John Kill, Sklavenjäger - Erik Schreiber - E-Book

John Kill, Sklavenjäger E-Book

Erik Schreiber

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Beschreibung

John Kill, der Sklavenjäger • 1. Kampf vor Boavista • 2. Niggerfracht für Omega • 3. Kannibalenjagd • 4. Die Goldkiste • 5. Negeraufstand • 6. Satan fährt mit • 7. Die Sklavin Dies ist die komplette österreichische Miniserie aus dem Jahr 1948. Der Autor ist unbekannt. Es handelt sich um John Kill, den Sklavenjäger und seinen unfreiwilligen Schiffsjungen Ted Marvel. Der titelgebende Held ist ständig auf der Jagd nach Sklaven und deren Verkauf. Sein Geschäftsmodell war nicht neu zu seiner Zeit, aber wurde dennoch langsam unterbunden. Aus diesem Grund hatte er viele Auseinandersetzung mit der Obrigkeit.

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Seitenzahl: 342

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Herausgeber

Erik Schreiber

Unbekannt

John Kill, Sklavenjäger

(1 - 7)

Scratch Verlag

e-book 201

Deutsche Erstausgabe: 01.11.2023

© Scratch-Verlag

An der Laut 14

64404 Bickenbach

[email protected]

www.scratch-verlag.de

Titelbild: Archiv Andromeda

Lektorat: Peter Heller

Vertrieb: neobooks

Herausgeber

Erik Schreiber

Unbekannt

John Kill, Sklavenjäger

(1 - 7)

Scratch Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Totenschiff

Blutbad vor Boavista

Die Sklavenjagd

Land ahoi!!

Die Menschenfracht

San Dolores in Flammen

Die Menschenjagd

Die Rache

Feuer an Bord

Auf San José

Das Phantom

Verrat

Sklavenmarkt

Die Folter

Durch die Hölle

Feuer!!

Nächtlicher Kampf

Der Würger

Meuterei

Die gekaperte Brigg

Ein teuflischer Plan

Schlacht auf FERNANDO PO

Das Totenschiff

Der warme Nordwind trieb Nebelballen vor sich her, ein feiner Sprühregen hing als trüber Schleier vor der Scheibe des Mondes.

Der Kutscher, einer mit vier Pferden bespannten Droschke trieb die Tiere zu rasendem Lauf.

„Caramba, porco, lauf!“

Das holprige Pflaster der Vorstädte Lissabons eignete sich schlecht für ein derart höllisches Tempo, die Räder hüpften und die Achsen ächzten.

„Maledetta bandito.“

Ruckartig riss der Mann die Zügel straff, die Pferde bäumten sich im Geschirr, krachend streifte das Gestell des Wagens die Hauswand. Die Tür der Droschke flog auf, eine raue Männerstimme brüllte den Fahrer an.

„Pass auf, du Hund! Bei der Hölle was ist's?“

„Ecco, Signore.“

Fluchend deutete der Kutscher auf einen etwa 16-jährigen Jungen, den die Räder des Wagens zur Seite gestoßen hatten.

„Dieser Kerl stand da und ich sah ihn nicht!“

Der Mann im Wagen beugte sich weit aus dem geöffneten Verschlag.

„Geh weg, du Kröte“, brüllte er den zitternden Jungen an.

Doch der sah regungslos zu ihm auf und trat in plötzlichem Entschluss näher.

„Nehmt mich mit, Sir! Fort von Lissabon.“

Schallend lachte der Unbekannte auf.

„Wohin denn, du Ratte?“

„Nach England zurück“, sagte der Knabe mit zitternder Stimme. „Mein Vater ist Beamter am englischen Konsulat. Er will, dass ich die Lateinische Schule besuche, dass ich lerne ...“

Der Rest seiner Worte erstarb im röhrenden Lachen des Mannes in der Kalesche.

„Und das passt dir nicht, du kleiner Halunke? Ich verstehe!“ Er schien sich einen Augenblick zu besinnen und sprach dann weiter. „Nach England möchtest du wieder? Oder etwa weiter? Viel weiter??“

Seine Stimme hatte plötzlich einen lauernden Klang. Doch der Junge schien dies nicht zu merken.

„Auch weiter, Sir“

„Dann steig auf. Aber rasch, bei der Hölle. Wenig Zeit“

Zögernd setzte Ted Mavel seinen Fuß auf das Trittbrett, mit rauem Griff zog ihn der Sprecher in das Innere der Droschke.

„Fahr, Kutscher, fahr, sonst holt uns der Teufel. Die halbe Garnison ist hinter uns her!“

Schwirrend zog die Peitsche durch die Luft, die Pferde bäumten sich — Sekunden später trampelten ihre Hufe über das Pflaster, während sie der Kutscher mit Flüchen und Schlägen zu rasendem Lauf trieb.

Ted Mavel hatte im Halbdunkel des Wagens einen Sitzplatz ertastet und ließ sich in die weiche Polsterung fallen. Seine Augen bohrten sich in das Dämmer, undeutlich erkannte er ihm gegenüber zwei Gestalten. Eine davon war breit und mächtig, mit einem unförmigen Teufelshaupt auf kantigen Schultern.

Das mochte der Mann mit jener überlauten röhrenden Stimme sein!

Neben ihm saß jemand mit schlankem Körper und eigenartig weiter Kleidung. Ted schien es, als wäre dies ein Mädchen.

„Wohin fahren wir, Sir?“, fragte er mit leiser und scheuer Stimme.

Der Mann stieß ein bösartiges Knurren aus, beugte sich vor und murmelte in schlechtem Portugiesisch:

„Zur Hölle, mein Kleiner. Wenn der Teufel es will, dann baumelst du heute noch an hänfernem Strick.“

Erschauernd wich der Junge zurück. Er wusste nicht, ob der unheimliche Kerl scherze oder ob seine Worte furchtbarer Ernst waren.

Ein schrilles Lachen ließ ihn zusammenzucken.

„Hast du Angst?“

Die Gefährtin des Mannes hatte gesprochen. Ihre Stimme war laut und schneidend, fast wie die eines Mannes.

Mit aufgerissenen Augen starrte Ted sie an. Allmählich begann er zu ahnen, dass seine Flucht aus dem Elternhause in ein gefährliches Abenteuer ausgeartet war.

Der Mann mit der rauen Stimme und dieses Weib mit ihrem schneidenden Lachen konnten unmöglich friedliche Bürger Lissabons sein!

Was hatten sie mit ihm vor? Wohin führte ihr Weg? Und würde er noch einmal das Rot der Morgensonne sehen?

Es schien ihm, als wären die Worte des Dicken wahr. Die beiden schleppten ihn in die Hölle!

Er spähte durch die Fenster des Wagens. Längst waren die Vorstädte zurückgeblieben, sie hatten ein Viertel des Zentrums durchquert und näherten sich den niedrigen Gebäuden des Hafens.

