Lassiter 2737 - Tom Hogan - E-Book

Lassiter 2737 E-Book

Tom Hogan

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Beschreibung

Dan Rigby knöpfte seine Jacke zu und baute sich neben der Tür zum Gefängnishof auf. Er überprüfte noch einmal seine Winchester Carbine. Die Waffe war schussbereit. Lee Walters, Rigbys Wärterkollege, hatte ebenfalls Position bezogen. Gleich würde der Riegel an der Doppeltür zum Hof zurückgleiten. Zwei Aufseher würden die Gefangenen zum Hofgang eskortieren. Unter den Häftlingen befand sich der geheimnisvolle Mann, der seit drei Tagen in einer Einzelzelle in Block C einsaß. Es hieß, der Typ hätte seinen Lebensunterhalt mal als Kopfgeldjäger bestritten und eine Menge übler Gesellen hinter Gitter gebracht. Jetzt war er selbst im Jail gelandet. Heute durfte er zum ersten Mal an die frische Luft - gemeinsam mit zwei Kerlen, die zu der Bande gehörten, die er bei einem spektakulären Schusswechsel im La Plata County aufgerieben hatte. Die Türen sprangen auf, und Dan Rigby atmete tief durch. "Gott mit dir, Lassiter", murmelte er.


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Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Die Nonnen von Durango

Vorschau

Impressum

Die Nonnen von Durango

von Tom Hogan

Dan Rigby knöpfte seine Jacke zu und baute sich neben der Tür zum Gefängnishof auf. Er überprüfte noch einmal seine Winchester Carbine. Die Waffe war schussbereit.

Lee Walters, Rigbys Wärterkollege, hatte ebenfalls Position bezogen.

Gleich würde der Riegel an der Doppeltür zum Hof zurückgleiten. Zwei Aufseher würden die Gefangenen zum Hofgang eskortieren.

Unter den Häftlingen befand sich der geheimnisvolle Mann, der seit drei Tagen in einer Einzelzelle in Block C einsaß. Es hieß, der Typ hätte seinen Lebensunterhalt mal als Kopfgeldjäger bestritten und eine Menge übler Gesellen hinter Gitter gebracht. Jetzt war er selbst im Jail gelandet. Heute durfte er zum ersten Mal an die frische Luft – gemeinsam mit zwei Kerlen, die zu der Bande gehörten, die er bei einem spektakulären Schusswechsel im La Plata County aufgerieben hatte.

Die Türen sprangen auf, und Dan Rigby atmete tief durch. »Gott mit dir, Lassiter«, murmelte er.

Rigbys Herz schlug ein paar Takte schneller. Mechanisch packte er sein Gewehr fester.

Zwei Wärter traten hinaus auf den mit hohen Mauern umsäumten Hof. Sie hakten die offenen Türen fest und postierten sich links und rechts neben dem Ausgang.

Der erste Gefangene, der zum Vorschein kam, war King Gilberto, ein stämmig gebauter Mann mit wild wucherndem Bart, Geiernase und tückisch blitzenden, schwarzen Augen. Als er an Rigby vorbeikam, sammelte er Spucke im Mund und spie eine Ladung auf die hartgebackene Erde. Nur wenige Inches von Rigbys auf Hochglanz polierten Stiefeln entfernt.

Gemächlich spazierte Gilberto zur rückwärtigen Einfriedung des Platzes.

Im Gänsemarsch tappten vier weitere Häftlinge ins Freie. Geblendet blinzelten sie gegen die Sonne. Angeführt wurden sie von dem Vierschrot Westcott, der einstmals zu King Gilbertos Bande gehört hatte. Die zwei waren die einzigen, die bei der Auseinandersetzung mit dem schussgewaltigen Manhunter mit dem Leben davongekommen waren.

Rigby runzelte die Stirn. Er fragte sich, warum der Gefängnisdirektor Lassiter, Gilberto und Westcott gemeinsam zum Hofgang eingeteilt hatte. Der Grund für diese Entscheidung war nicht erläutert worden. In Fort Crabb kursierte jedoch das Gerücht, dass Mr. Bullock, der Direktor, mit dem inhaftierten Kopfgeldjäger eine persönliche Rechnung offen hatte.

Rache?

In diesem Augenblick betrat Lassiter den Hof.

