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Mary Wallis lenkte den Einspänner über den holprigen Shottum Trail in Richtung Wichita. Sie war im Morgengrauen losgefahren und hoffte die ehemalige Rinderstadt gegen Mittag zu erreichen. Ihr Ehemann Eric war daheim auf der Ranch am Stony Lake geblieben. Er war in der Scheune von der Leiter gefallen und hatte sich ein Bein gebrochen.
Jammerschade, dass er sie nicht zur Hochzeit ihrer Freundin begleiten konnte. Bonny heiratete einen Arzt, der fast doppelt so alt war wie sie. Es hieß, dieser Doc Weston sei eine verdammt gute Partie.
Mary seufzte. Bonny als Ehefrau eines Arztes! Für einen Moment spürte sie einen Anflug von Neid. Sie fuhr den Wagen vom Trail auf einen schmalen Waldweg. Nur noch wenige Meilen bis Wichita; in knapp drei Stunden würde sie ihre Freundin wiedersehen.
Doch es sollte anders kommen...
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Bluthochzeit in Wichita
Vorschau
Impressum
Bluthochzeitin Wichita
von Tom Hogan
Mary Wallis lenkte den Einspänner über den holprigen Shottum Trail in Richtung Wichita. Sie war im Morgengrauen losgefahren und hoffte die ehemalige Rinderstadt gegen Mittag zu erreichen. Ihr Ehemann Eric war daheim auf der Ranch am Stony Lake geblieben. Er war in der Scheune von der Leiter gefallen und hatte sich ein Bein gebrochen.
Jammerschade, dass er sie nicht zur Hochzeit ihrer Freundin begleiten konnte. Bonny heiratete einen Arzt, der fast doppelt so alt war wie sie. Es hieß, dieser Doc Weston sei eine verdammt gute Partie.
Mary seufzte. Bonny als Ehefrau eines Arztes! Für einen Moment spürte sie einen Anflug von Neid. Sie fuhr den Wagen vom Trail auf einen schmalen Waldweg. Nur noch wenige Meilen bis Wichita; in knapp drei Stunden würde sie ihre Freundin wiedersehen.
Doch es sollte anders kommen ...
Das Wäldchen lag hinter ihr, sie war in dem alten Amüsierviertel angekommen, Goffin Springs, jetzt eine von Menschen verlassene Geisterstadt. Indian Summer. Wie ein riesiger Baldachin spannte sich der azurblaue Kansas-Himmel über die herbstlichen Great Plains. Auf beiden Seiten der Straße verfallene Holzhäuser und rauchgeschwärzte Steinruinen. Früher Saloons, Bordelle, Gemischtwarenläden, Spielhallen und billige Absteigen für vergnügungssüchtige Cowboys und Glücksritter aus aller Welt. Stoßweise wehte der Wind welke Blätter über die Überreste der hölzernen Gehsteige und die von Spurrillen zerpflügte Mainstreet. Hier und da waren Laubhaufen angeweht, jede Menge Abfall dazwischen.
Der Kutschwagen stuckerte quietschend von einem Schlagloch zum anderen. Mary passte die Geschwindigkeit dem welligen Untergrund an. Im Schritttempo lenkte sie das Gespann die lange Hauptdurchgangsstraße entlang. Die Ansammlung der leeren Häuser war ihr unheimlich. Sie kam sich vor, als sei sie der letzte Mensch auf der Welt.
Prompt kroch ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Zu seiner Glanzzeit war Goffin Springs ein pulsierendes Städtchen gewesen, eine Art Vorort von Wichita. Jetzt glich es einem Friedhof. Mary rüttelte die Zügel und spornte den Rotbraunen zu einer schnelleren Gangart an.
Nach einer Weile kam das ehemalige Fun-House in Sicht. In diesem Bordell hatte Madam Perron ihr einstmals Bonny McCain vorgestellt. Der Anblick des zweistöckigen Gebäudes mit seiner abgeblätterten Prunkfassade, den scheibenlosen Fenstern und dem kaputten Schindeldach weckte nostalgische Gefühle in Mary.
Einem jähen Impuls folgend, brachte sie den Wagen zum Stehen und zog die Handbremse. Nach den vielen Stunden auf dem Kutschersitz taten Mary alle Knochen weh. Aber sie ignorierte die Schmerzen und schwang sich kraftvoll vom Fahrerbrett. Sie klopfte sich den Staub aus den Rockschößen und lockerte ihre vom Sitzen steif gewordenen Glieder.
