Klaudias erste Tanzstunde - Marie Louise Fischer - E-Book

Klaudias erste Tanzstunde E-Book

Marie Louise Fischer

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Beschreibung

Die 8. Klasse hat begonnen, Klaudia ist mit ihren Klassenkameraden unterwegs, aber sie langweilen sich. Als ganz zufällig der Blick auf eine Anzeige fällt, ist die Idee geboren: Sie werden gemeinsam die Tanzschule besuchen. Mi Beginn der ersten Tanzstunde ist allerdings die Enttäuschung groß, denn umwerfend sieht keiner der Jungen aus. Wer soll denn da für Klaudia als Tanzpartner in Frage kommen? Dann taucht Helmut auf. Den zum Partner zu haben, das wäre eine Wucht. Und sie wäre nicht Klaudia, wenn sie nicht einen Weg suchen würde, ans Ziel zu kommen. Denn so kennen wir sie, unterkriegen lässt sie sich niemals.-

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Marie Louise Fischer

Klaudias erste Tanzstunde

Saga Egmont

Klaudias erste Tanzstunde

Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de)

represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)

Originally published 1972 by F. Schneider Verlag, Germany

All rights reserved

ISBN: 9788711719350

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

Eine Idee mit Spätzündung

Die Sommerferien waren vorüber, und ein neues Schuljahr hatte begonnen. Die Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse des Rosenberger Realgymnasiums waren in die 8. Klasse aufgerückt – mit mehr oder weniger großem Erfolg, aber wen kümmerte das jetzt noch. Die Hauptsache, sie hatten es alle geschafft und waren wieder beisammen. Klaudia und Heide, Axel, Jochen, die kleine Ingrid und Ursel, die ihre Zöpfe inzwischen abgeschnitten hatte, der dicke Rainer und der semmelblonde Fritz.

Aber leider wurde ihre Wiedersehensfreude rasch getrübt, denn das Wetter, das bis zum letzten Ferientag wunderschön gewesen war, schlug um: Es regnete von früh bis spät, und es ließ sich kaum etwas in der Freizeit unternehmen. Das Freibad war noch nicht geschlossen, aber es lag verlassen da, der Fußballplatz vor der Stadt stand unter Wasser, an Spazierengehen, Sonnenbaden oder im Freien spielen war nicht zu denken, und im Kino liefen nur Sex-Filme.

Eine Wolke der Unlust begann sich über die Gemüter zu senken; niemand freute sich wie sonst darüber, als am Mittwoch die sechste Stunde, Musik, ausfiel. Mit hochgezogenen Schultern, übergestülpten Kapuzen und aufgespannten Regenschirmen traten die Jungen und Mädchen aus dem Schultor.

„Wie wär’s mit einem Eis?“ fragte Klaudia und ließ ihren Schirm über dem Kopf kreisen.

Aber ihr Vorschlag fand keine Gegenliebe.

„Huch, bei der Kälte!“ Heide schauderte in ihrem taubenblauen Lodenmantel.

„Wenn du kein Eis magst, dann trink eben eine heiße Schokolade!“

„Schokolade, pah, die kocht mir meine Mutti, wenn ich will, alle Tage!“

Heide warf Axel einen um Zustimmung heischenden Blick zu. „Für so etwas gebe ich doch kein Geld aus. Das wäre herausgeworfen.“

„Wer macht einen besseren Vorschlag?“ fragte Klaudia und sah sich im Kreise um.

Aber niemand antwortete.

„Na schön, ich sehe schon, ihr seid wieder mal lahm wie eine Hammelherde!“ Klaudia drehte sich auf dem Absatz um. „Dann gehe ich eben alleine.“

Aber nach Hause zu gehen, konnten sich die anderen auch nicht entschließen, und nach einigem Zögern folgten sie ihr über den Hauptplatz, eng aneinander gedrängt und sich gegenseitig stoßend. Sie hatten jetzt tatsächlich einige Ähnlichkeit mit der eben zitierten Hammelherde.

