlieh. Sie stieß ihn zurück, dass er gegen den Spiegel taumelte, und um ein Haar das geschliffene Glas zertrümmert hätte.

Sie selbst flüchtete hinter den Tisch und stand wie eine Bildsäule.

Norder schloss die Augen. Seine Finger krampften sich zusammen und ballten sich zu Fäusten. Er verlor die Herrschaft über seine Sinne.

Er stürzte sich auf sie. Ruths Hand zuckte auf den Tisch und ergriff die Menage.

Zielsicher schleuderte sie ihm das Salz und den Pfeffer ins Gesicht, in die Augen!

Brüllend vor Schmerz taumelte er zurück, stolperte und fiel über die Ottomane, wo er sich in wilden Schmerzen wand. Ruth seufzte auf und eilte zur Tür. Erleichtert bemerkte sie, dass diese unverschlossen war.

Dann fiel ihr etwas ein. Sie schlich zu dem halb Bewusstlosen und wartete den günstigen Moment ab, als er sich wieder mit beiden Händen die brennenden Augen rieb.

Blitzschnell griff sie in die Brusttasche Harrys und zog die Brieftasche hervor.

Da erklang ein Wutschrei von der Tür her. Entsetzt fuhr Ruth herum. Der Herr des Hauses stand mit wildem Blick auf der Schwelle. Abdulla el Raschid, der Türke. Mit einem teuflischen Fluch warf er sich auf das Mädchen und entriss ihr die Tasche.

„Sie will mich ermorden!“, brüllte Norder.

„Warte, Hexe, das sollst du büßen!“ knirschte der Türke. Ohne sich um den wimmernden Mann zu kümmern, zerrte Abdulla Ruth hinaus. So sehr auch das tapfere Mädchen den Griff des Türken zu lockern versuchte – es gelang ihr nicht. So konnte sie es auch nicht verhindern, dass sie der Elende schließlich in ein weites Gemach stieß und die Tür hinter sich zuwarf und abschloss.

Das Staunen nahm Ruths Sinne gefangen.

Wo befand sie sich? War es ein wüster Traum, den sie erlebte? Befand sie sich wirklich in Nordland oder in der Türkei?

Rings um sie herum wurde es lebendig; verschleierte Frauen traten auf sie zu und sprachen in fremden Lauten, die sie nicht verstand, auf sie ein. Da fiel es wie ein Schleier von ihren Augen. Jetzt wusste sie, wo sie sich befand.

In dem Harem Abdulla el Raschids, von dem man in Nordland heimlich erzählte!

Horst war Halifar ungesehen gefolgt und hatte diesen zu seiner Verblüffung in dem Palast des reichen Türken verschwinden sehen. Er musste, koste es, was es wolle, in dieses Haus! Ein Kellerfenster diente ihm als Mittel zum Zweck. Er schlug es ein, lauschte und drang, als alles ruhig blieb, in den Palast ein.

Indessen erstattete Halifar Bericht. Der Türke hörte aufmerksam zu und stieß dann ein höhnisches Lachen aus. „Die Teufelsmaschine muss mein Eigentum werden!“, raunte er dann. „Sie macht mich zum mächtigsten Mann der Welt.“

„Was ist das für eine Maschine?“ forschte Halifar mit lauerndem Blick.

Der Türke antwortete darauf nicht. Er entließ Halifar und klingelte dann nach einem Diener. Wenig später wurde Ruth hereingeführt. Auf einen Wink verließ der Diener den Raum.

Drohend trat Abdulla el Raschid auf das unerschrockene Mädchen zu.

„Aus welchem Grunde will dein Vater den Berg von Lambertsen kaufen?“

„Er will einen Tunnel bauen!“

„Du lügst!“

Ruth zuckte die Achseln und schwieg.

„Willst du endlich sprechen?“

„Ich sagte bereits schon einmal ...!“

Der Türke lachte hart auf.

„Wenn du nicht die Wahrheit sagen willst, werde ich dich dazu zwingen müssen!“ Und er ergriff eine sechsschwänzige Peitsche und ließ sie durch die Luft sausen, so dass sie, ehe Ruth es verhindern konnte, auf ihrem Rücken niederschlug.

Sie schrie auf. Der Schmerz nahm ihr fast die Sinne. Dann aber zuckte die Empörung in ihr auf. Mit einer Kraft, die sie sich selbst nie zugetraut hätte, schlug sie dem Türken ins Gesicht und lief dann blitzschnell zur Tür. Mit wilden Fluch setzte der Erpresser ihr nach.