Dann stapfte sie zum Eingang des einstigen Sündenpfuhls.
Die Pendeltüren des Fun-House hingen schief in den Angeln. Das Holzschild über der zweiflügligen Eingangstür war mit obszönen Krakeleien beschmiert. Ekelhaft, was für ein scheußlicher Gestank aus dem Hausinneren strömte! Es roch nach Aas, Fäkalien, Moder, Verwesung und Tod.
Angewidert hielt sich Mary ihren Schal vor Mund und Nase.
Sie zögerte. Schließlich gab sie sich einen Ruck und trat näher an den Eingang. Auf der Schwelle lag eine tote Ratte mit aufgeschlitztem Leib. Mary überwand ihren Ekel und machte einen großen Schritt über den Kadaver hinweg.
Nach drei Schritten blieb sie stehen. Ihre Gedanken eilten in die Vergangenheit. Genau wie Bonny war sie damals eine Prostituierte gewesen, die hier ihre Freier empfangen hatte. Sie war sehr beliebt bei den Männern, denn sie gehörte nicht zu den Liebesengeln, die wie Totholz auf der Matratze lagen, wenn sie für einen Kunden Luft an ihren Hintern ließ.
Mary spähte zur Treppe hinüber, die hinauf zur Galerie führte. Dort oben, hinter dem Geländer auf dem Gang, lag das Zimmer, in dem sie Eric kennengelernt hatte. Zwischen ihnen hatte es sogleich gefunkt. Er war damals Weidereiter und Treckführer auf einer Ranch in Texas gewesen und hatte eine Herde Rinder über den Chisholm Trail zu den Verladestationen nach Wichita gebracht.
Doch Eric ging nicht mehr nach Texas zurück, er blieb bei ihr. Hals über Kopf hatte er sich in sie verliebt. Es machte ihm nichts aus, dass sie ihre Bucks im horizontalen Gewerbe verdiente. Von seinen Ersparnissen erwarb er eine kleine Ranch am malerischen Stony Lake, unweit des Arkansas River. Nachdem er sich dort häuslich eingerichtet hatte, erschien er eines Tages im Fun-House und fragte sie, ob sie seine Frau werden wolle. Nicht eine Sekunde hatte sie mit der Antwort gezögert. Madam Perron, die Bordellchefin, hatte verrückt gespielt, als sie, Mary, ihren Job Knall auf Fall kündigte. Aber die Würfel waren gefallen, endgültig. Mary hatte diese Entscheidung bis heute nicht bereut, ganz im Gegenteil.
Gedankenverloren strich sie über ihren leicht gewölbten Bauch, in dem ein Kind heranwuchs. Eric wusste noch nichts von der Schwangerschaft. Sie wollte es ihm erst sagen, wenn sie vollkommen sicher war.
Plötzlich schrak Mary zusammen. Irgendwo, ganz in der Nähe, erklangen dumpfe Geräusche. Sie spitzte die Ohren und glaubte, Stimmen zu hören.
Sie kamen aus dem Bereich, der früher als Gastraum für die Frühstücksgäste diente. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Tür zu diesem Nebenzimmer fast unversehrt und nur angelehnt war.
Mary neigte den Kopf und lauschte angestrengt. Aber es war nichts zu verstehen, außer tiefen Basstönen, rauhalsige Männerstimmen. Sie überlegte, ob es nicht besser war, das Haus schleunigst zu verlassen. Immerhin wusste sie nicht, wer diese Männer waren. Im Grenzland westlich des Mississippi trieben sich zahllose Desperados herum, denen man besser nicht in die Quere kam. Sie war allein und trug im Moment keine Waffen bei sich. Ihr Pocket-Colt und die Winchester hatte sie hinter der Lehne der Kutscherbank deponiert.
Sekundenlang zögerte sie, die Furcht und die Neugierde kämpften miteinander. Wer mochten die Typen sein, die sich hier, mitten in einer gottverlassenen Geisterstadt, eingefunden hatten? Zu Holen gab es hier schon lange nichts mehr. Und wo zum Kuckuck waren die Pferde dieser Männer? Auf der Mainstreet jedenfalls nicht. Dass sie zu Fuß hierher gekommen waren, glaubte sie nicht.