Klaudia hatte inzwischen schon ihren Schirm zusammengeklappt und sich von Hut und Mantel befreit. „Na, was habe ich euch gesagt?“ rief sie vergnügt. „Hier sitzen wir doch auf alle Fälle viel besser als in Köln auf dem alten Markt! Kommt, laßt uns ein paar Tische zusammenrücken … Heute gehört die Bude uns! Und dann wollen wir von was Erfreulichem reden!“ Klaudia schlug die langen, schlanken Beine übereinander.

„Aber es ist nun mal ein Wetter zum Trübtimpeligwerden“, widersprach Ursel.

„Du vielleicht, ich nicht“, behauptete Klaudia, „mich stimmt der Regen unternehmungslustig.“ Sie nahm der Serviererin den bestellten Milch-Shake aus der Hand und befreite den grünen Kunststoffhalm von seiner Papierhülse. „Danke, Fräulein.“

„Das Eis mit Schokolade ist für mich“, sagte Axel und dann, zu Klaudia gewandt: „Nun erzähl uns bloß nicht, daß du wieder einen Fan-Klub gründen willst.“

„Nicht die Bohne.“ Klaudia warf den Kopf zurück. „Über die Zeiten bin ich längst hinaus.“

„Ein Klub …”, Heide sah Axel fragend an, „wäre vielleicht gar keine schlechte Idee.“

Jochen kratzte sich in seinem roten Haar, das er seit neuestem nicht mehr kurz geschnitten trug, sondern wachsen ließ; es ringelte sich schon in Locken hinter seinen Ohren.

„Was für ein Klub?“

„Ach, da fällt uns bestimmt was Passendes ein“, erklärte Ingrid mit plötzlich erwachtem Eifer, „Hauptsache, wir haben ein fabelhaftes Klub-Lokal!“

„So? Habt ihr das?“ erkundigte sich Klaudia mit hochgezogenen Brauen.

„Doch! Natürlich! Euren Hobby-Raum!“

„Also, wenn ihr darauf reflektiert“, erklärte Klaudia, „muß ich euch furchtbar enttäuschen. Den habe ich euch voriges Jahr zur Verfügung gestellt, und das hat mir gereicht. Silvie und ich haben geschuftet wie die Affen, den Boden gescheuert, die Wände geschmückt und hinter euch hergeräumt … Außer uns hat niemand einen Finger gerührt.“

„Das könnten wir ja diesmal anders machen“, meinte Ingrid, aber schon ein bißchen unsicher.

„Sinnlos“, wehrte Klaudia ab, „mein Vater würde es auch gar nicht wieder erlauben.“

„Also ist das schon Essig“, stellte Axel ohne Bedauern fest.

„Wenn wir wüßten, was für einen Klub wir gründen sollten, könnten wir uns immer noch nach entsprechenden Räumlichkeiten umsehen“, ließ sich der dicke Rainer vernehmen und steckte einen Löffel voll Schlagsahne in den Mund.

„Warum muß es überhaupt ein Klub sein?“ fragte Fritz.

Sie redeten noch eine Weile. Die Becher und Tassen waren schon fast geleert, als Klaudia mit weit aufgerissenen Augen über die Köpfe der anderen hinwegstarrte.

„Ich hab’s!“ rief sie.

„Was?“ fragte Heide.

„Was wir unternehmen können!“

„Menschenskind, stier nicht so!“ bat Axel. „Das ist ja direkt unheimlich.“

„Siehst du etwa Gespenster?“ fragte Fritz.

„Nicht im entferntesten!“ Klaudia riß die Augen los und warf den beiden Jungen unter ihren langen, schwarzgetuschten Wimpern einen halb verführerischen, halb spöttischen Blick zu. „Ich habe bloß gelesen …, und wenn ihr euch umdreht, könnt ihr das auch! Da! Seht mal das Plakat!“ Sie wies mit dem Zeigefinger über die Köpfe hinweg auf jene Stelle an der Wand, auf die sie eben geblickt hatte.