Ruth lief einen langen Gang hinunter. Hinter ihr erklang das Keuchen ihres Verfolgers. Plötzlich strauchelte sie. Ehe sie wieder auf die Füße kam, hatte Abdulla sie erreicht. Ein verzweifeltes Ringen entstand. Es gelang Ruth, aus dem breiten Gürtel ihres Gegners einen krummen Dolch zu reißen. Doch der Türke sah rechtzeitig die furchtbare Gefahr. Mit einem tierischen Schrei umklammerte er ihr zartes Handgelenk, das sie aufschreiend den Holzgriff der Waffe losließ.

Im selben Augenblick tauchte am anderen Ende des langen Ganges eine schlanke Gestalt auf, die, vor Schreck wie erstarrt, Sekunden regungslos verharrte, dann aber heranschoss.

Die Wut des Türken kannte keine Grenzen mehr. Er stieß die erstbeste Tür auf und schleppte Ruth hinein.

Ein seltsamer Raum war es. Fliesen bedeckten Boden und Wände. In der Mitte befand sich ein mit orientalischer Pracht aus Marmor gefertigtes tiefes Bassin, aus dem die Köpfe einiger junger Nilkrokodile gierig emportauchten.

An den Rand dieses Bassins stürzte Abdulla mit Ruth und hob ihren Körper hoch empor. Er überhörte die Schritte, die sich draußen in rasender Hast näherten.

„Stirb, weiße Schlange!“ keuchte der Schurke. Da erschien Jim Buffalo.

Vor seinen Augen geschah das Grässliche. Er kam um eine Sekunde zu spät, es zu verhindern.

In hohem Bogen schleuderte der Unmensch sein unglückliches Opfer in das Bassin – in derselben Sekunde packten ein paar zähnestarrende Mäuler den weichen Körper Ruths und zogen ihn unter Wasser.

„Bestie!“, schrie Horst auf und sprang mit wildem Schmerzensruf auf den Türken zu. „Du hast mir das Liebste genommen, das ich auf der Welt besaß – da ...!“

Horst vergaß, wo er sich befand. Wie ein Tier schlug er auf den Türken ein, der brüllend unter den mit furchtbarer Kraft geführten Schlägen zusammenbrach. Die Rache brannte in ihm wie Feuer.

„Hinunter!“, schrie Buffalo und stieß den Türken zu dem Bassin.

„Gnade – Gnade ...!“

Der andere hörte das Winseln nicht. Er packte den Türken und stieß ihn mit furchtbarem Lachen in das Bassin.

Abdulla el Raschid machte noch ein paar zuckende Schwimmbewegungen, dann verschwand er plötzlich unter der Wasserfläche, die sich blutrot färbte.

Noch lange stand Horst Radichow in dem entsetzlichen Raum. Dann wandte er sich zum Gehen.

Er war in diesen Minuten ein anderer geworden – sein Herz war hart geworden!

In derselben Stunde wurde der Palast des Türken polizeilich ausgehoben. In dem geheimen Harem befanden sich nahezu dreißig Frauen, von denen einige schon jahrelang in Gefangenschaft schmachteten. Auch Norder und Halifar fielen in die Hände der Behörde.

Der Multimilliardär erlitt einen schweren Nervenzusammenbruch, als er aus Horsts Mund das furchtbare Ende Ruths vernahm.

Horst selbst war wie verändert. Sein Gesicht war eisern geworden. Nichts verriet, was in ihm vorging. Sein künftiges Leben stand klar und deutlich vor ihm. Es sollte nur jener Maschine dienen, die sich in dem Felskegel befand, die von den Grauen Schwestern bewacht wurde – denn er hatte aus Papieren, die er im Schreibtisch des Türken entdeckte, ersehen, was es für ein Geheimnis war, das mit dem Berg in einem Zusammenhang stand.

Nicht eher wollte er ruhen, als bis er das Geheimnis restlos ergründet und den Mord an Ruth gerächt hatte.

Wie Jim Buffalo sein Ziel erreichte, soll zu schildern dem zweiten Band vorbehalten sein.

Das Testament des Cagliostro

1. Kapitel Das große Rätsel

Das Polizeipräsidium von Nordland war ein riesiges, düster wirkendes und aus Quadersteinen bestehendes Gebäude, das sich abseits vom Betrieb der Millionenstadt wie ein warnendes Wahrzeichen rächender Justiz erhob und schon manchen Schwerverbrecher in seinem Inneren beherbergt hatte.