Rigby sah, dass der Mann unbekümmert Umschau hielt. Offenbar hatte er keine Ahnung davon, was ihn heute erwartete. Er schlenderte scheinbar teilnahmslos ein paar Schritte an der Mauer entlang. Hin und wieder warf er einen Blick zu den beiden Wachtürmen hinüber, hinter denen sich die majestätischen Berggipfel der San Juan Mountains gegen den Colorado-Himmel reckten.

Phil Mottram, einer der Wärter, der die Häftlinge hinausgeführt hatte, winkte dem anderen. Die beiden tuschelten kurz miteinander.

Dann kamen sie zu Rigby.

»Befehl von oben«, sagte Mottram. »Wir sollen uns zurückziehen.«

»Wie? Was?« Rigby starrte ihn ungläubig an. »Zurückziehen? Heißt das, wir sollen die schweren Jungs allein auf dem Hof lassen?«

»Yeah.«

»Das gefällt mir nicht«, ereiferte sich Rigby. »King Gilberto und Lassiter sich selbst überlassen? Die beiden sind nicht gerade das, was man gute Freunde nennt.«

Mottram hob die Achseln. »Und wenn schon. Ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Anweisung von Bullock. Wir müssen tun, was er uns befohlen hat.«

Rigby spähte zu den Gefangenen hinüber. Scheinbar gleichgültig spazierten sie auf dem Hof umher. King Gilberto tat, als könnte er kein Wässerchen trüben. Er plauderte mit einem Mithäftling, der in Durango wegen einer Lappalie zwei Bergarbeiter aus Silverton erschossen hatte. Lassiter schlenderte langsam an der Mauer entlang.

»Na los!«, drängte Mottram. »Lass uns abzischen!«

In Rigby regte sich Trotz. »Ich bleibe«, sagte er knapp.

»Versau dir's nicht mit Bullock«, warnte Mottram. »Du kennst den Alten ja. Wenn ihm was gegen den Strich geht, kann er ganz schön sauer werden.«

Das wusste Rigby, aber er blieb stur. »Dann ist es so.«

»Dein letztes Wort?« Mottram blinzelte nervös.

Rigby nickte entschlossen.

Daraufhin verschwanden die drei Wärter im Haus und sperrten hinter sich ab.

King Gilberto wandte den Kopf, als er hörte, wie die Flügeltüren zuschlugen. Ganz ohne Eile bewegte er sich auf den Kopfgeldjäger zu. Lassiter stand da und schien selbstvergessen in den Anblick eines Berggipfels vertieft.

Rigby spürte, dass etwas in der Luft lag. Drohendes Unheil. Sein Herz wummerte wild. Auch die übrigen Hofgänger hatten sich dem Kopfgeldjäger zugewandt. Vermutlich warteten sie auf das vereinbarte Zeichen ihres Anführers.

Lassiter gab seinen Beobachtungsposten auf und ging wieder ein paar Schritte. Die Hände lässig in den Taschen, versperrte Gilberto ihm den Weg.

Rigby spitzte die Ohren.

»Ich kenne dich«, sagte Gilberto zu dem Manhunter. »Aber ich weiß nicht mehr genau, wo wir uns begegnet sind. Hilf mir mal.«

Es entstand eine Pause. Rigby hielt den Atem an. Natürlich hatte Gilberto den Manhunter längst erkannt. Er spielte ein Spielchen.

»La Plata County«, sagte Lassiter ruhig. »Vor drei Jahren.«

Gilberto nahm die Hände aus den Taschen. »Du erinnerst dich also an mich?«

»Ja, ich war hinter dir her. Du hattest mit deinen Männern eine Bank ausgeraubt und auf der Flucht zwei unschuldige Menschen erschossen. Für eure Ergreifung war eine hübsche Belohnung ausgesetzt. Die habe ich mir geholt.«

Die Worte hatten ganz ruhig geklungen, aber Gilbertos Gesicht verzerrte sich zu einer Maske des Schreckens.

»Du hast meine Jungs kaltblütig abgeknallt«, stieß er rauhalsig hervor. »Nur Westy und ich sind mit dem Leben davongekommen.«

In diesem Augenblick stellte sich Westcott zu den beiden. »Der Saukerl hat uns hierher nach Fort Crabb gebracht, und jetzt verhöhnt er uns noch obendrein.«

»Falsche Antwort.« Lassiter blieb die Ruhe in Person. »Dachtet ihr, euch würde ein Orden umgehängt, dafür, dass ihr eine Bank geplündert und zwei Menschen umgelegt habt?«

King Gilberto rührte sich nicht vom Fleck. Er sah Westcott an, und der ihn.