Alle sahen jetzt das giftgrüne Plakat, auf dem ein Paar sich als schwarze Silhouette im Tanz bog, während daneben gedruckt stand: „Tanzschule Amelie von Kaiser, vornehmstes Institut am Platz, Beginn der neuen Kurse für Jugendliche und Senioren: 15. September. Auf Wunsch auch Einzelunterricht. Anmeldungen werden ab sofort entgegengenommen.“

Heide wandte sich wieder Klaudia zu. „Willst du etwa in die Tanzschule?“ fragte sie schaudernd und bewundernd zugleich.

„Nicht ich“, entgegnete Klaudia, „wir alle.“

„Du spinnst ja“, sagte Axel grob, „für so was sind wir doch noch viel zu jung.“

„Ich werde vierzehn!“ trumpfte Klaudia auf.

„In die Tanzstunde geht man erst in der zehnten, frühestens in der neunten Klasse“, gab die kleine Ingrid zu bedenken.

„Na, wenn schon?“ Klaudia blieb unbeeindruckt. „Das ist doch kein ehernes Gesetz. Vergeßt nicht, daß die Jugend heute schneller wächst als früher … nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Das nennt man … wartet mal…“ Sie krauste nachdenklich die Stirn. „Ak… Akzeleration.“ „Meine Eltern würden mich für verrückt erklären, wenn ich ihnen erzählen würde, daß ich jetzt schon in die Tanzstunde will“, sagte Heide.

„Was seid ihr bloß für eine umständliche Gesellschaft!“ rief Klaudia. „Nun denkt doch nicht zuerst an eure Eltern und wie es bisher gewesen ist! Die Frage ist doch einfach die: Habt ihr überhaupt Lust, Tanzstunden zu nehmen? Ja oder nein?“

„Nein“, sagte Axel, das hübsche Gesicht unter den braunen Locken wie gewöhnlich mürrisch verzogen.

„Na bitte, dann scheidest du eben aus.“ Klaudia verbarg ihre Enttäuschung hinter einem verächtlichen Ton. „Von dir habe ich auch gar nichts anderes erwartet. Du bist und bleibst ein Muffel. Und wie steht es mit dir, Heide?“

„Wenn Axel nicht mitmacht, habe ich auch keine Lust.“

„Oh, häng du dich bloß an deinen Axel, du wirst schon sehen, wie weit du damit kommst! Ingrid?“

„Bei mir hat sich die … die Akzel-irgendwas anscheinend nicht ausgewirkt!“ sagte Ingrid. „Ich warte lieber, bis ich noch ein Stückchen gewachsen bin.“

„Und ich kriege kein Geld für so etwas“, sagte Ursel. „Meiner Meinung nach ist das Ganze eine Schnapsidee“, erklärte der dicke Rainer.

Fritz grinste. „Einmal linksherum, einmal rechtsherum. Ich müßte ja verrückt sein, mich darum zu reißen.“

„Ein wahres Glück, daß ihr nicht mitmacht!“ sagte Klaudia wild. „Ich habe es euch bloß aus purer Höflichkeit angeboten, daß ihr es nur wißt … Mit euch zu tanzen ist bestimmt kein Vergnügen!“ Sie legte ihre Hand auf Jochens Arm. „Aber du wirst mich doch nicht im Stich lassen! Außerdem bist du ein Jahr älter als wir anderen … Für dich wäre es genau die richtige Zeit!“

„Kann schon sein!“ Jochen schielte an ihr vorbei. „Aber …?“

„Meine Eltern erlauben das nie und nimmer. Ich habe sowieso schon jede Menge Ärger, weil ich mir die Haare wachsen lasse.“

„Du könntest es doch wenigstens versuchen, Jochen!“ „Ich muß ja wohl“, sagte er unbehaglich, „wo du voriges Jahr so viel mit mir gearbeitet hast!“

„Nicht aus Gnade und Barmherzigkeit!“ funkelte sie ihn an. „Darauf bin ich nicht angewiesen. Wenn ihr keine Lust habt … na, bitte, dann laßt es. Es ist ja nur eine Idee von mir gewesen. Ich hatte es mir fabelhaft vorgestellt, wenn wir es alle zusammen machen würden … am liebsten die ganze Klasse!“

„Besser, als dauernd zu Hause rumzusitzen und in die Fernsehröhre zu starren, wäre es allemal“, erklärte Axel überraschend.