Mary verspürte ein leichtes Schaudern und atmete langsam durch. Tief in ihrem Inneren ertönte eine warnende Stimme: »Dreh dich um, steig auf den Wagen und mach, dass du nach Wichita kommst!«
Trotzig stemmte sich Mary der Warnung entgegen.
Sie liebte Nervenkitzel und brachte sich manchmal durch eigenes Verschulden in grenzwertige Situationen. Eric schüttelte dann immer den Kopf, wenn sie solch einen Anfall hatte. Er war auch dagegen gewesen, dass sie ohne Begleitung nach Wichita fuhr, aber sie hatte ihn so lange bearbeitet, bis er sein Okay gegeben hatte.
Mary starrte auf die Tür und merkte, wie ihre Neugierde mit jedem Atemzug wuchs. Ehe sie sich versah, setzten sich ihre Beine in Bewegung. Ganz dicht an der Wand entlang pirschte sie in Richtung Frühstücksstube. Auf halbem Weg trat sie auf eine morsche Diele, die ihr Gewicht mit einem lauten Knacken quittierte.
Vor Schreck schlug ihr Herz wie das einer Maus.
Eine beängstigende Vision überkam sie: Sie erblickte sich selbst in einem schmutzigen und blutbefleckten Kleid, an einen Stützpfeiler gefesselt. Das Haar hing ihr wirr und struppig um den Kopf. Vor ihr zwei schmutzverkrustete Outlaws, die sie mit bösen Augen anglotzten.
Im nächsten Augenblick verblasste die Fantasie und verschwand. Humbug! Mary straffte ihre Gestalt und biss die Zähne zusammen. Sie war eine erwachsene Frau und kein verängstigtes Kind mehr.
»Fahr weiter«, wisperte die Stimme in ihr.
Sie ignorierte die Warnung ein weiteres Mal. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und ein wohliges Kribbeln durchfuhr sie. Vorsichtig wie ein Dakota auf Pumajagd schlich sie zu der angelehnten Verbindungstür. Ihre Sinne hatten sich auf geheimnisvolle Weise geschärft. Deutlich konnte sie die Stimmen nebenan unterscheiden.
»Well, dieser Coup in Wichita wird unser letzter sein«, sagte ein Mann mit texanischem Akzent. »Für jeden von uns werden mehr als zweitausend Dollar herausspringen.«
Jemand pfiff leise durch die Zähne.
»Eine Menge Schotter«, sagte ein Mann, dessen Stimme irgendwie piepsig klang. »Wenn ich die grünen Scheinchen in meiner Brieftasche habe, kaufe ich mir ein Ticket für den Denver Express und lass mich im Pullman von vorn und hinten bedienen.«
»Da komme ich mit«, meinte ein Dritter.
Mary starrte gebannt auf die Tür. Durch den Spalt quoll ein Schwaden bläulichen Tabakrauchs, der sich zu einer Wolke formte und gegen die Decke zog. Sie schnupperte. Die Kerle rauchten sündhaft teure Zigarren.
»Es darf nichts schiefgehen«, fuhr der Texaner fort. »Nur wenn wir uns exakt an den Plan halten, geht die Schose reibungslos über die Bühne.«
Beifälliges Gemurmel.
Marys Herz schlug schneller. Jetzt stand es fest: Hinter der Tür hielten sich keine rechtschaffenen Bürger auf, sondern abgefeimte Banditen. Gesetzlose, die ein Verbrechen begehen wollten: einen Raubüberfall in Wichita.
»Mach, dass du wegkommst!«, riet die Stimme in ihr. »Gott im Himmel! Mary, worauf wartest du? Lauf, so schnell du kannst!«
Ja doch, nur noch 'nen kleinen Moment! Mary trat von einem Bein aufs andere. Sie musste noch mehr erfahren – koste es, was es wolle!
»Ich sehe schon die Schlagzeile im Kansas Courier«, jubelte die Piepsstimme. »Tolldreister Überfall auf die Noyles & Greenfield Bank! Täter entkamen nach tödlichem Feuergefecht mit sagenhafter Beute!«
Mary stockte der Atem.
»Well, es wird ein schwarzer Freitag für Wichita werden«, erklärte der Texaner. »Ein Freitag, an den sich ganz Kansas noch lange erinnern wird.«
Das war's. Jetzt wusste Mary genug. Die Gedanken stoben wie Konfetti durch ihren Kopf. Am Freitag heiratete ihre Freundin Bonny McCain ihren Doktor. Die Feierlichkeit fand im großen Saal des Belvedere Hotel statt. Das Gebäude der Noyles & Greenfield Bank lag nur wenige Yards von dem Hotel entfernt.