Gleich platzt die Bombe, sagte sich Rigby. »He, ihr da!«, rief er und hob das Gewehr. »Geht auseinander und bewegt euch ein bisschen! In zwanzig Minuten ist der Hofgang vorbei und ihr müsst zurück in eure Apartments!«

Die Häftlinge reagierten nicht auf seinen Hinweis. Sie umkreisten den Kopfgeldjäger wie ein Rudel Wölfe. Er wollte an Gilberto vorbeigehen, doch der versperrte ihm den Weg. Lassiter sagte etwas zu ihm, allerdings so leise, dass Rigby es nicht verstehen konnte.

Gilberto prallte zurück, als wäre er mit vollem Tempo gegen eine Barriere geprallt. Vor Wut japste er wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Der vierschrötige Westcott trat einen Schritt näher. »Unser Freund Lassie bettelt um Schläge«, raunte er. »Er glaubt, er kann hier die große Lippe riskieren. Aber da ist er bei uns an der falschen Adresse.«

Jetzt wurde es gemischt! Rigby wollte sich gerade in Bewegung setzen, als er einen schrillen Pfiff hörte. Er wandte den Kopf und erkannte Bullock auf dem vorderen der Wachtürme. Der Direktor gestikulierte wild. Rigby verstand, was die Gestik bedeutete. Er sollte sich nicht einmischen.

In diesem Augenblick riss Westcott die Faust hoch, um Lassiter einen Schlag ins Gesicht zu versetzen. Doch der Hieb verfehlte sein Ziel. Im Stil eines Pumas war Lassiter katzenartig zur Seite gewichen. Seine Rechte zuckte vor wie ein abgeschossener Pfeil und traf den Angreifer mit unerhörter Wucht im Brustbereich.

Westcotts Mund sprang auf. Er schien sich von einem Ohr zum anderen zu dehnen. Lassiter glitt zurück und sah zu, wie sein Rivale vor ihm um Atem ringend auf den Boden sank.

Mit einem Wutschrei stürzte sich Gilberto auf seinen Widersacher.

Rigby trat nervös von einem Fuß auf den anderen.

Es dauerte nur wenige Sekunden, und der King teilte das Schicksal seines Kumpans. Wie ein getretener Wurm krümmte er sich vor den Füßen des schlagkräftigen Kopfgeldjägers.

»Macht ihn alle!«, keuchte er. »Worauf wartet ihr Deppen?«

Die übrigen Häftlinge rückten ein Stück vor. Sie nahmen Lassiter in ihre Mitte.

Rigby stand wie auf Kohlen. Am liebsten wäre er dazwischen gegangen. Aber das wäre eine Missachtung des Direktors gewesen. Er spähte zu dem Wachturm hinüber. Bullock sprach gerade mit einem Wärter. Im nächsten Moment verschwand er aus Rigbys Sicht.

Wenig später sprangen die Flügeltüren auf. Drei Wärter rannten auf den Hof, alle mit Gewehren in den Händen. Mottram, der das Trio anführte, rief aus vollem Halse: »Sofort aufhören! Alle auseinander!«

Um sein Kommando zu unterstreichen, gab er einen Warnschuss ab.

Gilberto, Westcott und die anderen glotzten verständnislos auf den Mann mit der rauchenden Winchester.

Auch Rigby hatte keinen Schimmer, was hier ablief. Wie es aussah, hatte sich Direktor Bullock das Ganze in letzter Sekunde nochmal überlegt.

Wie kam es zu diesem plötzlichen Sinneswandel? Rigby war das völlig schleierhaft.

Lassiter wurde von zwei Aufsehern in das Gebäude eskortiert. King Gilberto und Westcott stemmten sich mühsam in die Höhe. Beide hatten gehörig Schlagseite. Ein Wärter schubste sie mit dem Gewehrlauf vor sich her, bis sie im düsteren Gang des Hauses untertauchten. Der andere Wachmann geleitete die restlichen Gefangenen vom Hof.

Als Letzter ging Rigby ins Gebäude.

Bis auf Lassiter wurden alle Häftlinge in ihre Unterkünfte gebracht. Der Manhunter verschwand mit seinen zwei Bewachern aus dem Zellenbereich.

Rigby war das unbegreiflich. Er nahm Mottram beiseite und fragte, was hier los sei.

»Da hat jemand Sehnsucht nach unserem Nesthäkchen«, sagte der kopfschüttelnd. »Eben ist die Nachricht aus Denver reingekommen. Tod und Teufel! Dieser Lassiter wird mir immer unheimlicher.«

Rigby sah das genauso. »Von wem war denn die Nachricht?«, hakte er nach.