„Auf einmal?“ schrie Fritz erstaunt.

„Du machst mit, Axel?“ Klaudia strahlte. „Also ehrlich … ich finde keine Worte!“

„Das habe ich nicht gesagt“, verwahrte er sich sofort, „bloß, daß es gar keine so dumme Idee ist.“ Er wurde ein bißchen rot unter der immer noch sommerlich braunen Haut.

Jetzt schwenkte auch Heide um. „Das habe ich von Anfang an gesagt!“

„Aber ob die uns in der Tanzschule überhaupt nehmen würden?“ fragte Jochen.

„Also, paßt mal auf, alle zusammen“, rief Klaudia. „Ich mache euch einen Vorschlag zur Güte. Es hat doch gar keinen Zweck, wenn wir uns über ungelegte Eier aufregen! Also folgendes: Ihr fragt eure Eltern, ob ihr dürft. Weiter nichts. Und ich erkundige mich bei der Tanzschule, ob wir aufgenommen werden.“

„Du traust dich was!“ bemerkte Heide voll widerwilliger Bewunderung.

„Was ist schon dabei?“ Klaudia zuckte die Achseln. „Fressen werden die mich doch nicht. Freunde, ich kann euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, daß endlich wieder was los ist! Ihr werdet sehen … wir werden unheimlichen Spaß kriegen!“

Mit List und Tücke

Strahlender Laune kam Klaudia nach Hause. Aber sie merkte bald, daß dicke Luft herrschte. Dr. May hatte sich hinter seiner Zeitung verschanzt, und die Mutter erwiderte nur gerade eben ihren Gruß. Ohne irgendeine Frage nach den Erlebnissen des heutigen Vormittags zu stellen, Klaudia ahnte, was das bedeutete. Wahrscheinlich hatte der Vater einen besonders schwierigen Fall in seiner Praxis, der ihm und der Mutter, die bei ihm als Sprechstundenhilfe arbeitete, besonders zu schaffen machte. Deshalb schien es ihr nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, mit ihrer Tanzstundenidee herauszurücken.

Nach dem Essen erbot sie sich, mit der jüngeren Schwester zusammen die Küche in Ordnung zu bringen, und die Eltern zogen sich zu einem Mittagsschläfchen zurück.

Während Klaudia Geschirr, Besteck und Gläser in die Geschirrspülmaschine räumte, pfiff sie vergnügt.

Silvie hatte ihre Schwester aufmerksam beobachtet. „Raus mit den Neuigkeiten“, sagte sie jetzt, „du platzt sonst noch!“

Klaudia warf ihr einen unschuldsvollen Blick zu. „Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst!“

„Tu bloß nicht so! Ich kenne dich bis auf den Grund deiner schwarzen Seele. Du hast wieder mal was ausgeheckt.“

Klaudia packte die Kleine bei den Schultern und wirbelte sie durch die Küche. „Silvie, Silvie, du bist wahrhaftig ein Wunderkind! Du kannst im Zirkus als Hellseherin auftreten!“

Silvie lachte. „Nur wenn du mitmachst … Klaudia und Silvie, die gedankenlesenden Schwestern … das wäre doch eine Nummer!“

Klaudia ließ Silvie los, tat Spülpulver in das dafür bestimmte Fach der Maschine und klappte die Türe zu.

„Wenn du wirklich Gedanken lesen kannst, dann rate doch mal, weshalb ich so guter Laune bin!“

„Weil du was vorhast!“

„Soweit waren wir schon … aber was?“

„Warum soll ich mir das Köpfchen zerbrechen, wenn du es mir ohnehin in den nächsten fünf Minuten sagen wirst?“

„Spielverderberin!“ Klaudia ließ heißes Wasser in das Spülbecken und begann die Töpfe zu schrubben.

Sie hätte es gerne gesehen, wenn die Schwester noch weitergefragt hätte, aber damit war nach Lage der Dinge wohl nicht zu rechnen. So entschloß sie sich, die Katze freiwillig aus dem Sack zu lassen. Aber sie erntete nicht die bewundernde Zustimmung, die sie erwartet hatte.