Ted's Herz begann zu klopfen, das Blut brauste in seinen Ohren.

Vielleicht hatte der Geselle doch nicht gelogen. Vielleicht kam er heute Nacht noch auf ein Schiff, das Lissabon verließ und zurück nach England segelte. Er hatte eine Frage auf den Lippen, als ihn ein furchtbarer Fluch des Kutschers zusammenschrecken ließ, und sich die Pferde wiehernd ins Geschirr stemmten. Fast augenblicklich hielt der Wagen.

„Sind wir da, John?“, fragte das Mädchen mit ihrer befehlenden Stimme.

Ohne Antwort stieß der Kerl die Tür der Kalesche auf und setzte mit einem einzigen Sprung auf das Pflaster des Kais.

Ohne sich um Ted oder das Mädchen zu kümmern, warf er dem Kutscher einige Goldstücke zu und brüllte ihn an, sich zur Hölle zu scheren.

Das Mädchen stand auf, trat aus dem Wagen und strich sich das kurzgeschnittene Haar aus der Stirn.

„Komm' schon, du Ratte“, rief sie Ted zu, „du willst doch fort von Lissabon, he?“

Der Junge nickte, sprang aus dem anfahrenden Wagen und starrte mit ängstlichen Augen in die endlose Weite der See. Sie befanden sich in einem abgelegenen und halb verfallenen Teil des Hafens. Klatschend brachen sich die Wellen an der niedrigen Mole, plumpe Fischerkähne wiegten sich in der Dünung, der lebhafte Nordwind trieb ihnen den Geruch von Tang und See entgegen.

Mit holpernden Rädern verschwand der Wagen zwischen Lagerschuppen und niedrigen Häusern. Der Sturm trieb Ted den Regen ins Gesicht, wie ein böses Auge glomm der Mond durch dünne Wolken.

„Alles in Ordnung, Rylla“, vernahm er die raue Stimme des Mannes. „Die Wache ist weg. Lubbu hat gute Arbeit geleistet.“

„Dann ruf' das Boot“, fuhr das Mädchen ihn an. „Der Regen lässt mich zu Tode frieren.“

John legte die Hände trichterförmig an den Mund und brüllte in die stürmische Nacht.

„Lubbu ahoi, he Lubbu!“

Einen Augenblick blieb es still, dann erscholl etwa zweihundert Meter zu ihrer Rechten ein krächzender Ruf.

„Dort ist er, John! Beeilen wir uns!“

Der breitschultrige Kerl nickte, winkte Ted mit lässiger Bewegung und schritt mit dem Mädchen den Kai entlang.

Ted folgte von würgendem Grauen gepackt. Was hatte der Mann gesagt? Die Hafenwache war fort? Irgendwer hatte in seinem Auftrage den portugiesischen Söldner niedergestochen. Ted wollte umkehren, fliehen, davonlaufen. Doch er sah, wie der Dicke ihn aus den Augenwinkeln musterte. Er ahnte, dass es zu spät für ihn war. Er hatte schon zu viel gehört und gesehen. Lief er zurück nach Lissabon, würde ihm nach wenigen Schritten der gekrümmte Degen des Mannes den Schädel spalten.

Scheu musterte ihn Ted im fahlen Lichte der trüben Nacht. Seine Gestalt war unförmig, plump und von unwahrscheinlicher Breite. Er trug hohe, spanische Stiefel, mit spiegelndem Schaft und fingerdicken Sohlen; eine schwarze Pumphose wurde von einem handbreiten Gürtel um die Hüften gehalten. Dieser war aus hellrotem Leder; an ihm hing der Degen und zwei Pistolen.

Der kantige Kopf war gesenkt, der breite Stiernacken schien wie zum Kampf geneigt. Das feiste Gesicht war glatt rasiert, nur das Haupthaar ohne jede Pflege. Wirr und tiefschwarz fiel es bis fast auf die Schultern. Die muskelstrotzenden Arme ragten aus einer ärmellosen Lederweste.

„He, Lubbu! Wo bist du, du Satanssohn?“

„Hier, — ahoi.“

In spitzem Winkel schritten sie einer vorragenden Mole zu. Ted erkannte, dass an ihrem äußersten Ende ein plumper Fischkutter auf den Wellen schaukelte. Der Damm war zerbröckelt und Ted musste vorsichtig treten, um nicht zu stürzen. Dies nahm seine Aufmerksamkeit in Anspruch und er wich unwillkürlich zurück, als sie plötzlich vor dem kleinen Kutter standen. Aus dem Dunkel des Inneren hob sich eine unmenschliche Satansgestalt.

„Lubbu ist da“, stieß der Kerl mit eigenartig krächzender Stimme hervor. „Alles sein fertig.“

Sie führen mich zur Hölle! Schoss es Ted durch den Kopf.

Der Mann, der sich Lubbu nannte, gab John an Körpergröße nichts nach. Wohl waren seine Schultern schmäler, doch seine Arme von unnatürlicher affenartiger Länge. Sein Teufelshaupt besaß weder Ohren noch Nase. Stattdessen schmückten es furchtbare Narben. Brauen und Kopfhaar fehlten, der Oberkörper war bloß, nur um seinen rechten Arm lief ein handbreiter Kupferring.

Das war Lubbu! Ein Malaie, den man einst zu Tode foltern wollte, Ohren und Nase abschnitt, skalpierte und den Körper mit glühendem Eisen versengte. Doch er hatte die Tortur überstanden.

Nur die Seele schien aus ihm gewichen — er kannte nichts mehr als Hass. So wurde er Johns ergebenster Helfer!

„Fahr los, Lubbu, fahr“, rief Rylla ihn an. „Hörst du nicht, du narbiger Teufel.“

Aus der Stadt trug der Wind den Klang von Trommelschlägen. Dröhnend lachte John auf.

„Die Garnison! Sie will sich die tausend Pfund verdienen, die der Statthalter Lissabons auf unseren Kopf gesetzt hat.“

„Dann sind sie zu spät, diese Hunde. In zwei Stunden liegt Portugal hinter uns.“

Entsetzt blickte Ted von einem zum anderen.

Mit rauem Griff packte ihn John und stieß ihn ins Boot.

„Hilf dem Fischer, du Kröte! Die Segel hoch, Ihr räudige Bande.“

Aus dem Eck des Bootes erscholl eine vor Angst zitternde Stimme.

„Ich fahr nicht, Ihr Herren! Der Statthalter lässt mich sonst hängen.“

„Halt das Maul.“ John riss den Degen vom Gürtel und spießte ihn in die Mitte des Bootes. „Die Segel auf, sonst ...“

Mit raschen und scheuen Bewegungen gehorchte der Schiffer. Wohl oder übel musste ihm John Gesellschaft leisten. Rylla, das Mädchen, trieb ihn mit höhnischen Worten zur Eile. Jetzt erst sah Ted, dass in dem Gürtel ihres seidenen Kleides ein kunstvoll verzierter Damaszener-Dolch steckte. Ihr Antlitz war lang und hager, das Haar kurzgeschoren; im lebhaften Wind flatterte es um ihr starres Gesicht.