Zwei Herren saßen sich in einem Zimmer des Präsidiums gegenüber und waren in ein ernstes Gespräch vertieft. Der eine war Sir Robert Fleming, der in gewissen Kreisen gefürchtete Chef der Detektivabteilung, der andere Jim Buffalo.

„Ihr Worte klingen wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht“, murmelte der berühmte Kriminalist, als Buffalo seinen Bericht beendete. „Wenn Sie es nicht wären, der mir dieses erzählen würde – weiß Gott – ich würde an der Wahrheit zweifeln. Aber so ...“

Er stand auf und schritt unruhig auf und ab. Dabei legte er beide Zeigefinger an die Schläfenwände, wie es stets seine Gewohnheit war, wenn ihn ein Fall sehr beunruhigte. Schließlich blieb er ruckartig vor dem weltbekannten Sportsmann stehen.

„Erlauben Sie mir, der klaren Übersicht halber, das eben von Ihnen Erzählte noch einmal kurz zu wiederholen“, sagte er, und als Buffalo leicht nickte, fuhr der Detektiv fort: „Der Milliardär Multipler will einen Schienenstrang in die nördlichen Gegenden legen und beabsichtigt zu diesem Zweck, einen Berg zu kaufen, durch den er einen Tunnel bohren lassen will. Als Verlobter der Tochter des Milliardärs und seine rechte Hand übernehmen Sie es, Mister Buffalo, den Berg, der einem Bauern gehört, zu kaufen. Der Bauer wohnt in dem Dörfchen Lambertsen, von dem der Berg eine Viertelstunde entfernt ist.

Vor Ihrer Abreise haben Sie mit Ihrem Vater, der Geschichtsprofessor ist, eine Unterredung, in welcher Ihr Vater Sie warnt und die Behauptung aufstellt, der Berg habe irgendein mysteriöses Geheimnis. Er dokumentiert seine Behauptungen, indem er Ihnen einiges aus vergilbten Folianten vorliest, in dem von Zauberern und Geistern die Rede ist, die in dem Berg hausen sollen. Sie verlachen jedoch diese Warnung Ihres Vaters und begeben sich mit Ihrer Verlobten in einem Kraftwagen nach Lambertsen.“

Jim Buffalo nickte.

„Am Ziel angekommen“, fuhr Sir Fleming fort, „verstanden Sie es, den Bauern zum Verkauf des Berges zu bewegen. In dem Augenblick jedoch, in dem dieser den Vertrag unterschreiben sollte, drangen zwei Männer herein, die, als sie vernahmen, dass Sie den Berg kaufen wollten, sofort das Doppelte des Preises boten. Es war Ihnen damals ein Rätsel, weshalb die Fremden den Berg in ihren Besitz nehmen wollten, doch setzten Sie alles daran, den Berg zu erhalten, indem nun auch Sie dem Bauern ein höheres Angebot machten, um den Bau des Tunnels sicherzustellen. Es entstand eine regelrechte Auktion, doch als Sie schließlich dem Bauern 120.000 Kronen boten, gaben die Fremden den Kampf auf und zogen sich in größter Wut zurück. Als Sie dann mit dem Vertrag in der Tasche das Haus verließen ...“

„Halt“, warf Buffalo ein. „Vorerst musste ich von dem Bauern hören, dass sich am Fuße des Berges ein altes Gemäuer erhebt, das einem alten Weiberstift als Aufenthaltsort dient. Die Insassen nennen sich die ›Grauen Schwestern‹.“

„Richtig“, versetzte Sir Fleming. „Das hätte ich beinahe vergessen. Als Sie dann heraustraten, wurden sie von jenen beiden Männern überfallen, die Ihre Braut im Automobil entführten und Sie durch einige blitzschnelle Faustschläge besinnungslos machten! Als Sie aus Ihrer Ohnmacht erwachten, verständigten Sie sofort von dem Dörfchen aus telefonisch die Polizeibehörden. Wie reimen Sie sich eigentlich alles zusammen?“

„Ich war von Anfang an davon überzeugt, dass man mit der Entführung nur eine Erpressung beabsichtigte“, erwiderte Buffalo. „Die beiden Männer hatten den Berg ebenfalls kaufen wollen, kamen jedoch zu spät. Ich nahm an, dass man nun auf den Milliardär einen Zwang ausüben und ihn so mit Gewalt zwingen wollte, den Berg wieder herauszugeben, anderenfalls man Ruth ein Leid antun würde.“

Der Detektiv nickte. Dann fuhr er fort: „Die Bewohner des Damenstifts hörten, dass Sie den Berg gekauft hatten, und verleiteten Sie, zwecks einer kurzen Besichtigung das alte Gemäuer zu betreten. Bei dieser Gelegenheit verübten die ›Grauen Schwestern‹ auf Sie einen Mordanschlag, dem sie jedoch Gott sei Dank entkamen!