Mary hatte ein flaues Gefühl im Magen, doch sie kämpfte dagegen an. Sie fand, es war ein Wink des Schicksals, der sie hierher, in die Ruine des Fun-House, geführt hatte. Jetzt hatte sie Kenntnis von einem Verbrechen, das noch nicht begangen worden war.
Ihre Gedanken überschlugen sich. Gütiger Gott, die armen Menschen. Sie sind völlig ahnungslos. Ich muss sie warnen!
Wie auf Katzenpfoten schlich Mary Wallis den Weg zurück, den sie eben gekommen war. Ungehindert erreichte sie ihren Einspänner. Sogleich nahm sie die Winchester zur Hand, machte das Gewehr schussfertig und legte es griffbereit neben sich.
Ihr Herz schlug wie eine Pauke, als sie die Feststellbremse löste und nach den Zügeln langte. Der Kutschwagen setzte sich ruckweise in Bewegung.
Langsam rollte er dem Ende der Mainstreet entgegen. Dann bog Mary auf den Trail nach Wichita ab, der gut eine Meile direkt neben der Eisenbahnstrecke verlief. Sie warf einen spähenden Blick über die Schulter. Niemand folgte ihr. Vermutlich hatten die Banditen aus dem Fun-House nicht bemerkt, dass sie belauscht worden waren.
Mary wurde gleich leichter ums Herz, doch im nächsten Augenblick geriet ihr Wagen mit dem linken Rad in ein Erdloch.
Es gab einen mächtigen Ruck. Der Wagen bekam Schlagseite. Das Pferd wieherte laut. Mary wurde gegen die Seitenlehne des Kutschersitzes gepresst.
Der Wagen blieb stehen und rührte sich nicht von der Stelle. Es dauerte einige Sekunden, bis Mary den Schock überwunden hatte. Sie sprang ab und betrachtete den Schaden. Das Rad war hin, da bestand nicht der geringste Zweifel. Prompt wurde ihr klar, dass sie ihr Gefährt ohne fremde Hilfe nicht mehr flottbekommen würde.
Es war zum Haareraufen – eine Panne, so kurz vor dem Ziel!
Mary hämmerte mit dem Fuß gegen das zerbrochene Wagenrad. Sie fluchte, so laut sie konnte.
Nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte, kam sie zu dem Entschluss, das Pferd auszuspannen und das letzte Stück nach Wichita zu reiten.
Ohne zu zögern, setzte sie ihr Vorhaben in die Tat um. Sie war gerade beim Ausschirren, als aus Richtung Westen anschwellende Hufschläge ertönten.
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»He, Bonny, lass das!«, rief Doc Weston. »Du bringst mich ganz aus dem Konzept!«
Der Arzt saß an seinem Chippendale-Schreibtisch in der großen Stube und brütete über seinen Aufzeichnungen. Bonny, seine Verlobte, hatte sich lautlos ins Zimmer geschlichen. Übermütig spitzelte sie mit der Zunge an seinem rechten Ohrläppchen.
»Bonny!« Er legte den Kopf auf die Seite. »Jetzt mal im Ernst! Wie soll ich mich konzentrieren, wenn du mich dauernd ablenkst? Unsere Hochzeit steht vor der Tür. Da gibt es noch tausend kleine Dinge zu bedenken. Hast du denn nur Flausen im Kopf?«
»Ja«, antwortete sie und kicherte. »Im Moment schon. Ich glaube, ich habe einen Kasper gefrühstückt, wie man so schön sagt.«
Doc Weston atmete tief durch. Das hat mir gerade noch gefehlt, sinnierte er, Bonny hat wieder mal ihre drolligen fünf Minuten. In diesem Zustand war sie nur schwer zu bändigen, meistens gar nicht.