Mottram senkte die Stimme. »Vom Gouverneur, höchstpersönlich.«

»Ich mache da nicht mit«, sagte Adelind.

»Und ob du mitmachen wirst«, erwiderte ihre ältere Schwester Juliet. »Jetzt ist keine Zeit für deine Befindlichkeiten.«

Adelinds jüngere Schwester, Nora, bedachte Juliet mit einem raschen Blick und sagte: »Wenn Lindy Fracksausen hat, ziehen wir den Coup eben zu zweit durch.«

Die drei Schwestern waren knapp bei Kasse. Die letzten Dollars hatten sie am Vortag im Last-Chance-Saloon verzockt. Jetzt befanden sie sich in ihrer Unterkunft in Durango. Eine winzige Kammer im Anbau eines Geschäftshauses, nur einen Steinwurf vom Animas River entfernt. Die Einrichtung des Zimmers bestand aus zwei Pritschen, einem Klapptisch Marke Eigenbau und einer klobigen Bauerntruhe, in dem die Kleidung der drei Bewohnerinnen lagerte. Neben einer geschnitzten Bücherkonsole hing ein ovaler Spiegel, an dessen Rahmen ein vergilbtes Hochzeitsfoto ihrer Eltern prangte. Aus Platzmangel mussten sich Adelind und Nora eine Schlafgelegenheit teilen. Das kleine Fenster ging auf den mit Müllkübeln und Holzmieten bedeckten Hinterhof hinaus. In der Ferne erblickte man einige Gipfel der wildromantischen Rocky Mountains.

Adelind zog einen Flunsch. »Ich mache diesmal nicht mit«, sagte sie störrisch.

»Hör auf zu zicken, Lindy«, wies die Ältere sie zurecht. »Wir brauchen Zaster, und zwar so schnell wie möglich.«

»Das stimmt«, meinte Nora. »Die Miete für unsere Royal Suite ist längst überfällig. Wenn wir morgen nicht zahlen, jagt uns Tarwater aus dem Haus.«

Bud Tarwater war der Vermieter, ein schmieriger Typ, der ihnen dauernd auf den Busen glotzte. Einmal hatte der alte Bock versucht, Nora anzugrapschen, aber da war er an die Falsche geraten. Mit zwei kräftigen Backpfeifen hatte sie ihm die Wollust ausgetrieben. Seitdem hütete sich der Wirt, den Schwestern zu nahe auf die Pelle zu rücken. Er begnügte sich mit verstohlenen Blicken.

»Erzähl von deinem Plan, Sweety«, sagte Nora.

Juliet schob einen aufgeschlagenen Heftroman zur Seite und setzte sich auf die Bettkante. Einen Augenblick lang betrachtete sie ihre Schwestern. Die hübsche Adelind mit ihrem langen blonden Haar, die exotisch wirkende Schönheit Nora mit ihrem leicht frivolen Busenschaufenster. Nach einem leisen Seufzer warf sie einen kurzen Blick in den Spiegel, und was sie darin sah, konnte sich ebenso sehen lassen.

»Also, Mädels«, verkündete sie. »Um es kurz zu machen: Ich weiß, wo wir ein paar Bucks erbeuten können. Ohne großes Risiko. Ein Gemischtwarenladen in der El Paso Street.«

»Jonker's Grocery Store?«, fragte Nora.

»Genau.« Juliet nahm das Romanheft und tippte auf das Titelbild. »Wir machen es genauso wie Jesse James in diesem Schmöker.«

»Jesse James?« Adelind hob die Brauen. »Ist der nicht unlängst gegen eine Bleikugel gerannt?«

Juliet nickte. »Ja, in St. Joseph, Missouri, aber das spielt jetzt keine Rolle. Die Story in dem Roman hier hat sich doch ein Schreiberling ausgedacht. Er benutzt nur Jesses Namen. Eine schöne Anleitung, wie man einen Einbruch begeht, ohne erwischt zu werden.«

»Ich mache da nicht mit«, wiederholte Adelind.