Als Sie in den Palast des Milliardärs zurückkehrten, wurden Sie Zeuge, wie einer der beiden Männer, die Sie überfielen, dem Vater Ruths einen Besuch machte und ihm bekanntgab, dass seine Tochter ermordet würde, wenn er nicht binnen 24 Stunden den Berg herausgebe!

Sie folgten dem Erpresser und sahen, wie er in dem Palast des reichen Türken Abdulla el Raschid verschwand. Unerschrocken drangen Sie in den Palast des Türken ein, in der Hoffnung, hier den Ort zu finden, wohin man Ihre Verlobte verschleppt hatte. Ihre Hoffnung erwies sich als wahr, doch musste sich vor Ihren Augen die furchtbare Tragödie abspielen! Ruth hatte einen Fluchtversuch unternommen und wurde von dem Türken in blinder Wut in ein Bassin geschleudert, in welchem sich eine Anzahl von Krokodilen befand ...!“

Jim Buffalo knirschte mit den Zähnen. Sein Körper zuckte, und es schien, als erlebe er die furchtbaren Minuten noch einmal. Doch dann hatte er sich wieder in der Gewalt.

„Offen gestanden“, fuhr Sir Fleming fort, „ich stehe einem Rätsel gegenüber. Die beiden Männer, die Sie überfielen und die sich im festen Gewahrsam befinden, verweigern jede Aussage!“

„Wie heißen Sie?“

„Der eine Wladimir Halifar – und der andere Harry Norder!“

Jim Buffalo machte ein eisiges Gesicht. Doch schon fuhr der Detektiv fort: „Die ›Grauen Schwestern‹ haben einen Mordversuch auf Sie unternommen! Noch heute werde ich das ganze Stift ausheben! Wer weiß, welch gefährliches Verbrechernest sich dort befindet!“

„Nein!“, erwiderte Buffalo bestimmt. „Das werden Sie nicht tun!“

Betroffen sah Sir Fleming auf.

„Das ›Warum?‹ ist leicht erklärt: Ebenso wie die beiden Männer würden auch die ›Grauen Schwestern‹ jede Aussage verweigern!“

„Das alles soll also ungesühnt bleiben?“

„Nein. Keiner wird seinem Schicksal entrinnen.“

„Sie sprechen in Rätseln.“

„Vielleicht scheint es nur so. Ich glaube nämlich zu wissen, was der Berg für ein Geheimnis birgt!“

Sir Robert Fleming stieß einen Pfiff der Überraschung aus. Er drang in den Abenteurer, das Rätsel preiszugeben. Doch Jim Buffalo wehrte ab.

„Morgen werde ich vielleicht sprechen“, erwiderte er. „Doch auch nur dann, wenn Sie mir versprechen, nichts gegen das Stift am Felsenberg von Lambertsen zu unternehmen.“

Nach kurzem Besinnen sagte der Chef zu. Bald tönte von unten das Knattern des Kraftwagens herauf. Jim Buffalo hatte das Polizeipräsidium verlassen.

2. Kapitel Ausgebrochen

Eine halbe Stunde später befand sich Jim Buffalo im Gemach seines Vaters, des greisen Geschichtsprofessors.

„Höre zu, mein Sohn“, sagte dieser mit leisem Zittern in der Stimme, „ich bin erheblich vorwärtsgekommen!“

Gespannt nahm der Abenteurer dem Alten gegenüber Platz.

„Die Papiere“, fuhr Letzterer fort, „die du im Palast des Türken entdecktest, stimmen völlig mit den Dokumenten überein, die ich in meinen alten Schriften auffand. Das beweist klar und deutlich, dass der Türke sich nur des Geheimnisses wegen in den Besitz des Berges setzen wollte, selbst jedoch zu feige war, und seine Vertrauten, Halifar und Norder, vorschickte. Kennst du Cagliostro?“

Jim Buffalo machte ein erstauntes Gesicht.

„Jenen geheimnisvollen Mann, der vor ein paar Jahrhunderten die Menschen durch seine zauberhaften Künste in Erregung versetzte und der auch die Kunst des Goldmachens verstanden haben soll?“

Der Greis nickte.