»He, Doc, sieh mich doch mal an«, lockte sie mit einschmeichelnder Stimme. »Bringst du es tatsächlich übers Herz, deine hübsche Braut so kurz vor der Trauung mit Nichtachtung zu strafen?«
Er starrte auf das Blatt Papier, das vor ihm lag: die Gästeliste für die Hochzeitsfeier im Belvedere Hotel in Wichita. Knapp hundert Namen standen auf dem Schriftstück. Schon übermorgen, am Freitag, war es so weit. Der lang erwartete große Tag. Die Gäste, denen sie eine Einladung geschickt hatten, kamen von überall her, sogar Bonnys Tante aus Baltimore rückte an. Vielleicht kam auch Marjorie, seine Tochter, die mit dem Sohn des Präsidenten verheiratet war. Letztes Jahr war sie Mutter geworden, das kleine Mädchen hieß Alice.
Doc Weston sandte einen verzückten Blick auf den Ständer mit dem Kinderporträt auf der verschnörkelten Konsole des Sekretärs. Marjorie hatte ihm geschrieben, dass Little Alice letzte Woche die ersten Schritte getan hatte.
Ein wohliger Seufzer kam über seine Lippen, doch seine lebenslustige Gefährtin zwang ihn, seine Gefühle jäh zu wechseln.
»Doktor Ben!« Bonny strich ihm mit gespreizten Fingern durch den Haarschopf. Dabei kam sie an einen Bügel seiner Brille, die ihm prompt auf die Nasenspitze rutschte. »Doktor Ben, ich finde es nicht nett, dass du dem Papierzeugs mehr Aufmerksamkeit widmest als deiner geliebten Bonny.«
Doc Weston rückte sein Sehglas zurecht. Es half nichts, er musste sich den Wünschen seiner zukünftigen Gattin fügen. Die Gästeliste konnte er vorläufig vergessen. Bonny brauchte Zuwendung. Sie würde keine Ruhe geben, bis sie bekam, was sie wollte. Er kannte sich da aus.
Weston wandte den Kopf – und riss die Augen auf. »Bo... Bonny«, murmelte er.
Seine Verlobte drehte sich leichtfüßig um die eigene Achse. Bonny war so gut wie nackt, denn das durchsichtige Dingsda, was ihren Körper bedeckte, war kaum der Rede wert.
Ehe er sich versah, plumpste Bonny auf seinen Schoß. »Nimm deine Brille ab!« Mit diesen Worten stellte sie einen kleinen Flakon Öl neben den Schreibtisch.
Weston ahnte, was auf ihn zukam. »Es ist heller Tag, Schatz«, wandte er ein.
»Na und?« Sie küsste ihn auf die Nase. »Ich mag es, wenn es hell ist, wenn ich dich vernasche.«
Holy spirit! Doc Weston schluckte schwer. Er war noch nicht ganz bei der Sache. Der Umschwung von der Planung der Hochzeitsfeier zu Bonnys amourösen Bekehrungsversuch war doch ziemlich krass.
Plötzlich spürte er Bonnys ungestüme Zunge im Mund. Heiliges Kanonenrohr! Er schloss die Augen. Nur zögerlich erwiderte er den Kuss.
Aber je länger die Zungenakrobatik dauerte, desto mehr Gefallen fand er daran. Alsbald waren die Gästeliste und das süße Bild seiner Enkelin aus seinem Fokus verschwunden. Was Küssen betraf, war Bonny die Expertin schlechthin. Weston wölbte seine Hände um Bonnys kugeligen Busen und drückte ihn sanft. Er fühlte die spitzen Warzen unter dem dünnen Stoff. Behutsam zupfte er zuerst an der linken, dann an der rechten.
Das gefiel Bonny, und sie seufzte leise.
Als Weston einen Tick fester zupackte, seufzte sie lauter. Unwillkürlich fühlte er sich an das Schnurren eines zufriedenen Kätzchens erinnert.
Schließlich trennten sich ihre Lippen voneinander. Sie sahen sich an und schnappten gierig nach Luft.
»Du hast schon viel von mir gelernt, Doktor Ben«, erklärte Bonny gönnerhaft. »Als wir das erste Mal übereinander herfielen, warst du nur ein verdammt mittelmäßiger Zungenküsser.«
»Ich musste mich eben erst an dich gewöhnen«, gab er zu bedenken. »Brauche eine gewisse Anlaufzeit zum Warmwerden.«
»Ja, da ist was dran!« Bonny stemmte sich lachend in die Höhe. »Komm rüber zum Chaiselongue. Das mit der Anlaufzeit überlasse einfach mir.«
Er wischte sich über die Augen. »Wie denkst du dir das? Was ist, wenn ein Patient kommt, und ich, der Doktor, wälze mich mit dir auf der Couch.«