Während aus der Ferne der Schall der Trommel erklang, blähte sich knatternd das Segel. Mit einem Degenhieb durchtrennte John das Haltetau, während Lubbu wortlos eine Pistole vom Gürtel zog. Knackend spannte er den Hahn und richtete die dunkle Mündung gegen den Fischer und Ted. Angstbebend ergriff der Mann das Steuer. Das Boot neigte sich, das Tauwerk ächzte und der lebhafte Nordwind trieb den Kahn gegen die offene See.

Wie ein riesiges Untier hockte John am Bug und spähte über die düstere See.

„Liegt er noch; bei den Klippen, Lubbu?“ stieß er zwischen den Zähnen hervor.

Ohne den Kopf zu wenden, nickte der entstellte Malaie.

„Ja; ohne Lichter und mit gerefften Segeln. Die portugiesischen Hunde finden ihn nicht.“

Die harte Arbeit des Segelsetzens, der heulende Wind und die Weite der See gaben Ted seinen Mut zurück.

„Wo bringt Ihr mich hin, Sir?“

Lubbu starrte ihn wortlos an. John schien die Frage überhört zu haben. Nur Rylla wandte ihre hochaufgerichtete Gestalt.

„Zum 'Robber', Boy.“ Ihre Stimme bekam plötzlich einen vertraulichen Klang, soweit dies überhaupt möglich war. „Hab' keine Angst, du kleine Ratte. Wir hängen dich nicht — nur Schiffsjunge kannst du werden.“

In Lissabon im Handelszentrum der westlichen Welt war Ted mit vielem vertraut geworden, was Jungens seines Alters sonst fremd war. Er wusste von der Macht der Piraten, von den Abenteuern spanischer Söldner und unzähligen anderen ungewöhnlichen Dingen.

„Der ,Robber' ist ein Piratenschiff?“ fragte er mit scheuer Stimme.

Diesmal lachte John dröhnend auf.

„Nein, mein Kleiner. Etwas Besseres. Du wirst es sehen, wenn wir an Ort und Stelle sind und ich dein geschwätziges Maul nicht vorher mit meinem Degen stopfe.“

Rylla schien sich an Ted's Entsetzen zu freuen. Sie wandte sich um und legte die Hand an ihren Dolch. „Halt den Mund jetzt, du Ratte.“

Der Schrecken schnürte dem Jungen die Kehle zu. Er hockte sich neben den Schiffer, der mit zitternden Händen das Steuer hielt. Hin und wieder wies Lubbu mit kurzen Worten den Kurs. In weitem Bogen umsteuerten sie den Hafen, sehnsüchtig blickte Ted nach den Lichtern Lissabons zurück. Sie versanken in Dunst und Nebelschleiern, während weit gegen Steuerbord die Klippen von Kap Darocka aus der Dunkelheit wuchsen.

John brüllte plötzlich auf.

„Dort liegt er! Lubbu hast du keine Augen, du Hund? Steuer nach Westen.“

Der Malaie stieß den Schiffer mit der Pistole an und dieser warf Segel und Steuer herum. Der volle Wind erfasste das Boot. Die Takelung ächzte auf, Rylla klammerte sich an den Mast und lachte auf, als ihr der Sturm den Gischt der Wellen entgegensprühte.

Ted wandte den Kopf und starrte in die trübe Dunkelheit. Deutlich vernahm er das Tosen der Brandung; kaum zu erkennen hoben sich drei Masten gegen den nächtlichen Himmel.

Dort lag ein Schiff!

Es hatte die Lampen gelöscht, die Segel gerefft und war zwischen den haushohen Klippen geradezu meisterhaft verborgen.

Unheimlich rasch kamen sie näher. Ted's Herz hämmerte in rasendem Tempo, mit aufgerissenen Augen starrte er auf die Maste. Er wusste noch nicht, was die Zukunft barg, doch er ahnte ein furchtbares Schicksal.

Bäumend querte das Boot die Dünung und erreichte plötzlich eine tiefeingeschnittene Bucht. Nun lag der Rumpf eines mächtigen Seglers unmittelbar vor ihnen.

Rylla klammerte sich an den Mast, der Sturm trug ihre schrille Stimme über die nächtliche See.

„Robber — ahoi.“

Lauschend richtete Lubbu sich auf, leise scholl ihnen die Antwort entgegen.

„Ahoi — alles klar.“

Ted vernahm ein dumpfes Poltern und sagte sich, dass dort drüben nun das Fallreep heruntergelassen wurde.

John brüllte den Schiffer an. „Steure mittschiffs, du Hund, mittschiffs, sage ich. Bei allen Heiligen der siebenfachen Hölle.“

Minuten später stieß der Kiel des Seglers gegen die Planken des Schiffes. John packte das Gestänge des Fallreeps und zog das Boot mit unmenschlicher Kraft näher.

„Hinauf mit uns, ehe der Morgen graut, muss die Küste hinter uns liegen.“

Er schwang sich über die Bordwand und erklomm mit katzenartiger Geschicklichkeit das schmale Reep. Rylla wandte sich, um ihm zu folgen, während der Fischer krampfhaft das Steuer umklammert hielt.

„Zehn Goldstücke, Ihr Herren“, stieß er hervor. „Zehn englische Pfund.“

Lubbu stieß ein kurzes, krächzendes Lachen aus.

„Da hast du sie, Narr!“

Seine Faust schloss sich um den Kolben der Pistole, krachend entlud sich der Schuss. Die Ladung aus gehacktem Blei und eisernen Nägeln fuhr dem Schiffer zwischen die Rippen. Während der Mann röchelnd zusammenbrach, rief er das Mädchen an.

„Ihn auch, Mistress Rylla?“

Er deutete mit dem Lauf seiner Waffe gegen Ted und dieser presste sich in den äußersten Winkel des Bootes. Blitzartig schoss es ihm durch den Kopf, dass die Waffe des Malaien leergeschossen war. Er duckte sich und spannte die Muskeln, um vorzuschnellen und dem gesichtslosen Scheusal die Kehle zu durchbeißen.

„Den Kleinen nicht, Lubbu. Er wird Schiffsjunge.“

Das Gesicht des Malaien verzog sich zur teuflischen Fratze. Diese Miene mochte als Grinsen zu deuten sein.

„Wie heißen?“, fuhr er den Jungen an.

„Ted Mavel“, stieß dieser hervor.

„Rasch, Ted, helfen mir Boot versenken.“

Er steckte die Waffe weg, griff unter das Steuer und holte eine Axt hervor.