„Das war Cagliostro“, murmelte er. „Einstmals sprach die ganze Welt von ihm. Er war einer der geheimnisvollsten Menschen, die je die Erde bevölkert haben. Dieser Cagliostro ist es, dessen Geist sich in diesen Stunden wieder bemerkbar macht!“

Der alte Professor griff nach einem uralten, vergilbten Folianten und zog ihn heran.

„Es scheint“, versetzte er, „dass uns Cagliostro ein Vermächtnis hinterlassen hat. Laut diesen fast verblassten und verschnörkelten Schriftzeichen hat Cagliostro kurz vor seinem Tode einen seltsamen Felskegel entdeckt, der die gewiss nicht alltägliche Eigenschaft besaß, hohl zu sein! In diesem hohlen Berg verbarg er seine unermesslichen Schätze an Geld und edlen Steinen und – jetzt kommt das Wichtigste – eine ›zauber- und spukhafte Maschine, die der grimme Teufel in eigener Gestalt auf die Erde herniederbrachte!‹ So heißt es wörtlich an dieser Stelle!“

Der Alte deutete auf eine Seite des Buches.

„Mit anderen Worten“, sagte er, „befand sich der geheimnisvolle Mann im Besitz einer Maschine, die das Grauen seiner damaligen Mitmenschen erregt zu haben scheint, weshalb man ihre Herkunft nach altem Aberglauben der Hölle, dem Teufel also, zuschrieb! Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass mit dem hier erwähnten Felskegel nur der heutige Berg von Lambertsen gemeint sein kann!“

„Das hieße also: Der Berg von Lambertsen ist hohl, birgt die Schätze Cagliostros und dessen Teufelsmaschine! Die ›Grauen Schwestern‹ kennen das Geheimnis und schützen es, damit es nicht in die Hände anderer fällt!“

Der Professor nickte. „So muss es wohl sein! Cagliostros Maschine wird nebst den Schätzen im Berg zu finden sein!“

Jetzt sah Jim Buffalo völlig klar. Durch irgendeinen Umstand mochte der Türke ebenfalls von dem Testament Cagliostros Kenntnis erhalten haben und hatte aus diesem Grunde alles versucht, sich in den Besitz des Berges zu bringen!

„Was mag es für eine Maschine sein?“

Der Alte zuckte die Schultern.

„Noch weiß es ich es nicht“, sagte er träumerisch, „doch forsche ich weiter. Vielleicht kann ich diesem Folianten hier das Geheimnis entlocken.“

Buffalo schritt unruhig auf und ab. Schließlich blieb er stehen.

„Ich muss in den Berg, koste es, was es wolle“, stieß er hervor. „Wenn der Berg sein Geheimnis hat, so werde ich alles daransetzen, es zu ergründen!“

Es war im selben Moment, in dem das Telefon schrillte.

Buffalo hob den Hörer ab.

„Hallo ...“, meldete er sich.

„Der Teufel ist gegen uns!“, vernahm er des Polizeichefs erregte Stimme am anderen Ende des Drahtes.

„Was ist passiert?“

„Die beiden Verbrecher – Halifar und Norder, diese Schurken ...“

„Tot?“, schrie Buffalo.

„Nein, aber ausgerückt!“ Mit einem Fluch warf Buffalo den Hörer auf die Gabel zurück und schritt mit finsterem Gesicht auf und ab.

Das fehlte gerade noch! Gesetzt den Fall, die beiden dunklen Ehrenmänner wussten um das Geheimnis! Würden sie jetzt nicht vor allen Dingen alles daransetzen, in den Berg einzudringen?

Der Türke war tot. Der konnte seine Pläne nicht mehr durchkreuzen. Aber jene beiden ...

Das Knattern eines Automobils riss ihn aus seinem Grübeln. Als er ans Fenster trat, erkannte er Multipler, den Milliardär, der seit ein paar Tagen seine Tochter betrauerte.

Als er den beiden Männern im Zimmer gegenüberstand, standen Tränen in seinen Augen, doch als er von Jim Buffalo erfuhr, dass man wahrscheinlich dicht vor des Rätsels Lösung stand, hob ein Seufzer seine Brust.

„Dann wäre Ruth nicht umsonst gestorben“, murmelte er.

Stumm verließ Jim Buffalo das Gemach, die beiden Alten alleinlassend. „Der Berg!“ – das war seine Parole.