„Ihr wollt in die Tanzschule?“ fragte Silvie ganz betroffen.

„Na und? Paßt dir das etwa nicht?“

„Na ja, ehrlich gestanden …“

Silvie rieb unnötig heftig mit dem feuchten Tuch herum. „… ich hatte eigentlich gehofft, wir würden später zusammen gehen.“

„Wie kommst du auf das schmale Brett?“

„Ich hatte es mir eben so vorgestellt.“ Silvie sah die Schwester nicht an.

„Denkst du etwa, ich würde deinetwegen mit dem Tanzen warten, bis ich alt und grau bin?“

„In zwei Jahren“, sagte Silvie, „bin ich so alt wie du heute …“

Klaudia fiel ihr ins Wort. „Na, siehst du, du möchtest auch jung damit anfangen! Ist ja nichts dagegen zu sagen … aber dann gönne mir doch auch den Spaß.“

„Ich habe nie behauptet, daß ich ihn dir nicht gönne!“

„Dann mach auch nicht so ein Gesicht.“ Klaudia stellte die blankgescheuerten Töpfe auf die Abtropfe. „Tatsächlich wäre es so und so nicht gut, wenn wir zusammen in die Tanzstunde gingen.“

„Und warum nicht, wenn ich bitten darf?“

„Weil wir uns zu sehr ähneln. In zwei Jahren wirst du so aussehen wie ich heute! Ich nehme doch nicht an, daß du dein Haar ewig so kurz geschnitten tragen wirst wie jetzt. Na, und da kann es doch passieren, daß ein Boy sich gleichzeitig in uns beide verliebt und nicht weiß, für welche er sich entscheiden soll.“

Jetzt mußte Silvie doch lachen. „Du spinnst wohl!“

Silvie schlug das Trockentuch aus und hing es über den Halter. „Wahrscheinlich hast du sogar wirklich recht. Dann gehe ich eben mit meiner Klasse, wenn es soweit ist…, und bis dahin habe ich ja noch mengenweise Zeit.“

„Bravo.“ Klaudia ließ das Wasser aus dem Becken. „Ich wußte ja, du würdest es richtig verstehen.“

Sie sah sich in der Küche um, ob alles in Ordnung war, und stellte fest, daß sie vergessen hatten zusammenzukehren. Beinahe hätte sie darauf verzichtet, aber dann besann sie sich eines Besseren. Sie hatte allen Grund, die Mutter bei guter Laune zu halten.

Was nun? Klaudia warf einen Blick auf das Zifferblatt ihrer Armbanduhr. Die Eltern schliefen noch. Sie hätte sich also heimlich, still und leise verziehen können. Aber das entsprach nicht ihrer Art. Besser war es, erst die Schulaufgaben zu erledigen. Danach konnte sie Bescheid sagen.

Sie holte also ihre Mappe aus der Garderobe, stieg in ihr Zimmer unter dem „Dach juchhe“ hinauf und machte sich an die Arbeit. Sie kam wie immer flink voran, denn das Lernen bereitete ihr keine Kopfschmerzen.

Erst danach stieß sie auf ein Problem. Was sollte sie anziehen? Es regnete immer noch in Strömen. Also mußte sie ein Kleidungsstück wählen, das unter ihren gelben Regenmantel paßte, und der war reichlich kurz.

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich für ihr korallenrotes Wollkleid entschied. Das war zwar im Schnitt reichlich bieder, fand sie, dafür aber stand ihr die Farbe einmalig.

Sie probierte verschiedene Lidschatten aus, bis sie einen dunklen Ton wählte, der ihr ein interessantes Aussehen verlieh.

Nur zu gerne hätte sie ihre hochhackigen Lackpumps angezogen, aber auch das empfahl sich bei diesem Wetter nicht. Klaudia staunte selber über ihre Einsicht: Noch vor einem Jahr wären ihr solche Überlegungen nie gekommen, und sie wäre wahrscheinlich triefnaß bei Frau von Kaiser eingetrudelt.