„Ich halten Boot, du schlagen alles kaputt.

Er drückte Ted das Beil in die Hand und als dieser zögerte, zuckte seine Hand nach dem Dolch.

„Machen rasch — kleines Teufel.“

Vor Angst und Entsetzen kaum mehr bei Sinnen, hieb Ted die Hacke in Boden und Wanten des Kahnes. Gurgelnd schoss das Wasser herein, während Lubbu das Fallreep umklammert hielt.

„Sein gut“, meinte er plötzlich. „Jetzt an Bord.“

Mit geschicktem Sprung setzte er auf das Fallreep und hielt Ted seine Affenhand hin. Strömung und Sturm trieb den Segler zurück, in seinem Inneren schaukelte auf dem eingedrungenen Wasser der ermordete Fischer. Als nach einer heftigen Welle der Tote wie mit greifenden Armen auf ihn zuschoss, packte Ted in seinem Schrecken den dargebotenen Arm des Malaien. Dieser riss ihn mit kräftigem Ruck hoch, — die Hände des Jungen ertasteten die Seile des Reep's und er klammerte sich an diese.

Einen Augenblick später schlug der Segler um, Wellen und Sturm entführten das Wrack. Mit bösartigem Knurren bedeutete der Malaie, Ted das Fallreep zu erklimmen.

Kurz darnach standen sie beide an Deck.

Gröhlendes Lachen schlug ihnen entgegen und das Klingen metallener Münzen. Rylla und John standen in einer Schar wüster Gestalten. Lachend hielt John einen ledernen Beutel in seinen Fäusten.

Gierig fuhren die Hände der Mannschaft hinein. Ihre Finger schlossen sich um Gold- und Silbermünzen.

„Achttausend Pfund für einen Haufen lumpiger Nigger. Da habt Ihr, Ihr dreimal gesottenes Pack. Eine faustvoll für jeden. Das andere holt sich sowieso Rylla.“

„Gehört es mir nicht?“ lachte sie mit ihrer schneidenden Stimme. „Ohne meinen werten Papa baumelt Ihr alle längst an den Rahen.“

Entsetzt lauschte Ted. Noch verstand er nicht den Sinn der Worte. Doch außer diesen erfüllte ihn noch etwas mit Schrecken.

Das Schiff schien zu leben!!

Aus seinem Inneren drang ein eigenartiges Raunen, ein Jammern und Stöhnen. Als befände sich dort eine Schar verwunschener Seelen, die alle Qualen der Hölle erdulden mussten.

Er schrie plötzlich auf: „Ich will zurück — nach Lissabon.“

Für den Augenblick verstummte das Lachen. Lässig, so wie man in Gedanken zu sich selbst spricht, meinte John:

„Zur Hölle kannst du, wenn du unbedingt willst. Mein Degen verhilft dir dazu.“

Ted wich vor dem blanken Stahl, der im trüben Mondlicht aufzuckte, zurück.

„Wer — wer seid Ihr?“ stieß er hervor.

„Ich? Ich bin John Kill.“

Ted stand wie angewurzelt. Dieser Name war verrufen von Irland bis zum Sudan, vom Kongo bis zur Karibischen See.

John Kill — der Sklavenjäger!

Es hieß, er segle auf einem schwerbewaffneten Dreimastschoner, jage in Afrika nach Niggern und verschachere diese Fracht an die spanischen Kolonien. Nun sollte er auf diesem Höllenschiff Schiffsjunge sein! Es war das furchtbarste Schicksal, das einem anständigen Menschen widerfahren konnte.

Lubbu nahm plötzlich das Wort:

„Er sein gut, haben Kraft — er segelt mit.“

Sein Gesicht verzog sich zur teuflischen Fratze; er setzte Ted einen harten Schlag zwischen die Rippen. Einen Augenblick später hallte die röhrende Stimme John Kills über das Deck.

„Die Segel hoch! Aufentern, Ihr dreifachen Hunde. — Lubbu ans Steuer mit dir. Kurs Süd-Südwest.''

Augenblicklich gehorchten die Männer. Sie trampelten über Deck, erklommen Masten und Rahen, ächzend hoben die Winden die schweren Segel.

„Rascher, rascher“, gröhlte John. „Der Morgen kommt. Wenn die Küste noch in der Nähe ist, dann holt Euch alle der Teufel.“

„He, Captain“, überschrie Rylla den Lärm. „Seid Ihr nicht nüchtern? Was wollt Ihr im Süden?“

„Denkst du, Rylla, wegen fünfzig lausiger Neger steure ich Kap Blanco an? Sechshundert hab' ich an deinen Alten verkauft! Jetzt hole ich mir sechshundert neue aus dem Sudan.“

Rylla griff an den Gürtel, ihre Hand schloss sich um den Schaft der Pistole.

„Nicht nüchtern bist du, John Kill; wenn wir in dreißig Tagen nicht mit Fracht am Kap Blanco sind, dann pfeift Senor Omega auf deine Ware.“

Dröhnend lachte der Captain auf.

„Du meinst, in dreißig Tagen bin ich nicht im Sudan? Und mit neuer Ware zurück in Brasilien? Wenn es dem Teufel nicht passt, dann wirklich nicht! Aber bis zu den Cap Verdischen Inseln komme ich, dort hole ich die Ware! Und dann bin ich noch immer rechtzeitig bei Senor Omega.“

„Du vergisst, dass die Küste dort den Spaniern gehört; sie werden dich hängen, wenn du in ihrem Gebiet nach Niggern jagst“

„Ich hänge sie, die Hunde! Und in dreißig Tagen bin ich mit sechshundert Niggern wiederum in Brasilien.“

Rylla schien zu überlegen; dann lachte sie plötzlich schneidend auf.

„Wenn dir das gelingt, John Kill, verdienst du noch mehr als achttausend Pfund. Wenn nicht — so holt dich der Teufel.“

John gab keine Antwort. Knatternd blähten sich die Segel, ächzend neigten sich die Maste. Lubbu schritt dem Steuer zu und seine krächzende Stimme scholl über Deck:

„Anker auf! — He, Anker auf.“

Jemand packte Ted an der Schulter und riss ihn mit sich. Ein derber Stoß beförderte ihn an die Ankerwinde. Zusammen mit vier anderen Männern zog er den Anker hoch.

Der Sturm ergriff das Schiff, es neigte sich und fügte sich dem Druck des Steuers. Lubbu hielt das Rad in seinen riesigen Pranken, hob den Kopf und schrie Ted an:

„Junge Hunde haben gute Augen! Gehen auf Ausguck, los, los!“

Einen Augenblick wusste Ted nicht, wie er dem Befehl gehorchen sollte. Dann packte ihn jemand mit derbem Griff am Rockkragen und zog ihn fluchend zum Großmast.