3. Kapitel Der Überfall

Weit nach Mitternacht bewegte sich in langsamer Fahrt ein langgestrecktes Automobil mit abgeblendeten Scheinwerfern auf den Felskegel von Lambertsen zu, um in knapper Entfernung von dem Stift zu halten.

Zwei Männer schlüpften aus dem eleganten Wagen.

„Ich warne Sie noch einmal, Frank!“, raunte Jim Buffalo dem Chauffeur zu. „Es kann unser Leben kosten!“

„Ich schlag' es gerne in die Schanze!“, erwiderte der wackere Mann, der seit fast zwei Jahren schon in seinen Diensten stand.

Stumm schritten sie auf das Stift zu.

„Vergessen Sie nicht, was wir verabredet haben!“, flüsterte Buffalo, als er mit leichtem Schwung über die Mauer voltigierte. Das Stift lag in tiefer Stille. Leise huschten die Männer über den Hof und drückten an der Seitenfront ein Fenster ein, durch das sie sich in das Innere schwangen.

„Lebend müssen wir sie haben!“, sagte Jim Buffalo leise. „Nur wenn es sich nicht vermeiden lässt und unsere persönliche Sicherheit auf dem Spiel seht, abdrücken!“

Frank Morton nickte.

Schritt für Schritt drangen sie vor.

Von seinem ersten Besuche in dem geheimnisvollen Stift her konnte sich der kühne Abenteurer noch mit ziemlicher Bestimmtheit der örtlichen Verhältnisse entsinnen. Rechts befand sich die unheimliche Kapelle, in der man ihm damals ein so schreckliches Ende bereiten wollte, und links lagen die unzähligen kleinen Kammern, die den Winter über zu Aufbewahrungszwecken von Nahrungsmitteln dienten.

Wie phantomhafte Schatten huschten die beiden Männer über die finsteren Gänge. Hin und wieder kreuzten einige langschwänzige Ratten ihren Weg und blieben mit funkelnden Augen in Ecken und hinter allerlei Gerätschaften hocken, als wollten sie das nächtliche Beginnen der beiden Männer beobachten.

Plötzlich verhielt Buffalo den Schritt.

Ein lautes Schnarchen war an sein Ohr gedrungen.

Sie befanden sich in unmittelbarer Nähe einer Tür, hinter der das Geräusch zu erklingen schien. Auf leisen Sohlen pirschte sich der unerschrockene Abenteurer heran und presste das Ohr an die dünne Trennwand. Für Sekunden blitzte es in seinen Augen auf.

„Wir sind am Ziel!“, raunte er dem Begleiter zu. „Wir stehen vor dem Schlafsaal der ›Grauen Schwestern‹!“

Noch ein paar geflüsterte Worte der Verständigung – dann öffnete Buffalo lautlos die Tür. Der Mond warf sein fahles Licht in den langen Raum, in dem Bett an Bett stand. Zwei der Fenster standen offen, so dass die würzige Nachtluft ungehindert Einlass fand.

Jim Buffalos Kampf hatte noch nie Frauen gegolten. In diesem Falle aber wusste er, dass diese schlafenden Weiber hier gefährlicher als die doppelte Anzahl Männer werden konnten. Jene entsetzliche Stunde hatte ihn damals vollauf darüber belehrt, dass sich das Dichterwort: „Dann werden Weiber zu Hyänen!“ immer noch bewährte. Vorsicht war geboten, wenn nicht ein ganz furchtbares Blutbad angerichtet werden sollte.

Buffalo überflog im Nu die Schlafenden. Er zählte achtundzwanzig Frauen, die sämtlich das vierzigste Lebensjahr überschritten hatten. Der Mond machte den Saal fast taghell. Daher kam es, dass er mit ziemlicher Deutlichkeit die Gesichter erkennen konnte.

Lautlos huschte er von Bett zu Bett, um dann zu Frank Morton zurückzukehren.

„Die Vorsteherin des Stifts ist nicht darunter!“, sagte er fast unhörbar zu diesem. „Sie kann nicht weit sein. Ihr Zimmer wird sich in allernächster Nähe befinden!“

Dann gingen die beiden Männer planmäßig vor. Vorsichtig zogen sie kleine Fläschchen aus der Tasche und lösten die Korken. Eine helle Flüssigkeit war im fahlen Schein des Mondes zu erkennen.

Äther …

Dann begann ihre unheimliche Tätigkeit. Frank Morton übernahm die vierzehn rechtsseitigen, Jim Buffalo die vierzehn linksseitigen Betten. Bei jeder Schlafenden verweilte er einige Sekunden, die jedoch genügten, der jeweiligen Frau die entkorkten Fläschchen unter die Nase zu halten, die einen scharfen Geruch ausströmten, der von den Schlummernden tief eingeatmet wurde.