Juliet überhörte den Einwurf. »Sobald es dunkel ist, machen wir uns auf die Strümpfe. Ich weiß, wo Old Jonkers seine Tageserlöse bunkert, bevor er sie anderntags zur Bank bringt: in einer Kassette im Kabuff neben der Lagerhalle. Das Schloss der Halle habe ich mir schon angesehen.« Sie lachte. »Mit meinem Dietrich keine große Hürde. Wir schnappen uns die Kassette, bringen sie hierher und brechen sie in aller Ruhe auf. Mit den Moneten bezahlen wir die Miete und die Schulden, die sich angehäuft haben. Bestimmt bleiben noch ein paar Bucks übrig, um im Last-Chance oder im Horse-Gulch einen draufzumachen.«

Adelind ringelte sich eine Haarsträhne um den Finger. »Und so hat es Jesse James auch gemacht? Die Kassette einer Grocery stibitzt? Das glaube ich nicht. Mit solchen Kinkerlitzchen hat er sich wohl kaum abgegeben.«

»Wie auch immer«, fuhr Juliet fort. »Wir werden das Ding drehen und fertig.« Sie sah die Jüngste forschend an. »Oder hat du einen besseren Vorschlag, woher wir ein paar Scheinchen kriegen können, um über die Runden zu kommen?«

Es entstand eine Pause.

Adelind kniff die Augen zusammen. »Mayfair, dem das Hotel in der River Street gehört, ist scharf auf dich, Nora. Er steht auf glutäugige Bettspringer mit ordentlich Holz vor der Hütte. Das pfeifen die Spatzen von den Dächern. Wenn du zu ihm gehst und Luft an deinen Hintern lässt, springt sicher mehr dabei heraus als so eine Tageseinnahme von Jonkers Kramladen.«

»Mit Mayfair in die Kiste springen?« Nora rollte mit den Augen. »Nie im Leben! Ehe springe ich vom Wetterhorn Peak ins tiefste Tal. Und überhaupt, für was hält's du mich, Lindy? Für eine männertolle Sidewalkdohle?«

Juliet sagte lieber nichts dazu. So falsch lag Adelind nun auch wieder nicht. Nora war für ihre amourösen Abenteuer bekannt. Seit sie letztes Jahr in Durango Quartier bezogen hatten, war sie bestimmt schon mit einem halben Dutzend Adamsjünger ausgegangen.

Adelind griff nach dem Jesse James-Roman und blätterte darin. Dann, ganz unvermittelt, warf sie das Heft auf das Bett und ging zu der Truhe. Sie hob den Deckel, griff tief hinein und brachte den Chormantel einer Nonne zum Vorschein.

»Was zum Geier willst du denn mit diesem Fummel?«, fragte Juliet.

In Adelinds Augen blitzte Schalk. »Wie wär's, wenn wir uns als Nonnen ausstaffieren? Ihr wisst, wir haben noch die drei Trachten, die unsere Vormieter hier liegen gelassen haben. Die Nonnen, die aus dem Kloster desertiert sind, um als Amüsiergirls zu arbeiten. Wir ziehen den Jonkers-Coup in Nonnentracht durch. Falls es bei der Aktion wider Erwarten doch einen Augenzeugen gibt, wird man uns nie mit diesem Einbruch in Verbindung bringen.«

Nora schüttelte den Kopf. »Du hast ja nicht mehr alle, Schwesterchen. Die Lennox-Schwestern als fromme Nonnen. Pah – da lachen ja die Hühner! In diesem Kostüm kriegen mich keine zehn Pferde auf die Straße.«

»Du hast keine Fantasie«, gab Adelind zurück. »Ist doch alles nur ein Jux. Stelle dir doch mal die Schlagzeile im Colorado Express vor: NONNEN PLÜNDERN GROCERY AUS. POLIZEI STEHT VOR EINEM RÄTSEL.« Sie brach in übermütiges Gelächter aus.

»Übergeschnappt!«, rief Nora aus. »Du hast ja einen Tick unterm Pony! So einen Blödsinn habe ich noch nie gehört!«

Juliet hingegen fand den Gedanken gar nicht so abwegig. Natürlich, es war ziemlich albern, in so einer Maskerade herumzulaufen. Das Tragen der Habit sollte man doch den echten Novizinnen und Nonnen überlassen. Dennoch fand sie das Ganze höchst amüsant.

Nach kurzem Zögern entnahm sie der Truhe eine Kukulle mit Kapuze und beäugte sie kritisch. Dann trat sie vor den Spiegel.

Bedächtig strich sie ihr langes, braunes Haar zurück und stülpte sich das Teil auf den Kopf.

Nora war fassungslos. »He, Julie!«, rief sie entsetzt aus. »Das kann doch nicht dein Ernst sein. Du willst doch nicht tatsächlich auf Adelinds Unsinn eingehen?!«