„Die Seile hinauf, du komischer Kauz. Bis oben zum Korb; und brülle dich heiser, wenn du irgendwas siehst.“

Ted's Fäuste schlossen sich um das Tau. Mit einem Klimmzug zog er sich hoch, fühlte, wie sich seine Muskeln spannten und ihn mit der Anstrengung wieder Selbstbewusstsein überkam. Plötzlich wusste er, was er zu tun hatte:

Das Scheusal John Kill samt Rylla und Lubbu, an eben diesen Tauen baumeln zu sehen! Er würde so lange an Bord bleiben, bis das Schicksal ihm eine Chance bot, den Schoner in die Hand der Portugiesen zu treiben.

Langsam setzte sich der „Robber“ in Fahrt. Der jaulende Sturm verschlug Ted den Atem, das Schiff begann plötzlich zu schlingern und sein Körper hieb hart gegen die Mast. Er verbiss den Schmerz und klomm höher. Stärker und stärker fühlte er das Stampfen des Schiffes. Arme und Schultern schmerzten, zuweilen hob er den Kopf, um am Mast emporzublicken. Unendlich hoch über ihm, noch über den knatternden Segeln und dem ächzenden Tauwerk, erkannte er einen dunklen Fleck.

Der Ausguck! Bis dorthin musste er durchhalten.

Der Mast wurde schmäler, das Stimmengewirr auf Deck drang schwächer und schwächer an sein Ohr. Unmittelbar neben ihm waren die Segel. Sobald das Schiff um eine Kleinigkeit vom Kurs wich, knatterten sie wie Pistolenschüsse. Weit schwang das Tau aus, er baumelte übler der gähnenden Finsternis, manchmal das Deck unter sich, manchmal die kochende See.

Weit in der Ferne glänzte Lissabon, vor Stunden noch war er zwischen den erleuchteten Häusern gestanden. Doch das Erleben hatte sich so in ihn eingebrannt, dass ihm die Vergangenheit wie in unendlicher Ferne erschien.

Dort oben war der Korb. Nur mehr zehn Fuß über ihm. Nach einigen kräftigen Klimmzügen erreichte er ihn mit keuchenden Lungen und rasenden Pulsen. Kaum hatte er um sich geblickt, da erscholl von Deck die raue Stimme Lubbus:

„Nun, kleine Ratte — was sehen?“

Ted klammerte sich in die Taue und spähte in das Dunkel der Nacht. Weit in der Ferne erkannte er als dunklen Streifen die Küste der iberischen Halbinsel. Sonst war nichts um ihn als die endlose, kochende See, jagende Wolken und der heulende Sturm.

Er beugte sich über die gähnende Tiefe.

„Ich sehe nichts, Lubbu; nur im Westen die Küste.“

„Kein Schiff — kein Boot?“ kam es schwach zurück.

„No, fern nur die Lichter Lissabons.“

Er vernahm das röhrende Auflachen John Kills:

„Die portugiesischen Hunde waren wieder einmal zu langsam. Los Lubbu, auch das Focksegel auf.“

Schattenhaft sah er die Gestalten der Mannschaft, erkannte, wie sie aufenterten und das Segel hissten. Ächzend bog sich der Mast, der „Robber“ segelte mit dem Wind und machte gute 15 Knoten.

Wiederum rief ihn Lubbu an.

„Mach' Augen auf, kleine Ratte! Wenn Schiff kommt und du sehen es nicht — wir knüpfen dich an die Rahen.“

Wortlos starrte Ted in das Dunkel. So sehr er John Kill, den Bluthund, verabscheute, packte ihn doch das Fieber des Abenteuers. Die portugiesische Küste versank, noch in weiter Ferne lag der afrikanische Kontinent. Ein oder zwei Wochen würden vergehen, dann mussten die westlichen Vorgebirge der Sahara aus den Wogen tauchen.

Blutbad vor Boavista

Rylla wandte sich mit ärgerlichem Gesicht an John Kill.

„Gib ihnen mehr zu fressen, den Hunden; sonst bringen wir kein Dutzend davon zu Senor Omega.“

John stierte mit stumpfem Blick auf die fünfzig, an eisernen Ketten gefesselten Neger.

„Sie bekommen Wasser und Reis, das ist genug für die schwarze Bande.“

John wandte sich von Rylla ab und starrte schweigend auf die Schar halbverhungerter Nigger. Das rötliche Licht einer Öllampe vermochte den niedrigen Raum kaum zu erhellen. Ihr flackernder Schein übergoss Kill's Züge und gab seinem brutalen Antlitz einen unsteten, lauernden Ausdruck.

„Heul mir nicht die Ohren voll“, schrie er das Mädchen an. „Den Reis stiehlt Lubbu — das weißt du so gut wie ich.“

„Dann schlag ihm den Schädel ein“ Ihre Stimme wurde wieder schrill und schneidend.

„Mein Herr Papa in Lissabon zahlt zehn Pfund Prämie für jeden Sklaven, den du aus Afrika holst. Aber statt Sklaven bringst du knöcherne Wracks.“

John stieß einem der Nigger den Stiefel zwischen die Rippen.

„Übertreib's nicht! Der Kerl da hat noch Speck genug für zwei Wochen.“

Stöhnend wälzte sich der Mann zur Seite. Es war ein riesiger Senegalneger, der durch Hunger und Misshandlungen derart geschwächt war, dass er in apathischer Ruhe alles über sich ergehen ließ.

„Zwei Wochen noch, aber dann geht auch der über Bord“, fauchte Rylla. „Und meinem Vater verrechnest du Reis, den die Nigger niemals erhalten haben.“

Ein Schwarzer, dessen beide Hände mit eisernen Fesseln an die Wand geschmiedet waren, richtete sich stöhnend etwas auf.

„Zu essen, weiße Miss, zu essen“

„Hörst du“, schrie das Mädchen den Käpt'n an, „das Pack verhungert, während du und Lubbu die Mannschaft mit dem Reis fütterst, den mein Vater bezahlt.“

Sie packte den Mann an der Lederweste und brachte ihr scharfgeschnittenes Gesicht nahe an die feisten Züge John Kills.

„Glaubst du, ich sehe zu, wie du und Lubbu uns übers Ohr hauen? He — den Reis her, sage ich.“ Ihre Hand glitt nach dem Damaszenerdolch in ihrem Gürtel. Auflachend stieß sie John Kill zurück.

„Mach das mit Lubbu aus! Mich gehen die schmierigen Nigger nichts an. Ich fange sie nur — und verkauf sie wieder.“

Das Mädchen war zurückgetreten und musterte ihn aus starrem Gesicht. Der trübe Schein der Lampe gab ihrem Antlitz einen dämonischen Zug.

„Höre, John“, flüsterte sie mit zornbebender Stimme. „An deiner Stelle würde ich vorsichtiger sein. Deine Mannschaft ist nichts als ein Pack ausgesuchter Halunken.“

„Zu essen, weiße Miss, bring uns Essen.“

„Halt das Maul, du Hund.“ Kill brüllte den Schwarzen an und als dieser in wahnsinniger Wut nach ihm stieß, rannte er ihm den Degen zwischen die hervorstehenden Rippen.