Durch das Einatmen wurden die Frauen in eine mindestens 24 Stunden währende Bewusstlosigkeit versetzt, eine Zeit, die Jim Buffalo für sich und seine Ziele in genialer Weise auszunutzen gedachte.

Alles ging gut. Und doch sollte etwas geschehen, was seine Arbeit bedeutend schwieriger machte. Sämtliche vierzehn Frauen der linken Seite waren von ihm eingeschläfert worden, während Frank Morton nicht so gewandt mit seinem Tun fertig wurde. Als sich Buffalo nach ihm umwandte, sah er, dass Morton noch vier Frauen zu besuchen hatte.

Gerade wollte er zu ihm hinüber, um ihm einen Teil der sonderbaren Arbeit abzunehmen, als Frank Morton über einen Schemel stolperte.

Krachend fiel er zu Boden.

Wie zur Salzsäule erstarrt blieb der Chauffeur stehen. Fahle Blässe bedeckte sein Gesicht.

Da fuhren auch schon die vier noch nicht betäubten Weiber hoch. Ehe die Männer es verhindern konnten, sprangen sie in langen Gewändern aus den Betten und rannten schreiend zur Tür.

Ihre Hilferufe gellten grauenerregend durch das verwitterte Gemäuer.

Da war aber auch schon Jim Buffalo auf den Beinen. In Riesensätzen durchmaß er den Saal und erreichte um etliche Sekunden eher als die vier schreienden Weiber die rettende Tür.

„Halt!“, donnerte er. „Hiergeblieben!“

Die Frauen taumelten zurück.

Da schoss auch schon Frank Morton heran. Er hatte blitzschnell sein Taschentuch mit dem betäubenden Äther getränkt und drückte es jetzt den Frauen vor das Antlitz.

Plötzlich erhielt Jim Buffalo von hinten einen furchtbaren Schlag, der ihm fast die Sinne nahm. Nur unter Aufraffung aller Energie behielt er die Herrschaft über sich selbst und drehte sich um.

Die Tür war aufgestoßen worden. Auf der Schwelle stand die lange, hagere Gestalt der Vorsteherin mit Augen wie feurige Kohlen. In der knochigen Hand hielt sie eine kurze Eisenstange, die sie jetzt, wahrscheinlich vom Lärm herbeigelockt, zum zweiten Male hob, um sie auf Jim Buffalos Schädel niedersausen zu lassen.

„Stirb!“ keuchte sie dabei aus geiferndem Munde.

Jim Buffalo umklammerte den knochigen Arm mit eisernem Griff, dass das teuflische Weib wild aufschrie und die furchtbare Waffe fallen ließ.

Geistesgegenwärtig sprang Buffalo zurück. Die Stange hätte zweifellos seine Füße zerschmettert. Diese sekundenlange Frist genügte der Vorsteherin jedoch, mit hassverzerrtem Gesicht das Weite zu suchen.

Jim Buffalo jagte ihr ohne zu zögern nach. Über Treppen, Gänge, weite Hallen, düstere Kammern ging die wilde Jagd. Das hagere Weib lief um ihr Leben, und dieses Gefühl verlieh ihr die verzweifelte Kraft zur Flucht. Jim Buffalo vermied absichtlich den Gebrauch der Schusswaffe. War alles bisher ohne Blutvergießen, so sollte auch diese Frau hier unverletzt in seine Hand fallen, wenn es nun schon einmal vereitelt war, sie bewusstlos zu machen.

Er musste sich jedoch in seiner Hoffnung, die Vorsteherin in seine Gewalt zu bekommen, getäuscht sehen, denn die Frau war plötzlich vor seinen Augen verschwunden. Grimmig stampfte er mit dem Fuß auf und blickte sich um.

„Sie kann nur im Keller sein!“, murmelte er, als er an der Seite eine offene, eisenbeschlagene Tür entdeckte, hinter der eine steinerne Treppe in die Tiefe führte. Lauschend trat er heran. Doch nichts regte sich. Nach kurzem Überlegen schloss er die Tür und drehte den kunstvoll gefertigten Schlüssel herum, um ihn dann in der Tasche verschwinden zu lassen.

„So!“, murmelte er. „Du entrinnst mir nicht!“

Dann kehrte er gedankenvoll in den Schlafsaal der Stiftsfrauen zurück.

4. Kapitel Kellergeheimnisse

„Heureka!“ lachte er, als er den Schlafraum betrat und Frank Morton gerade dabei antraf, wie er eine der vier bewusstlos gemachten Frauen nach der anderen in die vier Betten legte und sie sorgsam zudeckte. „Heureka! Menschenskind, Frank! Sie eignen sich ja prächtig als Kindermädchen!“

Der Chauffeur machte ein verlegenes Gesicht.

„Ich kann die Damen doch nicht auf der Erde liegen lassen“, gab er zurück.

„Damen? Haha – gut gesagt. Es wäre schlimm um uns Männer bestellt, wenn unsere Damenwelt so gefährliche Eigenschaften besäße wie diese gefährlichen Giftnattern hier. Die Verbrecherin ist mir richtig entwischt!“

Die in künstlichen Schlaf versetzten Frauen boten ein unheimliches Bild. Der Mond tat sein Übriges, um die Szenerie in ein gespenstisches Licht zu rücken. Nachdem die Männer sich noch einmal überzeugt hatten, dass sie von der Seite dieser achtundzwanzig Frauen keine Überraschungen mehr erleben würden, verließen sie den Saal.

Dumpf hallten ihre Schritte in den Gängen wider. Den Browning schussbereit in der Faust, näherten sie sich der eisenbeschlagenen Tür, durch die die Vorsteherin verschwunden war.

Die Blendlaterne Jim Buffalos leistete ihnen gute Dienste, als sie die steinerne Treppe hinunterstiegen. Zuckend fuhr der grellweiße Schein an den rohbehauenen Blöcken entlang. Die Stufen waren staubbedeckt und ausgetreten. Deutlich konnten die unerschrockenen Männer die Fußspur entdecken, die die Vorsteherin bei ihrer Flucht in die Unterwelt hinterlassen hatte.

Wie viele Generationen mochten hier schon hinunter und hinaufgestiegen sein?

Als sie rund hundert Schritte gezählt hatten, erreichte die Treppe ihr Ende. Ein langer Gang bildete die Fortsetzung. Nirgends war eine Tür oder Öffnung zu erblicken. Noch immer waren ihnen die Spuren im Staub die besten Wegweiser. Fast unhörbar drangen sie vorwärts.

Plötzlich blieb Jim Buffalo ruckartig stehen. Sein Blick war auf einen Fetzen Tuch gefallen, das auf dem Boden lag. Hastig hob er es auf. Ein Taschentuch war es.

„Das ist Blut!“, murmelte er, als er die roten Flecke auf dem Leinen bemerkte. „Und frisches sogar! Die Vorsteherin scheint sich verletzt zu haben ...“

Mit einem leisen Pfiff der Überraschung brach er ab. Er sah zwei nischenartige Einbuchtungen in der rechtsseitigen Wand. Die erste Nische war leer. Die Zweite ebenfalls, doch breiter und länger nach hinten gebaut. Die Fußspuren führten hier hinein.

In der äußersten Ecke glitzerte etwas, leuchtete und schimmerte in seltsamen Farben. Erregt trat Frank Morton darauf zu und griff danach.

Ein furchtbarer Aufschrei erfolgte.

„Hilfe!“, schrie er markerschütternd auf.

In eisigem Schreck sprang Jim Buffalo hinzu. Er prallte gegen eine stählerne Wand ...

„Morton!“, rief er.

Keine Antwort erfolgte.

Der Chauffeur war nicht mehr in der Nische. Der hohle Berg schien ihn verschlungen zu haben.

Jim Buffalo warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen das Hindernis. Es war vergebene Mühe. Mit knirschenden Zähnen musste er einsehen, dass dem Stahl so nicht beizukommen war. Auf keinen Fall durfte er Morton einem ungewissen Schicksal überlassen. Wer wusste, welch furchtbare Gefahren hinter dieser geheimnisvollen Stahlwand schlummerten.

Plötzlich rann ihm ein Schauer über den Körper.

Eine Stimme, die aus weiter Ferne zu kommen schien, schlug ihm ans Ohr. Mit angehaltenem Atem lauschte Jim Buffalo.

„Morton! Morton!“, schrie er.

„Hallo – hier bin ich ...“, scholl es wie aus einem Grab zurück. „Was ist das für ein Zauberladen hier?“

Buffalo atmete auf. „Treten Sie zurück!“, schrie er. „Ich sprenge!“

„Allright!“ hallte es zurück. „Keine Sorge um mich. Es geht mir ausgezeichnet!“