„Friss Eisen, wenn du unbedingt willst“

Er lachte schallend auf, als sich der Mann in den Ketten bäumte und röchelnd zurücksank. Noch den blutbefleckten Degen in der Hand, wandte er sich an Rylla:

„Pass auf, du dreimal verdammte Katze. Dir will die Mannschaft genau so gerne an den Kragen wie mir.

Feindselig sahen sie einander an; mit jähem Ruck stieß John den Degen in die Scheide zurück. Sein Antlitz bekam einen höhnischen Zug.

„Aber mir gehorcht Lubbu“, sagte er langsam und jedes Wort betonend.

Die Mundwinkel Rylla verkniffen sich. Selbst sie empfand vor dem verstümmelten Malaien Scheu; und sie wusste nur zu gut, dass dieser John Kill auf den leisesten Wink gehorchte.

„Ich denke, wir halten darum beide zusammen“, meinte John wieder mit lauter Stimme.

„Dann gib den Reis her“, zischte das Mädchen. „An jedem der stirbt, verlier ich zehn Pfund.“

„Lubbu“, brüllte John und seine Stimme klang in dem niedrigen Raum wie ein röhrendes Brüllen. „Komm, Lubbu — Miss Rylla möchte dich sprechen.“

Die Züge des Mädchens erstarrten, sie wich zurück, langsam zog ihre Hand den geschliffenen Dolch aus der Scheide. Doch Lubbu betrat nicht den Raum. Sekunden nach Johns Ruf verklungen, erscholl seine krächzende Stimme von Deck.

„Captain ahoi — ahooooii“

„Land, Steuerbord voraus“

Einen Augenblick noch sahen einander John und Rylla feindselig an, dann brüllte John auf:

„Die Kapverdischen Inseln.“

Er stürmte durch den niedrigen Raum und nahm mit einigen gewaltigen Schritten die Treppe zum Deck. Einen Augenblick blinzelte er im hellen Sonnenlicht, dann lief er auf Lubbu zu, der am Kiel des „Robber“ stand. Schweigend deutete der riesige Malaie in die dunstige Ferne. Dort hoben sich niedrige Bergrücken aus der azurblauen See.

„Die Inseln, Captain.“

Rylla stand plötzlich neben den beiden. Ihre laute Stimme übertönte das Knattern der Segel und das Ächzen des Tauwerks.

John maß aus verkniffenen Augen das Festland. Dann nickte er und wandte sich grinsend dem Mädchen zu.

„Boavista“, stieß er hervor und in seinen Zügen stand ein Ausdruck maßloser Gier. Auch Ryllas Augen glommen eigenartig auf, als John diesen Namen nannte. Diese Insel war dicht bevölkert, die Einwohner durch ein bequemes Leben kampfungewohnt und doch kräftig.

Ideale Ware für die spanischen Kolonien.

Die beiden schienen augenblicklich ihren Streit vergessen zu haben. Nun hieß es wieder, gemeinsame Sache zu machen — und dazu waren beide bereit, sobald diese Einigung sich mit goldenen Pfundstücken lohnte.

Lubbu wandte sich langsam ab.

„Was geschehen, Captain?“, flüsterte er.

Auf seinem haarlosen Schädel glänzte die Sonne, das Gesicht war durch grellrote Narben entstellt, die abgeschnittene Nase gab seinem Antlitz das Aussehen eines teuflischen Kobolds.

„Muss ich dir das noch sagen? Du Narr“ schrie John ihn an. „Die Geschütze klar, alle Segel gesetzt“ Seine Stimme hob sich zu dröhnendem Brüllen: „Alle Mann an Deck.“

Die Tür der Logis flog auf; in zerlumpte, doch einst prächtige Gewänder gekleidet, stürzte eine Horde wüstes Gesindel an Deck. An ihren Gürteln hingen arabische Degen, türkische Krummsäbel, spanische Florette und Dutzende ähnlicher Waffen aus allen Teilen der Welt. Die meisten von ihnen trugen Lederkoller, die im Kampf einen gewissen Schutz boten.

Johlend und schreiend stürmte die Meute gegen den Kiel. John trieb sie mit Flüchen zurück.

„Die Wache — auf die Rahen mit diesen Hunden. Alle Segel gesetzt.“

„Du, junge Ratte“, er deutete mit der Spitze seines Degens auf Ted. „In den Ausguck mit dir.“

„Ihr anderen an die Geschütze, ladet eiserne Kugeln und Tante Jonny (so hieß das große Bordgeschütz) mit gehacktem Blei.“

„Captain — wo sind wir?“

Einer der Männer, dem eine furchtbare Narbe das Gesicht gespalten hatte, stellte die Frage.

„Vor Boavista“, lachte John auf. „Wir holen uns sechshundert Nigger.“

Ein Kerl, dem ein Degenhieb die linke Hand abgetrennt hatte, fuhr wie von einer Wespe gestochen herum.

„Vor Boavista?“, schrie er auf. „Dort ist ein spanisches Fort.“

„Warst du schon einmal da?“, meinte Kill lauernd. „Vermutlich solltest du damals hängen?“

Lubbu wandte sich lauernd an den Mann.

„Mehr können dir jetzt auch nicht passieren. Hängen in Boavista — oder bei uns.“

„Hört zu, ihr Halunken“, wandte sich Kill an die Leute. „Dort drüben liegt das spanische Fort.“

Er deutete mit dem Degen in die dunkelnde Ferne. „Und dahinter liegt Dorf auf Dorf voll prachtvoller Nigger. John Kill mit dem „Robber“ und Euch Pack als Mannschaft darauf, ist verrufen von Afrika bis zur karibischen See.“

Schallend lachte er auf und stieß den Degen vor sich in die Planken des Decks. „Ab morgen wird man von Euch bis ans Ende der Welt erzählen. Dann stecken die Bürger die Nasen zusammen und flüstern mit spitzen Gesichtern:

„Dieser Bluthund — nichts kann ihn zähmen. Jetzt überfiel er sogar das spanische Fort und raubte unter dessen Flagge Neger für die südlichen Kolonien.“

Diese Worte waren auf den Ehrgeiz der Mannschaft berechnet und verfehlten ihre Wirkung nicht. Mit Flüchen und Spottrufen munterten sich die Männer gegenseitig auf. Während die Wache jedes Segel hisste und Ted mit angstgeweiteten Augen den Mast erklomm, schleppten die übrigen Pulver, Kugeln und gehacktes Blei an die Geschütze.

Als Lubbu die Schnur vom ersten Sack Schwarzpulver riss, klang Ted's Stimme vom Mast herab:

„Ein Schiff — vor Steuerbord“

„Rascher, ihr gesottenes Pack“ John trieb die Leute zur Eile, packte selbst zu und leerte gemeinsam mit Lubbu gehacktes Blei und rostige Nägel in eine riesige Kanone am Kiel. Er nannte dieses Ungetüm „Tante Jonny„. Oft genug war ihr ungewöhnliches Kaliber die letzte Rettung für den bedrängten Schoner gewesen.

„He Ratte, auf Ausguck — was sehen?“, rief Lubbu.

Wohl oder übel musste Ted Antwort geben.

„Eine Zweimastbrigg kreuzt auf. Sie führt die spanische Flagge.“

„Das seh' ich selbst schon“, fluchte John. „Sag' lieber, ob du das Fort erkennen kannst“

„Noch nicht. Es liegt im Dunst.“

„He, Captain, Geschütze Steuerbord klar.“

John stieß den Geschützmeister in die Rippen.

„Gib denen ein Fass Rum, wenn alles vorbei ist und Euch — Backbord Ihr Hunde ...“

„Geschütze Backbord klar.“

„Na also, höchste Zeit, Ihr Halunken. He, Lubbu, wie ist unser Kurs?“

„Süd drei Strich West.“ Kill stand überlegend und sah aus verkniffenen Augen auf die sich nähernde Brigg. Schon konnte man deren wehende Flagge erkennen. Weit hinter ihr steuerte ein zweites Schiff gegen die offene See. Ted's helle Stimme erscholl aus der Höhe.

„Die Brigg signalisiert.“

„Kannst du sehen, Lubbu, welche Flaggen sie setzt?“

Lubbu zuckte grinsend die Schulter.

„Captain, warum? Ganz gleich, was Signal bedeutet. Unsere Antwort sein Pulver und Blei.“

„Kurs auf die Brigg — Geschützluken auf.“

Polternd fielen die hölzernen Geschützdeckel zu Boden. Drohend starrten die dunklen Läufe der Kanonen gegen den spanischen Segler. Mit raschen Schritten erklomm John Kill, Lubbu und Rylla die Brücke. Abwartend standen die Männer neben den Geschützen. Neben jedem glomm in einem metallenen Becken ein kleines Holzkohlenfeuer. Der Kanonier hielt die Lunte in seiner Faust und erwartete das Kommando John Kills.

„Jetzt Captain — kreuz mit Breitseite auf“

Ärgerlich wandte Kill sich um.

„Was verstehst du von Kanonen und Schiffen?“, fuhr er Rylla an.

„Weiße Miss haben recht“, nickte Lubbu nach kurzem Zögern. „Brigg fällt von Kurs.“

„Was sagst du?“, schrie ihn der Captain an.

„Diese dreifachen Hunde ...“

„Sie haben unsere Kanonen gesehen und die ihren sind noch nicht klar“, meinte Rylla.

„Dann, beim Satan — dann hast du recht.“

John Kill trat vor, beugte sich über das Geländer der Brücke und hob die blanke Klinge des Degens.

„Geschütze — feuerbereit“

Die Kanoniere hielten die Lunten an die glühenden Kohlen. Zischend sprühten diese auf.

„Visiert an, ihr Hunde“

Die Geschützmeister ließen die Läufe heben oder senken, die Mannschaft packte in fieberhaftem Eifer zu.

„Kurs sechzig Grad Steuerbord“

Augenblicklich erklomm die Wache die Taue. Fock- und Brahmsegel wechselten ihre Stellung. Lubbu setzte mit gewaltigem Sprung an Deck, stieß zwei Männer zur Seite und lief ans Steuer.

„Du gehn jetzt zur Hölle“, fuhr er den Maat an und übernahm selbst das Rad.

Dieser nickte mit starrem Grinsen, zog den Degen vom Gürtel und eilte gegen den Bug. Dort kauerte er sich zwischen Galionsfigur und Bugspriet auf die Reling.

Wer der Erste an Land war, erhielt vom Captain hundert englische Pfund; ein versoffener Steuermaat konnte die gut gebrauchen.

Jäh fiel der „Robber“ vom Kurs — seine Breitseite sah plötzlich gegen die Brigg.

„Feuer Captain?“, brüllte ein Kanonier über Deck, der das Warten nicht mehr ertrug.

„Wart noch, du Hund“

Sekunden danach war das Stampfen des „Robbers„ gleichmäßiger Bewegung gewichen. Die Stimme John Kills hallte über sein Schiff.

„Die ganze Breitseite — Feuer!“

Rötliche Flammenbündel schossen aus den Mäulern der Kanonen. Im röhrenden Donner bäumte sich das Schiff, knatternd schlugen die Segel und augenblicklich packten die Männer wieder zu, um von neuem zu laden. Das ganze Verdeck war für Sekunden in weißen Qualm gehüllt.

„Kurs auf die Brigg — Lubbu nimm Kurs“

„Yes, Captain, yes.“

Wieder schwenkte das Schiff, der Wind vertrieb die Pulverwolke, um die spanische Brigg stiegen Wasserfontänen hoch. Der Wind trug den Klang menschlicher Stimmen herüber; jemand schrie gellend auf. Am Heck des fremden Seglers ragten geborstene Planken steil in die Luft.

„Kurs liegt auf Brigg“, johlte Lubbu gegen die Brücke.

„Heyyyy — die Tante Jonny — Feuer!“

Das Geschütz am Kiel brüllte auf, ein furchtbarer Schlag schien den „Robber“ zu treffen, der Feuerschein hüllte das ganze Deck in flammendes Licht. Dann vernahm man das Jaulen der Ladung aus faustgroßen Bleistücken, Zimmermannsnägeln und kantigen eisernen Würfeln.

Gurgelnd zog der Tod gegen die Spanier.

„Getroffen“, brüllte John auf.

Die Segel der Brigg hingen in Fetzen, nur am Fockmast stand noch einiges Leinen. Der Sturm trug den Spaniern das Freudengeheul von Johns Mannschaft entgegen. Die Stimme des Kapitäns übertönte das Toben.

„Kurs 180 Grad gegen West. Geschütze Steuerbord — zum Feuer bereit.“

Scharf fiel der „Robber“ vom Kurs. In denselben Sekunden stiegen vom spanischen Segler weiße Wolken hoch. Mit dumpfem Sausen zogen die Geschosse gegen das Sklavenschiff.

Ohne sich darum zu kümmern, enterte die Mannschaft ins Tauwerk auf. Wieder wurden Fock- und Brahmsegel herumgeworfen. Lubbu stand über das Steuerrad geneigt und presste es in den neuen Kurs. Krachend traf eine eiserne Kugel den „Robber“ in die Wanten des Hecks. Holz barst, zwei Männer wälzten sich in ihrem Blut. Ein Geschütz neigte sich, kippte vor und schlug klatschend in die See.

Während sich die Mannschaft verzweifelt bemühte, die leergeschossenen Geschütze der Backbordseite zu laden, wandte der sich drehende „Robber“ der Brigg seine Steuerbordseite zu. Im Augenblick, da sich das Schiff in den neuen Kurs gefügt hatte, gab John Kill das Kommando.

„Gesamte Breitseite — Feuer“

Wieder erbebte das Schiff, surrend zog ein Geschoss der Spanier heran, dann vernahm man das Krachen von Holz.

Lubbu stieß ein unmenschliches, langgezogenes Heulen aus; er hatte den Laut richtig gedeutet. Als sich der Pulverdampf verzog, sah man, dass der Großmast der spanischen Brigg geknickt war und die Kommandobrücke ein wüstes Trümmerwerk bildete.

„Tante Jonny, gibt ihm den Rest“, johlte John Kill. „Der „Robber“ wenden — Kurs auf die Brigg.“

In fieberhafter Hast luden die Männer das riesige Buggeschütz. Es verschlang volle siebzehn Pfund Pulver und einen halben Zentner gehacktes Metall. Als der „Robber“ schlingernd und stampfend von neuem seinen Kurs gegen die Spanier richtete, konnte der Steuermann John Kill die ersehnte Meldung zubrüllen:

„Tante Jonny ist fertig“

Man hatte sich mittlerweile auf knappe dreihundert Schritt dem Spanier genähert. Drüben zuckte es orangerot auf. Jaulend zogen die Geschosse gegen den „Robber“. In ihrem Singen brüllte John Kill gegen den Bug:

„Die Jonny — Feuer!“

Der Donner der Explosion ließ das Schiff erbeben, milchiger Dampf verhüllte das Deck und im selben Moment schlugen die Projektile der spanischen Geschütze ein. Eine Kugel riss das Großsegel in Fetzen, eine Zweite streifte den Fockmast und die Dritte zermalmte zwei Männer von der Bedienung der Tante Jonny.

Als das Brüllen der Menschen, das Bersten von Holz verklang, als sich die Rauchwolke hob, brüllte Lubbu wiederum auf.

Die spanische Brigg war vom Kurs gefallen, das Heck von der Ladung des schweren Geschützes völlig verwüstet.

„Entern, Captain, entern“, gröhlte der vernarbte Malaie gegen die Brücke.

„Hol dich der Teufel! Was willst du noch auf dem Wrack?“ Er hob seinen Blick und sah gegen die Spitze des Großmastes.

„Lebst du noch, du Ratte, dort oben?“

Ted, der mit bleichem Gesicht auf dem obersten Querbalken des Mastes stand, bejahte.

„Dann mach die Augen auf und sieh gegen das Fort.“

Ted suchte Einzelheiten an dem unförmigen Gebäude zu erkennen, das sich zwischen den dunklen Klippen einer Bucht gut abhob. Er sah nur, dass die Flagge gehisst war und er hörte den Klang von Trommeln und Trompeten.

„Nichts zu sehen, Captain“, schrie er zurück. „Nur höre ich, dass dort drüben Alarm ist.“

„Dann lass den Halunken keine Zeit, ihre Flinten zu laden.“

„Kurs West-Süd-West. Alle Geschütze — zum Feuern klar“

Das Johlen und Schreien der Leute erstarb plötzlich. Über dem Schiff lag gespenstische Stille. Welch kühne und ungewöhnliche Abenteuer der „Robber“ auch schon ausgefochten haben mochte, — was John Kill nun beschloss, war ein Husarenstück. Die Männer ahnten den Tod und John Kill selbst fühlte eine gewisse Unsicherheit. Rylla stand regungslos neben ihm und schaute gegen die sinkende Brigg.

„Wenn uns in einer Stunde nicht alle der Teufel holt, so hast du dich ihm verschrieben“, meinte sie zynisch.

„Kannst du mir sagen, wie man das macht?“ stieß John hervor. „Fast glaube ich selbst, wir brauchen den Satan“

Von der Küste klang der Trommelwirbel. Die Söldner der spanischen Armee eilten an die Waffen, um den „Robber“ gebührend zu empfangen.

Rylla legte Captain Kill die Hand auf die Schulter. „Steuere doch dorthin, du Narr!“

John sah erst das Mädchen an und dann die bezeichnete Stelle. Es war dies eine weit vorragende Landzunge neben der Bucht der spanischen Festung.

Langsam strich sich John über das wirre Haar und steckte den Degen vor sich in die Planken.

„Du meinst, Teufelsweib, ich soll den „Robber“ dort liegen lassen und mit den Geschützen das Fort bestreichen?“

„Yes, dann brauchst du den Satan nicht. Die Klippen schützen dich besser als er gegen die Kugeln und außerdem — siehst du ...“

Sie riss Johns Degen aus dem Holz und deutete gegen die Insel. Dort hoben sich, nur für ein scharfes Auge erkennbar, winzige Rauchsäulen in den matten Himmel.

John Kill war unschlüssig, was es sein mochte. Er rief Lubbu an.

„He, Lubbu, du narbiger Teufel — was ist das?“

Spähend reckte der Malaie seinen massigen Körper. Einen Augenblick später zuckte er zusammen, als hätte er einen Schlag ins Gesicht erhalten.

„Feuer von Dörfer — von Negerdörfer“

Seine Stimme war ein Aufbrüllen, kaum verständlich und von tierischer Wildheit.

„Dann steure zu diesen Klippen! Dorthin, wo der Rauch ist“

Nach Kill's Worten wich das unheimliche Schweigen auf dem Schiff. Die Männer sprachen wieder, riefen sich lachend an und standen lauernd neben den Geschützen. Zwar würde in den nächsten Viertelstunden der Tod so manchen zu Boden ringen, aber sie glaubten nicht mehr daran, dass möglicherweise das ganze Schiff zur Hölle fuhr.

Und übrig zu bleiben — das war immerhin schon eine Chance; ein Grund, um zu lachen oder in wüsten Flüchen den Teufel um Hilfe zu bitten.

Lubbu drehte den Steuerbalken mit so wildem Schwung, dass der „Robber“ sich in scharfer Kurve neigte. Der Mast legte sich schief, um ein Haar wäre Ted aus dem Korb geflogen. Die Takelage pfiff rings um ihn und mit der ganzen Kraft seiner festen Knabenfäuste klammerte er sich an die Taue, an denen sein luftiger Sitz hing.

Einen Augenblick war tief unter ihm nicht das Schiffsdeck mit dem bunt gekleideten Piratengesindel, sondern das tiefblaue Meer. Und darinnen, deutlich zu sehen, graue, spitze, schnell dahinschießende Leiber: Haie!

Ihre Schnauzen tauchten aus dem Wasser, ihr grüner, unsäglich böser Blick traf Ted.

Grauen kroch dem Jungen rieselnd über den Rücken.